BFH Beschluss v. - I B 116/99

Gründe

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) hatte gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) am einen Bescheid über Nachzahlungszinsen zur Körperschaftsteuer 1989 erlassen, der mit Einspruch angefochten und der zwischenzeitlich mehrfach geändert worden ist, zunächst durch 1. Änderungsbescheid vom . Mit Entscheidung vom wies das FA den Einspruch im Anschluss daran als unbegründet zurück, woraufhin Klage eingelegt wurde. Im weiteren Verlauf wurden sowohl der am ergangene 2. Änderungsbescheid als auch der am ergangene 4. Änderungsbescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in das Klageverfahren übergeleitet, nicht jedoch der dazwischen ergangene 3. Änderungsbescheid vom ; dieser wurde erneut mit Einspruch angefochten.

Das Finanzgericht (FG) hat das Klageverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Einspruchsverfahrens gegen den 3. Änderungsbescheid gemäß § 74 FGO ausgesetzt. Es ging davon aus, dass das gegen diesen Bescheid eingeleitete Einspruchsverfahren nicht abgeschlossen sei. Die Änderungsbescheide seien deswegen nicht sämtlich und lückenlos zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht worden. Der insoweit für den 4. Änderungsbescheid gestellte Antrag gehe ins Leere.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Sie beantragt ebenso wie das FA die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses. Beide gehen übereinstimmend davon aus, durch den 4. Änderungsbescheid sei dem spezifisch gegen den 3. Änderungsbescheid gerichteten Einspruchsbegehren, das den ursprünglichen und nach wie vor in Rede stehenden Streitstoff unberührt gelassen habe, abgeholfen worden. Folglich sei das Einspruchsverfahren beendet. Der 4. Änderungsbescheid nehme den 3. Änderungsbescheid in seinen Regelungsgehalt mit auf und sei nunmehr alleiniger Gegenstand des Klageverfahrens. Das Ergehen einer besonderen Einspruchsentscheidung stelle angesichts dessen nur noch einen überflüssigen Formalismus dar.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nimmt ein Änderungsbescheid den ursprünglichen Bescheid in seinen Regelungsinhalt mit auf; solange der Änderungsbescheid Bestand hat, entfaltet der ursprüngliche Bescheid keine Wirkung. Dieser ist vielmehr in dem Umfang, in dem er in den Änderungsbescheid aufgenommen ist, suspendiert und bleibt dies auch für die Dauer der Wirksamkeit des Änderungsbescheides. Der ursprüngliche Bescheid tritt jedoch wieder in Kraft, wenn der Änderungsbescheid aufgehoben wird (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231, 233; , BFHE 168, 213, BStBl II 1992, 1040).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ergibt sich hieraus, dass bei einer Anfechtung des Änderungsbescheides abgewartet werden muss, ob er bestehen bleibt. Für die Dauer des Einspruchsverfahrens kann mithin das Klageverfahren gegen den ursprünglichen Bescheid grundsätzlich solange nicht endgültig abgeschlossen werden, bis eine rechtskräftige Entscheidung über den Änderungsbescheid ergangen ist. Das Verfahren gegen den ursprünglichen Bescheid ist deshalb gemäß § 74 FGO auszusetzen oder —bei übereinstimmendem Antrag der Beteiligten— zum Ruhen zu bringen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231; BFH-Urteil in BFHE 168, 213, BStBl II 1992, 1040; , BFHE 173, 14, BStBl II 1994, 658).

An dieser Verfahrensrechtslage ändert sich nichts, wenn die Finanzbehörde während des Einspruchsverfahrens einen Änderungsbescheid erlässt. Der Änderungsbescheid wird dann Gegenstand des hierdurch noch nicht abgeschlossenen Einspruchsverfahrens. Dieses ist —unter voller erneuter Überprüfung der Sachlage (vgl. § 367 Abs. 2 Satz 1 der AbgabenordnungAO 1977—)— gegen den neuen Bescheid fortzusetzen (§ 365 Abs. 3 AO 1977; vgl. dazu von Wedel in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 367 AO Rz. 17), und zwar auch dann, wenn insoweit in der Sache bereits ein Klageverfahren anhängig ist. Der klagende Steuerpflichtige kann diese —ihm als umständlich erscheinende— Rechtsfolge nicht dadurch abkürzen, dass er nunmehr beantragt, den Änderungsbescheid gemäß § 68 FGO in das Klageverfahren überzuleiten. Seine Entscheidung, Rechtsschutz zunächst wieder im Einspruchsverfahren zu suchen, bleibt solange maßgeblich, wie dieses Verfahren nicht beendet ist. Will er dies vermeiden, hätte er statt dessen lückenlose Anträge gemäß § 68 FGO stellen und die Finanzbehörde unabhängig davon zu einer Teilabhilfe im Wege der schlichten Änderung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977) bewegen müssen. Andernfalls ist es nicht möglich, die Verfahrensebenen zu wechseln, auch nicht unter prozessökonomischen Gesichtspunkten oder angesichts des Einvernehmens der Beteiligten in diesem Zwischenstreit. Die Beteiligten übersehen insoweit, dass Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens stets der angefochtene Verwaltungsakt als solcher ist, nicht aber einzelne (unselbständige) Streitpunkte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 983 Nr. 8
ZAAAA-65277