1. Voraussetzung für die
Steuerbefreiung eines privaten Krankenhauses nach § 4 Nr. 16 Buchst. b)
UStG in der in den Jahren 2005 und 2006 gültigen Fassung i. V. m. §
67 Abs. 2 AO ist, dass im jeweiligen Vorjahr nicht mehr als 60 % der
jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfielen, die
sonstige gesondert berechenbare Leistungen in Anspruch nahmen (vgl. ). Gesonderte berechenbare Leistungen i. d. S. sind
Wahlleistungen hinsichtlich der Unterkunft (Belegung eines Ein- oder
Zweibettzimmers) oder der Arztwahl (Chefarztbehandlung).
2. Die
Leistungen von Belegärzten gehören nicht zu den allgemeinen
Krankenhausleistungen (§ 2 Abs. 1 S. 2 BPflV). Auch bei privaten Kliniken,
die nicht nur Belegärzte, sondern auch einen eigenen ärztlichen
Dienst haben, können die Belegungstage der von Belegärzten
behandelten Patienten nur in die nach § 67 AO begünstigten Tage
einbezogen werden, wenn der Belegarzt den Patienten gegenüber nach
Kassengrundsätzen abrechnet; insoweit kommt es nicht darauf an, ob in den
Abrechnungen der Belegärzte gegenüber den Patienten
Ein-/Zweibettzimmerzuschläge enthalten sind. Hierfür trägt die
Klinik die Feststellungslast. Da § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. nach der
BFH-Rechtsprechung nicht gegen Unionsrecht verstößt, kommt insoweit
keine Steuerbefreiung durch unmittelbare Anwendung von Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. b der 6. EG-Richtlinie in Betracht.
3. Es kann nicht
davon ausgegangen werden, dass die auf die Patienten von Belegärzten
entfallenden Belegungstage bei privaten Kliniken, die keine reinen
Belegkliniken sind, ohne Weiteres zu den für die Steuerbefreiung nach
§ 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 2005 "günstigen" Tagen zu rechnen
wären, wenn nur die Klinik selbst keine Wahlleistungen
erbringt.
4. Betreibt der Unternehmer eine private
Krankenanstalt, kann er sich für die Steuerfreiheit auf Art. 132 Abs. 1
Buchst. b MwStSystRL gegenüber der aufgrund eines Bedarfsvorbehalts
unionsrechtswidrigen Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Doppelbuchst.
aa UStG 2009 i. V. m. §§ 108, 109 SGB V berufen (Anschluss an
; v. , XI R 38/13). Die
Steuerbefreiung unter Berufung auf diese unionsrechtliche Vorschrift setzt
voraus, dass der Unternehmer eine ordnungsgemäß anerkannte, einer
Einrichtung des öffentlichen Rechts, die Krankenhausbehandlungen und
ärztliche Heilbehandlungen erbringt, gleichartige Einrichtung sein muss,
die zudem ihre Leistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen
erbracht haben muss wie die Einrichtungen des öffentlichen
Rechts.
5. Bei der Frage, ob das Leistungsangebot einer
privaten Klinik demjenigen der öffentlichen oder zugelassenen privaten
Krankenhäusern vergleichbar ist, müssen auch die durch
Belegärzte erbrachten Leistungen einbezogen werden, soweit sie nach Art
und Umfang und nach dem Gesamtkonzept des Krankenhauses dessen Leistungsangebot
prägen. Die Vergleichbarkeit des Leistungsangebotes ist nicht zu bejahen,
wenn der Anteil der Ein- oder Zweibettzimmer der Privatklinik höher ist
bei öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern üblich (hier: 85 % der
zur Verfügung stehenden Betten) und das nicht in der Art der angebotenen
Behandlungen (hier: überwiegend Schönheitsoperationen) begründet
ist. Machen die Belegarztpatienten einen wesentlichen Anteil aller Patienten
der Klinik aus und werden die Belegarztleistungen wie eigene Leistungen der
Klinik beworben, kommt eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der
MwStSystRL nicht in Betracht, wenn nicht dargelegt wird, in welchem Umfang die
von den Patienten aufzubringenden Behandlungskosten (einschließlich der
von ihnen an die Belegärzte gezahlten Honorare) auf medizinisch nicht
indizierte Behandlungen entfallen und ob sich die daraus ergebende Quote der
privaten Klinik tatsächlich auf dem Niveau von Einrichtungen des
öffentlichen Rechts bewegt.
6. Der
Neutralitätsgrundsatz kann nicht die ausdrücklichen
Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL
"überschreiben", sodass aus der fehlerhaften Beschränkung der
nationalen Steuerbefreiung auf Krankenhäuser i. S. d. § 108 SGB V
(also des zu engen Anwendungsbereichs der nationalen Befreiungsvorschrift) kein
Anspruch aller Krankenhäuser auf die Steuerbefreiung (unabhängig von
der sozialen Vergleichbarkeit) Befreiungsvorschrift
folgt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): DStR 2017 S. 8 Nr. 11 DStRE 2017 S. 478 Nr. 8 EFG 2016 S. 1474 Nr. 17 UStB 2016 S. 299 Nr. 10 GAAAF-79741
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Online-Dokument
FG
Berlin-Brandenburg
, Urteil v. 22.06.2016 - 7 K 7184/14
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