BVerfG Urteil v. - 2 BvR 1304/14

Verwerfung einer Gegenvorstellung gegen einen Nichtannahmebeschluss: Beginn der Verfassungsbeschwerdefrist (§ 93 Abs 1 S 1 BVerfGG) bei formloser Mitteilung der angegriffenen Entscheidung bereits mit deren Zugang

Gesetze: § 93 Abs 1 S 1 BVerfGG, § 93 Abs 1 S 3 BVerfGG, § 93b S 1 BVerfGG, § 93d Abs 1 S 2 BVerfGG, § 35 Abs 2 S 2 StPO

Instanzenzug: Az: 2 BvR 1304/14 Kammerbeschluss ohne Begründungvorgehend OLG Frankfurt Az: 3 Ws 211/14 Beschlussvorgehend OLG Frankfurt Az: 3 Ws 211/14 Beschlussvorgehend LG Marburg Az: 7 StVK 541/12 Beschluss

Gründe

1 Der nach Abschluss des Verfassungsbeschwerdeverfahrens gestellte Wiedereinsetzungsantrag der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers vom , der als Gegenvorstellung zu werten ist (vgl. BVerfGK 19, 148 <152>; Hammer, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 93 Rn. 56), ist zu verwerfen.

2 Nichtannahmeentscheidungen der Kammern sind unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG) und können auf Gegenvorstellungen hin grundsätzlich auch durch die Kammer selbst nicht mehr abgeändert werden. Nach Erschöpfung des Rechtswegs und der Durchführung des Annahmeverfahrens besteht ein erhebliches Interesse an einer endgültigen Beendigung des Rechtsstreits, das der Einräumung weiterer gesetzlich nicht geregelter Rechtsbehelfe grundsätzlich entgegensteht (vgl. Graßhof, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Juni 2001, § 93b Rn. 19). Ob ausnahmsweise eine Abänderungskompetenz der Kammer besteht, wenn unter Außerachtlassung von entscheidungserheblichem, dem Bundesverfassungsgericht vorliegendem Prozessstoff und damit unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG entschieden wurde (vgl. Graßhof, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Juni 2001, § 93b Rn. 19), kann offen bleiben, da ein solcher Verstoß im vorliegenden Fall nicht gegeben ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 256/08 -, juris).

3 Die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers hat mit der Gegenvorstellung keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die bei der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde nicht berücksichtigt worden wären. Vielmehr hat sich auf der Grundlage des Vortrags der Bevollmächtigten bestätigt, dass der mit einfachem Brief übersandte Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom dieser nicht am , sondern bereits am Samstag, den , zugegangen ist.

4 Soweit die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers geltend macht, es dürfe ihrem Mandanten nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie ausnahmsweise sonntags im Büro gewesen sei und demzufolge den Beschluss bereits an diesem Tag und nicht erst montags mit dem Kanzleidatumsstempel versehen habe, verkennt sie, dass - anders als im Fall der Zustellung (vgl. -, juris, Rn. 9) - bei formloser Mitteilung der Entscheidung die Verfassungsbeschwerdefrist gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 und 3 BVerfGG mit dem Zugang der Entscheidung beginnt. Zugang liegt vor, wenn die Entscheidung in einer Weise in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist, dass von deren Kenntnisnahme ausgegangen werden kann (vgl. Hammer, a.a.O., § 93 Rn. 14). Dies ist bei einem Rechtsanwalt mit dem Eingang der Entscheidung in dessen Kanzlei der Fall. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es dabei nicht an (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 454/08 -, Rn. 2, juris). Vorliegend wurde der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 StPO formlos mitgeteilt. Die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG war demnach ausgehend vom Tag des tatsächlich bewirkten Zugangs - hier: - zu berechnen, so dass die am Mittwoch, den erhobene Verfassungsbeschwerde verfristet war.

5 Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2016:rk20160713.2bvr130414

Fundstelle(n):
NJW 2016 S. 3230 Nr. 44
JAAAF-79954