BVerfG Urteil v. - 1 BvR 2001/16

Erlass einer einstweiligen Anordnung: Sitzungspolizeiliche Anordnung über Beschränkung von Ton- und Bildaufnahmen muss die für die Entscheidung maßgeblichen Gründe erkennen lassen - hier: Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet - mithin Folgenabwägung zugunsten der Antragstellerin

Gesetze: Art 5 Abs 1 S 2 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 90 Abs 1 BVerfGG, § 169 S 2 GVG, § 176 GVG

Instanzenzug: Az: 8 St 2/16 Beschlussnachgehend Az: 1 BvR 2001/16 Nichtannahmebeschluss

Gründe

1 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg. Die vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Entscheidung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG vorzunehmende Folgenabwägung (vgl. BVerfGE 71, 158 <161>; 88, 185 <186>; 91, 252 <257 f.>; stRspr) führt zu dem Ergebnis, dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen.

2 1. In diesem verfassungsgerichtlichen Eilverfahren braucht nicht geklärt zu werden, ob sitzungspolizeiliche Anordnungen, die der Vorsitzende Richter des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszuge trifft, mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes in grundrechtskonformer Erweiterung des § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO fachgerichtlichem Rechtsschutz zugänglich sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 3276/08 -, NJW 2015, S. 2175 <2176>). Jedenfalls war der Antragstellerin die vorrangige Inanspruchnahme des Rechtsbehelfs der Beschwerde unter Berücksichtigung der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzumutbar (vgl. , StB 11/15 -, NJW 2015, S. 3671 <3671 f.>).

3 2. Über den Antrag auf einstweilige Anordnung ist nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der angegriffenen sitzungspolizeilichen Anordnung offensichtlich begründet. Die Anordnungen des Vorsitzenden genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil der Vorsitzende die für seine Entscheidung maßgebenden Gründe nicht offengelegt und dadurch den Betroffenen nicht zu erkennen gegeben hat, dass in die Abwägung alle dafür erheblichen Umstände eingestellt worden sind (vgl. BVerfGE 119, 309 <327  f.>; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 654/09 -, NJW 2009, S. 2117 <2118>; Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1858/14 -, NJW 2014, S. 3013 <3013 f.> und vom - 1 BvR 1534/16 -, juris). Die sitzungspolizeiliche Anordnung vom lässt die für die Entscheidung maßgeblichen Gründe nicht erkennen. Bereits aus diesem Grund war die beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen. Dem Vorsitzenden bleibt es unbenommen, neuerlich eine Anordnung zu erlassen, in der die maßgebenden Gründe offengelegt werden.

4 3. Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2016:rk20160906.1bvr200116

Fundstelle(n):
TAAAF-82209