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BAG Urteil v. - 5 AZR 337/15

ERA-Strukturkomponente - Auskunfts- und Zahlungsanspruch

Gesetze: § 98 ArbGG vom , § 1 TVG

Instanzenzug: ArbG Oldenburg (Oldenburg) Az: 3 Ca 517/13 Teilurteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 14 Sa 100/14 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Auskunft und Zahlung aus einem ERA-Anpassungsfonds.

2Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Metallindustrie, beschäftigt. An den drei Standorten der Beklagten sind Betriebsräte gebildet und es besteht ein Gesamtbetriebsrat. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die T GmbH, schloss mit der IG Metall im Jahr 2007 einen „Übernahmetarifvertrag“, wonach bestimmte Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie des Tarifgebiets nordwestliches Niedersachsen auf die Arbeitsverhältnisse Anwendung finden. Hierzu gehörten der Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte, das Gemeinsame Entgeltrahmenabkommen ERA und der Einführungstarifvertrag ERA (im Folgenden ETV ERA). Des Weiteren wurde mit der IG Metall vereinbart, dass der Entgeltrahmentarifvertrag erst ab gelten solle und der ERA-Anpassungsfonds bis dahin ausgesetzt werde.

3Der ETV ERA vom 11. September// regelt in § 9 ua.:

4§ 16 des Manteltarifvertrags enthält eine zweistufige Ausschlussfrist zur Geltendmachung von Ansprüchen.

5Ab Januar 2009 wurde im Betrieb G, in dem der Kläger beschäftigt ist, Kurzarbeit geleistet. Die dies regelnde Betriebsvereinbarung bestimmt ua. eine Aufstockung des Kurzarbeitergelds unter Verwendung eines Fonds, ersatzweise der ERA-Strukturkomponente.

6Am schloss die T GmbH mit den Betriebsräten und der IG Metall eine Vereinbarung zur Ergänzung und Änderung des Übernahmetarifvertrags, die ua. regelt:

7Die T GmbH schloss am 18./ wiederum mit der IG Metall und den Betriebsräten eine Vereinbarung über die Einführung des Entgeltrahmenabkommens ab, wonach ERA in den Betrieben zum eingeführt und der Anpassungsfonds entsprechend dem Tarifvertrag/der Vereinbarung vom an die Mitarbeiter ausgezahlt werde.

8In Ergänzung der Vereinbarung vom schlossen die T GmbH, die IG Metall und die Betriebsräte eine weitere, auf den datierte Vereinbarung, die ua. regelt:

9Am gingen die Arbeitsverhältnisse aufgrund Betriebsübergangs von der T GmbH auf die Beklagte über. Im November 2010 sicherte die Beklagte den Mitarbeitern mittels Gesamtzusage zu,

10Im März 2011 machte der Gesamtbetriebsrat der Beklagten geltend, die Vereinbarung vom sei unwirksam. Er forderte den Abschluss einer Auszahlungsvereinbarung. Die Beklagte berief sich auf fehlende Fälligkeit. Diese könne allenfalls mit Ablauf von 18 Monaten nach Abschluss der Vereinbarung vom eintreten.

11Nachdem das Arbeitsgericht Oldenburg (Az. - 3 BV 35/11 -) einen Antrag der IG Metall zur Einsetzung einer tariflichen Einigungsstelle zur Auszahlung der ERA-Strukturkomponente zurückgewiesen hatte, wies das Landesarbeitsgericht Niedersachsen mit Beschluss vom (Az. - 1 TaBV 91/12 -) einen Antrag des Gesamtbetriebsrats auf Einsetzung einer betrieblichen Einigungsstelle zur Auszahlung der ERA-Strukturkomponente zurück. Zur Begründung führte es an, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig, weil das Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Auszahlung bereits durch die Vereinbarungen vom 18./ und abschließend ausgeübt worden sei.

12Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger im Wege der Stufenklage Auskunft und Zahlung geltend gemacht. Er meint, ihm sei ein Anteil am ERA-Anpassungsfonds auszuzahlen, weil die ERA-Einführung im Betrieb kostenneutral durchgeführt und eine Auszahlungsvereinbarung durch die Betriebsparteien getroffen worden sei. Die Beklagte sei zur Erteilung der Auskunft verpflichtet, denn er sei allein nicht in der Lage, seinen Anspruch zu beziffern.

13Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

14Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Anpassungsfonds sei zur Herstellung der betrieblichen Kostenneutralität verwendet worden. Jedenfalls seien Auskunfts- und Zahlungsanspruch verfallen.

15Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Teilurteil hinsichtlich der Auskunftsstufe stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Teilurteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

16Die Revision des Klägers ist zurückzuweisen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage allerdings zu Unrecht als umfassend unbegründet abgewiesen. Die Klage ist als zurzeit unbegründet abzuweisen.

17I. Der Kläger hat derzeit keinen Anspruch auf Auskunft und Zahlung aus dem ERA-Anpassungsfonds. Eine Betriebsvereinbarung, welche die Voraussetzungen der § 9 Nr. 4, § 4 Nr. 2 ETV ERA zur Regelung der Auszahlungsmodalitäten des ERA-Anpassungsfonds erfüllt, ist zwischen den Betriebspartnern noch nicht vereinbart worden.

181. Die Regelungen des ETV ERA finden auf das Arbeitsverhältnis des Klägers jedenfalls aufgrund der von der Beklagten im November 2010 erteilten Gesamtzusage Anwendung. Mit dieser hat sich die Beklagte verpflichtet, spätestens ab dem die im Übernahmetarifvertrag genannten Tarifverträge im Betrieb, in dem der Kläger beschäftigt ist, anzuwenden. Hierzu zählt auch der ETV ERA.

192. Nach § 9 Nr. 4, § 4 Nr. 2 ETV ERA werden die verbleibenden Mittel des ERA-Anpassungsfonds ausgezahlt, wenn sich am Einführungsstichtag herausstellt, dass eine weitere Verwendung dieser Mittel nach den Regeln der betrieblichen Kostenneutralität nicht erforderlich ist. Die Auszahlungsmodalitäten sind in einer Betriebsvereinbarung zu regeln. Gemäß § 9 Nr. 5 ETV ERA können zu Anspruchsberechtigten nur diejenigen Beschäftigten bestimmt werden, die zum Aufbau der ERA-Strukturkomponenten beigetragen haben und im Zeitpunkt der späteren Auszahlung noch „in einem Arbeitsverhältnis im Betrieb“ stehen.

20a) Der Inhalt der Vereinbarungen der Betriebspartner vom und genügt den tariflichen Anforderungen an eine Betriebsvereinbarung nach § 9 Nr. 4, § 4 Nr. 2 ETV ERA nicht.

21Die Regelungen der § 9 Nr. 4, § 4 Nr. 2 ETV ERA setzen voraus, dass die Betriebsvereinbarung jedenfalls den Auszahlungszeitpunkt des ERA-Anpassungsfonds, dh. die Fälligkeit der Zahlung bestimmt. Ohne Bestimmung der Fälligkeit kann der Kreis der Anspruchsberechtigten nicht festgestellt werden. Dieser kann in Abhängigkeit vom Auszahlungszeitpunkt täglich einer Veränderung unterliegen, weil nach § 9 Nr. 5 ETV ERA anspruchsberechtigt nur sein kann, wer im Zeitpunkt der Auszahlung in einem Arbeitsverhältnis im Betrieb steht.

22Die Bestimmung der Fälligkeit der Auszahlung fehlt in den Vereinbarungen der Betriebspartner. Es mangelt deshalb an einer den tariflichen Vorgaben entsprechenden Betriebsvereinbarung. Da nach § 9 Nr. 6 ETV ERA individuelle Ansprüche auf Beträge aus dem ERA-Anpassungsfonds vor Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung nicht bestehen, ist die Klage auf Auskunft und Auszahlung zurzeit unbegründet.

23b) Die rechtskräftige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom (- 1 TaBV 91/12 -) zur offensichtlichen Unzuständigkeit einer betrieblichen Einigungsstelle steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Entscheidung entfaltet keine Bindungswirkung für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit, weil sie in einem Verfahren zur Einsetzung einer Einigungsstelle nach § 98 ArbGG (§ 100 ArbGG nF) ergangen ist.

24In dem Bestellungsverfahren wird nicht abschließend und für die Betriebspartner verbindlich die Frage entschieden, ob das vom Betriebsrat in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht besteht oder nicht. Auch die Abweisung des Antrags auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden mit der Begründung, das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht bestehe offensichtlich nicht, ist keine die Betriebspartner bindende Entscheidung über das Bestehen des Mitbestimmungsrechts. Streitgegenstand des Bestellungsverfahrens ist allein die Errichtung der Einigungsstelle durch Benennung des Vorsitzenden und ggf. durch Bestimmung der Zahl der Beisitzer jeder Seite (vgl.  - zu B I 2 b der Gründe, BAGE 62, 1; - 1 ABR 51/94 - zu B I 2 der Gründe). Erst recht entfaltet eine solche Entscheidung keine Bindungswirkung im Verhältnis zum einzelnen Arbeitnehmer.

25II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:230316.U.5AZR337.15.0

Fundstelle(n):
EAAAF-75861