Kein isolierter Anspruch auf Akteneinsicht in Verwaltungsvorgänge zu Beförderungsverfahren
Leitsatz
1. Die Gewährung von Akteneinsicht im Zusammenhang mit einem anhängigen Verwaltungsverfahren ist eine Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO.
2. Begehrt der unterlegene Bewerber bei einer beamtenrechtlichen Beförderungskonkurrenz Akteneinsicht in den Auswahlvorgang, um sein Vorgehen gegen die bereits erfolgten Ernennungen der Konkurrenten oder einen Schadensersatzanspruch wegen Nichtbeförderung besser begründen zu können, so ist die Verweigerung der Akteneinsicht durch die Behörde auch unter Berücksichtigung der besonderen Verfahrensgewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG gemäß § 44a Satz 1 VwGO nicht isoliert angreifbar.
Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 S 1 GG, Art 33 Abs 2 GG, § 44a S 1 VwGO, § 82 Abs 1 S 1 VwGO, § 29 VwVfG
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 1 A 11/14 Urteilvorgehend Az: 15 K 4912/12 Urteil
Tatbestand
1Der Kläger ist als Beamter bei der Beklagten beschäftigt und wurde zuletzt zum zum Postamtsrat (Besoldungsgruppe A 12 BBesO) befördert. Mit Schreiben vom legte er Widerspruch ein gegen seine Nichtberücksichtigung im Rahmen der Beförderungsaktionen nach Besoldungsgruppe A 13 g. D. BBesO in den Jahren 2007 bis 2011. Diese Beförderungsrunden hatte die Beklagte ohne Ausschreibungen und konkrete Bewerbungen der Beamten durchgeführt. Der Widerspruch richtete sich auch gegen die Ernennungen der ihm unbekannten Konkurrenten. Zugleich machte er einen Schadensersatzanspruch wegen Nichtbeförderung sowie einen Anspruch auf Akteneinsicht in die Verwaltungsvorgänge betreffend die Beförderungen nach Besoldungsgruppe A 13 BBesO der Jahre 2007 bis 2011 geltend.
2Am hat der Kläger Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Koblenz erhoben. Diese hat u.a. den Anspruch auf Gewährung von Akteneinsicht zum Gegenstand gehabt. Die zuvor gegenüber der Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz sowie die Anfechtung der Ernennungen der Konkurrenten sind nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Bezüglich der Anfechtung der Ernennungen hat die Beklagte noch keinen Widerspruchsbescheid erlassen. Hinsichtlich der Schadensersatzansprüche hat der Kläger am Klage beim Verwaltungsgericht Köln erhoben (15 K 1326/15). Nach Klageabweisung ist das Verfahren gegenwärtig beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen anhängig.
3Das Verwaltungsgericht Koblenz hat den Rechtsstreit im hiesigen Verfahren an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen. Dieses hat das Verfahren nach teilweiser Hauptsacheerledigung zum Teil eingestellt und die Klage im Übrigen - betreffend den allein noch anhängigen Anspruch auf Gewährung von Akteneinsicht - abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass die Klage unzulässig sei. Dies ergebe sich bereits aus einem Verstoß gegen § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Bezeichnung des Streitgegenstandes durch den Kläger sei zu unbestimmt, weil nicht klar sei, welche Verwaltungsvorgänge konkret gemeint seien. Die Klage sei im Übrigen auch wegen eines Verstoßes gegen § 44a Satz 1 VwGO unzulässig. Bei der begehrten Akteneinsicht handele es sich um eine Verfahrenshandlung im Sinne dieser Vorschrift.
4Mit der Revision beantragt der Kläger,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom und des Verwaltungsgerichts Köln vom aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Akteneinsicht zu gewähren in die Verwaltungsvorgänge betreffend die Beförderungen nach Besoldungsgruppe A 13 BBesO der Jahre 2007 bis 2011, namentlich in die Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen, die den Auswahlentscheidungen zu Grunde liegen.
5Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
6Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht am Verfahren.
Gründe
7Die Revision ist zurückzuweisen. Sie ist zulässig, aber unbegründet (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO).
8Das Urteil beruht zunächst nicht auf einem Verfahrensfehler (1.). Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht im Übrigen davon ausgegangen, dass die Klage unzulässig ist (2.).
91. Der Kläger macht zwei Verfahrensfehler geltend, die beide im Zusammenhang mit der Annahme des Oberverwaltungsgerichts stehen, die Bezeichnung des Streitgegenstandes durch den Kläger sei zu unbestimmt. Zum einen rügt er eine nach seiner Auffassung erforderliche, aber unterbliebene Ergänzungsaufforderung im Sinne des § 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO, zum anderen führt er aus, dass diesbezüglich eine Überraschungsentscheidung und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) vorliege.
10Das Urteil beruht nicht auf den geltend gemachten Verfahrensfehlern, weil das Oberverwaltungsgericht zugleich selbstständig tragend zutreffend darauf abgestellt hat, dass die Klage auch wegen eines Verstoßes gegen § 44a Satz 1 VwGO unzulässig ist. Das Erfordernis des Beruhens gilt auch für den absoluten Revisionsgrund des Gehörsverstoßes (§ 138 Nr. 3 VwGO). Denn die in § 138 VwGO enthaltene Fiktion, wonach ein Urteil im Falle des Vorliegens eines der enumerativ aufgeführten absoluten Revisionsgründe stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen ist, gilt nur, soweit die Begründung des Gerichts von dem Revisionsgrund, hier dem Gehörsverstoß, betroffen ist. Beruht das angegriffene Urteil wie hier auf mehreren selbstständig tragenden Begründungen, kann die Beruhensfiktion daher nur greifen, wenn sämtliche Begründungen von dem Gehörsverstoß betroffen sind (BVerwG, Beschlüsse vom - 1 B 211.93 - GewArch 1995, 114 und vom - 7 B 141.02 - NJW 2003, 2255; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 138 Rn. 37; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 138 Rn. 8). Dies ist hier nicht der Fall. Der vom Kläger geltend gemachte Gehörsverstoß bezieht sich allein auf die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Unbestimmtheit des in der Klageschrift benannten Streitgegenstandes. Er weist keinen Bezug zu der zutreffenden Annahme auf, es handele sich bei der begehrten Akteneinsicht um eine Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO.
112. Die Klage ist unzulässig.
12a) Mit der Annahme, die Klage sei wegen Verstoßes gegen § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig, weil der benannte Streitgegenstand zu unbestimmt sei, geht das Oberverwaltungsgericht allerdings von einem zu engen Verständnis der von dieser Norm verwendeten Begrifflichkeiten aus. Gemäß dieser Vorschrift muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Der Begriff des Klagebegehrens ist mit dem Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom (Viertes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung - 4. VwGOÄndG - BGBl. I S. 2809) in die Vorschrift eingefügt worden. Mit der Verwendung des Begriffs des Klagebegehrens hat der Gesetzgeber den zuvor verwendeten Begriff des Streitgegenstandes ersetzt, um die Vorschrift von den Meinungsstreitigkeiten über den Streitgegenstandsbegriff freizuhalten (BR-Drs. 135/90 S. 76). Der Gegenstand des Klagebegehrens ist schon dann hinreichend bezeichnet, wenn der Sachverhalt, über den das Gericht entscheiden soll, angegeben wird. Die Herausarbeitung eines bestimmten Antrags, den die Klage gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO nur enthalten "soll" und der für die Bestimmung des Streitgegenstandes erforderlich ist, kann im weiteren gerichtlichen Verfahren erfolgen (vgl. 9 B 46.12 - juris Rn. 4 f.; Aulehner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 82 Rn. 19 f.).
13Das Oberverwaltungsgericht ist bei der Anwendung des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO von dem Begriff des Streitgegenstandes und nicht von demjenigen des Klagebegehrens ausgegangen. Zur Bezeichnung des Klagebegehrens in diesem Sinne ist es aber ausreichend, wenn sich der Kläger auf "die Verwaltungsvorgänge betreffend die Beförderungen nach Besoldungsgruppe A 13 der Jahre 2007 bis 2011" bezieht. Damit ist das Klagebegehren hinreichend bestimmt. Wie sich aus dem klägerischen Vortrag in der Klagebegründung ergibt, geht es ihm gerade darum, dass er sich über die Beförderungsvorgänge der genannten Jahrgänge und der angegebenen Besoldungsgruppe unzureichend informiert sieht. In diesem Zusammenhang muss daher die von ihm durchgeführte Bezeichnung des Klagebegehrens genügen.
14Auf diesem unzutreffenden Begriffsverständnis beruht das angegriffene Urteil jedoch nicht, weil es zugleich selbstständig tragend und zu Recht darauf abstellt, dass die Klage wegen eines Verstoßes gegen § 44a Satz 1 VwGO unzulässig ist.
15b) Die Klage ist unzulässig, weil es sich bei der begehrten Akteneinsicht um eine nicht selbstständig anfechtbare Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO handelt.
16Gemäß § 44a Satz 1 VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden.
17Die Vorschrift ist mit der Verabschiedung des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vom (BGBl. I S. 1253) als dessen § 97 Nr. 2 erlassen worden. Sie dient dem Ziel der Prozessökonomie und soll verhindern, dass die sachliche Entscheidung durch die Anfechtung von Verfahrenshandlungen verzögert wird. Nur das Ergebnis behördlichen Handelns, nicht aber die Vorbereitung der Sachentscheidung soll Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle sein (BT-Drs. 7/910 S. 97 zu § 92 VwVfG-E).
18Bei der Verweigerung von Akteneinsicht durch die Beklagte handelt es sich um eine Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO (aa). Die Voraussetzungen für die Annahme einer Ausnahme von dieser Regelung sind nicht gegeben (bb).
19aa) Unter einer Verfahrenshandlung ist jede behördliche Maßnahme zu verstehen, die im Zusammenhang mit einem schon begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren steht und die der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dient. Aus dem Gegensatz des Begriffs der Verfahrenshandlung zu dem in § 44a Satz 1 VwGO gleichfalls verwendeten Begriff der Sachentscheidung folgt, dass sich der Ausschluss selbstständiger Rechtsbehelfe grundsätzlich auf solche behördlichen Maßnahmen beschränkt, die Teil eines konkreten Verwaltungsverfahrens sind, ohne selbst Sachentscheidung zu sein, ohne also ihrerseits in materielle Rechtspositionen einzugreifen ( 6 C 4.09 - BVerwGE 134, 368 Rn. 21). Unerheblich für die Einordnung als Verfahrenshandlung ist dabei, welche Rechtsform der vorbereitende Akt hat. Neben Realakten können auch Verwaltungsakte Verfahrenshandlungen im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO sein (Geiger, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 44a Rn. 4; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 44a Rn. 3). Ebenso ist davon auszugehen, dass eine Verfahrenshandlung nicht nur eine anfechtbare Handlung, die in Rechte des Beteiligten eingreift, ist, sondern dass auch sogenannte Negativakte, also die behördliche Verweigerung der erstrebten Verfahrenshandlung (hier: Gewährung von Akteneinsicht), von der Norm erfasst werden ( 9 A 20.01 - BVerwGE 115, 373 <377>; Beschluss vom - 2 VR 2.05 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 33 Rn. 10).
20Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger beruft sich allein auf Ansprüche auf Akteneinsicht, welche aus § 29 VwVfG bzw. unmittelbar aus den Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG für das beamtenrechtliche Auswahlverfahren folgen. Diese Ansprüche stehen in unmittelbarem Zusammenhang zu den behördlich und gerichtlich noch anhängigen Verfahren, welche die Anfechtung erfolgter Ernennungen von Konkurrenten des Klägers sowie Schadensersatzansprüche des Klägers wegen Nichtbeförderung betreffen. Allein um seine Rechte in diesen Verfahren effektiv verfolgen zu können, begehrt der Kläger Akteneinsicht.
21Dem Akteneinsichtsanspruch nach § 29 VwVfG kommt schon seiner Natur nach allein eine Funktion zu, die gegenüber der Sachentscheidung - hier die Aufhebung der Ernennung der Konkurrenten und die Gewährung von Schadensersatz - nur vorbereitenden Charakter hat. Nach dem Wortlaut der Norm erfasst diese nur die das Verfahren betreffenden Akten. Sie setzt somit ein führendes, auf den Erlass der Sachentscheidung gerichtetes Verfahren voraus; der Anspruch aus § 29 VwVfG besteht nur von der Einleitung dieses Verfahrens (§ 22 VwVfG) bis zu dessen Abschluss gemäß § 9 VwVfG ( 2 C 42.82 - BVerwGE 67, 300 <303 f.>).
22Entsprechendes gilt für den vom Kläger unmittelbar auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG gestützten Anspruch auf Akteneinsicht. Dieser kann bestehen, wenn ansonsten die Vereitelung von Rechten des Beamten im Auswahlverfahren droht. Da das Auswahlverfahren ein Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG ist, ist bereits fraglich, ob für den unmittelbar aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG hergeleiteten Anspruch auf Akteneinsicht überhaupt ein Anwendungsbereich neben § 29 VwVfG besteht. Jedenfalls wäre auch dieser Akteneinsichtsanspruch einem führenden Sachentscheidungsverfahren, gerichtet auf die Ernennung eines Beamten, zu dienen bestimmt.
23bb) Es besteht kein Anlass, eine Ausnahme von der Grundregel des § 44a Satz 1 VwGO anzunehmen.
24Die Voraussetzungen für die gesetzlichen Ausnahmetatbestände in § 44a Satz 2 VwGO sind nicht erfüllt. Weder handelt es sich bei der Verweigerung von Akteneinsicht um eine vollstreckbare Entscheidung, noch ist der Kläger Nichtbeteiligter im Sinne dieser Norm.
25Auch vor dem Hintergrund der Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG besteht kein Anlass, im Einzelfall von der Anwendung des § 44a Satz 1 VwGO abzusehen. Dies kann dann geboten sein, wenn die vorbereitende Handlung bzw. ihre Unterlassung einen rechtlichen Nachteil zur Folge hat, der sich in einem die abschließende Entscheidung betreffenden Verfahren nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr vollständig beheben lässt (BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvR 213/51 - BVerfGE 1, 322 <324 f.>, vom - 2 BvR 1107/77 u.a. - BVerfGE 58, 1 <23> und vom - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 <120>).
26Ein solcher - auch nur teilweiser - Rechtsverlust steht hier nicht zu befürchten.
27(1) Speziell mit Blick auf das beamtenrechtliche Auswahlverfahren geht das Bundesverfassungsgericht zwar davon aus, dass der aus Art. 33 Abs. 2 GG herzuleitende Bewerbungsverfahrensanspruch des Beförderungsbewerbers eine Ausgestaltung schon des Verwaltungsverfahrens verlangt, die Rechtsschutz nicht vereitelt oder unzumutbar erschwert. Deswegen ist dem unterlegenen Bewerber rechtzeitig vor der Ernennung des Mitbewerbers Mitteilung vom Ausgang des Auswahlverfahrens zu machen, vor der Aushändigung der Urkunde hat der Dienstherr einen ausreichenden Zeitraum abzuwarten, um Eilrechtsschutz zu ermöglichen, und die wesentlichen Auswahlerwägungen, von denen sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht Kenntnis verschaffen kann, sind schriftlich niederzulegen (BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 206/07 - BVerfGK 11, 398 <402 ff.> und vom - 2 BvR 1855/07 - BVerfGK 12, 106 <110>). Daraus folgt allerdings nicht, dass dem unterlegenen Bewerber grundsätzlich Akteneinsicht unabhängig von gegen die Sachentscheidung gerichteten Rechtsbehelfen zu gewähren ist. Denn die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich allein auf das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren. In diesem befindet sich der unterlegene Bewerber wegen der Verpflichtung zur Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO) in einer schwächeren Situation; er ist zur Glaubhaftmachung auf die Kenntnis der allein in den Akten befindlichen Auswahlerwägungen angewiesen. Im Übrigen geht es im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren darum, die Ernennung des Konkurrenten, die nachträglich wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität jedenfalls nicht ohne Weiteres angefochten werden kann (vgl. 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 31 ff.), zunächst zu verhindern. Hier greift der eine Ausnahme von § 44a Satz 1 VwGO rechtfertigende Gedanke, dass rechtliche Nachteile entstehen könnten, die nachträglich nicht mehr zu beheben wären. Dem unterlegenen Bewerber ist es in dieser Situation nicht zuzumuten, ein gerichtliches Eilverfahren gewissermaßen "ins Blaue hinein" zu führen.
28Anderes gilt bei den vom Kläger verfolgten Ansprüchen auf Anfechtung der bereits erfolgten Ernennungen, welche noch im Verwaltungsverfahren anhängig sind, und auf Schadensersatz wegen Nichtbeförderung, welcher bereits rechtshängig ist. Diesbezüglich geht es nicht darum, vollendete Tatsachen mit Nachteilen für die Durchsetzung eigener Rechte des Klägers zu vermeiden. Es ist dem Kläger vielmehr zuzumuten, im Rahmen der entsprechenden Verfahren auf die Gewährung von Akteneinsicht zu drängen. Diese ist gegebenenfalls über das Verwaltungsgericht durchsetzbar (§ 99 Satz 1, § 100 Abs. 1 VwGO). Im Nachgang der erfolgten Akteneinsicht hätte der Kläger Gelegenheit, seine Klage weiter zu begründen und den Streitgegenstand näher zu konkretisieren. Führt die Akteneinsicht zu der Einsicht, dass die Auswahlentscheidung rechtmäßig war, so könnten in diesem Fall der Hauptsacheerledigung dem Dienstherrn die Kosten gemäß § 155 Abs. 4 VwGO auferlegt werden ( 2 A 1.94 - Schütz, BeamtR, Kommentar, ES/B III 8 Nr. 10 = juris Rn. 22). Sollte es im Rahmen des Rechtsschutzes gegen die Sachentscheidung nicht zur Vorlage der erforderlichen Akten kommen, obläge es dem Verwaltungsgericht mit Wirkung für die materielle Beweislast hieraus Schlüsse zu ziehen (vgl. 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 Rn. 44 ff.). Eine Rechtsvereitelung könnte jedenfalls nicht deswegen eintreten, weil der Anspruch auf Akteneinsicht nicht unabhängig von Rechtsbehelfen gegen die Sachentscheidung geltend zu machen wäre.
29(2) Auch die vom Kläger angeführte "Rechtswegewahlfreiheit" zwingt nicht zur isolierten gerichtlichen Durchsetzung von Akteneinsichtsrechten. Gemäß Art. 34 Satz 3 GG darf für Schadensersatzansprüche aus Amtspflichtverletzung der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden. Diese grundgesetzliche Vorgabe wird durch § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO derart umgesetzt, dass entgegen der Grundregel in Absatz 1 dieser Vorschrift für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, der ordentliche Rechtsweg gegeben ist. Das führt dazu, dass der übergangene Bewerber in einem beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren etwaige Schadensersatzansprüche wegen Nichtbeförderung einerseits gestützt auf seine aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Rechte vor den Verwaltungsgerichten und andererseits gestützt auf eine Amtspflichtverletzung nach Art. 34 Satz 1 GG, § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB vor den Zivilgerichten geltend machen kann ( 2 C 22.09 - BVerwGE 136, 140 Rn. 13). Die Grundregel des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet, gilt für Amtshaftungsansprüche nicht, was Satz 2 dieser Regelung klarstellt. Das führt dazu, dass zwar das Zivilgericht in Anwendung von § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG auch über den aus Art. 33 Abs. 2 GG abzuleitenden beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch zu entscheiden hätte, der unterlegene Bewerber aber auch befugt wäre, diesen Anspruch vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen (vgl. Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 17 GVG, Rn. 57; Zimmermann, in: Münchener Kommentar ZPO Bd. 3, 4. Aufl. 2013, § 17 GVG Rn. 11). Das Verwaltungsgericht hätte den Schadensersatzanspruch jedenfalls nur unter dem Aspekt der beamtenrechtlichen Ansprüche zu prüfen ( 2 B 178.96 - juris Rn. 2).
30Der seiner Natur nach öffentlich-rechtliche Anspruch auf Akteneinsicht in § 29 VwVfG - wie auch ein etwaiger, unmittelbar aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG folgender Anspruch auf Akteneinsicht - ist in Anwendung von § 40 Abs. 1 VwGO vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen. Diese sind aber durch die Regelung des § 44a Satz 1 VwGO an einer isolierten Prüfung gehindert. Somit können die genannten Ansprüche auf Akteneinsicht verwaltungsgerichtlich nur durchgesetzt werden, wenn ein Hauptsacheverfahren betreffend die Sachentscheidung (hier: Schadensersatz) vor dem Verwaltungsgericht anhängig gemacht wird.
31Amtshaftungsansprüche sind demgegenüber aufgrund der Vorschrift des Art. 34 Satz 3 GG von vorneherein auf eine Durchsetzung in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und - vorbehaltlich einer anderen gesetzlichen Regelung - damit auf die Mittel angewiesen, die die Zivilprozessordnung zur Verfügung stellt. Auch diese sieht die Möglichkeit der Herbeiziehung von Akten vor, jedoch nach den Regelungen der Zivilprozessordnung. Dort gilt zwar der Beibringungsgrundsatz, wonach der Kläger den Prozessstoff und die Beweismittel im Grundsatz selbst beschaffen muss. Allerdings treffen auch im Zivilprozess die Parteien Mitwirkungs- und Wahrheitspflichten (§ 138 Abs. 1 ZPO). Das Gericht unterliegt zudem der Aufklärungspflicht im Rahmen des § 139 ZPO. In diesem Zusammenhang darf das Gericht von Amts wegen u.a. die Vorlage von Urkunden oder Akten anordnen (§§ 142 und 143 ZPO) sowie amtliche Auskünfte einholen (§ 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Im Übrigen kennt auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Amtshaftungsprozessen betreffend beamtenrechtliche Beförderungsverfahren Regelungen zu Beweiserleichterungen im Falle der Nichterweislichkeit der Kausalität zwischen der Amtspflichtverletzung und der Schädigung ( - BGHZ 129, 226 <232 f.>).
32Der Kläger hat somit eine Wahlfreiheit, ob er einen Amtshaftungsanspruch vor den Zivilgerichten oder einen beamtenrechtlichen Anspruch vor den Verwaltungsgerichten geltend macht. Beide Gerichtsbarkeiten sind dabei zur Anwendung des jeweiligen für sie geltenden Prozessrechts verpflichtet ( 2 A 4.06 - NJW 2008, 1398 Rn. 13). Eine verfassungsrechtlich verankerte Wahlfreiheit zwischen den beiden Rechtswegen unter Mitnahme maximaler Vorteile des jeweils anderen Prozessrechts kennt die Rechtsordnung nicht.
33(3) Geht man zugunsten des Klägers davon aus, dass neben einer drohenden Rechtsschutzvereitelung auch allgemeine Zumutbarkeitserwägungen zu einem Ausschluss der Anwendung des § 44a Satz 1 VwGO führen können, so liegen diese Voraussetzungen jedenfalls nicht vor. Der Kläger wird nicht in unzumutbarer Weise belastet. Namentlich die von ihm angeführte Exposition im Kollegenkreis, die aus einer gegen die Ernennung des Konkurrenten gerichteten Klage folgt, ist von ihm hinzunehmen. Die Klageerhebung ist das von der Rechtsordnung vorgesehene Mittel, gegen die Ernennung des Konkurrenten vorzugehen, soweit der Grundsatz der Ämterstabilität überhaupt eine solche Anfechtung zulässt (vgl. 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn 29 ff.). In den übrigen, wohl häufigeren Fällen, in denen eine nachträgliche Anfechtung der Ernennung ohnehin ausgeschlossen ist, bleibt dem unterlegenen Bewerber nur die Klage gegen den Dienstherrn auf Gewährung von Schadensersatz. Diese ist schon nicht geeignet, eine unangemessene Exposition im Kollegenkreis zu verursachen, weil die Rechtspositionen der Konkurrenten hiervon nicht betroffen werden.
34Da die Klage auf Akteneinsicht bereits nach § 44a Satz 1 VwGO unzulässig ist, kann offen bleiben, ob sie unter dem Gesichtspunkt des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses auch deshalb unzulässig geworden ist, weil der Kläger - noch vor dem Berufungsurteil - (vor dem Verwaltungsgericht Köln) Klage auf Schadensersatz erhoben hat und in diesem Verfahren nach §§ 99 und 100 VwGO Einsicht in die maßgeblichen Akten der Beklagten genommen werden kann (vgl. oben Rn. 28).
35Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2016:220916U2C16.15.0
Fundstelle(n):
NJW 2017 S. 9 Nr. 3
LAAAF-88927