Umsatzsteuerliche Organschaft
Bezug:
1. Gesetzliche Grundlagen
Rechtsgrundlage für die umsatzsteuerliche Organschaft ist § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG. Hiernach wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des organträgers eingegliedert ist, Abschn. 2.8 Abs. 1 S. 1 UStAE.
Organträger und Organgesellschaft bilden das Unternehmen nach § 2 Abs. 1 S. 2 UStG, die Umsätze der Organgesellschaft werden dem Organträger zugerechnet. Der Organträger ist Steuerschuldner aus allen von den im Organkreis verbundenen Unternehmensteilen bewirkten Umsätzen.
2. Entscheidung über das Vorliegen einer Organschaft
Hinsichtlich des Vorliegens einer Organschaft kann zwischen den Finanzämtern des Organträgers und der Organgesellschaft nur einheitlich entschieden werden. Im Rahmen einer Erörterung der Umsatzsteuer-Referatsleiter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder wurde daher abgestimmt, dass bezüglich des Vorliegens einer Organschaft die Beurteilung durch das Finanzamt des Organträgers maßgeblich ist.
Damit die materiell-rechtliche Beurteilung zutreffend erfolgen kann, ist es bereits in diesem Stadium erforderlich, einen möglichst umfassenden Informationsaustausch zwischen den beteiligten Finanzämtern bzw. Veranlagungsbezirken herbeizuführen.
3. Bestimmung des Beginns der Organschaft
Die Organschaft beginnt in dem Zeitpunkt, in dem sämtliche Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG erfüllt sind. Zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen vgl. Abschn. 2.8 UStAE. Ab diesem Zeitpunkt sind auch die steuerlichen Konsequenzen zu ziehen. So ist für alle Unternehmensteile des Organkreises nur eine Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. -Erklärung unter der Steuernummer des Organträgers abzugeben und damit nur eine Umsatzsteuerfestsetzung durchzuführen. Umsätze zwischen den Unternehmensteilen stellen nicht steuerbare Innenumsätze dar.
Wurde die Existenz der Organschaft nicht erkannt oder wurde eine Organschaft angenommen, obwohl die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht vorgelegen haben, sind die steuerlichen Folgerungen grundsätzlich auch für die Vergangenheit zu ziehen.
Es bestehen jedoch keine Bedenken, wenn eine Rückabwicklung aus Vereinfachungsgründen_im Einvernehmen mit den Beteiligten nicht durchgeführt wird, sofern dem keine materiell-rechtlichen Gründe entgegenstehen bzw. die Steuererhebung nicht gefährdet ist und keine Rechtsbehelfsverfahren wegen USt-Festsetzungen gegenüber der Organgesellschaft anhängig sind.
4. Erkennen einer Organschaft
Sofern die Steuerpflichtigen nicht selbst auf eine bestehende Organschaft hinweisen, muss das Finanzamt anhand der vorgelegten Unterlagen erkennen, ob eine Organschaft vorliegt bzw. Ermittlungen anstellen, die zur Klärung des Sachverhalts führen.
Im Veranlagungsbezirk, der den Organträger steuerlich führt, ist insbesondere dann eine umsatzsteuerliche Organschaft zu prüfen, wenn eine Betriebsaufspaltung vorliegt.
Im Veranlagungsbezirk der Organgesellschaft ist in den Gesellschaftsverträgen der juristischen Person nach Hinweisen zu forschen, die ein Vorliegen der Eingliederungsmerkmale wahrscheinlich machen. Dies sind die Beteiligungsverhältnisse (finanzielle Eingliederung), die Geschäftsführung (organisatorische Eingliederung) und der Gesellschaftszweck (wirtschaftliche Eingliederung).
5. Informationsaustausch
Von zentraler Bedeutung für die Überprüfung der Angaben des Organträgers in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen und -Erklärungen ist es, den Veranlagungsbezirk, der den Organträger steuerlich führt, in die Lage zu versetzen, Umsätze und Vorsteuern möglichst genau verproben zu können.
Daher hat der Veranlagungsbezirk den Organträger auf dessen erhöhte Mitwirkungspflicht beim Vorliegen einer Organschaft, ggf. sogar im Zusammenhang mit einer Betriebsaufspaltung, hinzuweisen. Diesen erhöhten Mitwirkungspflichten kann der Organträger durch die Einreichung von Kopien der Gewinnermittlungen der Organgesellschaft(en) gerecht werden.
Der Veranlagungsbezirk, der die Organgesellschaft(en) steuerlich führt, hat ständig Kontakt mit dem Veranlagungsbezirk des Organträgers zu halten und diesem unaufgefordert laufend die Organschaft betreffende, relevante Informationen zukommen zu lassen. Insbesondere sind die Gewinnermittlungen der Organgesellschaft(en) zu kopieren und zu übersenden. Mindestens ist jedoch dem Veranlagungsbezirk des Organträgers eine Ablichtung der Gewinn- und Verlustrechnung zur Verfügung zu stellen.
Darüber hinaus ist eine enge Zusammenarbeit gegenüber anderen Stellen notwendig. Dies betrifft die Erstellung von Prüfungsvorschlägen, die aufeinander abzustimmen sind, sowie die kassentechnische Abwicklung der Organschaft und evtl. Maßnahmen durch die UStSt.
Nur bei einem Zusammenwirken aller betroffenen Stellen kann eine gleichmäßige und gesetzmäßige Umsatzbesteuerung auch bei einer Organschaft gewährleistet werden.
6. Aktuelle Rechtsprechung
Der BFH hat nach Ergehen des und , Larentia + Minerva und Marenave, hinsichtlich der Organschaft wie folgt geurteilt:
6.1 Keine Organschaft mit Nichtunternehmern – , BFHE 251, 547
Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG setzt eine Organschaft die Eingliederung eines Unternehmers in das Unternehmen des Organträgers voraus. Dadurch wird vermieden, dass die Organschaft als rein steuerrechtliches Gestaltungsinstrument zur Vermeidung nichtabziehbarer Vorsteuerbeträge in Anspruch genommen werden kann.
6.2 Organschaft und Eingliederungsvoraussetzungen – , BFHE 252, 158
Eine juristische Person ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG finanziell eingegliedert, wenn der Organträger über eine eigene Mehrheitsbeteiligung verfügt. Für die Annahme der finanziellen Eingliederung ist die Beteiligung über zwei gleichgeordnete Schwestergesellschaften nicht ausreichend, vgl. auch Abschn. 2.8 Abs. 5 S. 6, 7 UStAE.
Für die organisatorische Eingliederung muss der Organträger im Regelfall mit der juristischen Person über deren Geschäftsführung personell verflochten sein. Für die Annahme einer personellen Verflechtung sind Weisungsrechte, Berichtspflichten oder ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung oder zugunsten des Mehrheitsgesellschafters nicht ausreichend.
6.3 Finanzielle Eingliederungsfähigkeit von Personengesellschaften
Mit , BFHE 251, 534 hat der 5. Senat seine Rechtsprechung geändert und entschieden, dass – abweichend vom Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG – auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann. Dies gilt allerdings nur, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger ausschließlich Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, sodass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gem. § 709 Abs. 1 BGB gewährleistet ist.
In dem , BFHE nn hat der 11. Senat entschieden, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Begriff „juristische Person” auch eine GmbH & Co. KG umfasst. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des BVerfG führt er aus, dass steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale – unabhängig davon, welchem Rechtsgebiet sie ursprünglich entlehnt sind – nach dem „steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung” zu interpretieren sind, zumal es auch außerhalb des Steuerrechts Beispiele für eine von der zivilrechtlichen Terminologie abweichende Auslegung des Begriffs „juristische Person” gebe. Weiterhin führt er an, dass eine GmbH & Co. KG eine „kapitalistische Struktur” hat. Da bei ihr lediglich eine juristische Person (Komplementär-GmbH) die Geschäfte führt, kann sie wie eine juristische Person dem Willen des Organträgers unterworfen sein. Weiterhin erläutert der 11. Senat, dass sein Urteil zwar in der Begründung, nicht aber im Ergebnis von dem des 5. Senats abweiche, weshalb eine Vorlage an den Großen Senat des BFH ausscheide.
Im Rahmen der Sitzung II/16 der Referatsleiter Umsatzsteuer vom 12.- wurden die Auswirkungen der und erörtert.
Die Konsequenzen dieser Urteile sollen durch die Arbeitsgruppe zur Reform der umsatzsteuerlichen Organschaft geprüft werden.
Die genannten Entscheidungen sind vorläufig grundsätzlich nicht über die entschiedenen Einzelfälle hinaus anzuwenden.
Hiervon abweichend können sich Steuerpflichtige in Fällen, in denen nach beiden Urteilen die Eingliederung einer Personengesellschaft möglich ist (d. h. GmbH & Co. KG als Organgesellschaft, wenn Gesellschafter dieser GmbH & Co. KG neben dem Organträger nur Personen sind, die in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind), auf diese Rechtsprechung berufen. Diese Berufung kann dabei nur einheitlich für den Organträger und die GmbH & Co. KG erfolgen. Vertrauensschutz nach § 176 AO wird nicht gewährt. Für das Vorliegen einer Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sind daneben eine finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung der GmbH & Co. KG in das Unternehmen des Organträgers erforderlich, die auch noch im Zeitpunkt der Berufung auf die Rechtsprechung gegeben sein müssen.
Darüber hinaus besteht ein Berufungsrecht nur, wenn alle betroffenen Steuerfestsetzungen noch änderbar sind.
OFD Frankfurt/M. v. - S 7105 A - 22 - St 110
Fundstelle(n):
SAAAF-79669