Asylverfahren: Verletzung des Beschleunigungsgebots bei mangelnder Zurverfügungstellung eines Dolmetschers während der Unterbringung eines Ausländers im Transitbereich eines Flughafens
Gesetze: § 15 Abs 6 AufenthG, Art 104 Abs 2 S 1 GG, Art 5 Abs 1 MRK
Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 2-29 T 15/15vorgehend AG Frankfurt Az: 934 XIV 76/15 B
Gründe
I.
1Die Betroffene ist kenianische Staatsangehörige und wandte sich am im Transitbereich des Frankfurter Flughafens an einen Beamten der beteiligten Behörde. Am fand eine ergänzende Befragung der Betroffenen durch die beteiligte Behörde statt, wobei ein Asylbegehren festgestellt wurde. Die Betroffene wurde an die zuständige Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Asylantragstellung übergeben. Am wurde die Betroffene gemäß § 18a AsylVfG angehört und von ihr ein Asylantrag gestellt. Diesen lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom als offensichtlich unbegründet ab. Zugleich wurde die Betroffene aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Ein hiergegen gestellter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom abgelehnt. Am ordnete das Amtsgericht den vorläufigen Aufenthalt der Betroffenen im Transitbereich bis zum an.
2Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das die Anordnung des Aufenthalts der Betroffenen in der Asylunterkunft auf dem Gelände des Frankfurter Flughafens bis zum verlängert. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will die Betroffene, die am nach Nairobi überstellt worden ist, die Feststellung der Verletzung ihrer Rechte erreichen.
II.
3Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Anordnung der Zurückweisungshaft nach § 15 Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 AufenthG lägen vor. Im Besonderen sei das Beschleunigungsgebot in Haftsachen beachtet worden. Dass zwischen der Protokollierung des Asylantrages und der Befragung der Betroffenen durch das Bundesamt eine Woche gelegen habe, sei angesichts des dazwischenliegenden Wochenendes und des diesbezüglichen organisatorischen Aufwandes noch nicht unverhältnismäßig. Auch nach diesem Zeitpunkt liege ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz nicht vor.
III.
4Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Auf der Grundlage der Feststellungen des Beschwerdegerichts kann eine Verletzung des Beschleunigungsgebots nicht verneint werden.
51. Das in Haftsachen zu beachtende Beschleunigungsgebot gilt auch für die den Aufenthalt des Ausländers auf den Transitbereich des Flughafens beschränkende Anordnung nach § 15 Abs. 6 AufenthG. Auch wenn der Transit-aufenthalt wegen der Möglichkeit, auf dem Luftweg abzureisen, keine Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 5 Abs. 1 EMRK darstellt, steht das Festhalten des Ausländers auf dem Flughafen nach einer gewissen Dauer und wegen der damit verbundenen Eingriffsintensität einer Freiheitsentziehung gleich. Der den über 30 Tage hinausgehenden Transitaufenthalt des Ausländers anordnende Haftrichter hat daher von Amts wegen zu prüfen, ob die Grenzbehörde die Zurückweisung ernstlich und gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit der größtmöglichen Beschleunigung betreibt Das Beschleunigungsgebot gebietet, dass der Betroffene unverzüglich nach seinem Einreiseversuch - und nicht ohne nachvollziehbare Gründe erst nach mehreren Tagen - befragt wird und dass die für die Zurückweisung erforderlichen Maßnahmen unverzüglich in die Wege geleitet werden (Senat, Beschluss vom - V ZB 274/10, FGPrax 2011, 315, Rn. 23 f. mwN).
62. Der pauschale Hinweis des Beschwerdegerichts darauf, dass der Zeitraum von einer Woche zwischen der Protokollierung des Asylgesuchs am und der Befragung der Betroffenen durch das Bundesamt mit dem diesbezüglichen organisatorischen Aufwand und dem dazwischen liegenden Wochenende zu erklären sei, trägt die Annahme, dem Beschleunigungsgebot sei Rechnung getragen worden, nicht. Den Feststellungen des Beschwerdegerichts lässt sich nicht entnehmen, welche organisatorischen Schritte zwischen dem 11. und dem vorgenommen worden sind. Insbesondere bleibt offen, wann die Betroffene an das Bundesamt übergeben worden ist. Mit der von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Stellungnahme der beteiligten Behörde im Rahmen des Beschwerdeverfahrens, wonach das Bundesamt erklärt habe, dass ein Dolmetscher für Swahili nicht früher zur Verfügung gestanden habe und grundsätzlich nicht auf den Sprachmittler zurückgegriffen werde, der bereits bei der Bundespolizei eingesetzt worden sei, hat sich das Beschwerdegericht nicht befasst.
IV.
71. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da weitere Sachverhaltsermittlungen erforderlich sind, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht selbst treffen kann (§ 74 Abs. 3 Satz 3 FamFG i.V.m. § 559 ZPO). Die Sache ist daher an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG). Sollte sich erweisen, dass der Zeitraum vom 11. bis erforderlich war, um einen weiteren Sprachmittler für Swahili heranzuziehen, wird zu prüfen sein, ob es sachgerechte Gründe dafür gab, nicht auf den Sprachmittler zurückzugreifen, der von der beteiligten Behörde eingesetzt worden war.
82. Der Zurückverweisung steht nicht entgegen, dass die Betroffene zwischenzeitlich nach Kenia rückgeführt wurde. Die gebotene Gewährung rechtlichen Gehörs zu den von dem Beschwerdegericht noch zu treffenden Feststellungen kann hier dadurch erfolgen, dass dem Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wird. Einer persönlichen Anhörung der Betroffenen (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom - V ZB 39/15, juris Rn. 10; Beschluss vom - V ZB 218/11, InfAuslR 2013, 154, Rn. 16) zu dieser Frage bedarf es nicht.
V.
9Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 3 GNotKG.
Stresemann Schmidt-Räntsch Kazele
Göbel Hamdorf
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:121016BVZB28.15.0
Fundstelle(n):
GAAAF-86710