Umsatzsteuerliche Behandlung von Zahlungen im Rahmen der Initiative Tierwohl
1. Allgemeines
Um dem Bedürfnis der Bevölkerung nach artgerecht erzeugtem Fleisch gerecht zu werden, haben sich große deutsche Lebensmittelhändler bereit erklärt, Tierhalter für den zusätzlichen Aufwand einer artgerechten Haltung und Aufzucht von Tieren indirekt zu entlohnen. Zur Organisation und Abwicklung wurde die Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH (Trägergesellschaft) gegründet. Diese hat ein umfassendes Programm zur Förderung des Tierwohls auf Ebene der Tierhalter entwickelt und hierfür Anforderungen an die Tierhalter definiert, die in dem sog. Tierwohlprogramm zusammengefasst sind.
Tierhalter, die das Tierwohlprogramm umsetzen wollen, schließen hierzu einen Teilnahmevertrag mit der Trägergesellschaft. Für jede Anforderung aus dem Tierwohlprogramm, die der Halter nachweislich erfüllt, erhält er einen festgelegten pauschalen Betrag zum Ausgleich der ihm entstehenden Mehrkosten. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einem Grundbetrag pro Betrieb und Jahr, soweit definierte Grundanforderungen erfüllt werden (z. B. Teilnahme am Antibiotika-Monitoring oder mindestens 1,5 % der Stallgrundfläche Tageslicht), und einem Betrag pro Tier (z. B. für das freie Abferkeln mit 7,5 m2 Buchtengröße ohne permanente Fixierungsmöglichkeit). Je mehr Anforderungen des Katalogs erfüllt werden, desto höher fällt der pauschale Kostenersatz aus.
Die Pauschalerstattungen finanziert die Trägergesellschaft aus einer Umlage der Lebensmittelhändler (z. B. 4 Cent pro kg Schweinefleisch, die der Händler an Endkunden in Deutschland verkauft, wobei unerheblich ist, ob das verkaufte Fleisch von Tierhaltern der Initiative Tierwohl stammt oder nicht). Die Händler sind berechtigt, mit der Teilnahme an der Initiative Tierwohl zu werben sowie das Zeichen der Initiative zu nutzen.
2. Leistungsbeziehungen
Die Trägergesellschaft erbringt eine sonstige Leistung an den Lebensmittelhändler (Gewährleistung der artgerechten Tierhaltung gem. Tierwohlprogramm, Öffentlichkeitsarbeit, Kennzeichennutzung). Die Leistung erfolgt gegen Entgelt, nämlich gegen Zahlung der Umlage durch den Händler. Die Leistung der Trägergesellschaft unterliegt dem Regelsteuersatz.
Der Tierhalter erbringt eine sonstige Leistung an die Trägergesellschaft (Schaffung bzw. Erfüllung einzelner Anforderungen gem. Tierwohlprogramm). Die Leistung erfolgt gegen Entgelt, nämlich gegen Zahlung des Ausgleichsbetrags pro erfülltem Kriterium gem. Anforderungsliste durch die Trägergesellschaft. Die Leistung des Tierhalters unterliegt dem Regelsteuersatz.
Daneben liefert der Tierhalter seine Erzeugnisse an den Lebensmittelhändler oder einen Dritten. Die Lieferung unterliegt bei Anwendung der Regelbesteuerung regelmäßig dem ermäßigten Steuersatz.
3. Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung
Soweit der Tierhalter für seinen landwirtschaftlichen Betrieb die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG anwendet, unterliegt die Lieferung seiner Erzeugnisse an den Lebensmittelhändler bzw. den Dritten dem Durchschnittssatz nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG.
Für die sonstige Leistung des Tierhalters an die Trägergesellschaft ist die Durchschnittssatzbesteuerung nicht anwendbar, da die von der Trägergesellschaft empfangene Leistung in deren Sphäre nicht zu land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken genutzt wird (so auch , BStBl 2015 II, S. 730).
Die Leistung des Tierhalters an die Trägergesellschaft kann auch nicht nach der Vereinfachungsregelung des Abschn. 24.6 UStAE der Durchschnittssatzbesteuerung unterworfen werden, da die Leistung weder ihrer Art nach in Abschn. 24.3 Abs. 1 Satz 2 UStAE genannt ist, noch mit den dort genannten Leistungen vergleichbar ist (vgl. Abschn. 24.6 Abs. 4 UStAE).
4. Vorsteuerabzug
Soweit der Tierhalter für seinen landwirtschaftlichen Betrieb die Durchschnittssatzbesteuerung anwendet, ist ein (weiterer) Vorsteuerabzug ausgeschlossen (§ 24 Abs. 1 Satz 4 UStG). Mit der Teilnahme an der Initiative Tierwohl erbringt der Tierhalter daneben auch Umsätze, die dem Regelsteuersatz unterliegen und grundsätzlich zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG berechtigen.
Eingangsleistungen, die der Tierhalter zur Erfüllung der Anforderungen gem. Tierwohlprogramm bezieht, sind anteilig der sonstigen Leistung an die Trägergesellschaft und im Übrigen den pauschal besteuerten Ausgangsumsätzen zuzurechnen. Die Aufwendungen sind nicht allein der Leistung an die Trägergesellschaft zuzurechnen, da sie untrennbar zugleich direkt und unmittelbar der Erzeugung der Tiere dienen. Für die Aufteilung der Vorsteuerbeträge ist auf das Verhältnis der regelbesteuerten Umsätze zu den Pauschalumsätzen aus dem jeweiligen Tierbestand abzustellen.
Wird die Teilnahme an dem Tierwohlprogramm beendet (ggf. rückwirkend, weil der Tierhalter die Anforderungen des Programms nicht eingehalten hat), tritt zu diesem Zeitpunkt eine Änderung der Verhältnisse i. S. d. § 15a UStG ein, sodass der Vorsteuerabzug insoweit zu berichtigen ist.
Eingangsleistungen, die allgemeine Produktionskosten der landwirtschaftlichen Erzeugnisse darstellen (z. B. Futter, Einbau von Lüftungs- und Fütterungseinrichtungen, Stallbauten), bezieht der Tierhalter hingegen unmittelbar und ausschließlich für seine pauschal besteuerten Umsätze. Dafür spricht auch die Konstruktion des Tierwohlprogramms, wonach die Zahlungen der Trägergesellschaft als Ersatz jener Mehrkosten dienen, die für die teilnehmenden Tierhalter mit der Erfüllung der zusätzlichen Anforderungen aus dem Programm verbunden sind. Ein Vorsteuerabzug aus allgemeinen Produktionskosten scheidet daher aus.
OFD Niedersachsen v. - S 7200 - 431 - St 174
Fundstelle(n):
UR 2017 S. 209 Nr. 5
UStB 2017 S. 83 Nr. 3
VAAAF-89294