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LSG Niedersachsen-Bremen Urteil v. - L 16/3 U 186/13

Der Kläger begehrt die Anerkennung des Unfallereignisses vom 16. Mai 2009 als Arbeitsunfall. Der 1966 geborene Kläger ist aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, Ortswehr J ... Am 16. Mai 2009 veranstaltete die Ortswehr K. I ab 13.00 Uhr einen Freundschaftswettkampf, zu dem sie die Kameraden befreundeter Ortsfeuerwehren mit Schreiben vom 17. Dezember 2008 einlud. Ausweislich der Einladung sollte der Wettkampf in Form von Eimerwettspielen auf dem Parkplatz der Firma L. stattfinden. In der Einladung fand sich ein Hinweis auf die maßgeblichen Wettkampfrichtlinien, die im Internet unter dem Link www.feuerwehr-J abrufbar waren. Im Anschluss an den Wettkampf sollte die Siegerehrung erfolgen. Das Einladungsschreiben schloss mit der Bitte um Rücksendung des beiliegenden Antwortschreibens. Ausweislich des Schreibens vom 2. Juli 2009, das in Beantwortung des Fragebogens der Beklagten im Verwaltungsverfahren erfolgte, nahmen 9 Mitglieder der Ortswehr J. an den Wettbewerben teil. Die Vorbereitungen seien zwischen 14.30 und 15.00 Uhr getroffen worden mit anschließender Anfahrt von K ... Der Start zu den Wettbewerben sei für den Trupp um ca 16.45 Uhr erfolgt. Danach wurde auf die Siegerehrung gewartet, die um 19.00 Uhr geendet habe. Nach der Siegerehrung sei in kameradschaftlicher Runde über gemeinschaftliche Einsätze und eventuelle Zusammenarbeit diskutiert worden. Die Führungskräfte seien zum Unfallzeitpunkt noch anwesend gewesen. Das Schreiben ist vom Kläger, dem Zeugen M. als Ortsbrandmeister und dem Zeugen N. O. in seiner Funktion als Stadtbrandmeister unterschrieben worden. Der Stadtbrandmeister war am Unfalltag nicht in K. dabei, sondern nahm nur an der Begehung der Unfallstelle auf dem Firmengelände der Firma L. in K. am 28. Juli 2009 teil. Am 16. Mai 2009 suchte der Kläger im Verlauf des Abends die Toilettenanlage auf, die am Rande der Veranstaltungsfläche aufgestellt war. Dort befand sich ein Toilettenwagen, der von den Damen benutzt wurde sowie eine Urinalrinne für die Herren. Die provisorische Toilettenanlage wurde von der Wand eines unbewohnten Hauses sowie Gebüsch und Sichtschutzwänden begrenzt und befand sich auf geteertem Untergrund. In der Unfallanzeige vom 18. Mai 2009 wird angegeben, dass der Kläger nach der Siegerehrung gegen 18.30 Uhr zusammen mit seinen Kameraden im Rahmen der Kameradschaftspflege noch für einige Zeit auf dem Gelände verblieben sei; der zuständige Ortsbrandmeister, der Zeuge M., hätte den Abmarsch noch nicht befohlen. Auf dem Weg zum Toilettenwagen sei der Kläger wohl mit dem Fuß umgeknickt. Der genaue Unfallhergang sei nicht beobachtet worden. Bei dem Unfall erlitt der Kläger eine komplett dislozierte Unterschenkelfraktur II. Er war stark alkoholisiert, die Blutprobe in der Notaufnahme ergab eine Blutalkoholgehaltkonzentration von 3,0 Promille. Der zum Unfall gerufene Rettungssanitäter gab an, dass er den Kläger am Unfalltag in unmittelbarer Nähe des Toilettenwagens (nur einige Meter entfernt) aufgefunden habe. Er sei noch ansprechbar gewesen, habe aber aufgrund des Alkoholkonsums und seiner verletzungsbedingten Schmerzen selbst keine verwertbaren Angaben zum Unfallhergang machen können. Bei der Ortsbegehung am 28. Juli 2009 erläuterte der Zeuge M., dass nur die Damen den Toilettenwagen benutzen mussten; für die Herren sei hinter dem Wagen eine "Pinkelrinne" mit Sichtschutzwänden aufgebaut worden. Der Kläger müsse nach dem Wasserlassen auf dem Weg zurück zu den Kameraden umgeknickt und gestürzt sein. Zunächst habe ihn niemand bemerkt; erst einige Zeit später hätten spielende Kinder die Rufe des Verletzten gehört und andere Feuerwehrmänner verständigt. Der Kläger habe unmittelbar am Toilettenwagen gelegen und sei zur Hälfte von den Sichtschutzwänden verdeckt worden. Mit Bescheid vom 10. November 2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfallereignisses vom 16. Mai 2009 als Arbeitsunfall ab und stellte fest, dass Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gewährt werden. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, bei Verrichtung der Notdurft handele es sich um eine persönliche, dem unversicherten Lebensbereich zuzuordnende Handlung. Der Kläger sei nach den Zeugenaussagen zwischen den Sichtschutzwänden aufgefunden worden, sodass er sich am Ort der Verrichtung der Notdurft befunden habe und daher kein Versicherungsschutz im Unfallzeitpunkt bestanden habe. Besondere Gegebenheiten, die eine betriebliche Gefahrenquelle darstellten und ausnahmsweise Versicherungsschutz begründen würden, hätten nach den Ausführungen des Ortsbrandmeisters nicht vorgelegen. Die Urinrinne habe samt Sichtschutz auf einem mit Teer befestigten Untergrund gestanden. Zudem erscheine fraglich, ob der beim Kläger festgestellte massive Alkoholeinfluss einem Versicherungsschutz entgegenstehe. Indizien für eine alkoholbedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit seien die Aussage des Rettungssanitäters, wonach der Kläger nicht mehr in der Lage gewesen sei, Angaben zum Unfallhergang zu machen sowie die Schwere der Verletzung. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass sich der Unfall unstreitig erst nach Verrichtung der Notdurft ereignet habe. Dementsprechend sei er auch außerhalb der Sichtschutzwände aufgefunden worden, sodass Versicherungsschutz bestanden habe. Die nur eingeschränkt verwertbaren Aussagen zum Unfallhergang seien auf einen unfallbedingten Schockzustand zurückzuführen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger hat am 12. März 2010 Klage beim Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und vorgetragen, der Unfall habe sich außerhalb der Toilettenanlage ereignet. Für die Behauptung, er sei beim Auffinden zur Hälfte von den Sichtschutzwänden verdeckt worden, fehle eine eindeutige Zeugenaussage. Er habe beim Verlassen des Toilettenbereichs die Deichsel des Toilettenwagens passieren müssen. Es könne sein, dass er dabei gestürzt sei, was die Schwere der Verletzung erkläre. Das SG hat in der mündlichen Verhandlung die Zeugen P. M., Q. O. und R. S. sowie den Rettungsassistenten T. U. zu den Umständen des Unfalls vernommen. Mit Urteil vom 30. August 2013 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 10. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2010 aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger am 16. Mai 2009 einen Arbeitsunfall erlitten habe. Der Kläger sei im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr J. gesetzlich unfallversichert. Bei der Teilnahme am Wettkampf und der anschließenden kameradschaftlichen Runde handele es sich grundsätzlich um eine versicherte Tätigkeit. Die kameradschaftliche Runde habe direkt im Anschluss an den Feuerwehrwettkampf stattgefunden, der Abmarsch sei noch nicht befohlen worden. Alle Mannschaftsmitglieder und Führungskräfte seien noch vor Ort gewesen. Nach Würdigung der Zeugenaussagen sei die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass der Kläger die private Verrichtung im Unfallzeitpunkt bereits beendet hatte. Die Zeugen hätten übereinstimmend geschildert, dass der Kläger nicht im Bereich der Sichtschutzwände, sondern nahe der Deichsel des Toilettenwagens gelegen habe. Da im vorliegenden Fall keine klare räumliche Grenzziehung wie das Durchschreiten einer Badezimmertür vollzogen werden könne, sei nach Ansicht der Kammer die Abgrenzung der versicherten von der privaten Tätigkeit mit dem Ordnen der Kleidung und der Abwendung von der Urinalrinne anzunehmen. Der Zeuge Q. O. habe als Augenzeuge des Unfalls angegeben, dass sich der Kläger schon auf dem Rückweg befunden habe, als er gestolpert sei. Der Alkoholeinfluss stehe der Feststellung eines Arbeitsunfalls nicht entgegen, da nur ein durch Alkohol bedingter Leistungsausfall den Versicherungsschutz ausschließe. Bisher gebe es keinen allgemeingültigen Wert für eine Blutalkoholkonzentration, bei dessen Vorliegen ein den Versicherungsschutz ausschließender Vollrausch grundsätzlich anzunehmen sei. Die Beweislast für das Vorliegen eines alkoholbedingten Leistungsausfalls liege bei der Beklagten. Die Beklagte hat gegen das ihr am 15. Oktober 2013 zugestellte Urteil am 11. November 2013 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt und rügt, dass das SG die Grenze zwischen privater und versicherter Verrichtung nicht zutreffend gezogen habe. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten (Sichtschutzwände und Gebüsch) habe ein klar abgrenzbarer Bereich vorgelegen für die Verrichtung der Notdurft, der versicherungsrechtlich als ungeschützter Bereich anzusehen sei. Der durch Bildmaterial dokumentierten Lage des Klägers sei zu entnehmen, dass sich der Unfall noch im ungeschützten Bereich ereignet habe. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 30. August 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er ist der Auffassung, dass die Berufungsbegründung nicht geeignet sei, das Urteil des SG zu erschüttern. Das SG habe unter sorgfältiger Auswertung der Zeugenaussagen zutreffend festgestellt, dass sich der Unfall im versicherten öffentlichen Bereich ereignet habe. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung die Zeugen V. S. (Ortsbrandmeister von K. I), R. S., W. M. (Ortsbrandmeister von J.), N. O. (Stadtbrandmeister) und Q. O. vernommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens im Übrigen und der Aussagen der Zeugen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Fundstelle(n):
GAAAF-90938

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LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 25.10.2016 - L 16/3 U 186/13

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