Instanzenzug:
Gründe
I.
1Der Kläger begehrte Anfang 2015 von der Beklagten Akteneinsicht in die Protokolle des Gesamtvorstandes und der Ausbildungsabteilung der Beklagten seit dem . Zwischen den Parteien erfolgte daraufhin ein Schriftwechsel, im Rahmen dessen die Beklagte schließlich ankündigte, ein Rechtsgutachten einholen zu wollen. Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben, mit der er den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Akteneinsicht - hilfsweise Informationszugang - weiterverfolgt. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.
2Die Präsidentin des Bundesgerichtshofs hat als Vorsitzende des Anwaltssenats des Bundesgerichtshofs Rechtsanwalt Dr. L. zum Mitberichterstatter bestimmt. Dieser hat mit dienstlicher Äußerung vom darauf hingewiesen, dass er ab dem Jahr 2001 bis zu seinem Ausscheiden Schatzmeister der Beklagten und bis zum Jahr 2007 Mitglied des Vorstands der Beklagten gewesen sei. Die Kammerversammlung, in der er sich nicht mehr zur Wiederwahl gestellt habe, habe am stattgefunden. Für den Zeitraum davor weise sein Kalender für den Februar eine Vorstandssitzung aus. Er habe sich am von den Vorstandsmitgliedern verabschiedet. Darüber hinaus habe er im Januar und im März noch an einer Präsidiumssitzung teilgenommen.
3Die Parteien erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger hat mitgeteilt, wenn Rechtsanwalt Dr. L. an Vorstandssitzungen mitgewirkt habe, deren Protokolle Streitgegenstand seien, müsse er in "causa sua" entscheiden. Er gehe davon aus, dass der Ausschlussgrund des § 54 Abs. 2 VwGO greife. Einen Antrag stelle er jedoch nicht, da er dies neben der Amtsermittlung nicht für erforderlich erachte.
II.
41. Die von Rechtsanwalt Dr. L. angezeigten Umstände ergeben keinen Ausschließungsgrund gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 54 Abs. 2 VwGO. Nach § 54 Abs. 2 VwGO ist von der Ausübung des Amtes als ehrenamtlicher Richter ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat. Rechtsanwalt Dr. L. hat an dem der Klage vorausgegangenen Verwaltungsverfahren nicht mitgewirkt.
5a) Das vorausgegangene Verfahren i.S.v. § 54 Abs. 2 VwGO erfasst das gesamte behördliche Verfahren einschließlich eines etwaigen Widerspruchsverfahrens, aber nur das Verwaltungsverfahren, in dem die zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Verwaltungsentscheidung ergangen ist. Andere, insbesondere frühere Verwaltungsverfahren umfasst dies nicht. Eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung scheidet wegen der abschließenden Regelung der gesetzlichen Ausschlussgründe - auch mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 GG aus (, [...] Rn. 5 mwN; Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 22. Aufl., § 54 Rn. 9).
6b) Danach liegt kein Ausschließungsgrund gemäß § 54 Abs. 2 VwGO vor. Zur gerichtlichen Überprüfung ist in dem vorliegenden Rechtsstreit die vom Kläger begehrte und seitens der Beklagten bisher (überwiegend) nicht gewährte Akteneinsicht in die Protokolle des Gesamtvorstandes und der Ausbildungsabteilung der Beklagten seit dem gestellt. Das vorausgegangene Verfahren i.S.v. § 54 Abs. 2 VwGO ist mithin die Behandlung des entsprechenden Begehrens des Klägers durch die Beklagte. Hieran hat Rechtsanwalt Dr. L. nicht mitgewirkt. Dagegen ist die Teilnahme von Dr. L. an Vorstandssitzungen der Beklagten im Jahr 2007, in deren Protokolle der Kläger Einsicht begehrt, kein dem vorliegenden Rechtsstreit vorausgegangenes Verfahren i.S.v. § 54 Abs. 2 VwGO. Während der betreffenden Vorstandssitzungen konnte das Einsichtsbegehren des Klägers aus dem Jahr 2015 naturgemäß nicht erörtert werden. Seinerzeit möglicherweise ergangene Entscheidungen der Beklagten werden in dem vorliegenden, allein das Einsichtsrecht des Klägers betreffenden Rechtsstreit nicht zur gerichtlichen Überprüfung gestellt. Eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung des Ausschlussgrundes gemäß § 54 Abs. 2 VwGO auf Verwaltungsverfahren, die nicht selbst Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung sind, sondern hinsichtlich derer lediglich das Einsichtsrecht in die betreffenden Protokolle streitgegenständlich ist, kommt nach den vorstehenden Grundsätzen nicht in Betracht.
72. Auf die dienstliche Äußerung von Rechtsanwalt Dr. L. hat der Senat entsprechend der nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 54 Abs. 1 VwGO sinngemäß anzuwendenden Vorschrift des § 48 Alt. 1 ZPO in Verbindung mit § 45 Abs. 1, § 46 ZPO auch darüber zu entscheiden, ob ein Grund besteht, der die Besorgnis der Befangenheit begründet. Dies ist zu bejahen.
8Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn aus der Sicht einer Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr.; vgl. nur , NJW 2012, 1890 Rn. 10; Senat, Beschlüsse vom - AnwZ 3/13, [...] Rn. 5 und vom - AnwZ (Brfg) 24/12, NJW-RR 2013, 1211 Rn. 6; jeweils mwN). Nicht erforderlich ist dagegen, dass tatsächlich eine Befangenheit vorliegt. Vielmehr genügt es, dass die aufgezeigten Umstände geeignet sind, der Partei Anlass zu begründeten Zweifeln zu geben; denn die Vorschriften über die Befangenheit von Richtern bezwecken, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden (vgl. nur aaO; BVerfGE 108, 122, 126).
9Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein Ablehnungsgrund vor.
10Aufgrund der dienstlichen Äußerung von Rechtsanwalt Dr. L. steht fest, dass er an einer Sitzung des Gesamtvorstandes der Beklagten im Februar 2007 teilgenommen hat. Die Einsicht in das Protokoll (auch) dieser Vorstandssitzung ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Rechtsanwalt Dr. L. ist daher vom Ausgang des Rechtsstreits potentiell jedenfalls mittelbar betroffen.
11Die sich daraus möglicherweise ergebende Interessenkollision kann aus Sicht einer Partei bei vernünftiger Würdigung Anlass zu Zweifeln an der Unparteilichkeit von Rechtsanwalt Dr. L. als Mitglied des Anwaltssenats des Bundesgerichtshofs geben und rechtfertigt daher dessen Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit. Ohne die Selbstablehnung wäre Rechtsanwalt Dr. L. dazu berufen, als Mitberichterstatter an dem Verfahren mitzuwirken und darüber - gemeinsam mit den weiteren Mitgliedern des Spruchkörpers - zu entscheiden. Er hätte mit darüber zu befinden, ob der Kläger Einsicht unter anderem in das Protokoll einer Vorstandssitzung der Beklagten erhält, an der er, Rechtsanwalt Dr. L. , selbst teilgenommen hat. In Anbetracht dieser Umstände ist zur Vermeidung des bösen Scheins einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Neutralität die Selbstablehnung von Rechtanwalt Dr. L. für begründet zu erklären.
Fundstelle(n):
VAAAF-87259