FinMin Nordrhein-Westfalen - S 0462

Verzinsung von hinterzogenen Steuern

Ergänzung der Regelungen im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 235

1. Allgemeines

Eine ausführliche Darstellung der Rechtsgrundlagen ergibt sich aus dem AEAO zu § 235.

2. Zweck und Voraussetzungen der Verzinsung (siehe AEAO zu § 235, Nr. 1)

3. Gegenstand der Verzinsung (Ergänzung des AEAO zu § 235, Nr. 2)

3.1 Umsatzsteuer

Bei der Bearbeitung von Umsatzsteuererklärungen mit hohen Abschlusszahlungen und berichtigten Umsatzsteuer-Voranmeldungen ist zu prüfen, ob diese Selbstanzeigen darstellen (§ 371 Abs. 3 und 4 AO) und die Festsetzung von Hinterziehungszinsen in Betracht kommt. Für das Veranlagungsverfahren wird unter folgenden Voraussetzungen der PH 667 ausgegeben: Die Abschlusszahlung im Sinne des § 18 Abs. 4 UStG aufgrund der Umsatzsteuer-Jahreserklärung beträgt mehr als 10.000,00 € oder mehr als 5 v. H. der Summe der vorangemeldeten Umsatzsteuer und mindestens 5.000,00 € (DA-ADV/Fach 092 Hinweise mit Verweis auf die DDV-Auskunft). Nach dem Inhalt des PH 667 ist u. a. auch zu prüfen, ob Hinterziehungszinsen festzusetzen sind.

3.2 Einkommensteuer und Körperschaftsteuer

Insbesondere in den Fällen von lang andauernden Steuerverkürzungen bei ausländischen Kapitalerträgen sind auch die verkürzten Einkommensteuer-Vorauszahlungen nach § 235 AO zu verzinsen. In diesen Fällen betrifft die Verkürzung nicht ausschließlich die Jahreseinkommensteuer, sondern auch die vierteljährlichen Einkommensteuer-Vorauszahlungen, da diese bei Berücksichtigung der hinterzogenen Einkommensteuer des Vorjahres höher hätten festgesetzt werden müssen und der Hinterzieher sich dadurch bis zur endgültigen Festsetzung der Jahreseinkommensteuer einen ungerechtfertigten Liquiditäts- bzw. Zinsvorteil verschafft (vgl. , BStBl II 1997, 600). Demzufolge fallen auch keine oder zu geringe Steuervorauszahlungen unter den Begriff der „verkürzten Steuer” (vgl. AEAO zu § 235 Nr. 2.1) und sind mithin gesondert zu verzinsen.

Der objektive Tatbestand einer Hinterziehung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen kann bereits dann erfüllt sein, wenn durch unrichtige Angaben in einer Jahressteuererklärung bewirkt wird, dass neben der Jahreseinkommensteuer auch die Einkommen-Vorauszahlungen für einen nachfolgenden Veranlagungszeitraum nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Diese Verkürzung ist aber weder im Unrechtsgehalt noch betragsmäßig mit einer evtl. späteren Einkommensteuerhinterziehung identisch, so dass es sich insoweit um aufeinanderfolgende Steuerhinterziehungen handelt, die nach Nr. 2.3 AEAO zu § 235 nicht als eine Tat zu würdigen, sondern als selbständige Taten zu behandeln sind.

Dies gilt entsprechend auch für verkürzte Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen.

3.3 Solidaritätszuschlag

Bei der Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer sind auch Zinsen zum Solidaritätszuschlag festzusetzen.

3.4 Erbschaft- und Schenkungsteuer

Da insbesondere bei der Schenkungsteuer oftmals ein langer Zeitraum zwischen der Verletzung der Anzeigepflicht und dem Zeitpunkt der Steuerfestsetzung liegt (vgl. Feststellungen des LRH NRW bei einer in den Jahren 2012 bis 2014 durchgeführten Prüfung der Organisation und der Bearbeitungsqualität der Erbschaftsteuerstellen in NRW), belaufen sich die Hinterziehungszinsen häufig auf nicht unerhebliche Beträge.

Die Bearbeiterinnen und Bearbeiter sollten im Rahmen von Schulungen oder Fachbesprechungen für diese Thematik sensibilisiert werden. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die Zinspflicht unabhängig vom Steuerstrafverfahren im Rahmen des Besteuerungsverfahrens zu prüfen ist. In Fällen der Selbstanzeige sind auch bei bereits eingetretener Strafverfolgungsverjährung Hinterziehungszinsen festzusetzen.

Des Weiteren sollte die Zusammenarbeit zwischen den Erbschaftsteuerstellen und den Finanzämter für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung intensiviert werden.

Auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen unabhängig vom Steuerstrafverfahren im Rahmen des Besteuerungsverfahrens zu prüfen. In Fällen der Selbstanzeige (vgl. dazu auch Nr. 10.1) dürften daher auch bei bereits eingetretener Strafverfolgungsverjährung in der Regel Hinterziehungszinsen festzusetzen sein.

Die Regelungen unter den Nrn. 10.2 und 10.3 gelten entsprechend.

3.5 Kirchensteuer

Verkürzte Kirchensteuern sind nicht zu verzinsen, da § 8 Abs. 2 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen (Kirchensteuergesetz – KiStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (GV. NW. 1975 S. 438) die Anwendung der Vorschriften des Fünften Teils Zweiter Abschnitt der Abgabenordnung (Verzinsung, Säumniszuschläge) ausdrücklich ausschließt.

4. Zinsschuldner (siehe AEAO zu § 235, Nr. 3)

5. Zinslauf (siehe AEAO zu § 235, Nr. 4)

Ende des Zinslaufs bei verkürzten ESt-/KSt-/USt-Vorauszahlungen

Der Vorauszahlungsanspruch zur Einkommensteuer/Körperschaftsteuer ist auflösend bedingt und erlischt, wenn die Bedingung – jedenfalls mit der Festsetzung der Jahressteuer – eintritt.

Damit endet aber noch nicht der Zinslauf; dieser endet erst, wenn die hinterzogenen Steuern, die auf der Grundlage des geänderten Jahressteuerbescheids erhoben werden, auch tatsächlich gezahlt werden.

Dies gilt im Ergebnis auch für den Zinslauf bei verkürzten USt-Vorauszahlungen.

Der Zinslauf endet mit vor Fälligkeit erfolgter Zahlung der Jahressteuerschuld bzw. mit Ablauf des Fälligkeitstages für die Jahressteuerschuld (s. AEAO zu § 235, Nr. 4.2.2.).

6. Höhe der Hinterziehungszinsen (siehe AEAO zu § 235, Nr. 5)

7. Verfahren (Ergänzung des AEAO zu § 235, Nr. 6)

7.1 Festsetzung der Zinsen

Hinterziehungszinsen sind steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO). Auf sie sind die für Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden (§ 239 Abs. 1 Satz 1 AO). Dem Zinsschuldner ist somit ein Zinsbescheid zu erteilen, der die Erfordernisse des § 157 AO erfüllt. Zur Zinsfestsetzung ist der Vordruck Nr. 605/36 zu verwenden (ETV-Vorlagenschrank). Rundungs- und Kleinbetragsregelungen sowie die Anrechnung für gleiche Zeiträume festgesetzter Nachzahlungszinsen werden im Vordruck berücksichtigt.

Auf die berechneten Hinterziehungszinsen sind – vor Festsetzung – die Zinsen nach § 233a AO anzurechnen, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden (vgl. AEAO zu § 233a, Nr. 66); der Anrechnungsbetrag muss personell ermittelt werden.

Es wird den Festsetzungsfinanzämtern – unter Berücksichtigung der jeweiligen personellen Situation – empfohlen, für die Festsetzung der Hinterziehungszinsen aus Zweckmäßigkeitsgründen eine zentrale Stelle einzurichten. Die Einführung einer solchen „Zentralbearbeitung” bleibt den Finanzämtern aber – wie bisher – freigestellt.

Hinweis zur Einkommensteuerfestsetzung: Festgesetzte Nachzahlungszinsen, die auf Hinterziehungszinsen gemäß § 235 Abs. 4 AO angerechnet wurden, können nicht als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG in der bis einschließlich 1998 geltenden Fassung abgezogen werden (, BStBl 2005 II, 274).

7.2 Begründung des Zinsbescheids

Im Zinsbescheid muss dargelegt werden, dass und inwieweit eine Steuerhinterziehung vorliegt. In den Fällen, in denen der Steuerpflichtige wegen der Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt worden ist, genügt ein Hinweis auf das Urteil. In allen übrigen Fällen ist in dem Zinsbescheid genau zu begründen, warum eine Steuerhinterziehung (Erfüllung des objektiven und subjektiven Tatbestands) vorliegt und in welcher Höhe die zu verzinsenden Steuern hinterzogen worden sind.

7.3 Personengesellschaften (Ergänzung des AEAO zu § 235, Nr. 6.1)

Sind Steuern zum Vorteil der Gesellschafter einer Personengesellschaft hinterzogen worden und die Rechtsfolgen der Hinterziehungshandlung den an der Einkunftsquelle Beteiligten nach § 235 Abs. 1 Satz 2 AO gleichermaßen zuzurechnen, so hat das Betriebsfinanzamt in der einheitlichen und gesonderten Feststellung den Anteil am Gewinn/Verlust, der auf Hinterziehungshandlungen entfällt, besonders auszuweisen. Er ist entsprechend auf die Gesellschafter aufzuteilen. Diese Feststellungen, die ggf. in einem Ergänzungsbescheid nachgeholt werden können, sind für das Wohnsitzfinanzamt des Zinsschuldners bindend. Dieses kann somit nicht sachlich darüber entscheiden, ob eine Steuerhinterziehung vorliegt. Der Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen (als Folgebescheid) kann jedoch gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 155 Abs. 2 AO bereits erteilt werden, auch wenn der Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde.

7.4 Gewerbesteuer (Ergänzung des AEAO zu § 235, Nr. 6.2)

Für die Feststellung und Mitteilung der Berechnungsgrundlagen sind die Vordrucke (aus dem ETV-Vorlagenschrank)

605/37 „Hinterziehungszinsen (GewSt) – ohne Aufteilung”

605/52 „Hinterziehungszinsen (GewSt) – mit Aufteilung”

605/53 „Hinterziehungszinsen (GewSt) – Mitteilung an Gemeinde”

zu verwenden.

7.5 Haftung für Hinterziehungszinsen (§ 71 AO)

Soll ein nach § 71 AO Haftender für die Zinsen in Anspruch genommen werden, so ist ein Haftungsbescheid zu erlassen (§ 239 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 191 AO).

Der LRH NRW ist bei einer im Jahr 2012 durchgeführten Prüfung der Organisation und Bearbeitungsqualität in den Finanzämtern für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (STRAFA-FÄ) des Landes NRW zu dem Ergebnis gekommen, dass – im Hinblick auf die Realisierung von Ansprüchen auf Hinterziehungszinsen – die Informationsweitergabe über haftungsrelevante Umstände aus den Fahndungsakten an die für die Zinsfestsetzung zuständigen Festsetzungsfinanzämter entscheidend ist. Der LRH NRW hielt die Zusammenarbeit zwischen den STRAFA-FÄ und den Erhebungsstellen der Festsetzungsfinanzämter insoweit für verbesserungswürdig.

Zur verbesserten Realisierung von Haftungsansprüchen – auch in Bezug auf die Zinsen nach § 235 AO – haben die STRAFA-FÄ ab sofort frühzeitig zu prüfen, ob eine Haftungsinanspruchnahme nach § 71 AO in Betracht kommt, und die Erhebungsstellen (EHSTen) sowie die für den Erlass des Haftungsbescheids zuständigen Stellen der Festsetzungsfinanzämter noch vor Fertigung des strafrechtlichen Schlussberichts hierüber zu informieren. Ferner sind die erlangten Informationen über haftungsbegründende Tatsachen auch in die Steuerfahndungsberichte aufzunehmen.

7.6 Zeitpunkt der Zinsfestsetzung

Zinsen sind grundsätzlich nicht vor der Fälligkeit der nachzuerhebenden Steuern festzusetzen, es sei denn, dass die hinterzogenen Steuern noch vor ihrer Fälligkeit nachgezahlt worden sind.

Zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen für strafrechtlich verfolgte Veranlagungszeiträume Hinweis auf Nr. 10.2.

Zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen für strafrechtlich nicht verfolgbare Veranlagungszeiträume Hinweis auf Nr. 10.3.

8. Verjährung (siehe AEAO zu § 235, Nr. 7)

9. Einspruch gegen die Zinsfestsetzung

Wird gegen einen Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen Einspruch eingelegt, ist in der Regel zu der vom Einspruchsführer vorgetragenen Einspruchsbegründung eine Stellungnahme des zuständigen Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (STRAFA-FA) einzuholen.

Ist über einen Einspruch gegen einen Zinsbescheid zu entscheiden, so sind in der Einspruchsentscheidung auch die Gründe aufzuführen, aus denen sich der objektive und subjektive Tatbestand des § 370 AO ergibt. Die dazu erforderlichen Angaben sollten sich grundsätzlich aus der Stellungnahme des STRAFA-FA ergeben. Ist das Strafverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen, so genügt eine kurze Begründung, die dem abschließenden Vermerk entnommen werden kann. Die alleinige Bezugnahme auf den Strafbefehl reicht nicht aus.

Im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung des Zinsbescheids ist neben der Prüfung, ob die Zinsberechnung als solche ernstlich zweifelhaft ist, auch zu prüfen, ob ernstliche Zweifel an der Erfüllung des objektiven und subjektiven Tatbestands des § 370 AO bestehen. Im Rahmen einer Entscheidung über einen Einspruch gegen die Ablehnung einer Vollziehungsaussetzung ist hierauf einzugehen.

10. Allgemeiner Verfahrensablauf

Die STRAFA-FÄ teilen zwecks Prüfung, ob Hinterziehungszinsen festzusetzen sind, den für diese Festsetzung bzw. Feststellung zuständigen Finanzämtern mit den Vordrucken Nrn. 615/114 und 615/115 (ETV-Vorlagenschrank) die erforderlichen Angaben mit, insbesondere

Um Missverständnisse bei der Festsetzung von Hinterziehungszinsen zu vermeiden, haben die STRAFA-FÄ in Fällen der sanktionslosen strafrechtlichen Verfahrenseinstellung (z. B. nach §§ 371, 398 AO, §§ 153, 153a, 170 Abs. 2 StPO) im Vordruck 615/114 zu begründen, warum – nach ihrer Auffassung – von der Festsetzung von Hinterziehungszinsen abgesehen werden kann.

10.1 Selbstanzeigen nach der Änderung der §§ 371, 398a AO durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom

Ist ein Steueranspruch fällig geworden, der mit einem aufgrund einer Selbstanzeige ergangenen Bescheid (Änderungs- bzw. Erstbescheid) festgesetzt wurde, hat das Festsetzungsfinanzamt spätestens bei Fälligkeit dieses Steueranspruchs die Prüfung und gegebenenfalls die Festsetzung der Hinterziehungszinsen vorzunehmen.

Sofern die Prüfung ergeben hat, dass keine Hinterziehungszinsen festzusetzen sind, ist dies der Straf- und Bußgeldsachenstelle mitzuteilen.

Das Festsetzungsfinanzamt hat die Zahlung sowohl der Steuern als auch der Zinsen zu überwachen und hierüber der Straf- und Bußgeldsachenstelle entsprechende Mitteilung zu machen. Erst danach kann die Straf- und Bußgeldsachenstelle über die endgültige Straffreiheit nach § 371 Abs. 3 AO oder über das Absehen von der Strafverfolgung nach § 398a AO befinden.

Zur Berechnung der Hinterziehungszinsen i. S. d. § 371 Abs. 3 AO ist auf den Zeitraum des § 371 Abs. 1 AO abzustellen. Der zeitliche und sachliche Umfang der Nachentrichtungspflicht von Zinsen nach § 371 Abs. 3 AO hat keine Auswirkung auf die Berechnung und Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO. Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern (§ 235 Abs. 3 Satz 1 AO).

Die Festsetzung der Hinterziehungszinsen kann gemäß § 239 AO i. V. m. § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgen. Weil im Zeitpunkt des Ergehens des Zinsbescheides nicht feststeht, wann und in welcher Höhe eine Zahlung erfolgt ist, kann durch die Vorbehaltsfestsetzung eine Anpassung an den tatsächlichen Sachverhalt erfolgen.

10.2 Festsetzung von Hinterziehungszinsen für strafrechtlich verfolgte Veranlagungszeiträume

Bei nicht rechtskräftiger Straffestsetzung haben die STRAFA-FÄ Tatsachen und Anhaltspunkte, die für ein Verschulden sprechen, zu prüfen und entsprechend mitzuteilen. Reicht der Sachverhalt oder das Ergebnis der etwaigen Ermittlungen nicht aus, um den Nachweis der Steuerhinterziehung in objektiver und subjektiver Hinsicht hinreichend sicher zu führen, so ist besonders darauf hinzuweisen, dass aus diesem Grunde die Festsetzung von Hinterziehungszinsen unterbleiben sollte.

Obwohl die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nicht vom Ausgang eines Strafverfahrens abhängt, ist die entsprechende Entscheidung im Falle der Einleitung eines Strafverfahrens so lange zurückzustellen, bis dieses rechtskräftig abgeschlossen ist. Sollte sich vor Ergehen der o. g. Mitteilung die Notwendigkeit ergeben, Hinterziehungszinsen festzusetzen (z. B. Gefährdung des Zinsanspruchs, Tod des Steuerstraftäters), so hat sich das für die Zinsfestsetzung zuständige Finanzamt mit dem STRAFA-FA in Verbindung zu setzen.

Die Zinsfestsetzungsfrist beginnt in den Fällen des § 235 AO nach § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 (Alt. 1) AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht (Alt. 2) vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist. Aus dem Wortlaut und dem Zweck dieser den Anlauf der Festsetzungsfrist hemmenden Bestimmung folgt, dass das Strafverfahren bereits in demjenigen Jahr eingeleitet worden sein muss, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist (, BStBl 2001 II, 782; , BStBl 2008 II, 844).

Diese gesetzliche Regelung ist unter dem Aspekt der Vermeidung von Rechtsbehelfen sinnvoll, denn wenn die Festsetzung der hinterzogenen Steuern bestritten wird (z. B. keine oder geringere Steuerverkürzung oder Nichterfüllung des subjektiven Tatbestands der Steuerhinterziehung), wirkt sich dies auch auf die Tatbestandsmerkmale für die Festsetzung der Hinterziehungszinsen aus, da unklar ist, ob und inwieweit sie vorliegen. Es ist daher zweckmäßig, die Hinterziehungszinsen erst dann festzusetzen, wenn mit der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung auch feststeht, dass und in welcher Höhe die Steuer verkürzt worden ist. Für den Fall der rechtzeitigen Einleitung eines Strafverfahrens ist es daher ebenfalls zweckmäßig, den Ausgang des Strafverfahrens auch zur Beurteilung der Tatbestandsmerkmale für die Festsetzung der Hinterziehungszinsen nutzbar zu machen.

10.3 Festsetzung von Hinterziehungszinsen für strafrechtlich nicht verfolgbare Veranlagungszeiträume

Es versteht sich von selbst, dass die vorstehende Regelung unter Nr. 10.2 für strafrechtlich nicht verfolgbare Veranlagungszeiträume nicht gelten kann, weil die Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 (Alt. 2) AO in diesen Fällen nicht eingreift, sondern der Lauf der Festsetzungsfrist hier bereits mit Ablauf des Kalenderjahrs beginnt, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist (Alt. 1).

Für die strafrechtlich nicht relevanten Jahre sind die Hinterziehungszinsen daher nach Eintritt der Fälligkeit der verkürzten Steuern unverzüglich festzusetzen. Der Abschluss des Strafverfahrens hinsichtlich der strafrechtlich verfolgten Veranlagungszeiträume und die Hinterziehungsmitteilungen der STRAFA-FÄ sind insoweit nicht abzuwarten. Es wird bei dieser Regelung im Hinblick auf die kurze Festsetzungsfrist von nur einem Jahr in Kauf genommen, dass die Zahl von Einspruchsverfahren und Antragsverfahren wegen Aussetzung der Vollziehung möglicherweise zunimmt.

10.4 Weitere Maßnahmen

Zur Prüfung, ob ein Zinsbescheid zu erlassen ist, hat die für die Festsetzung zuständige Stelle bei der Erhebungsstelle (EHST) das Datum des maßgeblichen Zahlungseingangs abzufragen und aktenkundig zu machen. Liegen die Voraussetzungen für einen Zinsbescheid vor, ist dieser zu verfügen, von der festsetzenden Stelle abzusenden und der Verfügungsteil der EHST zur Sollanweisung zuzuleiten.

Die Sollanweisung ist durch die EHST unter dem jeweiligen Sachkonto mit dem SKS (y1y2z1) Sachkontoergänzung z1 = 3 vorzunehmen (DA-ADV/Fach 142 Teil 1 Seite 1 Nr. 2).

Ist ein Zinsbescheid nicht zu erlassen, sind die Hinderungsgründe aktenkundig zu machen.

11. Sonstiges

Bei Geschäftsprüfungen, insbesondere bei den Fachgeschäftsprüfungen Erhebung, wird immer noch zu häufig festgestellt, dass Fälle, in denen nach Aktenlage die Festsetzung von Hinterziehungszinsen in Betracht kam, nicht mit dem gebotenen Nachdruck aufgegriffen wurden. Es ist daher durch geeignete Maßnahmen (z. B. durch Bearbeitungshinweise auf den eingehenden Vordrucken Nrn. 615/114 und 615/115, Überwachung der einschlägigen Fälle durch die Sachgebietsleitungen) sicherzustellen, dass hinterzogene Steuern – rechtzeitig innerhalb der Festsetzungsfrist – verzinst werden. Die klare gesetzliche Regelung in § 235 AO läßt den Finanzbehörden nicht den im Strafverfahren (z. B. bei der Nichtverfolgung von Bagatellfällen) vorhandenen Ermessensspielraum.

FinMin Nordrhein-Westfalen v. - S 0462

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
AO-StB 2016 S. 319 Nr. 11
DB 2016 S. 2385 Nr. 41
OAAAF-84195