BGH Beschluss v. - III ZR 70/16

Nichtzulassungsbeschwerde: Beschwerdebegründungsfrist bei Aufnahme eines durch Insolvenzeröffnung unterbrochenen Verfahrens

Gesetze: § 86 Abs 1 Nr 2 InsO, § 240 S 1 ZPO, § 544 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: Az: 8 U 104/15vorgehend LG Mainz Az: 3 O 125/13

Gründe

I.

1Die Beklagte hat gegen das ihr am zugestellte Berufungsurteil vom am und damit fristgerecht (§ 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO) Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Auf ihren Antrag ist die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 2 Satz 2, § 551 Abs. 2 Satz 6 Halbsatz 1 ZPO bis zum verlängert worden. Das Beschwerdeverfahren ist sodann gemäß § 240 Satz 1 ZPO dadurch unterbrochen worden, dass durch Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - B.     vom an diesem Tag das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet worden ist.

2Der Kläger hat mit dem Insolvenzverwalter am zugestelltem Schreiben seiner zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom erklärt, das Verfahren werde gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO, § 157 VVG aF in Verbindung mit § 250 ZPO gegen den Insolvenzverwalter über das Vermögen der Beklagten aufgenommen. Dieser hat daraufhin mit an die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers gerichtetem Schreiben vom die möglichen Deckungsansprüche aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag der Beklagten gegen die H.                            Versicherung      freigegeben.

II.

3Die Beschwerde der Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht rechtzeitig begründet worden ist (§ 544 Abs. 2 ZPO).

4Das gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochene Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist mit der Zustellung des Schriftsatzes der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom an den Insolvenzverwalter über das Vermögen der Beklagten am gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO wirksam aufgenommen worden (zur Zulässigkeit der Aufnahme eines unterbrochenen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens durch Schriftsatz des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vgl. , MDR 2011, 1491, 1492). Die Regelung des § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist auf das Absonderungsrecht des § 157 VVG aF anzuwenden. Nach dieser Vorschrift kann ein geschädigter Dritter wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dessen Entschädigungsanspruch gegen den Versicherer verlangen, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Er kann den Anspruch im Fall der Verfahrensunterbrechung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Wege der Aufnahme des gegen den Schuldner geführten Rechtsstreits verfolgen (vgl. zu § 110 VVG: , WM 2013, 1654 Rn. 9 ff; Thole, NZI 2011, 41, 42 f). Voraussetzung ist, dass der Anspruch des Klägers auf Befriedigung aus dem Anspruch des Versicherungsnehmers gegen die Haftpflichtversicherung beschränkt wird. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass nicht ein als reine Insolvenzforderung zu qualifizierender Haftungsanspruch entgegen § 87 InsO von § 86 InsO erfasst wird ( aaO Rn. 13, 15; Thole aaO S. 42).

5Diese Voraussetzung ist - unabhängig davon, ob von ihr bereits die Wirksamkeit der Verfahrensaufnahme oder (erst) der Erfolg der Klage abhängt, - vorliegend erfüllt. Die Erklärung der Prozessbevollmächtigten des Klägers, das Verfahren gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO, § 157 aF VVG aufzunehmen, ist im Sinne der vorgenannten Beschränkung des Anspruchs des Klägers auszulegen. In § 157 VVG aF ist der Anspruch des Dritten auf abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs bestimmt. Die Nennung von § 157 VVG aF in der Aufnahmeerklärung des Klägers ist daher dahin zu verstehen, dass er mit seinem - im Fall der Zulassung der Revision beschränkten - Klageantrag ausschließlich eine solche abgesonderte Befriedigung aus dem Anspruch der Beklagten gegen die Haftpflichtversicherung begehrt.

6Beschwerdegegner war nach der Verfahrensaufnahme zunächst der Insolvenzverwalter. Nachdem dieser mit Schreiben vom die möglichen Deckungsansprüche aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag der Beklagten gegen die H.                           Versicherung     freigegeben hat, ist die Prozessführungsbefugnis an die Beklagte zurückgefallen. Da die Freigabe unmittelbar nach Aufnahme des Verfahrens durch den Kläger erfolgt ist, kann dahinstehen, ob in Fällen einer Freigabe nach Verfahrensaufnahme die Prozessführungsbefugnis stets wieder an den Schuldner zurückfällt (so , BGHZ 46, 249, 250 ff) oder ob, wenn die Freigabe nicht sofort nach Verfahrensaufnahme (vgl. § 86 Abs. 2 InsO) erfolgt, in entsprechender Anwendung von § 265 Abs. 2 ZPO die Prozessführungsbefugnis beim Insolvenzverwalter verbleibt (so MüKoInsO/Schumacher, 3. Aufl., § 86 Rn. 27; Windel in Jaeger, Insolvenzordnung, 1. Aufl., § 86 Rn. 23; Kübler/Prütting/Bork, InsO [Stand: 05.2016], § 86 Rn. 17; HamKomm-Kuleisa, InsO, 5. Aufl., § 86 Rn. 24; Wittkowski/Kruth in Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung [Stand: Januar 2016], § 86 Rn. 1; so wohl auch Uhlenbruck/Mock, Insolvenzordnung, 14. Aufl., § 86 Rn. 22 mit Verweis auf Windel [aaO]).

7Infolge der Aufnahme des Beschwerdeverfahrens begann die zweimonatige Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 Abs. 2 ZPO) gemäß § 249 Abs. 1 ZPO am von neuem zu laufen. Sie endete am (§ 222 Abs. 2 ZPO). Bis zu diesem Zeitpunkt ist weder eine Beschwerdebegründung noch ein Antrag auf Fristverlängerung gemäß § 544 Abs. 2 Satz 2, § 551 Abs. 2 Satz 5, 6 ZPO eingereicht worden.

Herrmann                             Hucke                            Seiters

                     Tombrink                         Remmert

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:280716BIIIZR70.16.0

Fundstelle(n):
WM 2016 S. 1747 Nr. 36
FAAAF-81259