Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein Unternehmen für die Herstellung von Transportbeton. Auf ihren Antrag gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) stehenden Bescheiden in den Kalenderjahren 1988 bis 1990 Investitionszulagen nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes 1987 (BerlinFG 1987) für die Anschaffung von mehreren Betontransportmischern (Fahrmischer).
Auch für das Kalenderjahr 1991 beantragte die Klägerin eine (erhöhte) Investitionszulage nach § 19 Abs. 3 Nr. 1 a BerlinFG 1990 in Höhe von 15 v.H. für die Anschaffung von 17 Fahrmischern. Hiervon abweichend gewährte das FA der Klägerin auf die angeschafften Fahrzeuge lediglich eine Investitionszulage in Höhe von 7,5 v.H. mit der Begründung, die Fahrmischer seien als LKW anzusehen, für die eine erhöhte Zulage nicht in Betracht komme. Gegen diesen Investitionszulagenbescheid legte die Klägerin Einspruch ein.
Während des Einspruchsverfahrens zeigte die Klägerin dem FA an, dass sie mehrere, in den Investitionszulagenbescheiden für die Kalenderjahre 1988 bis 1991 (Streitjahre) als begünstigte Wirtschaftsgüter berücksichtigte Fahrmischer länger als fünf Monate in den neuen Bundesländern eingesetzt habe. Das FA erließ daraufhin für die Streitjahre geänderte Investitionszulagenbescheide, in denen es die Zulagen entsprechend den Angaben der Klägerin um die Beträge kürzte, die auf die Anschaffungskosten derjenigen Fahrmischer entfielen, die länger als fünf Monate außerhalb von Berlin (West) eingesetzt worden waren.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 264 veröffentlichten Urteil die Auffassung, das FA habe die Investitionszulage für die außerhalb von Berlin (West) eingesetzten Fahrmischer zu Recht zurückgefordert, da diese nicht mindestens drei Jahre im Betrieb der Klägerin in Berlin (West) verblieben seien. Der Förderzweck des BerlinFG, die Stärkung der Konkurrenzfähigkeit der Westberliner Wirtschaft durch den Einsatz moderner Maschinen und Betriebsmittel, erfordere es, dass die Wirtschaftsgüter während des gesamten Drei-Jahres-Zeitraumes in Berlin (West) eingesetzt würden. Die Klägerin habe die Fahrmischer während des Verbleibenszeitraumes innerhalb eines Jahres jeweils für mehr als fünf Monate außerhalb von Berlin (West) eingesetzt.
Mit der Revision macht die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht geltend (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG habe § 19 Abs. 2 Satz 1 BerlinFG 1987 bzw. § 19 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 4 BerlinFG 1990 unzutreffend ausgelegt. Die Auslegung der gesetzlichen Verbleibensvorschrift durch die höchstrichterliche Rechtsprechung sei regelmäßig am Sinn und Zweck des BerlinFG orientiert gewesen. Dieser liege in der Verstärkung der Produktionskraft der Berliner Wirtschaft, die durch den Einsatz moderner Maschinen und Betriebsmittel konkurrenzfähig bleiben solle.
Vor diesem Hintergrund habe der Bundesfinanzhof (BFH) die Verbleibensvoraussetzungen als ”dauerhafte zeitliche und räumliche Bindung” zu einer Berliner Betriebsstätte interpretiert. Diese Interpretation sei auf den historischen Umstand zurückzuführen gewesen, dass die Stadt West-Berlin sich in einer politischen und wirtschaftlichen ”Insellage” befunden habe. Da die Insellage von Berlin (West) nach der Maueröffnung entfallen sei, habe der Gesetzgeber die Berlinförderung stufenweise, ausgerichtet auf die Investitionsförderung im Beitrittsgebiet, abgebaut. Ziel der Berlinförderung sei es sodann gewesen, den Fördervorsprung von Berlin (West) gegenüber dem Ostteil der Stadt und den neuen Bundesländern unter Vermeidung sozialer Härten und struktureller Brüche in der Wirtschaft der Stadt abzubauen. Um eine differenzierte steuerliche Behandlung von Berlin (West) einerseits und des Beitrittsgebiets andererseits zu vermeiden, sei Berlin (West) in die Förderung betrieblicher Investitionen im Beitrittsgebiet einbezogen worden. Sinn und Zweck des BerlinFG hätten somit durch die Wiedervereinigung einen Wandel erfahren. Vor diesem gewandelten Gesetzeszweck sei die Auslegung der Verbleibensvorschrift des § 19 BerlinFG zu modifizieren.
Der sowohl in § 19 Abs. 2 BerlinFG 1987 als auch in § 19 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 BerlinFG 1990 verwandte Begriff ”Berlin (West)” könne zwar geographisch beschrieben werden, sei jedoch vor allem politisch belegt. Auch nach der Wiedervereinigung könne die Region des ehemaligen Berlin (West) nach wie vor geographisch definiert werden, jedoch sei Berlin (West) als wirtschaftlich-politisches Gebilde im bisher verstandenen Sinne mit der Wiedervereinigung verschwunden. Denn der wirtschaftlich-politische Begriff von Berlin (West) sei unlösbar mit der früheren Insellage dieses Stadtteils verknüpft und daher mit dem Wegfall der Mauer nicht mehr im Sinne der früheren Formulierung des BerlinFG konsistent. Aus diesen Gründen müsse eine Auslegung der Vorschrift des § 19 Abs. 2 BerlinFG über den bisherigen Wortlaut hinaus erfolgen. Da das Ziel des BerlinFG nach Auffassung der Klägerin nach der Wiedervereinigung darin bestehe, im Zusammenspiel mit den übrigen Fördermaßnahmen die gesamte Region Ostdeutschland in ein einheitliches Förderkonzept einzubinden, stehe eine örtliche Beschränkung des Einsatzraumes geförderter Wirtschaftsgüter durch eine zu enge Auslegung der Verbleibensvoraussetzungen im Widerspruch zu dem modifizierten Gesetzeszweck. Im Übrigen sei diese erweiterte Auslegung auch nicht nur auf das Streitjahr 1991, sondern auch auf die Streitjahre 1988 bis 1990 anzuwenden, da es sich bei den Verbleibensvorschriften des § 19 BerlinFG um einen gesetzlichen Dauertatbestand handle, der durch sich ändernde Rahmenbedingungen lückenhaft geworden und damit einer veränderten Auslegung zugänglich geworden sei. Die gegenteilige Auffassung des FG in dem angefochtenen Urteil führe dazu, dass Unternehmen, die früher in Berlin (West) Investitionszulagen nach dem BerlinFG erhalten haben, über die dreijährige Verbleibensfrist nach der Wiedervereinigung durch drohende Subventionsrückzahlungen zur unternehmerischen Regungslosigkeit verurteilt würden, obwohl sich ihnen durch die Wiedervereinigung neue Märkte im Umland der Stadt Berlin eröffnet hätten.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und die Investitionszulagenänderungsbescheide für die Streitjahr 1988, 1989 und 1990 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben sowie den Investitionszulagenbescheid für 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu ändern und die Investitionszulage für das Jahr 1991 auf ... DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Gewährung einer Investitionszulage für die außerhalb von Berlin (West) eingesetzten Fahrmischer nicht zustand.
1. Steuerpflichtige i.S. des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) haben Anspruch auf eine Investitionszulage, wenn sie nach den Vorschriften des § 19 Abs. 1 BerlinFG 1987 (bzw. § 19 Abs. 2 BerlinFG 1990) begünstigte Investitionen vornehmen. Begünstigt sind hiernach —unter den in § 19 Abs. 2 BerlinFG 1987 (bzw. § 19 Abs. 2, Abs. 3 BerlinFG 1990) genannten weiteren Voraussetzungen— u.a. die Anschaffung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zu einem Betrieb oder einer Betriebstätte in Berlin (West) gehören und dort verbleiben (§ 19 Abs. 2 Satz 1 BerlinFG 1987 bzw. § 19 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 BerlinFG 1990). Ist diese sog. Zugehörigkeits- oder räumliche Verbleibensvoraussetzung nicht erfüllt, besteht kein Anspruch des Steuerpflichtigen auf eine Investitionszulage; bereits gewährte Investitionszulagen sind zurückzuzahlen (§ 19 Abs. 7 Satz 1 BerlinFG 1987 bzw. § 19 Abs. 6 Satz 1 BerlinFG 1990 i.V.m. § 37 Abs. 2 AO 1977).
2. Im Streitfall sind die Fahrmischer der Klägerin, hinsichtlich derer das FA für die Streitjahre 1988 bis 1990 die gewährte Investitionszulage zurückgefordert bzw. die Gewährung einer Investitionszulage für das Streitjahr 1991 abgelehnt hat, nicht mindestens drei Jahre im Betrieb der Klägerin in Berlin (West) verblieben.
Der Begriff des Verbleibens in § 19 Abs. 2 Satz 1 BerlinFG 1987 bzw. § 19 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 BerlinFG 1990 ist nach dem Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung auszulegen, der in der Verstärkung der Produktionskraft der Berliner Wirtschaft gesehen wird; diese soll durch den Einsatz moderner Maschinen und Betriebsmittel konkurrenzfähig bleiben. Zur Erreichung dieses Förderungszwecks müssen zulagebegünstigte Wirtschaftsgüter während des gesamten Drei-Jahres-Zeitraums in Berlin (West) eingesetzt werden (vgl. Senatsentscheidung vom III R 76/87, BFHE 161, 281, BStBl II 1990, 1013, m.w.N.). Dieser Gesetzeszweck hat sich weder durch die Neufassung des BerlinFG vom (BGBl I 1990, 173), noch durch die Einführung des Investitionszulagengesetzes 1991 im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 1991 vom (BGBl I 1991, 1322) geändert. Denn dem Gesetzgeber kam es nicht darauf an, im Rahmen der von ihm intendierten regionalen Wirtschaftsförderung den Fördervorsprung der Berliner Wirtschaft zu untermauern. Vielmehr zielte die Einführung der Investitionsförderung in den neuen Bundesländern bei gleichzeitigem Abbau der Berlinförderung auf die Schaffung eines spürbaren Fördervorsprungs zugunsten der neuen Bundesländer. Vor diesem Hintergrund hat es der Senat bereits in seinem Urteil vom III R 225/94 (BFHE 185, 90, BStBl II 1998, 277) für erforderlich gehalten, die Verbleibensvorschriften des BerlinFG —entsprechend den bereits in der Rechtsprechung zu § 19 BerlinFG 1987 aufgestellten Grundsätzen— eng auszulegen. Denn nur die strikte Anwendung der Verbleibensvorschriften des BerlinFG könne einen gewissen Schutz der Neuinvestoren im Beitrittsgebiet sichern und damit den Vorstellungen des Gesetzgebers gerecht werden. Hierbei sind auch eventuelle Härten im Einzelfall hinzunehmen, die weder Billigkeitsmaßnahmen seitens der Finanzverwaltung noch eine weite Auslegung der Behaltevorschriften seitens der Rechtsprechung rechtfertigen (Senatsentscheidung in BFHE 185, 90, BStBl II 1998, 277, m.w.N.).
Aus diesen Gründen ist von einer investitionszulagenschädlichen Nichterfüllung der Zugehörigkeits- und räumlichen Verbleibensvoraussetzungen auszugehen, wenn der Steuerpflichtige das geförderte Wirtschaftsgut nicht nur kurzfristig außerhalb von Berlin (West) eingesetzt hat; dies gilt auch dann, wenn das geförderte Wirtschaftsgut stattdessen im Beitrittsgebiet eingesetzt worden ist. Die vom FA als nicht zulagebegünstigt angesehenen Fahrmischer der Klägerin sind unstreitig innerhalb der Verbleibensfristen in jedem Jahr jeweils länger als fünf Monate außerhalb von Berlin (West) eingesetzt worden. Es ist daher auch nach der —sehr weitgehenden— Ansicht der Finanzverwaltung (vgl. , BStBl I 1991, 768, Tz. 49; s. hierzu Senatsbeschluss vom III R 34/98, BFH/NV 1999, 1380, unter III. der Entscheidungsgründe) nicht mehr von der Einhaltung der Verbleibensvoraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 BerlinFG 1987 bzw. § 19 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 BerlinFG 1990 auszugehen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
IAAAA-65569