BSG Beschluss v. - B 12 KR 78/15 B

Instanzenzug: S 10 KR 389/11

Gründe:

1In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung.

2Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung seines Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Allein die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

4Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom 4.11.2015 allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

51. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

6Der Kläger hält die folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:

"Verstoßen § 240 Abs. 4 Sätze 3 und 4 SGB V insofern gegen Art. 3 Abs. 1 GG, als danach bei der Bestimmung der für die Beitragsbemessung hauptberuflich selbstständig erwerbstätiger Mitglieder, die kalendertäglich niedrigere Einnahmen als den 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße haben, anders als bei allen anderen von § 240 SGB V erfassten Mitgliedern auch das Vermögen des Mitglieds zu berücksichtigen ist, damit der Beitragsbemessung der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße zu Grunde gelegt werden kann?"

7Dazu trägt der Kläger vor, die Regelung des § 240 Abs 4 S 3 und 4 SGB V sei verfassungswidrig, weil nur für die Gruppe der hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen mit kalendertäglich nachweislich niedrigeren Einnahmen als den 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße ihr Vermögen bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werde. Dies sei systemwidrig, weil für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (§ 240 Abs 1 S 2 SGB V) anderer freiwillig versicherter Mitglieder ausnahmslos an deren Einnahmen angeknüpft werde, nicht aber an deren Vermögen. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung sei nicht erkennbar. Der Gesetzgeber habe mit der Vorschrift mehr Beitragsgerechtigkeit schaffen wollen. Dies sei nicht der Fall. Die Gruppe der hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen mit Einnahmen von kalendertäglich weniger als dem 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße werde insbesondere anders behandelt als freiwillige Mitglieder, die einen Gründungszuschuss nach § 93 SGB III oder eine entsprechende Leistung nach § 16b SGB II erhielten. Bei diesen werde ohne Prüfung des Vermögens der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße als Einnahme je Kalendertag herangezogen. Die vom LSG zitierte Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 103, 392 = SozR 3-2500 § 240 Nr 39) sei zu einer völlig anderen Rechtslage ergangen. Selbstständige seien damals grundsätzlich "versicherungsfrei" gewesen. Klärungsbedürftigkeit bestehe auch noch nach dem Urteil des BSG zur Beitragspflicht von in monatlichen Teilbeträgen gezahlten Entschädigungsleistungen des Arbeitgebers wegen Verlust des Arbeitsplatzes fort (BSG SozR 4-2500 § 240 Nr 24).

8Damit genügt der Kläger den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage - ihre Qualität als hinreichend konkrete, in einem späteren Revisionsverfahren prüfbare Rechtsfrage unterstellt - nicht. Wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; ferner zB - Juris RdNr 7 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG darlegen, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 45).

9Soweit der Kläger lediglich ganz allgemein vorträgt, bei anderen freiwillig krankenversicherten Mitgliedern werde ausnahmslos an deren Einnahmen angeknüpft, nicht aber an deren Vermögen, geht aus der Beschwerdebegründung schon deshalb nicht hervor, worin eine verfassungswidrige Gleich- oder Ungleichbehandlung liegen soll, weil der Kläger insoweit keine konkreten Vergleichsgruppen bildet. Dies wäre jedoch insbesondere im Hinblick darauf erforderlich gewesen, dass von der Beitragsbemessung nach § 240 SGB V eine Vielzahl unterschiedlicher Personengruppen als freiwillig Versicherte erfasst werden, zu deren jeweils durch bereichsspezifische Besonderheiten geprägten Beitragserhebung im Einzelnen bereits umfangreiche Rechtsprechung des BSG ergangen ist (vgl zuletzt - nur aus dem vergangenen Jahr - - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR 4-2500 § 240 Nr 30; - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR 4-2500 § 240 Nr 29; - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR 4-2500 § 229 Nr 19; - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25; - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR 4-2500 § 240 Nr 26; - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR 4-2500 § 240 Nr 28).

10Soweit der Kläger konkret eine Ungleichbehandlung mit der Gruppe der freiwillig Versicherten, die einen Gründungszuschuss nach § 93 SGB III oder eine entsprechende Leistung nach § 16b SGB II beziehen, geltend macht, weil für sie der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße gelte, ohne dass deren Vermögen berücksichtigt werde, fehlt es ebenfalls an ausreichenden Darlegungen. Der Kläger hat schon nichts dazu vorgetragen, worauf er eine Vergleichbarkeit mit dieser (zumal nur für einen begrenzten Zeitraum existenten) Gruppe der freiwillig Versicherten stützt. Darüber hinaus hätte sich der Kläger mit der Rechtsprechung des BVerfG zum allgemeinen Gleichheitssatz näher auseinandersetzen müssen. So hat das BVerfG die für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige geltende besondere personenbezogene Mindestbemessungsgrundlage (mit der Folge eines höheren Mindestbeitrags für diese Versichertengruppe) als mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar angesehen und eine sachliche Rechtfertigung damit begründet, dass die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Einnahmen Selbstständiger auf einer wesentlich anderen, für die Versicherten grundsätzlich günstigeren Bemessungsgrundlage berechnet werden als die Beiträge der sonstigen freiwilligen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl BVerfGE 103, 392, 398 f = SozR 3-2500 § 240 Nr 39 S 194). Hinzu kommt, dass die vom Kläger als verfassungswidrig gerügten Regelungen des § 240 Abs 4 S 3 und 4 SGB V zur Vermeidung sozialer Härten eingeführt wurden, wobei sichergestellt werden sollte, dass nur "bedürftige" Selbstständige von einer geringeren Beitragsbemessungsgrundlage profitieren (vgl die vom Kläger zitierte Gesetzesbegründung in BT-Drucks 16/3100 S 164 Zu Buchst c). Auch dazu hat der Kläger nicht näher vorgetragen.

112. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

123. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Fundstelle(n):
PAAAF-74440