BAG Urteil v. - 10 AZR 792/14

Vergütung von Bereitschaftsdienst - ständige Wechselschichtarbeit - Nachtarbeitszuschlag

Gesetze: § 46 Nr 11 Abs 3 S 2 Buchst a TVöD BT-V, § 46 Nr 12 Abs 6 TVöD BT-V, § 8 Abs 5 S 1 TVöD, § 7 Abs 1 TVöD, § 6 Abs 5 ArbZG

Instanzenzug: Az: 5 Ca 1852 c/13 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Az: 2 Sa 135/14 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger ist bei der Beklagten als ziviler Angestellter im Bereich der Bundeswehr auf dem Trossschiff „F“ beschäftigt, das vom bis zum für Wartungsarbeiten in einer Werft in W lag. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung.

2Während der Werftliegezeit der „F“ arbeitete der Kläger im sog. Hafendienst und wurde zu Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten sowie zu militärischen und nautischen Sicherheitsdiensten eingesetzt. Im streitgegenständlichen Zeitraum vom bis zum richtete sich der Hafendienst nach einem Dienstplan, der die Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden auf die vier Tage von Montag bis Donnerstag vorsah, und den folgenden Hinweis enthielt:

3Neben dem Hafendienst fand an allen sieben Tagen der Woche rund um die Uhr der sog. Hafenwachdienst zur Gewährleistung der militärischen und nautischen Sicherheit der „F“ statt. Das diesbezüglich von der Beklagten angeordnete Wachschema sah von montags bis donnerstags täglich drei im aktiven Dienst zu leistende Wachschichten vor. Wachschicht 1 dauerte von 00:00 Uhr bis 10:00 Uhr, Wachschicht 3 von 14:00 Uhr bis 24:00 Uhr. Zur Wachschicht 2 (10:00 Uhr bis 14:00 Uhr) war in der Anordnung vermerkt, sie werde komplett „aus dem Tagesdienst abgedeckt“. Von freitags bis sonntags sowie an gesetzlichen Feiertagen waren je zwei zwölfstündige Hafenwachschichten von 00:00 Uhr bis 12:00 Uhr und von 12:00 Uhr bis 24:00 Uhr vorgesehen, für die jeweils drei Wachgänger eingeteilt waren, die acht Stunden aktiven Dienst (inklusive Gangwaypostenzeit) und vier Stunden am Stück inaktiven Dienst (Bereitschaft) zu leisten hatten. Während des Bereitschaftsdienstes musste sich der Wachgänger an Bord aufhalten. Der Dienstplan sah vor, dass jeweils zwei Wachgänger aktiven Dienst leisteten, wenn der dritte im Bereitschaftsdienst war. In der Zeit vom 1. Juni bis zum galt ein davon geringfügig abweichendes Wachschema.

4Im gesamten Zeitraum vom bis zum wurde der Kläger zusätzlich zum Hafendienst in unterschiedlicher Häufigkeit auch zu den drei Hafenwachschichten herangezogen.

5Die für die Besatzungen von Binnen- und Seefahrzeugen und von schwimmenden Geräten im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung maßgeblichen Regelungen in § 46 TVöD-BT-V (Bund) lauten auszugsweise:

6Mit mehreren Schreiben vom beantragte der Kläger rückwirkend ab dem unter anderem die Bezahlung „der geforderten regelmäßigen Arbeitszeit“, von Bereitschaftsstunden, einer „Schichtzulage … laut TVöD § 8“ sowie von Überstunden- und Nachtzuschlägen. Mit weiteren Schreiben vom und vom wiederholte er seine Forderungen und erweiterte sie für den Zeitraum vom 1. April bis zum .

7Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - gemeint, für 172 Stunden Bereitschaftsdienst, die er im Zeitraum vom bis zum - unstreitig - im Rahmen von 43 näher bezeichneten zwölfstündigen Hafenwachschichten geleistet habe, stehe ihm das Entgelt für insgesamt 114,67 Stunden in - rechnerisch unbestrittener - Höhe von 1.789,68 Euro zu. Der Bereitschaftsdienst sei gemäß § 46 Nr. 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b Satz 2 iVm. Nr. 2 Buchst. a TVöD-BT-V im Verhältnis von 1,5 : 1 faktorisiert als Arbeitszeit zu bezahlen; hinzu kämen nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVöD-AT auch Überstundenzuschläge in - rechnerisch unumstrittener - Höhe von insgesamt 485,27 Euro. Da er in dem 15 Kalendermonate umfassenden Streitzeitraum ständig Wechselschicht geleistet habe, stehe ihm nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-AT eine monatliche Wechselschichtzulage in Höhe von insgesamt 1.575,00 Euro zu. Darüber hinaus habe er Anspruch auf Ausgleich für insgesamt 210 im Streitzeitraum geleistete Nachtarbeitsstunden.

8Der Kläger hat zuletzt beantragt,

9Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und gemeint, Bereitschaftsdienststunden während eines Anwesenheitswachdienstes iSv. § 46 Nr. 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 TVöD-BT-V seien nicht gesondert zu vergüten, weshalb auch keine Überstundenzuschläge nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVöD-AT zu zahlen seien. Wechselschichtzulagen nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-AT stünden dem Kläger nicht zu, da er mehrheitlich innerhalb seiner regulären Arbeitszeit eingesetzt gewesen sei und nicht „rund um die Uhr“ in Wechselschicht gearbeitet habe. Im Übrigen seien die Zahlungsansprüche größtenteils gemäß § 37 TVöD-AT verfallen, weil sie erst mit der Klageschrift vom geltend gemacht worden seien. Die Schreiben des Klägers vom genügten nicht den Anforderungen an eine Geltendmachung.

10Das Arbeitsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen aus § 6 Abs. 5 ArbZG zur Zahlung von 739,70 Euro brutto verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klage auf die Berufung der Beklagten unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils auch im Übrigen abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche in geringfügig vermindertem Umfang weiter.

Gründe

11Die Revision ist zum Teil begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Unrecht in vollem Umfang zurückgewiesen. Die Klage ist zum Teil begründet. Der Kläger hat nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-AT Anspruch auf Wechselschichtzulagen für ständige Wechselschichtarbeit für den 15 Kalendermonate umfassenden Streitzeitraum vom bis zum in Höhe von insgesamt 1.575,00 Euro brutto nebst Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

12I. Die Beklagte ist nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-AT verpflichtet, an den Kläger für ständige Wechselschichtarbeit in dem Zeitraum vom bis zum eine monatliche Wechselschichtzulage in Höhe von 105,00 Euro, dh. insgesamt 1.575,00 Euro brutto zu zahlen.

131. Der TVöD findet kraft beiderseitiger Tarifbindung auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung.

142. Nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-AT erhalten Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, eine Wechselschichtzulage von 105,00 Euro monatlich. Die für die im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung beschäftigten Besatzungen von Binnen- und Seefahrzeugen und schwimmenden Geräten maßgeblichen Sonderregelungen in § 46 Nr. 12 TVöD-BT-V lassen diese Regelung unberührt.

153. Der Kläger hat in dem 15 Kalendermonate umfassenden streitgegenständlichen Zeitraum vom bis zum ständig Wechselschichtarbeit im Tarifsinn geleistet.

16a) Ständige Wechselschichtarbeit iSv. § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-AT setzt nach der in § 7 Abs. 1 TVöD-AT enthaltenen Definition voraus, dass in dem Arbeitsbereich, in dem der Beschäftigte tätig ist, nach einem Schichtplan an allen Kalendertagen ununterbrochen „rund um die Uhr“ 24 Stunden gearbeitet wird. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn beispielsweise an Sonn- und Feiertagen in aller Regel keine Schichtarbeit anfällt oder die tägliche Arbeit im Betrieb, sei es auch nur in geringfügiger Form, unterbrochen wird. Unerheblich ist, in wie viele Schichten der 24-Stunden-Tag aufgeteilt wird oder ob in allen Schichten der Arbeitsanfall gleich groß ist und deshalb in jeder Schicht die gleiche Anzahl von Arbeitnehmern arbeitet. Die Arbeit muss nach einem Dienst- oder Schichtplan erfolgen, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten im genannten Sinn vorsieht. Der Beschäftigte muss zur Arbeit in allen Schichtarten eingesetzt und durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden ( - Rn. 13 f. mwN, BAGE 142, 55). Dabei kann regelmäßig auf einen Zeitraum von zwölf Kalendermonaten abgestellt werden, solange sich nicht aus betrieblichen Regelungen Anhaltspunkte für einen anderen Zeitraum ergeben ( - Rn. 52). Ständig iSv. § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-AT ist die Wechselschichtarbeit, wenn dem Beschäftigten diese Art von Tätigkeit kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung oder kraft Direktionsrechts dauerhaft und nicht lediglich vertretungsweise zugewiesen ist ( - Rn. 17 mwN, aaO).

17b) Nach diesen Maßgaben wurde im Arbeitsbereich des Klägers im Streitzeitraum ständig Wechselschichtarbeit iSv. § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-AT geleistet.

18aa) Arbeitsbereich des Klägers war im streitgegenständlichen Zeitraum das Trossschiff „F“. Auf diesem hat der Kläger während der Werftliegezeit sowohl Hafendienst als auch Hafenwachdienst nach einem Schichtplan iSd. § 7 Abs. 1 TVöD-AT geleistet. Aus dem Hinweis im Dienstplan für den Hafendienst über die Zulässigkeit der Heranziehung zur Arbeit am Freitag, Samstag und Sonntag, aus der Anordnung im Wachschema zur Abdeckung der „Wachschicht 2“ und aus dem Umstand, dass der Hafendienst sich ebenso wie der Hafenwachdienst auf den gesamten Bordbereich der „F“ bezogen hat, ergibt sich, dass der Hafendienst und der Hafenwachdienst im Streitzeitraum weder räumlich noch funktional noch personell in verschiedene Arbeitsbereiche aufgeteilt waren.

19bb) Die Bewachung der „F“ fiel über einen erheblich längeren Zeitraum als die Arbeitszeit der einzelnen Beschäftigten hinaus an und wurde daher von mehreren Beschäftigten in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge, teilweise auch außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit, erbracht. Es arbeiteten nicht sämtliche Beschäftigten zur gleichen Zeit, sondern ein Teil arbeitete, während der andere Teil arbeitsfreie Zeit hatte.

20cc) Die Arbeit erfolgte nach einem Schichtplan iSd. § 7 Abs. 1 TVöD-AT. Danach galten der Dienstplan für den Hafendienst und das Wachschema für den Hafenwachdienst, die funktional und personell aufeinander abgestimmt waren und sich insoweit ergänzten, als die „Wachschicht 2“ von montags bis donnerstags komplett durch den Hafendienst abgedeckt wurde. Die Verkörperung in einem gemeinsamen „Schichtplan“ war nicht erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Senats ist insoweit entscheidend, ob nach der beim Arbeitgeber geltenden Organisation die Arbeit nur in einer die Arbeitszeit des Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmergruppe übersteigenden Zeit erfüllt werden kann und die Arbeitsaufgabe eine Regelung erforderlich macht, nach der die Arbeitnehmer in wechselnden Arbeitsschichten eingesetzt werden (vgl.  - Rn. 16 mwN). Dies war in Bezug auf die Bewachung der „F“ im gesamten Streitzeitraum der Fall.

21dd) Auf der „F“ wurde im Streitzeitraum in wechselnden Arbeitsschichten ununterbrochen „rund um die Uhr“ iSd. § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD-AT Volldienst geleistet. Im Zeitraum vom bis zum war nach dem Wachschema für den Hafenwachdienst, der sich teilweise mit dem Dienstplan für den Hafendienst überlappte, keine Wechselschichtarbeit ausschließende Unterbrechung durch einen im Dienstplan ausgewiesenen Bereitschaftsdienst vorgesehen. Auch in der Zeit danach war auf dem Trossschiff „F“ zu keinem Zeitpunkt einheitlich für alle Beschäftigten Bereitschaftsdienst angewiesen (zu einem derartigen Fall vgl.  - Rn. 18).

22ee) Nach den von ihm vorgelegten Einsatzplänen hat der Kläger im Streitzeitraum alle geforderten Schichtarten „rund um die Uhr“ tatsächlich erbracht. Bereits aus dem Hinweis im Dienstplan für den Hafendienst über die Zulässigkeit der Heranziehung zur Arbeit am Freitag, Samstag und Sonntag ergibt sich, dass ihm während der Werftliegezeit der „F“ auch die Arbeit im Hafenwachdienst dauerhaft und nicht nur vertretungsweise zugewiesen war. Dass der Kläger nicht ausschließlich zum Hafenwachdienst eingesetzt wurde, sondern vorrangig Hafendienst geleistet hat, ist unerheblich. Ein auch nur annähernd gleichmäßiger Einsatz in den verschiedenen, grundsätzlich „rund um die Uhr“ im monatlichen Wechsel stattfindenden Arbeitsschichten ist nach § 7 Abs. 1 TVöD-AT nicht erforderlich. Ebenso wenig muss die Wechselschichtarbeit durchgängig einen Monat geleistet werden ( - Rn. 27, BAGE 142, 55).

23ff) Der Kläger wurde im Streitzeitraum in allen Schichtarten im Wechsel eingesetzt. Dabei wurde er in jedem der 15 Kalendermonate von Juni 2012 bis August 2013 mehrmals zu Schichten herangezogen, die mindestens zwei Stunden Nachtarbeit umfassten (§ 7 Abs. 1 Satz 3 TVöD-AT). Da lediglich zwischen den Einsätzen am und am sowie am und am mehr als ein Monat lag, während die Abstände zwischen allen übrigen Einsätzen zwischen einem und maximal 27 Tagen betrugen, wurde er im Streitzeitraum durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT; vgl. dazu  - Rn. 50 ff.).

244. Der Kläger hat die Zahlungsansprüche rechtzeitig iSd. § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT geltend gemacht.

25a) Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen setzt im Regelfall voraus, dass der Anspruchsinhaber die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs auffordert. Er muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Dabei ist der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich zu bezeichnen und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich zu machen; die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen zu erkennen sein, während eine Bezifferung nicht stets erforderlich ist ( - Rn. 24 mwN). Ist der Anspruch in diesem Sinne wirksam geltend gemacht, bedarf es gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 TVöD-AT für später fällig werdende Leistungen keiner erneuten Geltendmachung, sofern ihnen derselbe Sachverhalt zugrunde liegt. Ein solcher liegt vor, wenn bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage aus einem bestimmten Tatbestand Ansprüche herzuleiten sind (vgl.  - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 210).

26b) Diesen Voraussetzungen genügten die Schreiben des Klägers an die Beklagte vom . Darin hat er rückwirkend ab unter anderem die Bezahlung einer „Schichtzulage … laut TVöD § 8“ begehrt. Das Antwortschreiben der Beklagten vom belegt, dass sie dieses Schreiben zur Kenntnis genommen und das Begehren des Klägers auch inhaltlich verstanden hat. Da der Beschäftigungsdienststelle alle Beschäftigungsnachweise vorlagen, konnte die Beklagte den Umfang der geltend gemachten Ansprüche und ihre Berechtigung überprüfen. Aufgrund ihrer besonderen Sachkenntnis war sie dazu aufgrund der ihr vorliegenden Unterlagen sogar besser in der Lage als der Kläger selbst (vgl.  - Rn. 59). Bis zum war für keine der bis dahin fällig gewordenen monatlichen Wechselschichtzulagen die sechsmonatige Ausschlussfrist abgelaufen.

275. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 291 BGB.

28II. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

291. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 1.789,68 Euro brutto als Vergütung für insgesamt 114,67 faktorisierte Stunden Bereitschaftsdienst, die er während der zwölfstündigen Wachschichten im Zeitraum vom bis zum geleistet hat. Er hat in dieser Zeit Anwesenheitswachdienste geleistet, für die er nach § 46 Nr. 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a TVöD-BT-V für je eineinhalb Wachstunden das Entgelt für eine Arbeitsstunde erhalten hat.

30a) Ausgehend von dem Grundverständnis der Regelungen in § 46 Nr. 11 Abs. 3 TVöD-BT-V zur Vergütung von Wachdiensten ist ein während einer zwölfstündigen Wachschicht geleisteter Anwesenheitswachdienst, der aus acht Stunden aktivem und vier Stunden inaktivem Dienst (Bereitschaft) besteht, gemäß § 46 Nr. 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a TVöD-BT-V einheitlich zu faktorisieren und wie acht Arbeitsstunden zu vergüten ( - Rn. 14). Eine Aufspaltung der Vergütung nach unterschiedlichen Faktorisierungsstufen scheidet aus ( - Rn. 11). Der Bereitschaftsdienst ist notwendiger Teil aller Formen des Wachdienstes, deren Entgelt nach § 46 Nr. 11 Abs. 3 Satz 2 TVöD-BT-V zu bemessen ist ( - Rn. 15).

31b) Bei den vom Kläger geleisteten zwölfstündigen Wachdiensten handelte es sich um Anwesenheitswachdienste iSv. § 46 Nr. 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 TVöD-BT-V. Er hat weder Wachdienste iSv. § 46 Nr. 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a TVöD-BT-V noch Wachdienste ausschließlich im Freien (§ 46 Nr. 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b Alt. 1 TVöD-BT-V) geleistet. Ebenso wenig hat der Kläger Wachdienste iSv. § 46 Nr. 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b Alt. 2 TVöD-BT-V absolviert. Es bestand nicht während des gesamten Wachdienstes eine Bindung an einen vorgeschriebenen Platz, weil der Kläger im aktiven Dienst unstreitig jeweils vier Stunden Stellingwache und vier Stunden Raumkontrollen zu leisten hatte.

322. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Zeitzuschlägen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Buchst. a TVöD-AT in Höhe von 485,27 Euro brutto für die von ihm geleisteten Bereitschaftsdienststunden. Es handelte sich dabei nicht um Überstunden iSd. § 7 Abs. 7 TVöD-AT, weil er während des Bereitschaftsdienstes keine „tatsächliche Arbeitsleistung“ iSv. § 8 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT erbracht hat (vgl.  - Rn. 55 [zu § 11 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TV-Ärzte/VKA]).

333. Der Kläger kann auch nicht aus § 6 Abs. 5 ArbZG die Zahlung eines Zuschlags in Höhe von insgesamt 608,40 Euro brutto als Ausgleich für während der Nachtzeit geleistete Arbeitsstunden verlangen. Dies hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht erkannt.

34a) Nach § 6 Abs. 5 ArbZG, auf den der Kläger den geltend gemachten Anspruch im Revisionsverfahren ausschließlich stützt, hat der Arbeitgeber, soweit eine tarifliche Ausgleichsregelung nicht besteht, dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. In Bezug auf den gesetzlichen Ausgleichsanspruch des § 6 Abs. 5 ArbZG kann der Arbeitgeber frei wählen, ob er ihn durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beidem erfüllt. Die gesetzlich begründete Wahlschuld (§ 262 BGB) konkretisiert sich auf eine der geschuldeten Leistungen erst dann, wenn der Schuldner das ihm zustehende Wahlrecht nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ausübt ( - Rn. 15).

35b) Ob § 46 Nr. 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 TVöD-BT-V, wie es das Landesarbeitsgerichts angenommen hat, als „Gesamtpaket“ stillschweigend zugleich eine Ausgleichsregelung für Nachtarbeit enthält (dazu  - Rn. 18), kann vorliegend ebenso dahinstehen wie die Frage, ob es - wie die Revision meint - zu Unrecht die Nachtarbeitnehmereigenschaft des Klägers verneint hat. Der Kläger kann jedenfalls aus § 6 Abs. 5 ArbZG keinen Anspruch auf Ausgleich der Nachtarbeit durch Zahlung eines Zuschlags gegen die Beklagte herleiten, weil diese bislang keine dementsprechende Wahl getroffen hat. Mit der Zahlung von Zeitzuschlägen für Nachtarbeit nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD-AT in den Fällen, in denen dies nicht nach § 46 Nr. 12 Abs. 6 TVöD-BT-V ausgeschlossen war, hat die Beklagte das ihr nach § 6 Abs. 5 ArbZG zustehende Wahlrecht nicht ausgeübt, sondern lediglich eine tarifvertraglich bestehende Verpflichtung erfüllt. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbesteht, kann die Beklagte den Kläger zum Ausgleich der Nachtarbeit weiterhin bezahlt von der Arbeitspflicht freistellen (vgl.  - Rn. 18). Der Kläger hätte deshalb eine Alternativklage erheben müssen (st. Rspr., vgl.  - Rn. 31 mwN).

36III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:130116.U.10AZR792.14.0

Fundstelle(n):
BB 2016 S. 1075 Nr. 18
BAAAF-71416