Geschäftsveräußerung im Ganzen; Fortführung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit durch den Erwerber
Leitsatz
1. Die für die Geschäftsveräußerung notwendige Fortführung der Unternehmenstätigkeit muss bei einer mehrfachen Übertragung nicht höchstpersönlich beim jeweiligen Erwerber vorliegen.
2. Ein Verpachtungsunternehmen und ein Produktionsunternehmen sind sich nach der Rechtsprechung des BFH nicht hinreichend ähnlich, um von einer Fortführung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit durch den Erwerber auszugehen.
Gesetze: UStG § 1 Abs. 1a
Instanzenzug:
Tatbestand
1 I. Die Beteiligten streiten im Verfahren der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision darüber, ob sich im Streitfall rechtsgrundsätzliche Fragen in Bezug auf das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen stellen.
2 Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, schloss am mit der B-GmbH einen Treuhandvertrag, nach dem die B-GmbH in eigenem Namen, aber auf Rechnung der Klägerin Verträge über den Erwerb und die anschließende Weiterveräußerung einer Anlage zur Produktion von .teilen abschließen, durchführen und abwickeln sollte.
3 Die B-GmbH kaufte in Erfüllung des Treuhandvertrages für Rechnung der Klägerin mit einem sog. „Assetkaufvertrag“ vom von der X-KG Maschinen und Anlagen sowie Büroausstattung (nachfolgend: Inventar) gemäß einer sog. „Inventarliste“ zum Preis von 3,3 Mio. € zuzüglich Umsatzsteuer. Die verkauften Maschinen hatte die X-KG —neben anderen Vermögensgegenständen wie Know-how, Goodwill, Lieferantenkartei und sonstigen Unterlagen— an die Y-GmbH verpachtet. Zwischen der X-KG und der Y-GmbH bestand bis einschließlich Mai 2003 eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft.
4 Das von der X-KG erworbene Inventar verkaufte die B-GmbH durch Kaufvertrag vom an die Z-AG für 7,3 Mio. € zuzüglich Umsatzsteuer weiter. Die B-GmbH sicherte der Z-AG zu, dass die veräußerten Gegenstände in ihrer Gesamtheit eine Einrichtung zur Herstellung und Verarbeitung von .produkten darstellten und als solche zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch noch im Einsatz waren. Die veräußerten Anlagen und Maschinen würden aus laufender Produktion zur Verfügung gestellt und mit ihnen könnten in qualitativer wie quantitativer Hinsicht die gleichen Aufträge zu gleichen Preisen wie bisher bedient werden sowie die gleichen Zulieferer verwendet werden.
5 Bereits seit Mitte April 2003 hatten sowohl die Y-GmbH als auch die Z-AG ihre Kunden darauf hingewiesen, dass die Z-AG mit Wirkung vom sämtliche Lieferverträge übernehme. Die Z-AG trete ab diesem Zeitpunkt in die Rechtsstellungen der Y-GmbH und der X-KG ein.
6 Im Jahr 2005 fiel die Z-AG in Insolvenz. Im Jahr 2006 wurde der Antrag, über das Vermögen der X-KG das Insolvenzverfahren zu eröffnen, mangels Masse abgewiesen.
7 Das für die Besteuerung der B-GmbH zuständige Finanzamt F (FA F) beurteilte die Lieferung des Inventars durch die B-GmbH an die Z-AG nach Durchführung einer Außenprüfung als umsatzsteuerpflichtig. Der gegenüber der B-GmbH ergangene Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003 (Streitjahr) ist bestandskräftig.
8 Die Klägerin behandelte in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2003 vom die Lieferung des Inventars als umsatzsteuerpflichtig und machte den Vorsteuerabzug geltend. Im Jahr 2006 erteilte die Klägerin der B-GmbH eine Rechnung über die Lieferung des Inventars und wies darin Umsatzsteuer offen aus, wobei eine Erläuterung darauf verwies, dass tatsächlich nur ein Betrag von 3 Mio. € gezahlt worden sei.
9 Im Mai 2008 reichte die Klägerin eine berichtigte Umsatzsteuererklärung ein, in der sie den Vorgang als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen ansah. Sie, die Klägerin, habe einen Teilbetrieb in Gestalt einer Produktionsanlage veräußert, der ununterbrochen zur Fertigung von .produkten bestimmt und genutzt worden sei. Auch der Kundenstamm sei mit übergegangen.
10 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) lehnte die beantragte Änderung des Umsatzsteuerbescheids unter dem ab. Es liege keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, weil weder das Geschäftsgrundstück noch der Mietvertrag mit übertragen worden seien und die Z-AG die Produktion an einem anderen Standort fortgesetzt habe. Der Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, die Produktionsanlage sei an jedem Standort zu betreiben und das Grundstück sei austauschbar gewesen, blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom ). Das FA führte zur Begründung aus, die Beurteilung des für die Besteuerung der B-GmbH zuständigen FA F sei maßgeblich.
11 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Klägerin geltend machte, sie habe ein zuvor auf mehrere Rechtsträger verteiltes Unternehmen zusammengeführt und an einen einzigen Erwerber, die Z-AG, übertragen, ab und ließ die Revision nicht zu. Es führte in seinem Urteil aus, die Klägerin sei zwar Unternehmerin, und das FA nicht an die umsatzsteuerrechtliche Würdigung bei der B-GmbH gebunden. Außerdem habe die Z-AG die Produktion mit den erworbenen Mitteln in vergleichbarem Umfang fortgeführt. Auch schulde die Klägerin im Streitjahr keine Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).
12 Allerdings seien das an die Z-AG veräußerte und das von der X-KG erworbene Unternehmen, das der B-GmbH nach dem Erwerb für eine logische Sekunde zugestanden habe, nicht identisch gewesen (S. 26 f. des Urteils, 1. Begründungsstrang). Dies zeige u.a. der wesentlich höhere Kaufpreis, den die Z-AG gezahlt habe. Die von der X-KG an die B-GmbH gelieferten Gegenstände hätten keinen Teilbetrieb gebildet.
13 Außerdem habe die B-GmbH keine Verfügungsmacht über die von der X-KG erworbenen Maschinen und Anlagen gehabt (S. 27 f. des Urteils, 2. Begründungsstrang). Die Maschinen und Anlagen seien gleichsam im Wege des „Reihengeschäfts“ über die B-GmbH zur Z-AG gelangt. Die B-GmbH habe letztlich nur Herausgabeansprüche abgetreten. Die B-GmbH habe nicht mehr erworben als die Rechtsstellung eines Verpächters. Die Kündigung des Pachtvertrages habe keine „Umwidmung“ des bisherigen Verpachtungsunternehmens der X-KG in einen Produktionsbetrieb bewirken können, wohingegen die Z-AG selbst die Produktion aufgenommen habe.
14 Überdies habe die B-GmbH niemals selbst einen Betrieb zur Produktion von .teilen unterhalten; ihre wirtschaftliche Tätigkeit habe sich auf den Erwerb und die Weiterveräußerung der Maschinen und Anlagen beschränkt (S. 28 ff. des Urteils, 3. Begründungsstrang). Es liege kein „einfacher Durchgangserwerb“ vor, bei dem nach Auffassung eines Teils der Literatur eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegen könne. Ein solcher „einfacher Durchgangserwerb“ liege schon deshalb nicht vor, weil das erworbene und veräußerte Unternehmen unterschiedlich gewesen seien.
15 Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.
Gründe
16 II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat nicht hinsichtlich aller Begründungsstränge des FG einen Zulassungsgrund dargelegt. Außerdem sind die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen bereits teilweise geklärt.
17 1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (vgl. BFH-Beschlüsse vom XI B 85/13, BFH/NV 2014, 828; vom XI B 37/14, BFH/NV 2014, 1779). Hierzu ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom XI B 11/13, BFH/NV 2014, 915; vom VI B 49/15, BFH/NV 2016, 38). Ist das Urteil des FG kumulativ auf mehrere Begründungen gestützt, von denen jede für sich das Entscheidungsergebnis trägt, muss für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO schlüssig dargelegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom XI B 17/13, BFH/NV 2014, 548; vom V B 43/14, BFH/NV 2015, 68, m.w.N.).
18 2. Gemessen daran ist die Revision nicht zuzulassen.
19 a) Die erste von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ist durch die Rechtsprechung des BFH inzwischen —im Sinne der Klägerin— geklärt.
20 aa) Die Klägerin wirft zunächst die Rechtsfrage auf, „ob die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1a UStG auch dann gegeben sind, wenn der Unternehmer das erworbene Unternehmen nur durchhandelt, ohne es selbst betrieben zu haben“.
21 bb) Dazu hat der V. Senat des BFH in dem —noch innerhalb der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist veröffentlichten— Urteil vom V R 66/14 (BFHE 251, 526, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2016, 311, Rz 29 f.) entschieden, die für die Geschäftsveräußerung notwendige Fortführung der Unternehmenstätigkeit müsse bei einer mehrfachen Übertragung nur dem Grunde nach, nicht aber auch höchstpersönlich beim jeweiligen Erwerber vorliegen.
22 cc) Allerdings verhilft dies der Beschwerde selbst in Bezug auf den dritten Begründungsstrang des FG unter dem Gesichtspunkt der „nachträglichen Divergenz“ (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom XI B 52/06, BFH/NV 2008, 63, unter 2.b, Rz 18; vom V B 14/13, BFH/NV 2014, 918, Rz 11) nicht zum Erfolg, weil das FG in seinem Urteil seine Auffassung, es liege keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, nicht damit begründet hat, bei einem „Durchgangserwerb“ scheide eine Geschäftsveräußerung im Ganzen aus, sondern den Streitfall dahin gehend tatsächlich gewürdigt hat, das Unternehmen, das die B-GmbH von der X-KG erworben habe, und das Unternehmen, das die B-GmbH an die Z-AG veräußert habe, seien unterschiedlich gewesen. Ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei einem „Durchgangserwerb“ möglich ist, konnte das FG daher offen lassen. Dem Urteil des FG und dem BFH-Urteil in BFHE 251, 526, DStR 2016, 311 liegen danach keine abweichenden abstrakten Rechtssätze, sondern unterschiedliche Sachverhalte zugrunde, was eine nachträgliche Divergenz ausschließt (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 63, unter 2.b, Rz 18, sowie allgemein zum Erfordernis des vergleichbaren Sachverhalts BFH-Beschlüsse vom XI B 29/14, BFH/NV 2014, 1780, Rz 10; vom I B 169/13, BFH/NV 2015, 234).
23 dd) Soweit die Klägerin in ihrer Beschwerde —im Stile einer Revisionsbegründung— die Auffassung vertritt, die tatsächliche Würdigung des FG sei unzutreffend, berücksichtigt sie nicht, dass der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO an die —soweit ersichtlich— verfahrensfehlerfrei zustande gekommene, nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßende und mögliche Würdigung in dem angestrebten Revisionsverfahren gebunden wäre (vgl. BFH-Beschlüsse vom XI B 99/12, BFH/NV 2014, 366, Rz 13; vom V B 37/14, BFH/NV 2015, 67, Rz 8).
24 b) Auch hinsichtlich der zweiten Rechtsfrage kommt keine Zulassung der Revision in Betracht.
25 aa) Die Klägerin wirft ferner die Rechtsfrage auf, „ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG für mehrere Lieferungen auch dann gegeben sind, wenn ein Teil des Unternehmens direkt an den fortführenden Erwerber und der andere Teil des Unternehmens über einen Dritten an den fortführenden Erwerber geliefert wird und dieser das Unternehmen sodann fortführt“.
26 bb) Insoweit hat die Klägerin nicht dargelegt, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Insbesondere fehlt jegliche Auseinandersetzung mit bereits vorhandener Rechtsprechung. Dazu hätte Anlass bestanden, weil nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil X BV vom C-651/11, EU:C:2013:346, Umsatzsteuer-Rundschau 2013, 582, Rz 45 bis 47) und des , BFHE 250, 240, BStBl II 2015, 908, Rz 29) bei Prüfung der Voraussetzungen der Geschäftsveräußerung im Ganzen „jeder Vorgang einzeln und selbständig zu beurteilen“ ist. Damit setzt sich die Klägerin nicht auseinander.
27 c) Ohnehin hat aber die Klägerin hinsichtlich des zweiten Begründungsstrangs des FG, der das Urteil ebenfalls trägt, keinen Zulassungsgrund geltend gemacht.
28 aa) Das FG hat auf S. 27 f. seines Urteils sinngemäß ausgeführt, dass die X-KG ein Verpachtungsunternehmen betrieben habe, das die Z-AG nicht fortgeführt habe. Die Z-AG habe stattdessen ein Produktionsunternehmen betrieben. Diese beiden Unternehmen seien sich nicht hinreichend ähnlich.
29 bb) Diese tatsächliche Würdigung des FG steht hinsichtlich der ihr zugrunde liegenden Annahme, ein Verpachtungsunternehmen und ein Produktionsunternehmen seien sich nicht hinreichend ähnlich, in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114, Rz 32; vom XI R 40/13, BFHE 251, 474, DStR 2016, 50, Rz 63, dort jeweils zu Fällen der Organschaft). Zulassungsgründe hat die Klägerin diesbezüglich nicht hinreichend dargelegt.
30 3. Mit ihrer Beschwerde macht die Klägerin im Wesentlichen lediglich eine ihrer Auffassung nach unzutreffende Rechtsanwendung durch das FG geltend. Dies vermag die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (z.B. BFH-Beschlüsse vom III B 144/12, BFH/NV 2013, 1816; vom XI B 103/13, BFH/NV 2014, 1761).
31 4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO).
32 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2016 S. 1306 Nr. 9
UStB 2016 S. 233 Nr. 8
UAAAF-77185