BFH Urteil v. - I R 130/97

Gründe

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine AG luxemburgischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in Luxemburg. Sie betreibt geostationäre Rundfunksatelliten, die u.a. den deutschsprachigen Bereich mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen versorgen. Diese Versorgung erfolgt über spezielle nachrichtentechnische Einrichtungen der Satelliten, die sog. Transponder (= Kanäle), deren Ausleuchtzone —der Ausschnitt der Erdoberfläche, in dem die über Satellit übertragenen Fernsehsignale von direktempfangenden Haushalten mit Standardempfangsanlagen empfangen werden können— den entsprechenden geografischen Raum erfassen. Solche Transponder werden von den jeweiligen Fernsehsendern, die ihre Programme in einem bestimmten Gebiet ausstrahlen möchten, benötigt.

Durch eine ”Vereinbarung” vom 5./ mit acht Anlagen haben die Klägerin und der deutsche Betreiber eines Fernsehsenders X, die ”Nutzung eines Transponders” (= Kanals) auf einem Satelliten zur ”Verbreitung” eines ”Fernsehprogramms” im Sendegebiet Deutschland, Österreich und der Schweiz geregelt.

Nach dieser Vereinbarung (Nr. 1 Abs. 1 i.V.m. Nr. 11 Abs. 1) hatte die Klägerin die ”Hauptpflicht”, dem Kunden die ausschließliche Nutzung eines bestimmten Transponders auf dem Satelliten für die Zeit vom bis zum zu überlassen. X musste sein Programm bei der Bodenstation in Luxemburg anliefern. Die Vereinbarung regelt (unter Nummer 3) die ”Gewährleistung” der Klägerin bei ”kurzfristiger” und bei ”längerfristiger Nichtverfügbarkeit”. Liegt die Empfangssignalleistung der Abwärtsstreckensignale kurzfristig um mehr als 1,5 dBW unter dem Wert der Mindesttransponderleistung von 50 dBW, erstattet die Klägerin dem Kunden grundsätzlich die vereinbarte Vergütung zeitanteilig. Bei längerfristiger Nichtverfügbarkeit während mehr als 30 aufeinander folgenden Tagen aus Gründen, die die Klägerin zu vertreten hat, oder durch höhere Gewalt oder den Einfluss Dritter, kann X entweder den Vertrag fristlos kündigen oder —unter Vorbehalt des Kündigungsrechts— Neuverhandlungen verlangen. Dabei hat die Klägerin bestimmte Umstände außerhalb ihres Einflusses wie Unwetter, Satellitenausfall und Satellitenstörungen nicht zu vertreten. Ihre Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ist nach Höhe und Umfang beschränkt.

Die Klägerin, die den Satelliten ”steuert” und ”überwacht”, hat durch ihr Programmkontrollzentrum ”alle Programmübertragungen über ihre sämtlichen Transponder” zu kontrollieren, d.h. die ”Qualität der Übertragungen über den Satelliten”, die ”Leistung der Kundentransponder” sowie die Aufwärts- und Abwärtssignale (”Uplink- und Downlinksignale”) zu überwachen. Zu diesem Zweck teilt sie ”alle in Betracht kommenden Ereignisse, die den Betrieb des Satelliten oder eines Transponders beeinflussen können (Sonnendurchgang, Routineprüfung usw.)” dem Kunden so früh wie möglich mit und gibt auf Verlangen ”den Zeitpunkt an, in welchem der Satellit genau auf seiner nominellen Position ist, um es den Kunden und den Zuschauern zu ermöglichen, ihre Antennen für einen optimalen Empfang auszurichten”. Die ”Fernsehübertragung” kann die Klägerin aus ”unabweisbaren technischen Gründen (Wartung oder Reparaturen)” unterbrechen.

Die Klägerin hat bisher mit keinem anderen ”Benutzer des Satelliten” eine ”geschützte Nutzung” vereinbart. Sie räumt X den ”Nutzungsstatus: nicht zurückstellbar” ein. Damit ist X selbst keiner Zurückstellung ausgesetzt. Es ist aber auch nicht wie ein geschützter Kunde berechtigt, ”Transponder und Redundanz mit Vorrang vor anderen Kunden zu nutzen”. Es kann aber eine ”Redundanz” oder einen ”alternativ verfügbaren Transponder” in Anspruch nehmen, wobei dies eine Änderung der Frequenzen für die Aufwärts- und Abwärtssignale erforderlich machen kann.

Die Vereinbarung setzt voraus, dass die Klägerin berechtigt ist, ”Nutzungsrechte an Kundentranspondern gemäß der ihr durch die Regierung des Großherzogtums Luxemburg erteilten Konzession zu vergeben”. Nimmt die Regierung das ”Recht zur Vergabe von Nutzungsrechten an dem Kundentransponder” zurück, so kann sie die vertraglichen Rechte und Pflichten der Klägerin übernehmen. X kann seine ”aus dem vorliegenden Vertrag entstehenden Rechte” unter bestimmten Voraussetzungen ”abtreten, untervermieten oder auf andere Weise von einem Dritten ausüben lassen” (Nr. 10 Abs. 1 der Vereinbarung). Umgekehrt können die ”Pflichten (der Klägerin) aus diesem Vertrag” unter einer bestimmten Voraussetzung ”von einem mit (der Klägerin) verbundenen Unternehmen übernommen werden”.

Von den von ihm aufgrund der Vereinbarung an die Klägerin gezahlten Vergütungen behielt X keine Abzugsteuer ein. Er sah in der geschlossenen Vereinbarung ebenso wie die Klägerin einen Vertrag über eine komplexe technische Gesamtleistung —einen Programmübertragungsvertrag—, die in Deutschland einer beschränkten Steuerpflicht nicht unterfalle.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) vertrat hingegen die Auffassung, mit dem Nutzungsrecht an dem Transponder werde zeitlich begrenzt ein Recht gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) überlassen. Daraus folgten gemäß §§ 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG beschränkt steuerpflichtige Einkünfte, die in einer inländischen Betriebsstätte oder in einer anderen inländischen Einrichtung verwertet würden. Das Besteuerungsrecht hierfür als eine ”einer Lizenzgebühr ähnlichen Vergütung…für die Benutzung gewerblicher Ausrüstungen” stehe gemäß Art. 15 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (DBA-Luxemburg) Deutschland zu. Auch wenn keine Gebrauchsüberlassung im Sinne einer Miete oder keine Rechtsüberlassung im Sinne einer Sublizenz vorliege, so könne doch mindestens eine Benutzungsvergütung angenommen werden.

In einer Bescheinigung nach § 50d Abs. 3 EStG vom bescheinigte das Bundesamt für Finanzen (BfF) dem X, dass dieser als Schuldner der an die Klägerin bis zum zu zahlenden Vergütungen für die ”Überlassung von Dienstleistungen und Einrichtungen auf Transpondern des Satelliten” nach dem DBA–Luxemburg berechtigt sei, den Steuerabzug nach dem vom § 50a EStG abweichenden niedrigeren Steuersatz von 5 v.H. vorzunehmen.

Durch Nachforderungsbescheid vom setzte das FA gegenüber der Klägerin für 1990 eine entsprechende Abzugsteuer fest.

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 562 abgedruckten Gründen statt.

Seine Revision begründet das FA mit Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich dem FA in der Sache angeschlossen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Vorinstanz hat eine inländische beschränkte Steuerpflicht der Klägerin im Ergebnis deswegen verneint, weil es bei der zwischen dieser und dem X geschlossenen Vereinbarung um eine solche über eine umfassende technische Dienstleistung und nicht über eine isolierte Sachüberlassung oder Rechtsnutzung handele. Die Vereinbarung stelle einen ”Programmübertragungsvertrag” und keinen ”Transpondernutzungsvertrag” dar. Folglich schieden sowohl Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 EStG als auch solche gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 22 Nr. 3 EStG aus. Zugleich unterliege die Klägerin nicht dem Quellensteuerabzug gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG i.V.m. Art. 15 Abs. 2 und 3 DBA-Luxemburg in Höhe von 5 v.H. der Vergütungen ”für die Benutzung gewerblicher Ausrüstungen”. Statt dessen erziele sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 2 EStG), mit denen sie im Inland indes nicht steuerpflichtig sei, weil sie hier keine Betriebsstätte unterhalte (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg weise das Besteuerungsrecht für die Einkünfte Luxemburg als dem Staat zu, in dem sich die Geschäftsleitung der Klägerin befinde.

2. Diese Vertragswürdigung ebenso wie die daraus gezogenen Schlussfolgerungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; sie werden von den tatrichterlichen Feststellungen getragen.

a) Die von der Klägerin dem X gegenüber zu erbringenden Leistungen bestehen in der Übertragung der angelieferten Fernsehprogrammsignale von der Bodenstation der Klägerin in Luxemburg aus als sog. Uplink-Signale zum Satelliten, in der Umsetzung der Uplink-Signale auf eine andere Frequenz und ihre Verstärkung in einem der Satelliten-Transponder sowie in der Ausstrahlung der umgesetzten und verstärkten Signale als sog. Downlink-Signale mit einer Mindesttransponderleistung in die Ausleuchtzone. Der wesentliche Inhalt des Vertrages, den die Klägerin mit X geschlossen hat, besteht also in der Verpflichtung, die Programmsignale zu transportieren, zu verarbeiten und in einer Mindeststärke in ein bestimmtes Gebiet auszustrahlen. Dies ergibt sich aus den Nr. 1 und 2 des Vertrages, den Regelungen betreffend die Gewährleistung und Haftung (Tz. 3), den Bestimmungen über die Überwachung der Signalübertragungen und der Leistung des ”Kundentransponders” (Nr. 7 sowie Anlage IV und I E), des Anspruchs des X auf Redundanz (Anlage I B i.V.m. Anlage VII) und des in Anlage III E bezeichneten Sendegebiets.

b) Dass der Vertrag unter der Bezeichnung ”Hauptpflichten” der Klägerin die Überlassung eines Transponders zur ausschließlichen Nutzung für die Übertragung des Programms des X aufführt, zwingt nicht zu dem Schluss, eine Nutzungsüberlassung sei die eigentliche und hauptsächliche Verpflichtung der Klägerin. Die Nutzung eines Transponders für die Signalverarbeitung ist nur eine —allerdings wesentliche— Voraussetzung der mit dem Vertrag bezweckten Programmverbreitung. Ebenso unverzichtbar ist hierfür aber auch die Nutzung der anderen für den Signaltransport erforderlichen Einrichtungen der Klägerin in Luxemburg und im Satelliten. Diese Einrichtungen werden für alle über den Satelliten ausgestrahlten Signale genutzt. Lediglich die Transponder werden wegen der notwendigen getrennten Verarbeitung der Signale jeweils für ein Fernsehprogramm eingesetzt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass auch der für die Übertragung des Programms des X genutzte Transponder —wie auch die bei Störungen einzusetzenden Reservetransponder— Teil eines Gesamtsystems zur Signalübertragung ist und erst die Nutzung dieses Gesamtsystems die vertragsgemäße Leistung an X ermöglicht.

c) Schließlich ergibt sich auch aus der vertraglichen Spezifikation der Transpondernutzung, dass nicht die Nutzungsüberlassung eines bestimmten Transponders, sondern der Signaltransport und die Aufbereitung der von X angelieferten Signale zum Empfang durch terrestrische Einrichtungen in der Ausleuchtzone Hauptpflicht der Klägerin ist. Im Vertrag wird nicht ein bestimmter Transponder bezeichnet. Vielmehr ist die Transpondernutzung lediglich spezifiziert nach Vorrechtsstatus (”nicht zurückstellbar”), Polarisation des Downlinksignals und Nutzbarkeitsdauer (24 Stunden/Tag —Anlage I B—). Außerdem sind die Orbitalposition des Satelliten, die nutzbare Transponderbandbreite und die Mindesttransponderleistung vertraglich festgelegt (Anlage I C und D). Berücksichtigt man noch den Anspruch des X auf Redundanz, also den Anspruch gegen die Klägerin, bei Ausfall des für das Programm genutzten Transponders für die Signalverarbeitung einen der Reservetransponder einzusetzen, so zeigt dies, dass die Klägerin sich verpflichtet hat, für die Übertragung des Programms einen bestimmten Teil der Übertragungsgkapazität des Satelliten einzusetzen. Dass im Vertrag die Ausdrücke ”Nutzung eines Transponders”, ”Kundentransponder” und ”Nutzungsrecht am Transponder” verwendet werden, besagt nichts Gegenteiliges. Es verdeutlicht nur, dass die Klägerin den geschützten oder nicht zurückstellbaren Kunden gegenüber hinsichtlich des Einsatzes dieser Teile des Satelliten —deren Zahl und Leistung die Übertragungskapazität des Satelliten begrenzen—, bei Kapazitätsengpässen den vereinbarten Nutzungsstatus beachten muss.

3. Besteht die ausschlaggebende Hauptpflicht der Klägerin im Signaltransport und in der Signalverarbeitung und damit in der eigentlichen Programmübertragung, erzielt die Klägerin die in Rede stehenden Einkünfte weder durch die Vermietung eines Sachinbegriffs oder eines Rechts i.S. von § 49 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 EStG noch durch die Nutzung einer beweglichen Sache i.S. von § 49 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 22 Nr. 3 EStG (im Ergebnis ebenso Rabe, Recht der Internationalen Wirtschaft 1992, 135 ff.; Zöllkau/Strunk, MultiMedia und Recht 1998, 155 f.; s. auch , EFG 1999, 897).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 1182 Nr. 10
ZAAAA-65358