Verfahrensrecht | Bindungswirkung des Verlustfeststellungsbescheids (BFH)
Dem Feststellungsbescheid über sog.
Altverluste kommt als Grundlagenbescheid gemäß
§ 175 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 AO bei einer Verlustverrechnung mit
Kapitaleinkünften i.S. des
§ 20 Abs. 2
EStG sowohl hinsichtlich des Bestehens als auch der Höhe
der Altverluste Bindungswirkung zu. Auch bei Nichtbeachten eines
Grundlagenbescheids bei der erstmaligen Festsetzung der Steuer oder einer
Folgeänderung ist der Grundlagenbescheid nach wie vor geeignet, eine spätere
nochmalige Änderung des Folgebescheids zu rechtfertigen
(; veröffentlicht am ).
Sachverhalt und Verfahrensgang: Das FA erließ einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum , in dem es den Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG a.F. (sog. Altverluste) für die Kläger feststellte. Das FA setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Einbeziehung der nach § 32d Abs. 1 EStG 2009 zu besteuernden Kapitaleinkünfte bestandskräftig fest, ohne dabei eine Verrechnung des Verlustvortrags aus privaten Veräußerungsgeschäften zum mit den im Streitjahr erzielten Kapitalerträgen i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 vorzunehmen. 2011 beantragten die Kläger eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr, da sie „von ihrem Veranlagungswahlrecht gemäß § 32d EStG hinsichtlich der Verlustvorträge aus Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften Gebrauch machen wollten“. 2014 erließ das FA einen auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützten Änderungsbescheid für 2009, in dem es die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung erhöhte.
Das FA lehnte den Antrag ab, da die Einkommensteuerfestsetzung für 2009 bereits bestandskräftig geworden sei und die Voraussetzungen für eine Änderung des Bescheids nach den Korrekturvorschriften AO nicht vorlägen. Dieser Auffassung folgte das FG. Der BFH hob das Urteil der Vorinstanz auf.
Hierzu führte der BFH weiter aus:
Die Kläger haben trotz des Eintritts der formellen Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids für 2009 einen Anspruch auf Korrektur des Änderungsbescheids von 2014 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Dem Verlustfeststellungsbescheid über die Altverluste aus privaten Veräußerungsgeschäften kommt danach sowohl hinsichtlich des Bestehens als auch der Höhe der Altverluste Bindungswirkung bei der Verrechnung mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 zu.
Die Kläger haben im Streitfall rechtzeitig einen Antrag auf Einbeziehung der Kapitaleinkünfte in die Einkommensteuerfestsetzung nach § 32d Abs. 4 EStG 2009 gestellt. Die Verrechnung von Altverlusten mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 gemäß § 20 Abs. 6 Satz 1, § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG 2009 kann auch bei einer Korrektur gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nur erfolgen, wenn die Kapitaleinkünfte aufgrund einer Antragsveranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG 2009 in die Einkommensteuerfestsetzung miteinbezogen werden. Bei dem Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG 2009 handelt es sich um ein unbefristetes Veranlagungswahlrecht.
Die Verrechnung von Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften mit nach der Verrechnung verbleibenden positiven Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 ist zwingend, wenn keine Ausgleichsmöglichkeit der Altverluste mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG 2009 besteht.
Diese Voraussetzungen für eine zwingende Verrechnung der Altverluste der Kläger aus privaten Veräußerungsgeschäften mit den im Streitjahr erzielten positiven Einkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 sind vorliegend erfüllt, da die Kläger im Streitjahr keine positiven Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt haben. Einer Antragstellung bedurfte es folglich nicht.
Quelle: ; NWB Datenbank (Sc)
Fundstelle(n):
JAAAF-87331