Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Tatbeteiligung bei bloßer Veranlassung des Einfuhrvorgangs
Gesetze: § 30 Abs 1 Nr 4 BtMG, § 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB
Instanzenzug: LG Mosbach Az: 1 KLs 13 Js 7188/14
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt - wobei drei Monate als vollstreckt gelten - und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit Beschluss vom hat das Landgericht die Revision des Angeklagten vom als unzulässig verworfen, weil eine Revisionsbegründung nicht rechtzeitig eingegangen sei.
2Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO und seine mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision haben in vollem Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
I.
3Zu dem Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
4„Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts ist zulässig und begründet, so dass der Beschluss des Landgerichts Mosbach vom aufzuheben ist (vgl. KK-StPO/Gericke, 7. Auflage, Rn. 22 zu § 346 StPO). Die Revisionsbegründungsfrist lief bis zum . Die Begründung der Revision durch den am bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz erfolgte mithin rechtzeitig.
5Bei mehrfacher Zustellung des Urteils richtet sich die Berechnung der Revisionsbegründungsfrist nach der zuletzt bewirkten Zustellung (§ 37 Abs. 2 StPO). Dies gilt auch dann, wenn die mehreren Zustellungen nicht auf derselben Anordnung beruhen, soweit eine Zustellung nicht erst nach Fristablauf bewirkt wird (, BGHSt 22, 221 ff.). Im vorliegenden Fall war zunächst die Zustellung des Urteils an den Angeklagten und dessen damalige Verteidigerin angeordnet worden (Verfügung vom , Bl. 335 d.A.); die Zustellungen erfolgten am (vgl. Bl. 347 f. d.A.). Am bestellten sich die Rechtsanwälte S. und Sc. aus M. als Verteidiger (Bl. 351 d.A.). Hierbei legten sie zwar, was einen Verstoß gegen § 137 Abs. 1 S. 2 StPO nahelegen könnte, eine auf alle Mitglieder ihrer Sozietät (insgesamt fünf Rechtsanwälte) lautende schriftliche Vollmacht vor (Bl. 352 d.A.). Allerdings war in dem zugehörigen Anschreiben klargestellt, dass lediglich die Rechtsanwälte S. und Sc. bevollmächtigt sein sollten, auf die sich die schriftliche Vollmacht (auch) bezog. Jedenfalls mit Blick auf § 146a Abs. 2 StPO (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage, Rn. 3 zu § 145a StPO) war die alsdann unter dem verfügte (vgl. Bl. 351 d.A.) und am bewirkte (vgl. Bl. 363 d.A.) erneute Zustellung des Urteils wirksam, so dass - die durch die Zustellung vom zunächst in Gang gesetzte Revisionsbegründungsfrist war noch nicht abgelaufen - sich die Revisionsbegründungsfrist bis zum verlängerte.“
6Dem schließt sich der Senat an.
II.
7Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
81. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
9Der Angeklagte bestellte im Internet aufgrund jeweils neu gefassten Tatentschlusses synthetische Cannabinoide mit einem Reinheitsgehalt von mindestens 85%, die aufgrund seiner Bestellung aus China versandt, in das Bundesgebiet eingeführt und an die Wohnanschrift des Angeklagten geliefert wurden.
10Im Einzelnen handelte es sich um folgende Fälle:
11a) Bestellung vom über 100 Gramm des synthetischen Cannabinoids JWH-122 zum Preis von 346,05 Euro. Die nicht geringe Menge von JWH-122 liegt bei höchstens zwei Gramm.
12b) Bestellung Ende Februar 2014 über 100 Gramm des synthetischen Cannabinoids UR-144 zum Preis von mindestens 300 Euro. Die nicht geringe Menge von UR-144 liegt bei höchstens sechs Gramm.
132. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht. Die Annahme täterschaftlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
14Zwar erfordert der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln keinen eigenhändigen Transport der Betäubungsmittel über die Grenze, so dass Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB grundsätzlich auch ein Beteiligter sein kann, der das Rauschgift nicht selbst in das Inland verbringt. Es müssen jedoch die Voraussetzungen für ein täterschaftliches Handeln nach den Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts vorliegen. Hierzu ist eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 630/14, StV 2015, 632 und vom - 4 StR 144/15, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 Einfuhr 3). Von besonderer Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt ist der Einfuhrvorgang selbst. Das bloße Interesse an dessen Gelingen genügt nicht, wenn der Betreffende keine Tatherrschaft oder zumindest Tatherrschaftswillen hat (statt vieler: ). Eine Person, die den Einfuhrvorgang zwar veranlasst, aber keinen Einfluss auf dessen Durchführung hat, kann weder Mittäter noch Gehilfe der Einfuhr sein (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 630/14, StV 2015, 632 und vom - 3 StR 470/11, StraFo 2012, 158).
15Nach diesen Grundsätzen kann die Verurteilung wegen täterschaftlicher Einfuhr keinen Bestand haben. Die Feststellungen des Landgerichts beschränken sich darauf, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel über das Internet in China bestellte, ohne irgendeinen Einfluss auf den Einfuhrvorgang zu haben.
16Ob eine Strafbarkeit wegen Anstiftung (oder Beihilfe) zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in Betracht kommt, kann der Senat anhand der vorliegenden Feststellungen nicht beurteilen. Hierzu hätte es insbesondere näherer Feststellungen zu den Bestellvorgängen bedurft.
17Im Übrigen könnte der Senat nicht ausschließen, dass der Angeklagte sich gegen den Vorwurf der Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln anders hätte verteidigen können, so dass eine Umstellung des Schuldspruchs auch aus diesem Grund ausscheidet.
18Damit entfallen auch die tateinheitlichen Verurteilungen wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (vgl. , NStZ 2016, 339, 340). Eine Prüfung des vom Angeklagten geltend gemachten Irrtums (§§ 16, 17 StGB) ist deshalb entbehrlich.
193. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat auch die zugrunde liegenden Feststellungen auf.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:080916B1STR232.16.0
Fundstelle(n):
NAAAF-84045