Instanzenzug: S 81 KR 2039/11
Gründe:
I
1Der klagende Apotheker begehrt von der beklagten Krankenkasse Zahlung in Höhe von 6501,80 Euro als Guthaben aus der Übererfüllung der Reimportquote nach dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs 2 SGB V.
2Der Kläger war als Inhaber einer Apotheke in B 2003 dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs 2 SGB V beigetreten und veräußerte seine Apotheke zum . Zu diesem Zeitpunkt bestand zu seinen Gunsten eine noch nicht verrechnete Gutschrift nach § 5 Abs 4 Satz 3 des Rahmenvertrages in Höhe der streitigen Forderung wegen Überschreitens der vereinbarten Wirtschaftlichkeitsreserve. Diese Gutschrift hat der Kläger nicht mit Kaufvertrag auf den Käufer der Apotheke übertragen.
3Die Beklagte lehnte die Auszahlung dieses Betrages ab, woraufhin der Kläger am Zahlungsklage erhoben hat, die in beiden Instanzen erfolglos geblieben ist ( ). Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine Rechtsgrundlage für das klägerische Zahlungsbegehren sei nicht ersichtlich und liege insbesondere nicht in § 5 des Rahmenvertrages nach § 129 Abs 2 SGB V idF vom . Der Wortlaut der Vertragsbestimmung sei insoweit eindeutig und finde seine Bestätigung im gesetzlichen Hintergrund des Rahmenvertrages. Die "Gutschrift" im Sinne von § 5 Abs 4 des Rahmenvertrages bezwecke zugunsten des Apothekers ausschließlich, einen etwaigen Kürzungsbetrag im folgenden Abrechnungszeitraum zu mindern. Es entstehe indes kein auszahlungsfähiges Guthaben. Vor diesem Hintergrund könne eine ergänzende Vertragsauslegung oder Analogiebildung nicht vorgenommen werden, denn der Auslegung von Vertragswerken, die auf dem SGB V basierten, seien enge Grenzen gesetzt. So entspreche es etwa ständiger Rechtsprechung zur Auslegung von Leistungsbestimmungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) nach § 87 Abs 1 SGB V, dass in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich sei. Die hierfür gegebene Begründung, dass das Vertragswerk als abschließende Regelung dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen der Vertragspartner diene, und es vor allem deren Aufgabe sei, Unklarheiten zu beseitigen, übertrage der Senat auf den vorliegenden Rahmenvertrag. Sein klarer Wortlaut sei keiner ergänzenden Auslegung zugänglich.
4Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend.
II
5Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unbegründet, weil der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
6Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 6 ff mwN).
7Der Kläger hat folgende Rechtsfragen formuliert:
"1. Sind die Grundsätze des Bundessozialgerichtes zur Auslegung von Leistungsbestimmungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) auf den Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V i.d.F. vom übertragbar?
2. Ist § 5 Abs. 4 des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V i.d.F. vom im Wege der Vertragsauslegung dahingehend zu ergänzen, dass bei Schließung einer Apotheke die Gutschriften aus dem Übertreffen der nach § 5 Abs. 3 Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V i.d.F. vom vereinbarten Wirtschaftlichkeitsreserve an den Apotheker auszuzahlen ist?"
8Die zweite Frage kann bei wörtlicher Heranziehung schon deshalb nicht entscheidungserheblich sein, weil der Kläger seine Apotheke nicht geschlossen sondern veräußert hat. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass die Apotheke unmittelbar nach der Veräußerung geschlossen werden sollte.
9Unabhängig davon wären beide Fragen im vorliegenden Rechtsstreit allenfalls dann klärungsbedürftig und klärungsfähig, wenn der Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB V im Hinblick auf eine auszahlungsfähige Gutschrift aus dem Übertreffen der Wirtschaftlichkeitsreserve im Falle des Verkaufs der Apotheke lückenhaft wäre und einer ergänzenden Auslegung bedürfte. Das Berufungsgericht ist diesbezüglich jedoch davon ausgegangen, dass der Wortlaut der Vertragsbestimmungen eindeutig und schon deshalb keiner ergänzenden Auslegung zugänglich sei. Schließlich finde der Wortlaut im gesetzlichen Hintergrund des Rahmenvertrages seine Bestätigung. Es hat hierzu insbesondere den Wortlaut des Rahmenvertrages und das gesetzgeberische Interesse an der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung ausführlich dargelegt. Eine (Norm-)vertragliche Regelungslücke liegt danach nicht vor.
10Der Kläger konnte eine solche Lücke auch nicht aufzeigen. Angesichts des klaren Wortlauts des Rahmenvertrages ist für eine ergänzende Vertragsauslegung im Sinne des Klägers kein Raum. Die Partner des Rahmenvertrages haben den Fall der Schließung und Veräußerung einer Apotheke in § 5 Abs 4 Satz 2 des Rahmenvertrages ausdrücklich geregelt. Danach vermindert sich die Rechnungsforderung des Apothekers für den letzten Abrechnungsmonat um die Differenz zwischen der vereinbarten und der tatsächlich erzielten Wirtschaftlichkeitsreserve, wenn die vereinbarte Wirtschaftlichkeitsreserve durch Abgabe importierter Arzneimittel nicht erreicht wird. Die folgenden Regelungen zur Gutschrift bei Übertreffen der vereinbarten Wirtschaftlichkeitsreserve sind ausschließlich als Anrechnungspositionen formuliert. Dementsprechend werden auf diese Gutschriften im laufenden Betrieb keine Auszahlungen vorgenommen, auch wenn absehbar ist, dass die vereinbarte Wirtschaftlichkeitsreserve laufend übertroffen wird und daher lediglich Gutschriften und keine Kürzungsbeträge entstehen. Auf die Frage, ob die Grundsätze des BSG zur Auslegung von Leistungsbestimmungen des EBM auf den vorliegenden Rahmenvertrag übertragbar sind, kommt es deshalb nicht entscheidend an. Denn für die klägerische Auffassung, im Falle der Veräußerung oder Schließung einer Apotheke seien noch vorhandene Gutschriften zur Auszahlung zu bringen, findet sich im Rahmenvertrag auch unter Berücksichtigung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften kein Anhaltspunkt.
11Dies gilt unabhängig davon, ob bei einer Veräußerung der Apotheke ein Guthaben aus dem Übertreffen der Wirtschaftlichkeitsreserve auf den Erwerber der Apotheke übertragen werden kann oder nicht. Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob rechtlich die Möglichkeit einer solchen - von der Beklagten ins Auge gefassten - Übertragung gegeben ist. Denn jedenfalls lassen die rahmenvertraglichen Regelungen keinen Raum für eine Auslegung im klägerischen Sinne. Die Auszahlung aufgelaufener Gutschriften ist auch dann nicht vorgesehen, wenn hierfür keine anderweitigen Möglichkeiten der Kapitalisierung existieren. Dies zeigt der Fall der Schließung der Apotheke, die ebenfalls zum ersatzlosen Wegfall der Gutschrift führt. Vor dem Hintergrund, dass der Apotheker auch für die preisgünstigen importierten Arzneimittel die volle Vergütung erhalten hat und er nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 Abs 1 SGB V ohnehin zu einer wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten verpflichtet ist, besteht unter keinem Gesichtspunkt Anlass für eine ergänzende Vertragsauslegung. Deshalb kann es auf die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen nach der Übertragbarkeit der Grundsätze des BSG zur Auslegung von Leistungsbestimmungen des EBM auf den vorliegenden Rahmenvertrag und danach, ob der Rahmenvertrag im Sinne des Klägers zu ergänzen sei, nicht ankommen.
12Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 47 Abs 3, § 52 Abs 1 und 3 GKG.
Fundstelle(n):
GAAAF-71021