BSG Beschluss v. - B 9 SF 1/16 S

Instanzenzug: S 37 SB 1074/10

Gründe:

I

1Das Bayerische LSG hat nach Abtrennung in der mündlichen Verhandlung vom (L 15 SB 133/15 WA) mit Beschluss vom - für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf "Schadenersatz gegen den Beklagten ZBFS" - den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht München I verwiesen. Mit einem von ihr unterzeichneten Schreiben vom (eingegangen ) hat die Klägerin "für das zulässige Rechtsmittel" gegen den am zugestellten Beschluss beim BSG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwaltes beantragt. Sie trägt im Wesentlichen vor, vor der Verweisung nicht angehört worden zu sein. Sie sei in der mündlichen Verhandlung vom nicht anwesend gewesen. Auch sei entgegen den Ausführungen im Beschluss vom in der ihr übersandten Abschrift der Sitzungsniederschrift vom kein Hinweis zur beabsichtigten Verweisung enthalten gewesen. Das LSG habe ihr mit weiterem Schreiben vom "nur" ein neues Aktenzeichen mitgeteilt. Das LSG habe über den Amtshaftungsanspruch ausnahmsweise entscheiden müssen, eine Verweisung sei nicht zulässig gewesen.

II

2Der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwaltes für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens ist abzulehnen.

3Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 und § 121 Abs 1 ZPO kann einem Beteiligten für ein Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Hieran fehlt es. Die von der Klägerin beabsichtigte Beschwerde hätte voraussichtlich keinen Erfolg, weil sie nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen wäre. Folglich ist nicht ersichtlich, dass es einem beigeordneten Prozessbevollmächtigten möglich wäre, eine Beschwerde erfolgreich zu begründen.

4Gemäß § 17a Abs 4 S 4 und 5 GVG steht einem Beteiligten die Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 17a Abs 2 GVG nur zu, wenn das Gericht sie wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder wegen Divergenz zugelassen hat. Das die Beschwerde zum BSG nicht zugelassen, sodass die Entscheidung des LSG unanfechtbar ist und auch nicht mit der Beschwerde zum BSG angefochten werden kann (vgl BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 26 S 67 mwN). Darauf ist die Klägerin zutreffend in dem angegriffenen Beschluss hingewiesen worden.

5Etwas anderes folgt im vorliegenden Fall auch nicht aus einer fehlenden Anhörung der Klägerin, welche von § 17a Abs 2 S 1 GVG grundsätzlich verlangt wird. Art 101 Abs 1 S 2 GG stellt den Anspruch der Beteiligten auf den gesetzlichen Richter unter den besonderen Schutz der Verfassung. Die Verweisung führt zu einer erheblichen Änderung der prozessualen Stellung, da sich der Betroffene einem anderen Gericht gegenüber sieht (vgl hierzu bereits - BVerfGE 61, 37, 41 = Juris RdNr 13). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung wegen der von § 17a GVG selbst eröffneten Überprüfungsmöglichkeiten bei krassen Rechtsverletzungen in Betracht kommen, etwa wenn der Beschluss dazu führt, dass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren, willkürlichen Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) entfernt, sodass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist, nämlich wenn sie unverständlich und offensichtlich unhaltbar ist (vgl - Juris RdNr 9 mwN). So ist die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als Grund angesehen worden, die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses nicht zu beachten ( - SozR 4-1500 § 98 Nr 2 RdNr 7 mwN).

6Ein zur Durchbrechung der Bindungswirkung führender Rechtsverstoß wird allerdings verneint, wenn allein der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde und dieser Verstoß mit einem Rechtsmittel gegen den Verweisungsbeschluss hätte gerügt werden können, hiervon jedoch abgesehen wurde (vgl - aaO). Nach Einführung der Anhörungsrüge (§ 178a SGG) kann eine fehlende Bindung allenfalls dann noch angenommen werden, wenn die Verletzung des rechtlichen Gehörs von einem der Beteiligten innerhalb angemessener Frist nach Zustellung des Beschlusses geltend gemacht wird. Zwar gilt § 178a SGG nicht für Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgehen. Aus dieser Vorschrift ist jedoch der Grundsatz zu entnehmen, dass eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht etwa zu einer von Amts wegen zu berücksichtigenden Unbeachtlichkeit einer Entscheidung führt. Die Verletzung muss vielmehr innerhalb angemessener Frist von dem gerügt werden, dessen Anspruch auf Gehör verletzt ist, wobei als angemessen die Frist des § 178a SGG zugrunde zu legen ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 98 Nr 2 RdNr 7). Eine mögliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das verweisende Gericht ist deshalb nicht ohne Rüge von dem Gericht, an das verwiesen worden ist, zu prüfen und kann ohne vorhergehende Rüge im Rahmen einer Vorlage zur Entscheidung nach § 58 SGG keine vom Verweisungsbeschluss abweichende Bestimmung des örtlich und sachlich zuständigen Gerichts rechtfertigen (vgl - Juris RdNr 9, unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 98 Nr 2 RdNr 7).

7Zwar beruft sich vorliegend die Klägerin auf eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und erfüllt insoweit auch die Zwei-Wochenfrist iS von § 178a Abs 2 S 1 SGG. Allerdings ist weder der Begründung des Verweisungsbeschlusses noch den sonstigen Umständen zu entnehmen, dass die Verweisung an das Landgericht dort gerügt worden ist und auf einem willkürlichen Verhalten des abgebenden Gerichts beruht. Der Anspruch der Klägerin ist nicht iS von § 178a Abs 1 S 1 Nr 2 SGG in "entscheidungserheblicher Weise" verletzt. Die Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen durch das LSG stellt sich nicht als willkürlich, dh unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar, unverständlich oder offensichtlich unhaltbar dar. Das LSG hat für den von der Klägerin geltend gemachten "Schadensersatz gegen den Beklagten ZBFS" als Anspruchsgrundlage ausschließlich einen "Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB iVm Art 34 Abs 3 GG" in Betracht gezogen. Zu Recht hat es ausgeführt, dass für solche Streitigkeiten nicht der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist. Für die Klage auf Amtspflichtverletzung ergibt sich aus Art 34 S 3 GG iVm § 17 Abs 2 S 2 GVG die alleinige Entscheidungszuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit (vgl ). Unabhängig von der möglichen Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör hätte somit das LSG auch trotz des Vorbringens der Klägerin, ihr Amtshaftungsverfahren lieber vor dem LSG durchzuführen, keine andere Entscheidung treffen können. Tatsächlich sind nicht die Richter des LSG die für diesen von der Klägerin geltend gemachten Anspruch zuständigen gesetzlichen Richter iS von § 101 Abs 1 S 2 GG und liegt über die bloße Verletzung des rechtlichen Gehörs keine weitergehende Verletzung von Rechtspositionen der Klägerin vor. Es ist auch kein weiterer Vortrag der Klägerin denkbar, der eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise möglich erscheinen ließe, sodass eine Durchbrechung der Bindungswirkung der Verweisung mit Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG einen bloßen Formalismus darstellen würde, mit der Folge, dass das LSG erneut dieselbe Entscheidung zu treffen hätte. Ein Verweisungsbeschluss ist trotz der fehlenden Anhörung jedenfalls dann bindend, wenn dieser Verfahrensmangel trotz Geltendmachung innerhalb der für die Anhörungsrüge geltenden Frist den Anspruch des Beteiligten auf den gesetzlichen Richter nicht verletzt hat.

Fundstelle(n):
OAAAF-75943