Instanzenzug: S 1 KR 410/13
Gründe:
I
1Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger leidet an einem Prostatakarzinom. Die Beklagte lehnte die Übernahme der Kosten einer Galvanotherapie sowie einer Hyperthermiebehandlung ab. Während das SG seinem Begehren auf Erstattung bzw Freistellung von den Kosten der durchgeführten Galvanotherapie sowie der Hyperthermiebehandlung sowie zukünftiger Übernahme der Behandlungskosten hierfür stattgegeben hat, hat das LSG die Klage abgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, dass es für beide Behandlungsmaßnahmen an einer nach § 135 Abs 1 S 1 SGB V erforderlichen befürwortenden Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) fehle. Die Hyperthermiebehandlung habe der GBA sogar in der Richtlinie zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinie) als nicht anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aufgenommen. Die Voraussetzungen für eine grundrechtsorientierte Auslegung nach dem ) bzw des mit Wirkung zum 1.1.2012 eingeführten § 2 Abs 1a S 1 SGB V lägen nicht vor. Biete die Schulmedizin - wie hier - nur noch palliative Therapien an, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachte, komme die Alternativbehandlung nur dann in Betracht, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg bestehe. Ein kuratives Behandlungsziel werde jedoch vorliegend weder mit der Galvanotherapie noch mit der Hyperthermie verfolgt (Urteil vom 21.10.2015).
2Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
3Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 Abs 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
41. Wer sich - wie hier der Kläger - auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB - Juris RdNr 6) und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht ( - Juris RdNr 9). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN). Dabei ist der jeweils aktuelle Stand der bundes- bzw bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde maßgebend (BSG SozR 1500 § 160 Nr 61; BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
5Soweit der Kläger eine Abweichung zum sog Nikolausbeschluss des BVerfG (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) und zur Entscheidung des 6. BSG-Senats vom 13.10.2010 (SozR 4-2500 § 106 Nr 30) geltend macht, bezeichnet er bereits nicht schlüssig voneinander abweichende abstrakte Rechtssätze des BVerfG bzw BSG und des LSG. Alle drei Entscheidungen gehen davon aus, dass die Grundsätze über die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts im insoweit vom Kläger nicht vollständig wiedergegeben - erst eingreifen, wenn "schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen" (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33) bzw "eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht" (Leitsatz zu BVerfGE 115, 25; sowie der vom Kläger zitierte Rechtssatz in BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 29 und 34). Der Kläger legt nicht dar, dass nach den von ihm bezeichneten Rechtssätzen in den Entscheidungen des BVerfG und des BSG - anders als das LSG meint - solche (schulmedizinischen) Behandlungsmethoden schon dann nicht zur Verfügung stehen, wenn für das (noch) angestrebte palliative Behandlungsziel zwar eine ausreichende Standardtherapie zur Verfügung steht, für das weitergehende nicht (mehr) verfolgte kurative Behandlungsziel hingegen nicht. Hierzu bestand aber schon deshalb Anlass, weil das LSG seine Entscheidung - wie der Kläger selbst darlegt - ausdrücklich auf die nach dem sog Nikolausbeschluss und nach der Entscheidung des ergangene Entscheidung des [Kammer] 1 BvR 2045/12 - NZS 2013, 500) gestützt hat, wonach in Fallgestaltungen, in denen die Schulmedizin nur noch palliative Therapien anbietet, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet, die Alternativbehandlung nur dann in Betracht kommt, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg besteht. Gerade einen solchen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg hat das LSG aber verneint. Der Kläger trägt in diesem Zusammenhang lediglich vor, der Entscheidung des könne nicht entnommen werden, dass ein über die Standardtherapie hinausreichender Erfolg nur in den Fällen vorliege, in denen bei der Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung bestehe. Dass das LSG diesen Schluss aus der Entscheidung des zieht, ist aber nicht erkennbar und wird auch nicht nachvollziehbar aufgezeigt.
6Soweit es schließlich die Hyperthermiebehandlung betrifft, hätte sich der Kläger zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit auch mit der Aufnahme der Hyperthermiebehandlung als nicht anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethode in die BUB-Richtlinie auseinandersetzen und begründen müssen, weshalb dennoch ein Sachleistungs-, Freistellungs- oder Erstattungsanspruch für diese Behandlung in Betracht kommt.
72. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
83. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstelle(n):
SAAAF-73441