NWB Nr. 26 vom Seite 1937

„Modernisierung des Besteuerungsverfahrens – die Zukunft muss warten“

Simon Beyme | StB RA FAfStR | Geschäftsführer Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg

Am stimmte der Bundesrat dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens zu, der größten Reform der Abgabenordnung seit 1977. Das Gesetz fördert insbesondere die elektronische Kommunikation – ein überfälliger Schritt. Die frühzeitige Einbindung der Interessenvertreter, z. B. des DStV, im Gesetzgebungsverfahren war beispielhaft. Aus einer Arbeitshilfe „von der Finanzverwaltung für die Finanzverwaltung“ wurde so ein für alle Beteiligten handhabbares Gesetz.

Was ändert sich für die Praxis? Zunächst – nichts. Das Gesetz tritt grds. 2017 in Kraft, viele praxisrelevante Teile gelten aber erst später, z. B. das neue Fristenregime ab dem Veranlagungszeitraum 2018. Einige Maßnahmen werden rechtlich ab 2017 möglich, aber technisch frühestens 2019 umgesetzt, z. B. die elektronische Bekanntgabe des Steuerbescheids per Download. Die Rückübermittlung der Bescheide mit aufgeschlüsselten Besteuerungsgrundlagen wird voraussichtlich erst 2022 realisiert. In Zeiten der Digitalisierung ist dies eine kleine Ewigkeit.

Welche Neuerungen erwarten uns? Mindeststandards für Risikomanagementsysteme zur Auswahl prüfungsbedürftiger Fälle werden definiert und Steuerbescheide dürfen automatisiert erlassen werden. Intensiv wurde erörtert, ob dies mit Amtsermittlungsgrundsatz und Anspruch auf rechtliches Gehör vereinbar ist. Dabei sind die „Änderungen“ bereits Realität: Die Anwendung von Risikomanagementsystemen ist gängige Praxis und viele Steuerbescheide werden „automatisch“ erlassen. Dennoch war die Diskussion wichtig. Sie verdeutlichte der Finanzverwaltung, dass Steuerbürger Rechte haben und nicht nur Steuer-?Pflichtige“ sind. Eine Konsequenz ist z. B. die Einführung von Freitextfeldern in elektronischen Steuererklärungen, in denen abweichende Auffassungen zur Finanzverwaltung dargestellt werden können.

Als Entgegenkommen sieht die Finanzverwaltung die um zwei Monate verlängerte Abgabefrist: allgemein bis 31. 7., für steuerlich Beratene bis Ende Februar des Zweitfolgejahres. Dadurch werden künftig viele Verlängerungsanträge entbehrlich. Bedenkt man, weshalb Erklärungen nicht sofort erstellt werden, wird die „Großzügigkeit“ der Finanzverwaltung zu einer Anerkennung praktischer Bedürfnisse relativiert. Erforderliche Bescheinigungen liegen oft nicht vor März vor und die Formulare der Körperschaftsteuererklärung 2015 stehen laut ElsterOnline erst ab zur Verfügung – zwei Monate nach der gesetzlichen Abgabefrist.

Neu geregelt wurden Vorabanforderungen, mit denen Finanzämter Steuererklärungen anfordern können. Durch die letztlich auf vier (statt drei) Monate festgelegte Anforderungsfrist wurde die Sorge der Steuerberater, durch zeitgleiche Vorabanforderungen überfordert zu werden, entschärft. Der ab 2019 fallbeilartig erfolgende Verspätungszuschlag, der Preis der Finanzverwaltung für die verlängerten Fristen, wurde mit 0,25 % der Steuer und mindestens 25 € (vorgesehen waren 50 €) pro Monat noch erträglich bemessen.

Simon Beyme

Fundstelle(n):
NWB 2016 Seite 1937
NWB PAAAF-76141