Verfahrensrecht | Berechnung von Hinterziehungszinsen (FG)
Das FG Münster hat zur Berechnung
von Hinterziehungszinsen auf Einkommensteuer-Vorauszahlungen entschieden
(; Revision zugelassen).
Hintergrund: Gemäß § 235 Abs. 1 Satz 1 AO sind hinterzogene Steuern zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt grundsätzlich mit dem Eintritt der Verkürzung (§ 235 Abs. 2 Satz 1 AO) und endet mit Zahlung der hinterzogenen Steuern (§ 235 Abs. 3 Satz 1 AO).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über die Höhe von Hinterziehungszinsen. Die Kläger sind Erben des verstorbenen A, der seit Ende der 1970er Jahre ein Schwarzgeldkonto in der Schweiz unterhalten hatte und dessen Erträge er im Rahmen einer Selbstanzeige im Jahr 2010 nacherklärte. Das Finanzamt erließ Ende September 2012 für jedes Streitjahr einen Bescheid über Hinterziehungszinsen. Dabei berücksichtigte es einen Zinslauf, der jeweils ab Fälligkeit der vierteljährlichen Vorauszahlungen (10.3., 10.6., 10.9. und 10.12. des jeweiligen Streitjahres) beginnt und zum Zeitpunkt der Zahlung der aufgrund der geänderten Festsetzungen nachgeforderten Beträge ( für die Solidaritätszuschläge des II., III. und IV. Quartals 2004, im Übrigen ) endet. Die Kläger sind dagegen der Auffassung, dass der Zinslauf erst ab Ergehen des jeweiligen Jahressteuerbescheids berechnet werden könne. Ihre Klage hatte keinen Erfolg.
Hierzu führten die Richter des FG Münster weiter aus:
Maßgeblich für die Berechnung der Höhe der hinterzogenen Steuer und den Zeitpunkt des Eintritts der Steuerverkürzung ist § 370 AO.
Danach begeht eine Steuerhinterziehung unter anderem derjenige, der gegenüber den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) und dadurch Steuern verkürzt.
Für die Verwirklichung dieses objektiven Tatbestands reicht es aus, dass aufgrund unvollständiger oder unrichtiger Angaben einer Steuererklärung die tatsächlich geschuldeten Einkommensteuer-Vorauszahlungen nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden ().
Nach diesen Grundsätzen hat der Erblasser die objektive Tathandlung für die Einkommensteuerhinterziehungen für die Streitjahre 2003 bis 2006 nicht erst durch die Abgabe der unzutreffenden Einkommensteuererklärungen für diese Jahre begangen, sondern bereits mit Abgabe der Einkommensteuererklärungen für frühere Jahre.
Der jeweilige Taterfolg der Steuerverkürzung ist in dem Moment eingetreten, in dem das FA einen Einkommensteuerbescheid erlassen hat, ohne zugleich die Vorauszahlungen für die Streitjahre anzupassen.
Entgegen der Ansicht der Kläger umfasst der Hinterziehungsvorsatz auch die Vorauszahlungen für spätere Jahre.
Denn der Erblasser hat zumindest billigend in Kauf genommen, dass aufgrund der unvollständigen Erklärung der Einkünfte auch die Vorauszahlungen nicht angepasst werden würden. Ihm war als selbständigem Zahnarzt bekannt, dass auf solche Einkünfte, die - anders als Arbeitslohn - keinem Steuerabzug unterliegen, regelmäßig Vorauszahlungen festgesetzt werden.
Da ihm auch bekannt sein musste, dass auf die in der Schweiz erzielten Kapitalerträge keine inländische Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt wurde, hat er es zumindest für möglich gehalten, dass hierauf auch Vorauszahlungen festgesetzt werden würden. Dies genügt im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre für die Annahme eines Hinterziehungsvorsatzes.
Quelle: FG Münster online (il)
Das Gericht hat die Revision zugelassen. Die Frage, ob Hinterziehungszinsen bei hinterzogenen Einkommensteuer-Vorauszahlungen entstehen und wie diese zu berechnen sind war - soweit ersichtlich - bisher nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung. Das Urteil ist auf der Homepage des FG Münster veröffentlicht. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.
Fundstelle(n):
UAAAF-75043