Beschränkung des Verlustausgleichs bei privaten Veräußerungsgeschäften verfassungsgemäß
Leitsatz
1. Wer einem Anderen eine Option einräumt und dafür eine Prämie als Gegenleistung für die Bindung und Risiken erhält, die er durch das Begeben des Optionsrechts eingeht, muss dieses Entgelt auch bei einem wirtschaftlichem Zusammenhang (Begrenzung des Verlustrisikos) mit Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften (Optionshandel) nach § 22 Nr. 3 EStG versteuern.
2. Die Beschränkung des Verlustausgleichs bei privaten Veräußerungsgeschäften durch § 23 Abs. 3 Sätze 6 und 7 (1999) bzw. Sätze 8 und 9 (ab 2000) EStG ist verfassungsgemäß (Bestätigung des , BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259).
Gesetze: EStG § 22 Nr. 2, EStG § 22 Nr. 3, EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b, EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, EStG § 23 Abs. 3 Satz 6, EStG § 23 Abs. 3 Satz 7, EStG § 23 Abs. 3 Satz 8, EStG § 23 Abs. 3 Satz 9, GG Art. 3, GG Art. 100
Instanzenzug: ,
Tatbestand
1 I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren 1995 bis 2006 als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Nach den Angaben in ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1995 (Abgabe im Jahr 1997), 1996 und 1997 (Abgabe jeweils im Jahr 1998) erzielten sie Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) in die Einkommensteuerbescheide der Kläger für das Jahr 1995 vom , für das Jahr 1996 vom (Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 126.318 DM) und für das Jahr 1997 vom (Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 91.181 DM) weitgehend übernahm. Außerdem bezog der im Jahr 1943 geborene Kläger ab eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von anfänglich 26.186,04 DM pro Jahr sowie ab dem zusätzlich eine Rente aus einer privaten Versicherung.
2 Der Kläger unterhielt ab dem Jahr 1995 ein Wertpapierdepot bei der C-Bank und in der Folgezeit auch ein Depot bei der Bank A in…Er wickelte über seine Konten Optionsgeschäfte mit Derivaten ab, bei denen er als Optionsgeber (Stillhalter) von Verkaufsoptionen (sog. Put-Optionen) auf den DAX fungierte. Für die Übernahme der Stillhalterfunktion erhielt der Kläger Prämien. Die Schließung (sog. closing) dieser Optionen erfolgte durch betrags- und laufzeitkongruente Gegengeschäfte (Glattstellungen), für welche der Kläger seinerseits Prämien entrichten musste.
3 In der Anlage zum Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 wies das FA die Kläger darauf hin, dass Spekulationsgewinne nicht erklärt worden seien und bat insoweit um eine Stellungnahme sowie um die Vorlage von Depotauszügen. Mit Schreiben vom teilte der Kläger mit, dass er in der Vergangenheit vergessen habe, sämtliche Zinserträge anzugeben und demnächst Depotaufstellungen einreichen werde. Hierbei handele es sich um Einnahmen, die bei einer in der Schweiz (...) belegenen Filiale der C-Bank erzielt worden seien. Das FA änderte nach Eingang der entsprechenden Ertragsaufstellungen () daraufhin am die Einkommensteuerbescheide 1995 bis 1997 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und setzte nunmehr Einkünfte aus Kapitalvermögen von 273.433 DM für das Jahr 1995, 253.801 DM für das Jahr 1996 und 233.546 DM für das Jahr 1997 an.
4 Das FA berücksichtigte in dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1998 vom Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 224.438 DM. Im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 1995 bis 1999 ermittelte die Prüferin nachfolgende Einkünfte des Klägers aus Wertpapiergeschäften, die das FA in den jeweiligen Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1995 bis 1999 der Besteuerung zugrunde legte:
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Jahr 1995: | Einkünfte aus Leistungen (Stillhalterprämien) in Höhe von | 63.778 DM |
Jahr 1996: | Einkünfte aus Leistungen (Stillhalterprämien) in Höhe von | 99.781 DM |
Einkünfte aus Spekulationsgeschäften in Höhe von | 7.806 DM | |
Jahr 1997: | Einkünfte aus Leistungen (Stillhalterprämien) in Höhe von | 334.123 DM |
Einkünfte aus Spekulationsgeschäften in Höhe von | 4.177 DM | |
Jahr 1998: | Verluste aus Spekulationsgeschäften | ./. 43.222,16 DM |
Procter (Kauf ) | + 3.086,84 DM | |
Schering (Kauf ) | + 21.638,80 DM | |
./. 18.496,52 DM | ||
zuzüglich Erwerb einer Verkaufsoption | + 57.250,80 DM | |
Glattstellung | ./. 208.630,00DM | |
(im Rahmen des § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG)= | ./. 151.379,20 DM | |
wegen Erfassung gemäß § 23 EStG: | 151.379,20 DM | |
Summe der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften | 132.882,68 DM | |
Verrechnung (Rücktrag Jahr 1999): | ./. 132.882,68 DM | |
0 DM | ||
Einkünfte aus Leistungen (Stillhalterprämien) in Höhe von | 638.738 DM | |
Jahr 1999: | Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von | 244.276 DM |
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von | ./. 1.021.297 DM | |
(davon gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ./. 822.727,56 DM und gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG ./. 198.569,82 DM) | ||
Einkünfte aus Leistungen (= Stillhalterprämien) in Höhe von | 608.217 DM. |
6 Das FA hat den Verlust des Jahres 1999 aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 132.882 DM in das Vorjahr 1998 zurückgetragen und mit Bescheid vom einen verbleibenden Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften zum in Höhe von 888.415 DM festgestellt.
7 Aufgrund der Entscheidung des (BStBl II 2005, 56), wonach die Erfassung von Spekulationsgewinnen in den Jahren 1997 und 1998 wegen Nichtigerklärung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG verfassungswidrig sei, änderte das FA am den noch nicht bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 und setzte keine Einkünfte aus Spekulationsgeschäften mehr an. Die Berichtigungen des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1998 vom sowie vom (gemäß § 129 AO) führten wegen der Verrechnung mit den im Jahre 1999 festgestellten Verlusten zu keiner Änderung der Einkommensteuer.
8 In dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2000 vom ermittelte das FA das Ergebnis für die Options- und Wertpapiergeschäfte wie folgt:
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"Einnahmen lt. Aufstellung | 278.705 DM |
./. Verlust cash-settlement | + 243.662 DM |
./. Werbungskosten | ./. 27.699 DM |
= Einkünfte § 22 Nr. 3 EStG | 494.668 DM |
Einnahmen § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 | ./. 418.118 DM |
+ Einnahmen § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG | |
= Verlust cash-settlement | ./. 243.662 DM |
./. Werbungskosten | ./. 37.845 DM |
= Einkünfte § 23 EStG | ./. 699.625 DM |
Einkünfte aus cash-settlement fallen unter § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG ...“. |
10 In dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2001 vom berechnete das FA das Ergebnis für die Options- und Wertpapiergeschäfte wie folgt:
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"Einnahmen lt. Aufstellung | ./. 356.071 DM |
./. Verlust cash-settlement | + 1.007.404 DM |
Werbungskosten | ./. 28.429 DM |
Einkünfte § 22 Nr. 3 EStG | 622.904 DM |
Einnahmen § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 | ./. 415.835 DM |
+ Einnahmen § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 | |
= Verlust cash-settlement | ./. 1.007.404 DM |
Werbungskosten | ./. 20.961 DM |
Einkünfte § 23 EStG | ./. 1.444.200 DM." |
12 In den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2002 bis 2006 setzte das FA die Einkünfte aus den Stillhalter- und Optionsgeschäften in € wie folgt an:
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Jahr | 2002 | 2003 | 2004 |
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften | 0 | 0 | 0 |
Einkünfte aus Leistungen | - 245.799 | 45.683 | 48.420 |
Jahr | 2005 | 2006 | |
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (nach Verrechnung von Vorträgen) | 0 | 0 | |
Einkünfte aus Leistungen | 24.067 | 35.784 |
14 In den Bescheiden zum , zum , zum , zum , zum , zum und zum über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer wurde der verbleibende Verlustvortrag für den Kläger bis zum Jahr 2001 in DM/ab dem Jahr 2002 in € wie folgt festgestellt:
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Jahr | 2000 | 2001 | 2002 |
Sonstige Einkünfte | - | - | 183.965 |
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften | 1.588.040 | 3.032.240 | 2.061.645 |
Jahr | 2003 | 2004 | 2005 |
Sonstige Einkünfte | 93.281 | 15.336 | - |
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften | 2.213.181 | 2.225.602 | 2.229.957 |
Jahr | 2006 | ||
Sonstige Einkünfte | - | ||
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften | 2.229.957 |
16 Nach Klageerhebung hat der Kläger folgende Einkünfte aus Kapitalvermögen (insbesondere Dividenden und Zinsen), die er bei Schweizer Banken erzielte, nacherklärt:
Jahr 1998: 59.529 DM; Jahr 1999: 62.209 DM;
Jahr 2000: 65.570 DM; Jahr 2001: 63.550 DM;
Jahr 2002: 27.725 €; Jahr 2003: 19.494 €;
Jahr 2004: 12.712 €; Jahr 2005: 16.789 €;
Jahr 2006: 17.791 €.
17 Die daraufhin vom FA erlassenen Änderungsbescheide beinhalten folgende Festsetzungen bzw. Feststellungen:
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Bescheid für Jahr | mit Datum | Festgesetzte ESt bzw. verbleibender Verlustvortrag |
Einkommensteuer 1998 | 187.143,57 € | |
Einkommensteuer 1999 | 212.591,59 € | |
Einkommensteuer 2000 | 182.319,02 € | |
Einkommensteuer 2001 | 186.296,36 € | |
Einkommensteuer 2002 | 0 € | |
Feststellung Verlust zum | ||
Einkommensteuer 2003 | 0 € | |
Feststellung Verlust zum | § 22 EStG 46.062 € § 23 EStG 2.213.181 € | |
Einkommensteuer 2004 | 2.379 € | |
Feststellung Verlust zum | ||
Einkommensteuer 2005 | 10.825 € | |
Einkommensteuer 2006 | 17.665 € | |
Feststellung Verlust zum | § 23 EStG 2.229.957 € |
19 Die Einsprüche und die Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) beurteilte die Einkünfte aus der Glattstellung der von dem Kläger erworbenen Optionsrechte als steuerbare private Veräußerungsgeschäfte i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Das Gegengeschäft, mit dem der Optionsberechtigte seine Position glattstelle, führe zu einer Veräußerung der Option. Die Prämien, die der Kläger aus der Einräumung von Optionen als Stillhalter vereinnahmt habe, seien abzüglich der Aufwendungen für die Glattstellung dieser Stillhaltergeschäfte als Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG (Einkünfte aus Leistungen) zu erfassen. Eine Verrechnung von Einkünften aus den Spekulationsgeschäften mit den Einkünften aus Stillhaltergeschäften sei nicht möglich.
20 Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§§ 22 Nr. 2 und 3, 23 EStG). Die Trennung des Stillhaltergeschäfts von dem Barausgleich und die Versagung der steuerrechtlichen Verrechnung dieser beiden Positionen werde dem zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Sachverhalt nicht gerecht und führe zu verfassungswidrigen Ergebnissen. Eine Besteuerung verstoße gegen das objektive und subjektive Nettoprinzip sowie Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Es kämen verschiedene Möglichkeiten zur Verrechnung der vereinnahmten Stillhalterprämien mit den Ausgleichszahlungen in Betracht, die eine rechtmäßige Besteuerung ermöglichten.
21 Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil des FG und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 2006 sowie die gesonderten Feststellungsbescheide über die verbleibenden Verlustvorträge zum bis zum in Gestalt der Einspruchsentscheidungen und Änderungsbescheide dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus den vereinnahmten Stillhalterprämien mit den Verlusten aus den Abschlussgeschäften (Barausgleich bzw. cash-settlement) verrechnet werden,
hilfsweise das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen,
hilfsweise das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG darüber einzuholen, ob die Besteuerung von Stillhaltergeschäften nach den §§ 22, 23 EStG in den im Streitzeitraum gültigen Fassungen verfassungswidrig ist.
22 Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Gründe
23 II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
24 Zutreffend hat das FG den Differenzbetrag zwischen den bei Abschluss des Eröffnungsgeschäfts gezahlten (Anschaffungskosten) und den bei Abschluss des Gegengeschäfts vereinnahmten Optionsprämien (Veräußerungspreis) als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG im Streitjahr 1996 bzw. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in den Streitjahren ab 1999 erfasst (1.). Es hat ferner zu Recht die Prämien, welche der Kläger aus der Einräumung von Optionen als Stillhalter vereinnahmte, als Einkünfte aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG erfasst (2.) und die Verrechnung der (negativen) Einkünfte des Klägers aus den privaten Veräußerungsgeschäften mit den (positiven) Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG abgelehnt (3.). Die Besteuerung der privaten Veräußerungs- und Stillhaltergeschäfte verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG und nicht gegen das objektive oder subjektive Nettoprinzip (4.). Die Hilfsanträge sind unbegründet (5.). Über einen etwaigen Erlass aus Billigkeitsgründen hat der Senat nicht zu entscheiden (6.).
25 1. Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) sind gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (bzw. Nr. 1 Buchst. b im Streitjahr 1996) EStG Veräußerungsgeschäfte von Wirtschaftsgütern, insbesondere bei Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr (bzw. sechs Monate im Streitjahr 1996) beträgt. Zu den Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines Spekulationsgeschäfts sein können, zählen auch Optionen (vgl. , BFH/NV 1997, 105; vom IX R 2/02, BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752, und vom IX R 10/12, BFH/NV 2014, 1020). Werden —wie nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit nach § 118 Abs. 2 FGO den Senat bindenden Feststellungen des FG im Streitfall— die erworbenen Optionsrechte durch Gegengeschäfte innerhalb der Veräußerungsfrist glattgestellt, verwirklicht sich in Höhe der Differenz zwischen der bei Abschluss des Eröffnungsgeschäfts gezahlten und der bei Abschluss des Gegengeschäfts vereinnahmten Optionsprämien der Steuertatbestand des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG im Streitjahr 1996 bzw. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in den Jahren ab 1999.
26 2. Einkünfte aus Leistungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH u.a. Entgelte, die der Stillhalter als Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch das Begeben des Optionsrechts eingeht und unabhängig vom Zustandekommen des Basisgeschäfts allein für das Stillhalten erhält (vgl. z.B. , BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995; in BFH/NV 2014, 1020).
27 a) Der BFH trennt zwischen Eröffnungs-, Basis- und Gegengeschäft (so BFH-Urteile in BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752; vom I R 17/02, BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126, und vom IX R 40/06, BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608). Deshalb bilden das die Prämie auslösende Begeben einer Option und das nachfolgende Geschäft (z.B. Glattstellung oder Basisgeschäft) kein einheitliches Termingeschäft. Der Optionsgeber erhält die Prämie als Gegenleistung für eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, nämlich für seine vertraglich eingegangene Bindung und das damit verbundene Risiko, in Anspruch genommen zu werden. Er behält sie auch dann, wenn er aus der Option nicht in Anspruch genommen wird und ein Basisgeschäft nicht durchführen muss (s. auch , BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300, und in BFH/NV 2014, 1020).
28 b) An dieser Auffassung hält der BFH —wie er bereits im Urteil in BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608, m.w.N. entschieden hat— auch für die Rechtslage nach Einführung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG fest (so auch BStBl I 2001, 986 ff., Rz 24 und 27): Die Stillhalterprämie ist nicht zusammen mit den anderen Optionsgeschäften einheitlich § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zuzuordnen, da die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift nicht erfüllt sind. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG betrifft lediglich Optionen, die der Berechtigte erwirbt, nicht aber solche, die er einräumt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608; Heuermann, Der Betrieb 2004, 1848, 1852). Der Senat verweist zur weiteren Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil in BFH/NV 2014, 1020.
29 3. Das FG hat zu Recht die Verrechnung der (negativen) Einkünfte des Klägers aus den privaten Veräußerungsgeschäften mit den (positiven) Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG abgelehnt.
30 a) Der Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 6 (1999) bzw. Satz 8 (ab 2000) EStG schließt einen solchen sog. vertikalen Verlustausgleich zwischen privaten Veräußerungsverlusten i.S. des § 23 Abs. 1 EStG und positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausdrücklich aus. Danach sind Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, auszugleichen, nicht aber nach § 10d EStG abzuziehen. Sie mindern lediglich nach Maßgabe des § 10d EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Abs. 1 erzielt hat oder erzielt (§ 23 Abs. 3 Satz 7 —1999— bzw. Satz 9 —ab 2000— EStG).
31 b) Die Beschränkung des Verlustausgleichs bei privaten Veräußerungsgeschäften durch § 23 Abs. 3 Sätze 6 und 7 (1999) bzw. Sätze 8 und 9 (ab 2000) EStG ist —entgegen der Auffassung der Kläger— verfassungsgemäß. Der Senat verweist insofern auf sein Urteil vom IX R 28/05 (BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259). Anders noch als zur früheren Rechtslage vor Geltung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG fällt ein durch einen Barausgleich vermittelter Verlust im Basisgeschäft nicht mehr in die nicht steuerbare Vermögensebene, sondern kann im Rahmen der Einkunftsart des § 22 Nr. 2 EStG (private Veräußerungsgeschäfte, § 23 Abs. 1 EStG) ausgeglichen oder abgezogen werden.
32 Aus dem (BFH/NV 2011, 180) folgt nichts anderes. Dort hat das BVerfG bei der in einem Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung zwar Zweifel daran, ob eine Besteuerung unter getrennter Erfassung von Options- und Basisgeschäft verfassungsgemäß ist, nicht für völlig ausgeschlossen gehalten. Die dortigen Ausführungen beruhen indes auf den Besonderheiten eines Eilverfahrens und der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung und sind daher nicht auf den Streitfall übertragbar. Abweichend vom vorliegenden Fall war dort ausschlaggebend, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeten Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1020).
33 4. Anders als die Kläger insbesondere in den Schriftsätzen vom und sowie im Vortrag in der mündlichen Verhandlung meinen, verstößt die Besteuerung der privaten Veräußerungs- und Stillhaltergeschäfte nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, gegen das objektive oder subjektive Nettoprinzip (vgl. auch , BFHE 211, 330, BStBl II 2006, 178; in BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259; , BFH/NV 2008, Beilage 2, 161 —Nichtannahmebeschluss—; , BFHE 219, 353, BStBl II 2008, 382; , BFHE 222, 484, BStBl II 2009, 13; in BFH/NV 2014, 1020; , nicht veröffentlicht —Nichtannahmebeschluss—). Vielmehr ist ihr Ergebnis (kein Abzug der durch das private Veräußerungsgeschäft erlittenen Verluste bei den Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG) die folgerichtige Ausprägung der Systematik des § 22 Nr. 2 und 3 EStG. Das Stillhalten ist eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, die losgelöst von dem nachfolgenden Effektengeschäft und damit auch unabhängig davon zu beurteilen ist, ob es zu einer Abnahme oder Lieferung von Basiswerten oder von vornherein lediglich zu einem Ausgleich in Geld kommt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126, unter II.2.a; in BFH/NV 2014, 1020).
34 Damit hält der Senat an seiner in den Urteilen in BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995 und in BFHE 211, 330, BStBl II 2006, 178 zum Ausdruck gekommenen Rechtsprechung fest (zu den Gründen vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1020).
35 5. Aus den vorstehenden Gründen folgt, dass die Hilfsanträge der Kläger unbegründet sind. Die für eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG erforderliche Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der Besteuerung der privaten Veräußerungs- und Stillhaltergeschäfte liegt nicht vor. Einer durch das Zusammenwirken verschiedener Regelungen entstandenen Einkommensteuerschuld, der in Wirklichkeit keinerlei Zuwachs an Leistungskraft zugrunde liegt, kann durch einen etwaigen Erlass aus Billigkeitsgründen begegnet werden (sogleich unter 6.).
36 6. Das BVerfG hat eine Verfassungspflicht zum Billigkeitserlass festgestellt, wenn die Anwendung eines nicht zu beanstandenden Gesetzes in Einzelfällen zu einem „ungewollten Überhang“ führt (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102, BStBl II 1978, 441, dort unter C.II.3.; vom 2 BvR 1852/97, 2 BvR 1853/97, BVerfGE 99, 273, BStBl II 1999, 194). Die Erhebung einer durch das Zusammenwirken verschiedener Regelungen entstandenen Einkommensteuerschuld, der in Wirklichkeit keinerlei Zuwachs an Leistungskraft zugrunde liegt, verstößt gegen das für das gesamte Steuerrecht geltende Übermaßverbot und gegen das besonders das Einkommensteuerrecht beherrschende Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, BStBl II 1984, 357, dort unter C.I.2., und vom 2 BvL 5/91, 8/91 und 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413; , BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297). Dem kann durch einen in diesem Verfahren nicht gegenständlichen und daher nicht zu entscheidenden Billigkeitserlass begegnet werden (vgl. , BFH/NV 2014, 1025; in BFH/NV 2014, 1020).
37 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2016:U.120716.IXR11.14.0
Fundstelle(n):
BFH/NV 2016 S. 1691 Nr. 12
HFR 2016 S. 979 Nr. 11
EAAAF-83708