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FG Bremen Urteil v. - 3 K 30/16 (1)

Gesetze: EStG 2012 § 63 Abs. 1 S. 3, EStG 2015 § 63 Abs. 1 S. 6, EStG 2015 § 62 Abs. 1, EStG 2015 § 70 Abs. 2 S. 1, EStG 2015 § 68 S. 1, AO § 8, AO § 9 S. 1, AO § 9 S. 2, AO § 37 Abs. 2 S. 1, AO § 37 Abs. 2 S. 2, BGB § 812, BGB § 242

Kein Wohnsitz mehr im inländischen Haushalt der Stiefmutter bei Wegzug der minderjährigen Stieftochter anlässlich der beruflichen Versetzung des leiblichen Vaters in das außerhalb der EU bzw. des EWR-Raums belegene Heimatland der leiblichen Eltern und keinerlei Aufenthalten der Stieftochter im Inland während des von vornherein geplanten mehrjährigen Schulbesuchs im Ausland

Leitsatz

1. Bei der Frage, ob ein Kind bei einem mehrjährigen Schulbesuch im Ausland seinen Wohnsitz im Inland als Voraussetzung für die Kindergeldanspruchsberechtigung beibehält, kommt es neben der Häufigkeit und Dauer der Aufenthalte in der Wohnung im Inland, der Anpassung an die deutschen Lebensverhältnisse, der Art der Unterbringung im Ausbildungsland sowie der Verfügbarkeit von Wohnraum im Inland entscheidend darauf an, ob es sich bei dem Kind, das zwecks Schulbesuchs ins Ausland entsendet wird, um ein älteres Kind handelt oder ob es um ein minderjähriges Kind geht und ob der im Ausland stattfindende Schulbesuch von vornherein für einen relativ kurzen Zeitraum von einem Jahr oder für längere Zeiträume von drei Jahren oder mehr geplant ist.

2. Zieht die Stieftochter im Alter von 15 Jahren mit ihrem leiblichen Vater infolge einer Versetzung ihres Vaters in das mehrere tausend Kilometer entfernte Heimatland ihrer leiblichen Eltern außerhalb der EU bzw. des EWR-Raums, um dort mehrsprachig aufzuwachsen und eine entsprechende Schulausbildung für voraussichtlich knapp vier Jahre zu absolvieren, und hat sie sich in diesem Zeitraum u.a. infolge einer Erkrankung ihrer Stiefmutter tatsächlich nie mehr in Deutschland aufgehalten, so kann auch dann kein inländischer Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt mehr in der Wohnung der Stiefmutter in Deutschland angenommen werden, wenn intensiver Kontakt über das Internet gehalten wird, anschließend ein weiterer Schulbesuch in Deutschland beabsichtigt ist und sowohl der Vater als auch die Tochter im Haushalt der Stiefmutter gemeldet sind.

3. Nach der Lebenserfahrung ist anzunehmen, dass der im minderjährigen Alter des Kindes begründete mehrjährige Aufenthalt in dem Herkunftsland seiner leiblichen Eltern dazu führt, dass die Bindungen in sprachlicher, sozialer und kultureller Hinsicht dorthin gefestigt werden. Die Lockerung der bisher bestehenden Bindungen und das Entstehen neuer Beziehungen führen regelmäßig zu einer Verwurzelung im Ausland (Herkunftsland der leiblichen Eltern), verbunden mit einer entsprechenden Einschränkung der bisherigen familiären Wohn- und Lebensgemeinschaft zwischen dem Kind und ihrer Stiefmutter.

4. Soweit die Stiefmutter als Grund für die fehlenden Aufenthalte des Kindes im Inland während des Auslandsschulbesuchs angibt, sie habe sich krankheitsbedingt nicht im Inland um das Kind kümmern können, kommt es auf diese subjektiven Momente, ebenso wie etwa auf fehlende finanzielle Mittel des Kindes bzw. der Stiefmutter und ihres leiblichen Vaters zur Finanzierung von Inlandsbesuchen des Kindes, nach der neueren Rechtsprechung des BFH nicht an, weil das Innehaben einer Wohnung im steuerrechtlichen Sinne objektiviert ist und daher die tatsächlichen Verhältnisse ohne Rücksicht auf persönliche oder finanzielle Beweggründe und Absichten entscheidend sind.

5. Das Entfallen des Wohnsitzes im Inland ist eine Änderung der Verhältnisse i. S. d. § 70 Abs. 2 EStG, die die Familienkasse zu einer rückwirkenden Aufhebung der vor dem Umzug ins Ausland zugunsten der Stiefmutter erfolgten Kindergeldfestsetzung und zu einer Rückforderung des unberechtigt weiter ausgezahlten Kindergeldes berechtigt und verpflichtet, ohne dass es hierbei auf eine Verletzung von Mitwirkungspflichten durch die Stiefmutter als Kindergeldempfängerin ankäme.

6. Der Elternteil kann dem Rückforderungsanspruch der Familienkasse nicht entgegenhalten, er habe die ausgezahlten Kindergeldbeträge durch Weitergabe an das Kind verbraucht und sei daher entreichert. Für Ansprüche auf der Grundlage des § 37 Abs. 2 AO sind die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches zur ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) weder unmittelbar noch analog anwendbar.

Fundstelle(n):
MAAAF-80318

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FG Bremen, Urteil v. 01.08.2016 - 3 K 30/16 (1)

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