BFH Urteil v. - XI R 38/98

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), , BVerfG 1 BvR 742/00

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb in den Streitjahren eine hypnosetherapeutische Praxis. Im Zusammenhang mit seiner Gewerbeanmeldung zum hatte der Kläger den Gegenstand seines Gewerbes wie folgt umschrieben: ”Wir therapieren Personen, die beispielsweise aufhören wollen zu rauchen. Auch werden Gewichtsreduktionen, sofern sie nicht krankheitsbedingt sind, von uns mit Erfolg durchgeführt. Wir therapieren weiterhin Personen, die unter Ängsten und Unsicherheiten leiden. Wir therapieren darüber hinaus in Fällen von Prüfungsängsten, kurz und gut in allen Fällen, wo es um Motivationsaufbau, Lebensberatung und ähnliches geht”.

Der Kläger hatte sich 1966 in Wochenendseminaren in die Grundlagen der praktischen Hypnosetechniken einweisen lassen. Im Jahr 1968 absolvierte er ein sechswöchiges Praktikum bei einem Hypnosetherapeuten; ab 1969 sammelte er im Ausland weitere praktische Erfahrungen. In Deutschland nahm er nach seiner Rückkehr an verschiedenen Fachkursen und Symposien teil. Im Jahr 1985 untersagte der Landkreis dem Kläger die Ausübung der Heilkunde mit der Begründung, dass er Personen ohne die erforderliche Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz hypnosetherapeutisch behandele. Diese Untersagungsverfügung hob das Verwaltungsgericht mit der Begründung auf, dass der Kläger in seiner Praxis nicht überwiegend Heilkunde im Sinne des Heilpraktikergesetzes ausübe.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) sah die Tätigkeit des Klägers als gewerblich an und erließ für die Streitjahre 1984 bis 1987 Gewerbesteuermessbescheide. Im Einspruchsverfahren gegen diese Bescheide machte der Kläger geltend, der Beruf des Hypnotiseurs sei den Berufen des Arztes, Neurologen, Heilpraktikers und Psychotherapeuten ähnlich. Im Klageverfahren vertrat der Kläger die Auffassung, er sei unterrichtend und erzieherisch tätig. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1998, 1399). Der Kläger übe keine Berufstätigkeit aus, die einer Tätigkeit der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Heilberufe ähnlich sei. Er habe selbst geltend gemacht, dass er keine Heilbehandlungen durchführe. Dazu besitze er auch weder eine Ausübungserlaubnis noch unterliege er der Überwachung durch die Gesundheitsämter. Die Tätigkeit des Klägers könne auch nicht mit der eines nichtärztlichen Psychologen oder Psychotherapeuten verglichen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei eine selbständig ausgeübte Tätigkeit dieser Personen nur dann heilberuflich, wenn sie ein abgeschlossenes Studium in Psychologie an einem anerkannten psychotherapeutischen Institut bzw. eine einem Arzt vergleichbare wissenschaftliche Ausbildung nachweisen könnten. Das sei beim Kläger nicht der Fall.

Der Kläger sei auch nicht unterrichtend oder erzieherisch tätig. Die Tätigkeit sei schon deswegen nicht erzieherisch, weil sie nicht auf eine umfassende Schulung des Charakters und der Bildung der Persönlichkeit im Ganzen gerichtet sei. Für die Annahme einer unterrichtenden Tätigkeit fehle es bereits an einer Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form. Die Tätigkeit des Klägers sei im Kern eine beratende Tätigkeit.

Mit der dagegen eingelegten Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Der Beruf des Hypnosetherapeuten sei mit dem des Psychotherapeuten vergleichbar. Bei beiden bestehe der angestrebte Heilprozess darin, dem Patienten unbewusst Gewordenes und Verdrängtes wieder bewusst zu machen und damit seine Persönlichkeit zu stärken. Das FG habe zu Unrecht die Ähnlichkeit mit einem nichtärztlichen Psychologen oder Psychotherapeuten mit der Begründung versagt, dass der Kläger keine wissenschaftliche Ausbildung habe und seine Tätigkeit nicht auf wissenschaftlicher Grundlage ausübe. Denn nach der Rechtsprechung könne der Kläger den Nachweis der erforderlichen Kenntnisse durch seine praktische Tätigkeit belegen und habe dies auch getan.

Der Kläger übe auch eine erzieherische Tätigkeit aus. Anders als im Fall des (BFHE 183, 450, BStBl II 1997, 687) behandle der Kläger seine Patienten nicht berufsbezogen, sondern im Rahmen der umfassenden Schulung des Charakters und der Bildung der Persönlichkeit. Nur so sei es ihm möglich, die Verhaltensstörungen der Probanden zu eliminieren. Darüber hinaus sei der Kläger auch unterrichtend tätig. Er vermittle den Klienten in der Hypnosepraxis ein abgestuftes Trainingsprogramm, durch das diese lernten, ihre jeweilige Situation zu begreifen, Problemen nicht auszuweichen sowie bewusste Entkrampfungsübungen und Entspannungen mentaler und körperlicher Art durchzuführen. Damit sei die Tätigkeit strukturell mit der des Inhabers eines Fitness-Studios vergleichbar. Diese habe der , BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362) dann als unterrichtend angesehen, wenn der Studioinhaber für jeden Kursteilnehmer ein individuelles Programm entwerfe, dieses bespreche und überwache, sowie durch kritische Äußerungen begleite und notfalls ändere. Die Tätigkeit des Klägers erfülle diese Voraussetzungen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG sowie die Gewerbesteuermessbescheide 1984 bis 1987 ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger in den Streitjahren keine freiberufliche, sondern eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat.

1. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zur freiberuflichen Tätigkeit die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, sowie die selbständige Tätigkeit in einem der dort aufgezählten Berufe oder in einem diesen ähnlichen Beruf. Der Kläger war —entgegen seiner Auffassung— in seiner Hypnosepraxis weder erzieherisch noch unterrichtend tätig und er hat auch keine dem Arztberuf ähnliche Tätigkeit eines Psychotherapeuten ausgeübt.

a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist Voraussetzung für die Annahme einer erzieherischen Tätigkeit, dass diese auf die umfassende Schulung des menschlichen Charakters und die Bildung der Persönlichkeit im Ganzen gerichtet ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 450, BStBl II 1997, 687). Diese Voraussetzungen erfüllt die Tätigkeit des Klägers nicht. Wie das FG aufgrund der Schilderungen des Klägers festgestellt hat, versucht dieser mittels Hypnosetechniken seinen Patienten bei der Bewältigung unterschiedlicher Lebenskonflikte zu helfen. So behandelt der Kläger nach eigenen Angaben Menschen mit Gewichtsproblemen, Ängsten und Unsicherheiten (Prüfungsangst, Höhenangst) oder hilft ihnen z.B. dabei, sich das Rauchen abzugewöhnen. Damit ist die Tätigkeit gerade nicht darauf gerichtet, die ganze Persönlichkeit der Patienten zu formen. Vielmehr unterstützt der Kläger seine Patienten darin, bestimmte individuelle Verhaltensprobleme und ”Persönlichkeitsdefekte” zu überwinden.

b) Der Kläger war in seiner Hypnosepraxis auch nicht unterrichtend tätig.

Unterricht ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen in organisierter und institutionalisierter Form (vgl. BFH-Urteile in BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362, und vom IV R 35/95, BFHE 180, 568, BStBl II 1996, 573). Dies schließt einen Individualunterricht zwar nicht aus. Werden die Kenntnisse oder Erkenntnisse aber nicht aufgrund eines allgemeingültigen, im Einzelfall abwandlungsfähigen Lernprogramms vermittelt, sondern erfordert die Tätigkeit die Erarbeitung und Entwicklung eines auf die speziellen Bedürfnisse einer Person abgestellten Programms, handelt es sich nicht mehr um eine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form, sondern um eine beratende Tätigkeit (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 450, BStBl II 1997, 687). Danach ist auch die Tätigkeit des Klägers, die in besonderem Maße ein Eingehen auf die individuellen Probleme und Schwierigkeiten der einzelnen Patienten erfordert, als beratende Tätigkeit einzuordnen.

c) Der Senat geht zwar davon aus, dass die beratende Tätigkeit des Klägers im weiteren Sinn als psychotherapeutische Tätigkeit angesehen werden kann. Aber auch die Tätigkeit eines Psychotherapeuten ist, da sie in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht erwähnt ist, nicht ohne weiteres eine freiberufliche, sondern nur dann, wenn im Einzelfall eine Ähnlichkeit zu einem der aufgeführten Heilberufe feststellbar ist.

Der Kläger hat aber weder eine dem Arztberuf noch eine dem Beruf des Heilpraktikers ähnliche Tätigkeit ausgeübt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, gegen deren Fortführung nach Auffassung des Senats auch im Hinblick auf den zur Umsatzsteuer des selbständigen Heileurythmisten ergangenen , Umsatzsteuer-Rundschau 1999, 494, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, muss der ”ähnliche” Beruf mit dem sog. Katalogberuf in wesentlichen Punkten vergleichbar sein; d.h. es muss Vergleichbarkeit von Ausbildung und beruflicher Tätigkeit gegeben sein (vgl. , BFHE 180, 316, BStBl II 1996, 518).

Eine der Ausbildung eines Arztes vergleichbare wissenschaftliche Ausbildung hat der Kläger jedoch nicht aufzuweisen. Dass er in seiner hypnosetherapeutischen Praxis keine Heilkunde im Sinne des Heilpraktikergesetzes ausübt, hat der Kläger selbst durch das Verwaltungsgericht feststellen lassen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 839 Nr. 7
RAAAA-65232