Instanzenzug: S 14 R 127/10
Gründe:
1Mit Beschluss vom hat das LSG Berlin-Brandenburg einen Anspruch des Klägers auf Entrichtung freiwilliger Beiträge ab sowie auf Anerkennung von Pflichtbeitragszeiten für Zeiten vom bis 1974 sowie vom bis verneint.
2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt und beantragt, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt G. M. aus B. beizuordnen. In der Beschwerdebegründung werden Verfahrensfehler, Rechtsprechungsabweichung und grundsätzliche Bedeutung geltend gemacht.
3Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
4Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- die Entscheidung von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
5Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG nicht dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
6Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
7Sofern der Kläger die Verletzung von § 153 Abs 4 S 1 SGG rügt, weil die Entscheidung des LSG auf "fehlerhaftem Ermessensgebrauch" beruhe, hat er einen Verfahrensfehler nicht hinreichend bezeichnet.
8Das LSG kann die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, bei Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Diese Entscheidung kann im Revisionsverfahren nur darauf geprüft werden, ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen erkennbar fehlerhaft Gebrauch gemacht hat, etwa wenn der Beurteilung sachfremde Erwägungen oder eine grobe Fehleinschätzung zugrunde liegen (BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 4; Nr 13 S 38; - Juris RdNr 8). Für die Ermessensentscheidung sind unter anderem die Schwierigkeit des Falles und die Bedeutung von Tatsachenfragen relevant. Ist bei Abwägung aller danach zu berücksichtigenden Umstände die Wahl des vereinfachten Verfahrens ohne mündliche Verhandlung gegen den ausdrücklichen Willen eines Beteiligten unter keinen Umständen zu rechtfertigen, liegt eine grobe Fehleinschätzung im obigen Sinne vor (BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38; - Juris RdNr 9).
9Der Kläger hat bereits nicht vorgetragen, dass die Entscheidung im Beschlussweg gegen seinen im Berufungsverfahren ausdrücklich geäußerten Willen ergangen sei. Mit seinem Vortrag, dem Verfahren liege eine besonders komplexe prozessuale Situation aufgrund verschiedener Parallelverfahren und er - der Kläger - sei mit der Prozessführung ohne anwaltliche Hilfe sichtlich überfordert gewesen, hat er auch keine grobe Fehleinschätzung des LSG aufgezeigt. Dass der Fall des Klägers besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweise, die einer Entscheidung im vereinfachten Verfahren entgegenstünden, hat er ebenfalls nicht dargetan. Anhaltspunkte für sachfremde Erwägungen hat er ebenfalls nicht behauptet.
10Soweit der Kläger rügt, er habe nicht die Gelegenheit gehabt, seinen Standpunkt im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem LSG darzulegen, hat er eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) nicht ausreichend bezeichnet. Das Gebot der Wahrung des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht regelmäßig nur dazu, die Ausführungen von Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Es ist erst verletzt, wenn sich klar ergibt, dass das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung gar nicht erwogen worden ist (vgl BVerfGE 65, 293, 295 f mwN = SozR 1100 Art 103 Nr 5 S 3 f; - Juris RdNr 5; - Juris RdNr 4 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
11Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Gericht Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und erwogen hat, muss die Beschwerdebegründung besondere Umstände des Einzelfalls aufzeigen, aus denen auf das Gegenteil geschlossen werden kann (vgl BVerfGE 54, 86, 91 f mwN). Derartige besondere Einzelfallumstände schildert der Kläger nicht. Zudem hat er nicht dargelegt, was er beim LSG unternommen hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen, und dass seine diesbezüglichen Bemühungen erfolglos gewesen sind. Schließlich muss aus der Beschwerdebegründung grundsätzlich ersichtlich sein, was der Beschwerdeführer bei ordnungsgemäßer Gehörsgewährung vorgetragen hätte, um prüfen zu können, ob das verhinderte Vorbringen Einfluss auf die Entscheidung gehabt haben könnte und damit die Gehörsverletzung möglicherweise für die erlassene Entscheidung kausal gewesen sei (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 700 mwN). Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich.
12Auch die Divergenzrüge hat keinen Erfolg. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
13Der Kläger hat schon keinen tragenden abstrakten Rechtssatz des LSG herausgestellt, mit dem dieses der Rechtsprechung des BSG widersprochen habe. Er macht vielmehr geltend, das vom LSG ausgeübte Ermessen habe die Frage, § 153 Abs 4 SGG in einer für die Beteiligten schonenden Weise auszulegen und anzuwenden, nicht umfasst. Es sei damit von der Rechtsprechung des ) abgewichen.
14Mit diesem Vorbringen ist eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht dargetan. Missversteht oder übersieht das Berufungsgericht einen höchstrichterlichen Rechtssatz und wendet deshalb das Recht fehlerhaft an, kann daraus nicht geschlossen werden, es habe einen divergierenden Rechtssatz aufgestellt. Die Bezeichnung einer Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG setzt vielmehr die Darlegung voraus, dass das LSG die höchstrichterliche Rechtsprechung im angefochtenen Urteil infrage stellt. Dies ist nicht der Fall, wenn es eine höchstrichterliche Entscheidung in ihrer Tragweite für den entschiedenen Fall lediglich verkannt haben sollte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 73 mwN).
15Schließlich hat auch die Grundsatzrüge keinen Erfolg. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
16Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "inwieweit einer nicht anwaltlichen vertretenen Naturalpartei, die mit dem schriftlichen Führen des Verfahrens ersichtlich überfordert ist, rechtliches Gehör im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu gewähren ist und inwieweit dies in Ermessensüberlegungen nach § 153 Abs. 4 SGG einzubeziehen ist."
17Mit dieser Frage ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Jedenfalls ist nicht dargelegt, warum die bisherige oberstgerichtliche Rechtsprechung für eine Beantwortung nicht ausreichen könnte.
18Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
19Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kann dem Kläger für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M nicht gewährt werden (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1, § 121 Abs 1 ZPO).
20Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstelle(n):
AAAAF-77105