BAG Urteil v. - 9 AZR 409/15

Fahrtkostenerstattung nach Art 12 Abs 2 UKG BY

Gesetze: Art 12 Abs 2 S 1 UKG BY, § 23 Abs 4 TV-L

Instanzenzug: ArbG Weiden Az: 1 Ca 848/13 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 7 Sa 432/14 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Höhe der Fahrtkostenerstattung im Zusammenhang mit der Verlegung einer Dienststelle.

2Der Beklagte beschäftigt die Klägerin im Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz. Bis zum befand sich die Dienststelle in Regensburg. Die Klägerin, die ihren Wohnsitz in Amberg hat, unterhielt bis zum eine Zweitwohnung in Regensburg, von der aus sie zum Dienst fuhr. Die Entfernung von der Zweitwohnung bis zur Dienststelle in Regensburg betrug 4 km, die Entfernung von Amberg nach Regensburg beträgt 66 km.

3Mit Wirkung zum verlegte der Beklagte das Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz von Regensburg nach Tirschenreuth. Die Klägerin fährt seitdem von ihrem Wohnsitz in Amberg nach Tirschenreuth. Die kürzeste Strecke zwischen ihrem Wohnsitz und Tirschenreuth beträgt 71 km, die Strecke über das Autobahnkreuz Oberpfälzer Wald 82 km.

4Der Beklagte zahlte an die Klägerin, die auf eine Zusage der Umzugskostenvergütung verzichtete, eine Fahrtkostenerstattung nach den Vorschriften des Bayerischen Gesetzes über die Umzugskostenvergütung der Beamten und Richter (BayUKG). Auf der Grundlage einer Mehrstrecke von 5 km (Differenz zwischen der Strecke Amberg - Regensburg [66 km] und der kürzesten Strecke Amberg - Tirschenreuth [71 km]) erstattete der Beklagte der Klägerin für den Monat Juni 2013 Fahrtkosten iHv. 33,00 Euro, für den Monat Juli 2013 iHv. 45,00 Euro und für den Monat August 2013 iHv. 27,00 Euro.

5Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, der Beklagte sei verpflichtet, die Fahrtkostenerstattung auf der Grundlage einer Mehrstrecke von 82 km zu berechnen. Diese ergebe sich aus der Strecke von ihrer bisherigen Zweitwohnung in Regensburg zur bisherigen Dienststelle in Regensburg im Vergleich zu der Strecke von ihrer Wohnung in Amberg zu der neuen Dienststelle in Tirschenreuth.

6Die Klägerin hat beantragt,

7Der Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, bei der Berechnung der Fahrtkostenerstattung sei allein auf den aktuellen Wohnsitz der Klägerin in Amberg abzustellen. Die Mehrstrecke sei deshalb durch einen Vergleich zwischen der Strecke von Amberg nach Regensburg und der Strecke von Amberg nach Tirschenreuth zu ermitteln.

8Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Monate Juni bis August 2013 weitere Fahrtkosten iHv. 231,00 Euro zu erstatten. Ferner hat es festgestellt, der Beklagte sei verpflichtet, den Erstattungsbetrag ab September 2013 auf der Grundlage einer täglichen einfachen Mehrstrecke von 16 km zu bestimmen. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin begehrt in der Revisionsinstanz von dem Beklagten die Zahlung eines weiteren Betrags iHv. 1.302,00 Euro und verfolgt im Übrigen den Feststellungsantrag mit der Maßgabe weiter, dass die tägliche einfache Mehrstrecke 78 km beträgt.

Gründe

9Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin Fahrtkosten über den vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Betrag hinaus zu erstatten. Die Berechnung der Fahrtkostenerstattung hat auf der Grundlage einer täglichen einfachen Mehrstrecke, die nicht mehr als 16 km beträgt, zu erfolgen. Maßgeblich ist die Differenz zwischen der Wegstrecke von der Wohnung der Klägerin in Amberg zur bisherigen Dienststelle in Regensburg und der Wegstrecke von der Wohnung der Klägerin in Amberg zur neuen Dienststelle in Tirschenreuth.

10I. Der Klägerin steht gegen den Beklagten nach § 23 Abs. 4 TV-L iVm. Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG kein Anspruch auf zusätzliche Fahrtkostenerstattung zu.

111. Ändert sich der Dienstort infolge der Verlegung der bisherigen Dienststelle, ist unter den weiteren in Art. 12 Abs. 1 BayUKG genannten Voraussetzungen von der Zusage einer Umzugskostenvergütung iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BayUKG abzusehen. Stattdessen erhält der Berechtigte nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG für die durchgeführten Fahrten von seiner Wohnung zur neuen Dienststelle Fahrtkostenerstattung, soweit die Wegstrecke zur bisherigen Dienststelle überschritten wird, höchstens jedoch für eine Wegstrecke von 100 km. Gemäß § 23 Abs. 4 TV-L finden diese Vorschriften auch auf Tarifbeschäftigte wie die Klägerin entsprechende Anwendung.

122. Die Voraussetzungen, unter denen ein Beschäftigter nach § 23 Abs. 4 TV-L iVm. Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG einen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung hat, liegen im Streitfall vor. Der Beklagte hat die Dienststelle, in der er die Klägerin einsetzt, mit Wirkung zum von Regensburg nach Tirschenreuth verlegt. Die Klägerin verzichtete zugunsten einer Fahrtkostenerstattung auf die Zusage einer Umzugskostenvergütung.

133. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Berechnung der nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG maßgeblichen Mehrstrecke nicht auf die Wohnung der Klägerin in Regensburg, die sie mit Wirkung zum aufgegeben hat, sondern auf die Wohnung in Amberg abzustellen ist.

14a) Bereits dem Wortlaut der Vorschrift nach richtet sich die Höhe der Fahrtkostenerstattung nach den aktuellen Wohnverhältnissen des Berechtigten. Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG spricht von „Fahrten von ihrer Wohnung zur neuen Dienststelle“. Abzustellen ist danach allein auf die aktuelle, nicht aber auf die ehemalige Wohnung des Berechtigten.

15b) Auch der systematische Zusammenhang, in den Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG eingebettet ist, stützt das Auslegungsergebnis, zu dem das Landesarbeitsgericht gelangt ist. Die amtliche Überschrift der Vorschrift lautet „Gewährung eines Auslagenersatzes“. Auslagen bezeichnen einen „Geldbetrag, den jemand ausgelegt hat“ (Duden Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl.), also insbesondere Auslagen (Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl.). Aufwendungen entstehen lediglich, wenn tatsächlich ein Geldbetrag aufgewandt wird, nicht aber, wenn er hypothetisch aufgewandt worden wäre.

16c) Schließlich erfordern es Sinn und Zweck des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG, die Fahrtkostenerstattung von der Wohnung aus zu berechnen, von der aus der Berechtigte seine Fahrt, deren Kosten er erstattet verlangt, tatsächlich antritt.

17aa) Mangels abweichender Vereinbarungen hat der Beschäftigte Aufwendungen, die durch die Fahrt von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück zu seiner Wohnung entstehen, selbst zu tragen (vgl.  - Rn. 12). Er kann sie als Werbungskosten steuermindernd geltend machen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG). Die Entscheidung, wo er seinen Wohnsitz nimmt, ob er mehrere Wohnsitze unterhält und mit welchem Verkehrsmittel er die Wegstrecken zurücklegt, ist Sache des Beschäftigten.

18bb) Einen Ausnahmefall regelt Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG. Die Vorschrift bezweckt einen finanziellen Ausgleich für die Mehrkosten, die dem Berechtigten dadurch entstehen, dass er von seiner Wohnung aus nicht mehr zur alten, sondern zur neuen Dienststelle zu fahren hat. Dieser Regelungszweck kennzeichnet zugleich die Grenze des Erstattungsanspruchs. Das Anliegen des Gesetzgebers bei Schaffung des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG bestand nicht darin, den Beschäftigten besserzustellen, als er stände, wenn die Dienststelle nicht verlegt worden wäre (vgl. zu § 3 Abs. 1 BRKG  - Rn. 27).

194. Im Streitfall ist die einen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung auslösende Mehrstrecke demnach durch einen Vergleich zwischen der Strecke, die die Klägerin von ihrem Wohnsitz in Amberg zur neuen Dienststelle in Tirschenreuth zurücklegt, und der Strecke, die die Klägerin von ihrem Wohnsitz in Amberg zur bisherigen Dienststelle in Regensburg zurückzulegen hätte, zu ermitteln. Die Zweitwohnung in Regensburg, die die Klägerin mit Wirkung zum aufgegeben hat, bleibt für die Berechnung des Erstattungsanspruchs außer Betracht. Denn die Klägerin legt die Strecke zur neuen Dienststelle nicht von Regensburg, sondern von Amberg aus zurück. Wäre das Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz nicht von Regensburg nach Tirschenreuth verlegt worden, hätte die Klägerin die Dienststelle in Regenburg ab dem von ihrem Wohnsitz in Amberg aufsuchen müssen. Diese Strecke ist nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts 16 km kürzer als die Strecke von der Wohnung der Klägerin in Amberg zur neuen Dienststelle in Tirschenreuth.

20II. Der Klageantrag zu 2., der dahin gehend auszulegen ist, dass die Klägerin für die Berechnung des Erstattungsanspruchs zuletzt die Feststellung einer 16 km übersteigenden Mehrstrecke begehrt, ist ebenfalls unbegründet. Die auf der Verlegung der Dienststelle beruhende Mehrstrecke beträgt nach dem oben Gesagten höchstens 16 km, nicht aber 78 km.

21III. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:140616.U.9AZR409.15.0

Fundstelle(n):
BB 2016 S. 2099 Nr. 35
TAAAF-80628