BMF - IV B 5 - S 1341/12/10001-03 BStBl 2017 I S. 182

Grundsätze für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte und auf die Ermittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes und der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung – VWG BsGa)

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Prüfung der Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte und für die Prüfung der Ermittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens Folgendes:

1. Allgemeines

1.1 Regelungsziel

1 § 1 Absatz 5 AStG und die BsGaV setzen den Inhalt des OECD-Betriebsstättenberichts in innerstaatliches Recht um. Der OECD-Betriebsstättenbericht beruht auf den international entwickelten Grundsätzen (Authorised OECD Approach – AOA) zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die grenzüberschreitende Ermittlung der Einkünfte einer Betriebsstätte, wenn die Betriebsstätte eines Unternehmens ihre Geschäftstätigkeit in einem anderen Staat ausübt als dem, in dem das Unternehmen ansässig ist. Nach dem AOA sind einer Betriebsstätte die Gewinne (dies schließt begrifflich Verluste mit ein) zuzurechnen, die sie – insbesondere in ihren wirtschaftlichen Beziehungen (sog. Dealings) mit dem übrigen Unternehmen – erzielen würde, wenn sie ein selbständiges und unabhängiges Unternehmen wäre (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 8). Der Begriff „übriges Unternehmen“ bezeichnet alle Teile des Unternehmens mit Ausnahme der betreffenden Betriebsstätte.

2 Die Besteuerung grenzüberschreitender Geschäftsvorfälle (§ 1 Absatz 4 AStG) zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen erfolgt nach den gleichen Grundsätzen wie die Besteuerung entsprechender Geschäftsvorfälle zwischen nahe stehenden Personen (siehe insbesondere § 1 Absatz 1 und 3 AStG). Damit wird eine Betriebsstätte für die Gewinnaufteilung im Verhältnis zu dem Unternehmen, zu dem sie gehört, weitgehend einem diesem nahe stehenden Unternehmen gleich gestellt. Zu diesem Zweck ist es erforderlich zu entscheiden, welche Funktionen, Vermögenswerte, Chancen und Risiken des Unternehmens der Betriebsstätte zuzuordnen sind und welcher Anteil des Eigenkapitals des Unternehmens (Dotationskapital) der Betriebsstätte zuzuordnen ist (§ 1 Absatz 5 Satz 3 AStG und §§ 4 bis 15 BsGaV). Zu den zuzuordnenden Chancen und Risiken gehören ggf. auch bestimmte Geschäftsvorfälle des Unternehmens (§ 9 BsGaV).

3 Zur weitgehenden Annäherung der steuerlichen Behandlung von Betriebsstätten im Verhältnis zu nahe stehenden Personen gehört darüber hinaus auch, dass zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen Geschäftsvorfälle (§ 1 Absatz 4 Satz 1 AStG) stattfinden können, die dazu führen, Vertragsbeziehungen jeder Art zu fingieren (anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen i. S. d. § 1 Absatz 4 und 5 AStG, § 16 BsGaV, siehe Rn. 164 ff.), die auch zwischen nahe stehenden Unternehmen denkbar sind. Der Unterschied zwischen dem Betriebsstättenfall und dem Fall nahe stehender Personen besteht darin, dass zwischen nahe stehenden Personen im Regelfall ein gültiger zivilrechtlicher Vertrag vorliegt, während im Betriebsstättenfall ein solcher Vertrag nicht mit zivilrechtlicher Wirkung abgeschlossen werden kann, so dass in diesem Fall auf einen wirtschaftlichen Vorgang abgestellt werden muss, der dann eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung auslöst.

4 Die konkrete Qualifikation der anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung (z. B. fiktiver Kauf-, Dienstleistungs- oder Nutzungsüberlassungsvertrag) hängt von der durchzuführenden Funktions- und Risikoanalyse des wirtschaftlichen Vorgangs im Verhältnis der Betriebsstätte zum übrigen Unternehmen ab, die von den jeweils ausgeübten Personalfunktionen ausgeht. Die Qualifikation der anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung erfolgt unabhängig davon, ob im Einzelfall entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz der Verrechnungspreis für die anzunehmende schuldrechtliche Beziehung (§ 16 BsGaV) zu korrigieren ist.

5 Weil grundsätzlich alle Arten von Vertragsbeziehungen fingiert werden können (siehe aber einschränkend Rn. 174 f. zu fiktiven Darlehen), sind für Betriebsstätten auch Verrechnungssysteme anzuerkennen, die auf vergleichbaren Grundsätzen beruhen wie Kostenumlagen (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 211 ff.), wenn in der Sache die Voraussetzungen dafür vorliegen (siehe VWG Umlageverträge; anstelle der dort geforderten schriftlichen Verträge reichen klare unternehmensinterne Aufzeichnungen [siehe Rn. 63] und die entsprechende Durchführung in der Hilfs- und Nebenrechnung aus).

6 Trotz der weitgehenden Annäherung von Betriebsstätten (Artikel 7 OECD-MA, § 1 Absatz 5 AStG) und verbundenen Unternehmen bzw. nahe stehenden Personen (Artikel 9 OECD-MA, § 1 Absatz 1 AStG) bei der Gewinnaufteilung bzw. Gewinnermittlung verbleiben Unterschiede, die darauf beruhen, dass eine Betriebsstätte zivilrechtlich unverändert ein untrennbarer Teil des Unternehmens ist, zu dem sie gehört. Diese Unterschiede erfordern es, die Betriebsstätte nicht völlig uneingeschränkt wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln, § 1 Absatz 5 Satz 2 letzter Halbsatz AStG. Die Unterschiede sind abschließend in der BsGaV geregelt. Wegen dieser Unterschiede sind für Betriebsstätten z. B.

  • die Zuordnungsregelungen der §§ 5 bis 11 BsGaV erforderlich, um der Betriebsstätte die Zuordnungsgegenstände – unabhängig von deren Erfassung als Bestandteile der Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 BsGaV) – zuordnen zu können,

  • die Bestandteile der Passivseite der Hilfs- und Nebenrechnung nach §§ 12 ff. BsGaV (insbesondere Dotationskapital) zu bestimmen und

  • die übrigen Passivposten ggf. nach § 14 Absatz 3 BsGaV indirekt zuzuordnen.

7 Eine Betriebsstätte teilt die Kreditwürdigkeit (sog. Rating) des Unternehmens, zu dem sie gehört (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 99). Demgegenüber kann für ein rechtlich selbständiges verbundenes Unternehmen bzw. nahe stehende Person nicht davon ausgegangen werden, dass in jedem Fall dieselbe Kreditwürdigkeit besteht wie für die betreffende Obergesellschaft oder die Unternehmensgruppe.

1.2 Regelungsrahmen

1.2.1 § 1 Absatz 5 AStG

8 Dieses BMF-Schreiben regelt die Grundsätze der Finanzverwaltung für die Prüfung der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Regelungsrahmen des § 1 Absatz 1 AStG in allen grenzüberschreitenden Fällen „einfacher Betriebsstätten“ (siehe Rn. 13), unabhängig davon, ob im jeweiligen Fall ein DBA anwendbar ist oder nicht (siehe aber § 1 Absatz 5 Satz 8 AStG, der ggf. die Anwendbarkeit von § 1 Absatz 5 Satz 1 bis 7 AStG in DBA-Fällen einschränkt, und Rn. 427 ff.). Grenzüberschreitend sind Betriebsstättensachverhalte (§ 1 Absatz 5 AStG), wenn

  • die Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte aufzuteilen sind (Betriebsstättengewinnaufteilung) oder

  • die Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens zu ermitteln sind (Betriebsstättengewinnermittlung).

In diesem BMF-Schreiben wird für beide Fälle aus Vereinfachungsgründen der Begriff „Betriebsstättengewinnermittlung” verwendet.

9 Besteht in Fällen ausländischer Betriebsstätten inländischer Unternehmen und in Fällen inländischer Betriebsstätten ausländischer Unternehmen zwar eine Betriebsstätte nach § 12 AO, aber nicht nach dem jeweils anzuwendenden DBA (entsprechend Artikel 5 OECD-MA, z. B. Einkaufsbüro, Auslieferungslager, Bauausführungen unterhalb der im DBA geregelten Frist), so sind § 1 Absatz 5 AStG, die BsGaV und die Vorschriften dieses BMF-Schreibens nicht anzuwenden, da mangels DBA-Betriebsstätte keine Betriebsstättengewinnermittlung durchzuführen ist.

10 § 1 Absatz 5 AStG und die BsGaV sind Einkünftekorrekturvorschriften (siehe § 1 Absatz 1 Satz 1 AStG, auf den § 1 Absatz 5 AStG Bezug nimmt), die nur zu einer Erhöhung der inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen oder zur Minderung der ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen führen können.

11 Die Grundsätze dieses BMF-Schreibens gelten auch, wenn zu entscheiden ist, inwieweit die Anwendung der Vorschrift eines geltenden DBA, die inhaltlich Artikel 7 Absatz 2 OECDMA (Fremdvergleichsgrundsatz) entspricht, zu einer Erhöhung der ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen bzw. zu einer Minderung der inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen führt. Denn insoweit entfalten die DBA eine Sperrwirkung gegenüber einem anderen Wertansatz, der sich nach den sonstigen innerstaatlichen Vorschriften ergeben kann. Das ist z. B. von Bedeutung, wenn ein Steuerpflichtiger seine Einkünfte entsprechend Artikel 7 Absatz 2 OECD-MA ermittelt oder wenn eine Einkünfte minderung bzw. Einkünfteerhöhung aufgrund einer Gegenberichtigung entsprechend Artikel 7 Absatz 3 OECD-MA nach diesen Grundsätzen durchzuführen ist. Zur Anwendung dieses BMF-Schreibens auf Sachverhalte, für die ein DBA anzuwenden ist, das dem OECDMA 2008 entspricht (siehe Rn. 427 ff. und Rn. 430 ff.).

12 Die Grundsätze dieses BMF-Schreibens gelten auch für die Ermittlung der Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Arbeit, die einer Betriebsstätte zuzurechnen sind, wenn die Betriebsstätte einer Person gehört, die in einem anderen Staat ansässig ist als dem, in dem die Betriebsstätte ihre Geschäftstätigkeit ausübt (siehe Artikel 14 OECDMA vor 2000, der statt von einer „Betriebsstätte“ von einer „festen Geschäftseinrichtung“ spricht). Dieser Artikel ist zwar aufgehoben, eine entsprechende Regelung besteht aber noch in vielen DBA fort.

13 Dieses BMF-Schreiben gilt nur für Betriebsstätten i. S. d. § 1 Absatz 5 AStG, die Bestandteil eines Unternehmens sind (sog. einfache Betriebsstätten). Die Regelungen gelten dagegen nicht für Betriebsstätten, die angenommen werden, weil einem Mitunternehmer steuerlich Einkünfte einer einfachen Betriebsstätte der Mitunternehmerschaft nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a bzw. § 34d Nummer 2 Buchstabe a EStG anteilig zuzurechnen sind (sog. Mitunternehmerbetriebsstätte); zur Behandlung von Sondervergütungen, § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG, und Sonderbetriebsvermögen siehe Rn. 18.

14 Andererseits kann eine Mitunternehmerschaft – ebenso wie eine Kapitalgesellschaft oder eine natürliche Person – selbst eine einfache Betriebsstätte in einem anderen Staat haben.

Fall – Einfache Betriebsstätte einer Personengesellschaft:

Die inländische A/B-OHG (OHG), an der die Inländer A und B beteiligt sind, hat im Staat Y eine Betriebsstätte.

Lösung:

Nur die OHG hat eine einfache Betriebsstätte in Y, auf die § 1 Absatz 5 AStG anzuwenden ist. Diese einfache Betriebsstätte Y ist gleichzeitig auch eine Mitunternehmerbetriebsstätte für A und B – vermittelt durch die OHG. Das führt aber nicht dazu, dass A und B gleichzeitig auch eine einfache Betriebsstätte haben (siehe § 1 Absatz 5 Satz 7 AStG).

15 Da einem Geschäftsvorfall zwischen einem Mitunternehmer und seiner Mitunternehmerschaft im Regelfall eine schuldrechtliche Beziehung zugrunde liegt, ist die Besteuerung eines solchen Geschäftsvorfalls ggf. nach § 1 Absatz 1 AStG zu berichtigen, nicht nach § 1 Absatz 5 AStG (siehe § 1 Absatz 5 Satz 7 AStG), der BsGaV und diesem BMF-Schreiben.

Fall – Lieferbeziehung:

Das inländische Unternehmen X-GmbH (X) ist zu 50 % an der ausländischen X-Y-KG (KG) in Staat Y beteiligt. Die KG vertreibt Produkte, die X herstellt. X liefert an die KG Produkte für 100 (= Herstellungskosten), die X unter vergleichbaren Umständen für 120 an fremde Dritte liefert.

Lösung:

Der Gewinn von X ist nach § 1 Absatz 1 Satz 1 und 2 AStG um 20 zu erhöhen. Eine Anwendung des § 1 Absatz 5 AStG ist ausgeschlossen (siehe § 1 Absatz 5 Satz 7 AStG).

16 Eine Mitunternehmerschaft kann unter bestimmten Voraussetzungen auch dort eine einfache Betriebsstätte haben, wo einer der Mitunternehmer entweder Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung hat (z. B. eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte der Mitunternehmerschaft). Auf eine solche Betriebsstätte sind § 1 Absatz 5 AStG und die Regelungen der BsGaV anwendbar.

Fall – Geschäftsleitungsbetriebsstätte beim Mitunternehmer:

Die inländische D-GmbH (D) ist an einer ausländischen Personengesellschaft P (P) in Staat Y beteiligt. P produziert und vertreibt in Y in eigenen Geschäftsräumen Waren. Einer der Geschäftsführer von P arbeitet in einem Büro in den Räumlichkeiten der D im Inland.

Lösung:

P hat im Inland eine Betriebsstätte (Teil der Geschäftsleitung). § 1 Absatz 5 AStG ist auf diese Betriebsstätte anwendbar.

17 Eine Mitunternehmerschaft hat allerdings nicht zwingend dort, wo ein Mitunternehmer unbeschränkt steuerpflichtig ist, eine Betriebsstätte.

Fall – Nur Beteiligung:

Der Inländer D ist an der ausländischen A/B/C/D-KG (KG) in Staat Y beteiligt, die nur eine Betriebsstätte in Y hat und ausschließlich dort tätig wird.

Lösung:

Die KG hat in D keine Betriebsstätte nach § 12 AO, auch wenn dort der inländische Mitunternehmer D wohnt.

18 Sonderbetriebsvermögen des einzelnen Mitunternehmers ist nicht Eigentum der Mitunternehmerschaft und kann deshalb weder einer Betriebsstätte der Mitunternehmerschaft noch der (anteiligen) Mitunternehmerbetriebsstätte des betreffenden Mitunternehmers nach § 1 Absatz 5 AStG und der BsGaV zugeordnet werden. Die Zurechnung von Sondervergütungen (ebenso wie die Zurechnung von Sonderbetriebsvermögen und der Gewinne aus dessen Veräußerung) erfolgt nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bzw. nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a EStG und damit unabhängig und getrennt von der Zuordnung der Vermögenswerte und von Einkünftekorrekturen nach § 1 Absatz 5 AStG und den DBA.

Fall – Darlehen:

Der Inländer D ist an der ausländischen A/B/C/D-KG (KG) in Staat Y beteiligt, an der auch die Ausländer A, B, und C beteiligt sind. Die KG hat Betriebsstätten in den Staaten Y und Z. D schließt mit der KG einen Darlehensvertrag über 100 ab, der keine Verzinsung vorsieht.

Lösung:

Der Darlehensanspruch von D gegen die KG gehört zivilrechtlich nicht zum Betriebsvermögen der KG, denn der Darlehensanspruch kann weder den Betriebsstätten der KG in Y noch in Z zugeordnet werden. Er kann deshalb auch nicht den anteiligen Mitunternehmerbetriebsstätten des D in Y und Z zugeordnet werden. Der Sachverhalt enthält keinen Hinweis, dass die KG eine Betriebsstätte in D hat. § 1 Absatz 5 AStG ist insoweit nicht anwendbar. Für das Darlehen ist nach § 1 Absatz 1 Satz 1 und 2 AStG eine dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende Verzinsung anzusetzen, die Einkünfte von D sind zu erhöhen. Für die KG ist zunächst eine entsprechende gewinnmindernde Gegenberichtigung durchzuführen. Allerdings gehört das Darlehen zum Sonderbetriebsvermögen des D hinsichtlich seiner Beteiligung an der KG, die Zinsen führen nach deutschem Steuerrecht (§ 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG) zu Einkünften aus Gewerbebetrieb des D, so dass sich durch die Korrektur für D die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb erhöhen.

HINWEIS:

Diese Zinseinkünfte können – auch wenn ein DBA zu beachten ist, das dem OECD-MA entspricht – unter den Voraussetzungen des § 50d Absatz 9 Satz 1 Nummer 1 EStG in Deutschland besteuert werden.

19 Die Grundsätze dieses BMF-Schreibens gelten auch für ständige Vertreter i. S. d. § 13 AO und für Vertreterbetriebsstätten i. S. d. Artikels 5 Absatz 5 OECD-MA (siehe § 39 BsGaV und Rn. 418 ff.).

1.2.2 Verhältnis des § 1 Absatz 5 AStG zu anderen innerstaatlichen Vorschriften, insbesondere zu den Entstrickungs-/Verstrickungsregelungen

20 Führt die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes entsprechend § 1 Absatz 5 AStG zu weitergehenden Berichtigungen als andere Einkünfteermittlungs- oder Korrekturvorschriften (z. B. § 4 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG oder § 12 Absatz 1 KStG in Entstrickungssachverhalten; § 4 Absatz 1 Satz 8 Halbsatz 2 EStG in Verstrickungssachverhalten; § 49 i. V. m. § 50 Absatz 1 EStG hinsichtlich der Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs), ist § 1 Absatz 5 AStG neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften anzuwenden. Einkünftekorrekturen nach § 1 AStG sind nur zugunsten des deutschen Steueraufkommens durchzuführen (siehe § 1 Absatz 1 Satz 1 und 4 AStG). Dies gilt auch in Fällen, in denen kein DBA anzuwenden ist. Auch soweit die Entstrickungs-/Verstrickungsvorschriften anwendbar sind, liegt gleichzeitig eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung nach § 16 BsGaV vor (siehe auch Rn. 62 zum Verhältnis der Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 BsGaV zur Bilanz).

Fall (1) – Überführung eines Wirtschaftsguts ins Ausland (Entstrickung):

Die inländische X-GmbH (X) hat eine ausländische Betriebsstätte A (A) im Staat A (kein DBA). Ein Wirtschaftsgut, das bisher dem übrigen Unternehmen (hier: der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte X) zugeordnet war, wird auf Dauer zu A verbracht. Der Buchwert des Wirtschaftsguts beträgt 1.000, der gemeine Wert/Fremdvergleichspreis beträgt 1.200.

Lösung:

Nach innerstaatlichem Recht, das gem. § 1 Absatz 5 Satz 1 i. V. m. Absatz 1 Satz 1 AStG vorrangig anzuwenden ist, liegt gem. § 12 Absatz 1 KStG ein Vorgang vor, der einer Veräußerung gleich steht (Entstrickung), die mit dem gemeinen Wert anzusetzen ist. Der fiktive Veräußerungsgewinn beträgt 200 (= 1.200 – 1.000). Gleichzeitig kommt es in der Steuerbilanz zu einer Aufstockung des Buchwerts auf den gemeinen Wert um 200. Eine Berichtigung nach § 1 Absatz 5 AStG erfolgt nicht, da diese keine weitergehenden Folgen hätte. Daneben liegt eine fiktive Veräußerung des übrigen Unternehmens an A vor (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), die für A als fiktiver Anschaffungsvorgang mit 1.200 zu erfassen ist.

Abwandlung zu Fall (1) – Nutzungsüberlassung I (vom Inland ins Ausland):

Wie Fall (1), jedoch wird das Wirtschaftsgut nur vorübergehend von A genutzt. Wegen der Nutzung werden A 100 belastet. Dies entspricht den tatsächlichen Kosten („Selbstkosten”). Der gemeine Wert/Fremdvergleichspreis für die Nutzungsüberlassung beträgt 110.

Lösung:

Die vorübergehende Nutzung führt zu keiner Zuordnungsänderung, weder nach § 5 BsGaV (siehe Fall Rn. 78) noch nach § 4 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG (keine Entstrickung des Wirtschaftsguts), so dass das Wirtschaftsgut dem übrigen Unternehmen zugeordnet bleibt. Nach R 4.3. Absatz 2 Satz 3 EStR gilt als Entnahme i. S. d. § 4 Absatz 1 Satz 3 EStG auch die Nutzung eines Wirtschaftsguts durch eine ausländische Betriebsstätte (Entnahme der Nutzung). Diese Nutzungsüberlassung ist mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Das Ergebnis des übrigen Unternehmens ist daher um 10 (gemeiner Wert 110, bisheriger Ansatz 100) zu erhöhen, das Ergebnis von A ist entsprechend zu mindern, so dass der Gewinn von X insgesamt unverändert bleibt.

Fall (2) – Nutzungsüberlassung II (vom Ausland ins Inland):

Das ausländische Unternehmen Y (Y) im Staat Y hat im Inland eine Betriebsstätte D (D). Ein dem übrigen Unternehmen (hier: der ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte Y) zuzuordnendes Wirtschaftsgut wird D vorübergehend zur Nutzung überlassen. Dafür werden D 100 belastet. Die tatsächlichen Kosten von Y betragen 100, der Fremdvergleichspreis für eine vergleichbare Nutzungsüberlassung beträgt 90.

Lösung:

Die vorübergehende Nutzung führt zu keiner Zuordnungsänderung nach § 5 BsGaV (siehe Fall Rn. 78), so dass das Wirtschaftsgut dem übrigen Unternehmen zugeordnet bleibt. Das ausländische Unternehmen ist mit seinen durch D erzielten Einkünften beschränkt steuerpflichtig. Zur Ermittlung des Gewinns von D nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a EStG ist nach § 4 Absatz 4 EStG von den tatsächlichen Kosten i. H. v. 100 auszugehen. Nach § 1 Absatz 5 AStG ist wegen der fiktiven Nutzungsüberlassung höchstens der Fremdvergleichspreis von 90 als fiktive Betriebsausgabe für D anzusetzen, sodass die Einkünfte von D um 10 zu erhöhen sind (tatsächliche Kosten 100 – Fremdvergleichspreis 90).

Fall (3) – Dienstleistung:

Das ausländische Unternehmen Y (Y) im Staat Y hat im Inland eine Betriebsstätte D (D). Personal von D erstellt für Y die Buchhaltung. D sind für die Erstellung der Buchhaltung Kosten von 200 entstanden. D verrechnet 200. Der Fremdvergleichspreis für eine vergleichbare Dienstleistung beträgt 220 (Kosten 200 zzgl. eines fremdvergleichsüblichen Kostenaufschlags von 10 %).

Lösung:

Y ist beschränkt steuerpflichtig. Zur Ermittlung des inländischen Betriebsstättengewinns von D nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a EStG ist für die fiktive Dienstleistung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) nach § 16 Absatz 2 BsGaV der Fremdvergleichspreis von 220 als fiktive Betriebseinnahme anzusetzen. Der Gewinn von D ist daher nach § 1 Absatz 5 AStG um 20 (Fremdvergleichspreis 220, bisheriger Ansatz 200) zu erhöhen.

Fall (4) – Überführung eines Wirtschaftsguts ins Inland (Verstrickung):

Das ausländische Unternehmen Y (Y) der natürlichen Person Y in Staat Y hat eine inländische Betriebsstätte D. Mit Staat Y besteht kein DBA. Ein Wirtschaftsgut, das bisher dem übrigen Unternehmen (hier: der ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte Y) zugeordnet war, wird auf Dauer in das Betriebsvermögen von D überführt. Der Buchwert des Wirtschaftsguts beträgt 1.000, der gemeine Wert/Fremdvergleichspreis beträgt 1.200.

Lösung:

Nach innerstaatlichem Recht, das gem. § 1 Absatz 5 Satz 1 i. V. m. Absatz 1 Satz 1 AStG vorrangig anzuwenden ist, liegt gem. § 4 Absatz 1 Satz 8 Halbsatz 2 EStG ein Vorgang vor, der einer Einlage gleich steht (Verstrickung), die mit dem gemeinen Wert, d. h. mit 1.200, anzusetzen ist (§ 6 Absatz 1 Nummer 5a EStG i. V. m. § 9 Absatz 2 BewG). Falls Y das Wirtschaftsgut mit einem höheren Wert als 1.200 ansetzt, erfolgt die Korrektur nach den genannten Vorschriften. Daneben liegt eine fiktive Veräußerung des übrigen Unternehmens an D vor (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), die als fiktiver Anschaffungsvorgang mit 1.200 zu erfassen ist. Eine Korrektur nach § 1 Absatz 5 AStG kommt nicht in Betracht.

HINWEIS:

Für diese Lösung ist es nach dem Gesetzeswortlaut unerheblich, ob der Gewinn i. H. v. 200 im Ausland erklärt oder besteuert wird. In Zweifelsfällen ist der ausländische Staat über den Vorgang und seine steuerlichen Auswirkungen zu informieren, damit im Ausland ggf. die erforderlichen Konsequenzen gezogen werden können. Auf die Regelungen des Merkblatts zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen vom (BStBl 2015 I S. 928) wird hingewiesen.

1.2.3 Verhältnis des § 1 Absatz 5 AStG zu den DBA-Regelungen

21 Die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes entsprechend dem AOA kann sich im Rahmen der DBA (Artikel 7 OECD-MA) – anders als § 1 Absatz 5 AStG selbst – auch zu Lasten des deutschen Steueraufkommens auswirken. Denn DBA-Regelungen, die inhaltlich Artikel 7 OECD-MA entsprechen, begrenzen das deutsche Besteuerungsrecht.

Fall – Kostenaufschlag:

Das inländische Unternehmen X hat im Staat A (DBA entsprechend dem OECD-MA) eine Betriebsstätte A (A). Für eine fiktive Dienstleistung, die A dem übrigen Unternehmen (hier: der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte X) erbringt (anzunehmende schuldrechtliche Beziehung, § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV), entstehen A Kosten von 100, die mit einem Aufschlag von 10 % (110), der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, gegenüber X verrechnet werden.

Lösung:

Obwohl nach innerstaatlichem Steuerrecht (§ 4 Absatz 4 EStG, ungeachtet der DBA) nur die tatsächlichen Kosten der fiktiven Dienstleistung als Betriebsausgaben für X anzusetzen sind, ist eine Einkünftekorrektur durch die Finanzverwaltung nicht durchzuführen. Denn das DBA, das entsprechend Artikel 7 Absatz 2 OECD-MA den Ansatz des Fremdvergleichspreises für die fiktive Dienstleistung von A gegenüber dem übrigen Unternehmen anordnet, enthält zugunsten von X eine Änderungssperre.

HINWEIS:

§ 1 Absatz 5 AStG ist schon tatbestandlich nicht anzuwenden.

Abwandlung – Zu geringer Kostenaufschlag:

Das inländische Unternehmen X, das eine Betriebsstätte A (A) im Staat A hat (DBA entsprechend dem OECDMA), setzt für eine Dienstleistung, die A dem übrigen Unternehmen gegenüber erbringt, einen Kostenaufschlag von 5 % an, 10 % wären angemessen. Staat A nimmt eine entsprechende Korrektur entsprechend Artikel 7 Absatz 2 OECD-MA vor, die zur Doppelbesteuerung führt.

Lösung:

§ 1 Absatz 5 AStG kommt nicht zur Anwendung, da sich die denkbare Korrektur nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu Lasten des deutschen Steueraufkommens auswirken würde (siehe Rn. 10). Die entstandene Doppelbesteuerung ist entsprechend Artikel 7 Absatz 3 OECD-MA durch eine Gegenberichtigung in Deutschland zu beseitigen.

1.3 Auswirkungen des § 1 Absatz 5 AStG und der BsGaV auf die Anrechnung aufgrund DBA, § 34c EStG bzw. § 26 KStG

22 Besteht ein anzuwendendes DBA mit einer Regelung, die Artikel 7 Absatz 2 OECD-MA entspricht, so sind die ausländischen Einkünfte für Zwecke der Steueranrechnung nach DBA i. V. m. § 34c Absatz 6 EStG bzw. § 26 Absatz 1 KStG nach Maßgabe dieses BMF-Schreibens zu ermitteln (zur Ermittlung der ausländischen Einkünfte in Sachverhalten, auf die ein DBA anzuwenden ist, das dem OECD-MA 2008 entspricht, siehe Rn. 427 ff., 430 ff.).

23 In Fällen ausländischer Betriebsstätten inländischer Unternehmen, in denen kein DBA anzuwenden ist, gelten für die Anrechnung nach § 34c Absatz 1 EStG und § 26 Absatz 1 KStG die VWG Betriebsstätten, es sei denn die Anwendung dieses BMF-Schreibens führt zu niedrigeren ausländischen Einkünften.

24 Die Fiktion des § 16 BsGaV führt nicht zum Einbehalt oder zur Anrechnung von Quellensteuern (vgl. OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 6).

1.4 Auswirkungen des § 1 Absatz 5 und der BsGaV auf die Gewerbesteuer

25 Für die Ermittlung des Kürzungsbetrags nach § 9 Nummer 3 GewStG gilt Rn. 22 f. entsprechend.

2. Vorschriften der BsGaV

2.1 Zurechnung von Einkünften zu einer Betriebsstätte (§ 1 BsGaV)

2.1.1 Funktions- und Risikoanalyse, Vergleichbarkeitsanalyse (§ 1 Absatz 1 BsGaV)

26 Für die steuerliche Zurechnung von Einkünften zu einer Betriebsstätte eines Unternehmens ist eine Funktions- und Risikoanalyse der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte als Teil des Unternehmens durchzuführen (§ 1 Absatz 1 BsGaV). Auf der Grundlage der Funktions- und Risikoanalyse werden die Betriebsstätte und das übrige Unternehmen so behandelt, als wären sie verbundene Unternehmen, die Funktionen ausüben, über Vermögenswerte verfügen, Risiken übernehmen sowie miteinander und mit anderen verbundenen und fremden Unternehmen Geschäfte tätigen (siehe OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 10 und Tz. 13 bis Tz. 38).

27 Nach der Funktions- und Risikoanalyse ist für die Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte eine Vergleichbarkeitsanalyse durchzuführen (§ 1 Absatz 1 BsGaV), um für die Geschäftsvorfälle der Betriebsstätte mit nahe stehenden Personen und mit dem übrigen Unternehmen Verrechnungspreise zu bestimmen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 39 bis Tz. 43). Für die Bestimmung der Verrechnungspreise sind alle innerstaatlichen und international anerkannten Verrechnungspreisregeln anwendbar (siehe § 1 Absatz 3 AStG und OECD-Leitlinien), einschließlich der Grundsätze für Kostenumlagen (siehe Rn. 5).

2.1.2 Gegenstand der Zuordnung (§ 1 Absatz 2 BsGaV)

28 Die Funktions- und Risikoanalyse ist die Grundlage dafür, der Betriebsstätte zu Beginn des Wirtschaftsjahrs und während des Wirtschaftsjahrs alle in § 1 Absatz 2 Nummer 2 bis 5 BsGaV aufgeführten Zuordnungsgegenstände zuzuordnen, die im konkreten Fall für die steuerliche Behandlung der Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen erforderlich sind (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 15). Eine Zuordnung ist auch dann notwendig, wenn Zuordnungsgegenstände nicht als Bestandteile der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen sind (siehe Rn. 29). Grundlage und Ausgangspunkt für die Zuordnung auch solcher, nicht in der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassender Zuordnungsgegenstände, sind die der Betriebsstätte zuzuordnenden Personalfunktionen, die eine solche Zuordnung funktional rechtfertigen (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 15). Dies bedeutet umgekehrt, dass einer Betriebsstätte ein Zuordnungsgegenstand i. S. d. §§ 5 bis 10 BsGaV jedenfalls dann nicht (mehr) zugeordnet werden kann, wenn

  • die Betriebsstätte hinsichtlich dieses Zuordnungsgegenstands keine Personalfunktionen ausübt und

  • zu diesem Zeitpunkt im übrigen Unternehmen Personalfunktionen ausgeübt werden, die eine Zuordnung zum übrigen Unternehmen rechtfertigen.

29 Zu den Zuordnungsgegenständen gehören auch selbstgeschaffene immaterielle Werte unabhängig davon, ob sie in der Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte oder in der Bilanz des Unternehmens als deren Bestandteile zu erfassen sind.

Fall – Erfassung selbstgeschaffener immaterieller Werte:

Unternehmen X (X) in Staat A hat eine Betriebsstätte B (B) in Staat B, deren Aufgabe die Herstellung und der Verkauf der Produkte von X ist. Bei der Produktion entwickelt B einen (technischen) immateriellen Wert, der zum Patent eingetragen wird. Der immaterielle Wert wird weder in der Bilanz von X noch in der Hilfs- und Nebenrechnung von B erfasst. Ein Jahr später überlässt B den immateriellen Wert dem übrigen Unternehmen zur (Mit-)Nutzung.

Lösung:

Der immaterielle Wert ist B zuzuordnen, weil B ihn geschaffen hat (§ 6 Absatz 1 BsGaV). Für die fiktive Nutzungsüberlassung an das übrige Unternehmen (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) ist ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Betrag (§ 16 Absatz 2 BsGaV) zu verrechnen. Das gilt unabhängig davon, ob der immaterielle Wert zu Recht weder in der Bilanz von X noch in der Hilfs- und Nebenrechnung von B als Bestandteil erfasst wird. Die Identifizierung des immateriellen Werts ist in jedem Fall sowohl für die Zuordnung der Betriebsausgaben, die in Zusammenhang mit der Schaffung des immateriellen Werts durch B stehen, als auch für die zutreffende Zuordnung und Bemessung der fiktiven Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben für B bzw. das übrige Unternehmen wegen der fiktiven Nutzungsüberlassung erforderlich.

30 Außerdem sind der Betriebsstätte auf der Grundlage ihrer Personalfunktionen Geschäftsvorfälle (§ 9 BsGaV) des Unternehmens, zu dem sie gehört, zuzuordnen.

31 Schließlich sind auf der Grundlage der jeweils ausgeübten Personalfunktionen die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen (§ 16 BsGaV) zu identifizieren, die jeweils zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen bestehen (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 17). Die Fiktion schuldrechtlicher Beziehungen ist notwendig, weil zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen keine rechtlichen Beziehungen bestehen, die Grundlage für die eindeutige Zuordnung eines Zuordnungsgegenstands oder für die Vergütung einer Leistung wären.

2.2 Begriffsbestimmungen (§ 2 BsGaV)

2.2.1 Inländisches Unternehmen (§ 2 Absatz 1 BsGaV)

32 Ein Unternehmen ist – unabhängig von der Rechtsform – inländisch, wenn sich der Ort seiner tatsächlichen Geschäftsleitung im Inland befindet (§ 2 Absatz 1 BsGaV).

2.2.2 Ausländisches Unternehmen (§ 2 Absatz 2 BsGaV)

33 Ein Unternehmen ist – unabhängig von der Rechtsform – ausländisch, wenn sich der Ort seiner tatsächlichen Geschäftsleitung im Ausland befindet (§ 2 Absatz 2 BsGaV).

2.2.3 Personalfunktion (§ 2 Absatz 3 BsGaV)

34 Eine Personalfunktion ist eine Geschäftstätigkeit, die von eigenem Personal des Unternehmens für das Unternehmen ausgeübt wird (§ 1 Absatz 5 Satz 3 Nummer 1 AStG, § 2 Absatz 3 Satz 1 BsGaV). Die Auflistung von Geschäftstätigkeiten in § 2 Absatz 3 Satz 2 BsGaV ist beispielhaft und nicht abschließend.

35 Einer Betriebsstätte werden Personalfunktionen des Unternehmens zugeordnet, nicht Personal des Unternehmens.

36 Eine natürliche Person, die zum Personal des Unternehmens gehört, kann nacheinander mehrere Personalfunktionen ausüben, die ggf. unterschiedlichen Betriebsstätten eines Unternehmens zuzuordnen sind. Eine Personalfunktion, die von einer bestimmten Person, die zum eigenen Personal gehört, ausgeübt wird, kann aber nicht gleichzeitig mehreren Betriebsstätten zugeordnet werden. Dagegen kann eine Personalfunktion hinsichtlich eines Zuordnungsgegenstands gleichzeitig von verschiedenen Personen, die zum eigenen Personal gehören, in verschiedenen Betriebsstätten ausgeübt werden (siehe Funktionsaufteilung, Rn. 42).

Fall – Verschiedene Personalfunktionen eines Mitarbeiters:

Ein Consultingunternehmen X in Staat A hat in verschiedenen anderen Staaten Betriebsstätten. Ein Mitarbeiter reist nacheinander in diese anderen Staaten und berät dort die Kunden der jeweiligen Betriebsstätte an jeweils mindestens 40 Tagen.

Lösung:

Der Mitarbeiter übt nacheinander jeweils eine Personalfunktion für die betreffende Betriebsstätte aus. Die jeweilige Personalfunktion ist jeweils der betreffenden Betriebsstätte zuzuordnen.

2.2.4 Eigenes Personal (§ 2 Absatz 4 BsGaV)

37 Als „eigenes Personal“ des Unternehmens gilt eine natürliche Person,

  • die mit dem Unternehmen, für das sie tätig wird, einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat (§ 2 Absatz 4 Satz 1 BsGaV – so auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 62),

  • die aufgrund eines Personalüberlassungsvertrags mit einem anderen Unternehmen für das Unternehmen tätig wird, ungeachtet dessen, dass der Arbeitsvertrag mit dem anderen Unternehmen (überlassendes Unternehmen) abgeschlossen wurde (§ 2 Absatz 4 Satz 2 BsGaV); ein Überlassungsvertrag liegt vor, wenn sich das überlassende Unternehmen lediglich zur Überlassung der Arbeitskraft des überlassenen Arbeitnehmers verpflichtet,

  • die auf gesellschaftsvertraglicher Basis (siehe § 1 Absatz 4 AStG) für das Unternehmen tätig wird (§ 2 Absatz 4 Satz 1 BsGaV),

  • die ohne vertragliche Vereinbarung für das Unternehmen tätig wird, sofern diese natürliche Person Unternehmer oder Gesellschafter des Unternehmens ist (§ 2 Absatz 4 Satz 3 Nummer 1 BsGaV) oder

  • die ohne vertragliche Vereinbarung für das Unternehmen tätig wird, sofern diese natürliche Person dem Unternehmen oder den Gesellschaftern des Unternehmens i. S. d. § 1 Absatz 2 AStG nahe steht (§ 2 Absatz 4 Satz 3 Nummer 2 BsGaV).

Fall – Personalüberlassung:

Das Unternehmen Y (Y) schließt mit dem inländischen Unternehmen X (X) einen Personalüberlassungsvertrag ab. Auf Grundlage dieses Vertrags wird die natürliche Person N (N), die lediglich einen Arbeitsvertrag mit Y abgeschlossen hat, in der zu X gehörenden Betriebsstätte B (B) im Staat B tätig.

Lösung:

Obwohl N keinen Arbeitsvertrag mit X abgeschlossen hat, gilt N wegen des Tätigwerdens für B als eigenes Personal von B (§ 2 Absatz 4 Satz 2 BsGaV). Denn Y hat sich gegenüber X vertraglich lediglich dazu verpflichtet, X Personal (hier N) zu überlassen. N übt eine Personalfunktion von B aus, obwohl N arbeitsrechtlich Personal von Y ist.

38 Eine natürliche Person, die für ein Unternehmen tätig wird, gehört dagegen nicht zum eigenen Personal des Unternehmens, wenn das Tätigwerden nicht auf einem Arbeitsvertrag, sondern auf einem Dienstleistungs- oder Werkvertrag der natürlichen Person mit dem Unternehmen beruht. Ein Dienstleistungs- oder Werkvertrag ist von einem Personalüberlassungsvertrag (siehe Rn. 37) zu unterscheiden. Bei einem Dienstleistungs- oder Werkvertrag wird die vereinbarte Dienstleistung oder die vereinbarte Werkleistung geschuldet, nicht nur die Überlassung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers.

2.2.5 Maßgebliche Personalfunktionen (§ 2 Absatz 5 BsGaV)

39 „Maßgebliche Personalfunktionen” i. S. d. § 2 Absatz 5 BsGaV sind für die Betriebsstättengewinnermittlung von zentraler Bedeutung (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 15 und Tz. 16), da sie grundlegend für die Ausgestaltung der Fiktion einer Betriebsstätte als selbständiges Unternehmen sind. Denn auf der Grundlage der maßgeblichen Personalfunktion werden einer Betriebsstätte jeweils Vermögenswerte (§§ 5 ff. BsGaV), Chancen und Risiken (§ 10 BsGaV) und Geschäftsvorfälle (§ 9 BsGaV) zugeordnet. Wird z. B. eine maßgebliche Personalfunktion, die bisher in einer Betriebsstätte ausgeübt wurde, ab einem bestimmten Zeitpunkt in einer anderen Betriebsstätte ausgeübt, kann dies zu einer Änderung der Zuordnung des betreffenden Zuordnungsgegenstands führen, z. B. mit der Folge des fiktiven Eigentumsübergangs eines materiellen Wirtschaftsguts nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV (fiktive Veräußerung aufgrund dauerhaft geänderter Nutzung als anzunehmende schuldrechtliche Beziehung, siehe Fall in Rn. 77). Die Zuordnung der maßgeblichen Personalfunktionen ist deshalb ausschlaggebend dafür, welche Zuordnungsgegenstände einer Betriebsstätte zuzuordnen sind und welche Bestandteile in der Hilfs- und Nebenrechnung einer Betriebsstätte zu erfassen sind (§ 3 BsGaV). Die Zuordnung ist damit auch für die Betriebsstättengewinnermittlung von entscheidender Bedeutung.

40 Ob eine Personalfunktion, die in einer Betriebsstätte ausgeübt wird, als maßgeblich anzusehen ist, ist im Einzelfall zu entscheiden (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 16). Hierbei kommt es auf den konkreten Bezug dieser Personalfunktion zum Zuordnungsgegenstand an, nicht darauf, auf welcher Hierarchiestufe formal eine Entscheidung getroffen wird.

Als nicht maßgeblich sind daher insbesondere Personalfunktionen anzusehen, die bezogen auf den Zuordnungsgegenstand

  • lediglich unterstützenden Charakter haben (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 62),

  • ausschließlich die allgemeine Geschäftspolitik des Unternehmens (Strategiefunktion) betreffen oder

  • lediglich formal durch Personal einer Betriebsstätte ausgeübt werden.

Fall – Formale Entscheidung:

Unternehmen X (X) in Staat A will ein Projekt in seiner bereits bestehenden Betriebsstätte B (B) im Staat B durchführen. Das Projekt wird von B geplant. Auf Grundlage dieser Planung wird das Projekt durch den Vorstand von X beschlossen.

Lösung:

Das Projekt einschließlich der entstehenden Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen ist B zuzuordnen, denn maßgebliche Personalfunktion ist nicht der (formale) Vorstandsbeschluss von X. Maßgebliche Personalfunktionen für das Projekt sind vielmehr die Planungsarbeiten und die operative Umsetzung des Projekts durch B.

41 Für die Zuordnung von Vermögenswerten (§§ 5 bis 8 BsGaV), Geschäftsvorfällen (§ 9 BsGaV) sowie Chancen und Risiken des Unternehmens (§ 10 BsGaV) gelten vorrangig die grundsätzlichen Zuordnungsregelungen gem. § 5 Absatz 1, § 6 Absatz 1, § 7 Absatz 1, § 8 Absatz 1, § 9 Absatz 1 sowie § 10 Absatz 1 und 2 BsGaV, die eine Zuordnungsvermutung enthalten, welche Personalfunktion jeweils als maßgeblich anzusehen ist.

42 Eine für die Zuordnung eines Zuordnungsgegenstands maßgebliche Personalfunktion (z. B. Nutzung eines immateriellen Werts) kann im Einzelfall auch gleichzeitig von verschiedenen Personen in verschiedenen Betriebsstätten ausgeübt werden (Funktionsaufteilung, ausdrücklich angesprochen im OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 159 – Banken, Teil III Tz. 206 – Global Trading – und Teil IV Tz. 94 – Versicherungen). Eine Funktionsaufteilung ist aber nicht nur für die Geschäftstätigkeit von Banken oder Versicherungen möglich. In Fällen einer Funktionsaufteilung ist darauf abzustellen, in welcher Betriebsstätte nach qualitativen Gesichtspunkten der bedeutendste Teil der maßgeblichen Personalfunktion ausgeübt wird. Die Entscheidung des Unternehmens kann zur besseren Nachvollziehbarkeit anhand einer Übersicht veranschaulicht werden (entsprechend Rn. 294 f. zu Versicherungsbetriebsstätten), die sämtliche Personalfunktionen umfasst, die für eine Zuordnung von Bedeutung sein können. Erfolgt die Ausübung der maßgeblichen Personalfunktion in verschiedenen Betriebsstätten qualitativ gleichwertig, ist es ausnahmsweise möglich, nach quantitativen Gesichtspunkten zu entscheiden, z. B. nach den jeweiligen Kosten der Personalfunktionen (ggf. unter Berücksichtigung von Korrekturen wegen des jeweiligen Lohnniveaus), in welcher Betriebsstätte die maßgebliche Personalfunktion ausgeübt wird.

43 Werden verschiedene Personalfunktionen hinsichtlich eines Zuordnungsgegenstands gleichzeitig von eigenem Personal des Unternehmens, das in verschiedenen Betriebsstätten arbeitet, ausgeübt (Personalfunktionenkonkurrenz), ist der Zuordnungsgegenstand nach den vorrangigen Zuordnungsregelungen (z. B. § 5 Absatz 1, § 6 Absatz 1 BsGaV) zuzuordnen. Eine davon abweichende Zuordnung zu einer anderen Betriebsstätte ist nur möglich, wenn dort andere Personalfunktionen ausgeübt werden, denen in Bezug auf den Zuordnungsgegenstand eindeutig eine größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (siehe z. B. § 6 Absatz 2 BsGaV). Ob eine größere wirtschaftliche Bedeutung gegeben ist, kann nur anhand von qualitativen (siehe Rn. 42), d. h. an den jeweiligen Erfolgsbeiträgen orientierten, Gesichtspunkten (Wertschöpfung) entschieden werden, da qualitativ unterschiedliche Personalfunktionen nicht nach quantitativen Gesichtspunkten beurteilt werden können. Derjenige, der sich darauf beruft, dass ein Zuordnungsgegenstand entgegen den grundsätzlichen Zuordnungsregelungen zuzuordnen ist, hat die Gründe dafür nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen, wenn ein Nachweis nicht möglich ist.

44 Sowohl in Fällen der Funktionsaufteilung (siehe Rn. 42) als auch in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) ist im Einzelfall eine Betrachtung, die über ein Wirtschaftsjahr hinausgeht, vergangene Wirtschaftsjahre und Prognosen berücksichtigt, sachgerecht. Das gilt auch, wenn zu entscheiden ist, ob ein Vermögenswert einer anderen Betriebsstätte zuzuordnen ist (mit der Folge des § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV, siehe z. B. Fall in Rn. 79).

45 §§ 5 bis 10 BsGaV räumen in Zweifelsfällen dem Unternehmen einen Beurteilungsspielraum ein, wenn sonst keine eindeutige Zuordnung möglich ist (z. B. § 5 Absatz 4 BsGaV). Die Finanzverwaltung hat die Zuordnungsentscheidung des Unternehmens anzuerkennen, wenn sich diese aus der Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 BsGaV bzw. aus den Aufzeichnungen des Unternehmens nach § 90 Absatz 3 AO, siehe auch Rn 63) ergibt. Dies gilt auch für über das einzelne Wirtschaftsjahr hinausgehende Betrachtungen (siehe Rn. 44), wenn die daraus folgende Entscheidung des Unternehmens zum Entscheidungszeitpunkt (§ 3 BsGaV) sachlich begründet erscheint. Die Finanzverwaltung darf die vom Unternehmen im Rahmen des Beurteilungsspielraums vorgenommene und entsprechend dokumentierte Zuordnung nur ändern, wenn diese den verbindlichen Zuordnungsregeln widerspricht (z. B. § 5 Absatz 1 bis 3 BsGaV). Der Beurteilungsspielraum des Unternehmens ist insoweit eingeschränkt. Eine anteilige Zuordnung ist – außer für immaterielle Werte (siehe § 6 Absatz 4 Satz 2 BsGaV und Rn. 101) – grundsätzlich nicht anzuerkennen.

46 Wird ein wirtschaftlicher Vorgang i. S. d. § 1 Absatz 4 AStG festgestellt, kann dies eine Änderung der Zuordnung eines Zuordnungsgegenstands erforderlich machen. Dies ist der Fall, wenn die für die Zuordnung maßgebliche Personalfunktion ab dem Vorgang in einer anderen Betriebsstätte (im übrigen Unternehmen) ausgeübt wird. Als Folge ist eine fiktive Veräußerung anzunehmen (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV, siehe Rn. 169). Anderenfalls bleibt die Zuordnung trotz des festgestellten wirtschaftlichen Vorgangs, der lediglich zu einer fiktiven Leistungsbeziehung führt (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 BsGaV, siehe Rn. 171), unverändert.

47 Eine Änderung der Zuordnung eines Zuordnungsgegenstands ist z. B. notwendig, wenn

  • die maßgebliche Personalfunktion nach einem wirtschaftlichen Vorgang nicht mehr in der bisherigen Betriebsstätte sondern im übrigen Unternehmen, d. h. in einer anderen Betriebsstätte, ausgeübt wird (z. B. § 5 Absatz 1 BsGaV: Nutzung (siehe Fall Rn. 77) oder

  • die Ausübung der bisher maßgeblichen Personalfunktion einer Betriebsstätte beendet wird und in Folge des wirtschaftlichen Vorgangs eine andere Personalfunktion, die im übrigen Unternehmen, d. h. in einer anderen Betriebsstätte, ausgeübt wird, als maßgebliche anzusehen ist (z. B. § 6 BsGaV: Erwerb eines immateriellen Werts und Beginn der Nutzung in einer anderen Betriebsstätte, wenn die Nutzung eindeutig von größerer Bedeutung ist als der Erwerb).

Zu einzelnen Fallkonstellationen siehe die Beispiele zu §§ 5 ff. BsGaV (siehe Rn. 76 ff.) und zu § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV (siehe Rn. 169).

48 Für das Ergebnis einer Betriebsstätte sind allerdings nicht nur die maßgeblichen, sondern alle der Betriebsstätte zuzuordnenden Personalfunktionen zu berücksichtigen (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 17). Denn zwischen der Betriebsstätte, der die maßgebliche Personalfunktion bezüglich eines Bestandteils der Hilfs- und Nebenrechnung zugeordnet wird, und dem übrigen Unternehmen, das auch Personalfunktionen im Hinblick auf diesen Bestandteil ausübt, liegen anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen nach § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV vor (z. B. fiktive Nutzungsüberlassungen, fiktive Dienstleistungen), für die ein angemessener Verrechnungspreis anzusetzen ist, § 16 Absatz 2 BsGaV.

2.2.6 Vermögenswert (§ 2 Absatz 6 BsGaV)

49 „Vermögenswerte” i. S. d. § 2 Absatz 6 BsGaV sind Wirtschaftsgüter und Vorteile, insbesondere materielle Wirtschaftsgüter, immaterielle Werte einschließlich immaterieller Wirtschaftsgüter, Beteiligungen und Finanzanlagen. Auf Definitionen der nationalen und internationalen Bilanzierungsstandards kommt es ebenso wenig an wie auf die Erfassung in der Hilfs- und Nebenrechnung, d. h. ein Vermögenswert in diesem Sinne kann einer Betriebsstätte auch dann zuzuordnen sein, wenn er nicht als Bestandteil der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen ist (siehe Fall in Rn. 29). Die tatsächliche Bilanzierung und die Bilanzierbarkeit von Wirtschaftsgütern sind für die Zwecke der Betriebsstättengewinnermittlung nicht entscheidend, denn auch nicht bilanzierte oder nach § 248 Absatz 1 HGB nicht bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter können für anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen und für die entstehenden Einkünfte von Bedeutung sein.

50 Vorteile können für die Preisbestimmung von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen i. S. d. § 1 Absatz 4 Nummer 2 AStG und für die daraus entstehenden Einkünfte von erheblicher Bedeutung sein. Zu den Vorteilen gehören auch Finanzinstrumente i. S. d. § 254 HGB, die keine Wirtschaftsgüter sind, aber der Sicherung von Vermögenswerten i. S. d. § 11 BsGaV dienen.

2.3 Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 BsGaV)

2.3.1 Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 Absatz 1 BsGaV)

51 Die Hilfs- und Nebenrechnung dient der steuerlichen Ergebnisberechnung der Betriebsstätte. Sie ist nach § 3 Absatz 1 Satz 1 BsGaV jeweils zum Beginn des Wirtschaftsjahrs entsprechend §§ 5 bis 17 BsGaV aufzustellen. Für die Zuordnung von Dotationskapital und übrigen Passivposten enthält die BsGaV von den inländischen Regeln für die steuerliche Gewinnermittlung abweichende Regelungen (vgl. §§ 12 bis 14 BsGaV, siehe Rn. 129 ff.), die einen Bilanzzusammenhang für die Passivposten der Hilfs- und Nebenrechnung ausschließen.

52 Die Hilfs- und Nebenrechnung ist entsprechend den Regeln, die für die steuerliche Gewinnermittlung gelten, laufend fortzuschreiben und zum Ende des Wirtschaftsjahrs abzuschließen. Sie ist nach § 3 Absatz 1 Satz 3 BsGaV spätestens zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung (Einkommensteuererklärung, Körperschaftsteuererklärung oder Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung) zu erstellen. § 148 AO ist anwendbar.

53 Ist ein ausländisches Unternehmen für seine inländische Betriebsstätte buchführungspflichtig oder führt es freiwillig Bücher, so können diese Unterlagen Ausgangspunkt für die Hilfs- und Nebenrechnung sein oder unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls der Hilfs- und Nebenrechnung entsprechen.

54 Die Regelung der Rn. 53 gilt entsprechend für ein inländisches Unternehmen, das aufgrund ausländischen Rechts für seine ausländische Betriebsstätte buchführungspflichtig ist oder freiwillig Bücher führt und die Ergebnisse der dortigen Buchführung für die deutsche Besteuerung übernimmt (§ 146 Absatz 2 Satz 3 AO).

55 Wird das Ergebnis einer ausländischen Betriebsstättenbuchführung (ggf. nach den Anpassungen i. S. d. § 146 Absatz 2 Satz 4 AO) in ausländischer Währung ermittelt, so ist es nicht zu beanstanden, wenn dieses Ergebnis unter Berücksichtigung des zum Bilanzstichtag geltenden Umrechnungskurses umgerechnet wird, d. h. ohne Berücksichtigung der Umrechnungskurse einzelner Geschäftsvorfälle und der historischen Anschaffungskosten. Diese Handhabung entspricht der weitgehenden Gleichstellung von Betriebsstätten mit Kapitalgesellschaften und damit dem Fremdvergleichsgrundsatz.

56 Hat ein Unternehmen mehrere Betriebsstätten in einem Staat, ist grundsätzlich für jede Betriebsstätte eine gesonderte Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn für die Betriebsstätten in einem Staat eine zusammengefasste Hilfs- und Nebenrechnung erstellt wird, es sei denn, die Beachtung steuerlicher Vorschriften (z. B. § 2a EStG oder die Regelungen der DBA) erfordern eine getrennte Ermittlung der jeweiligen Betriebsstätteneinkünfte. Für jede einzelne Bau- und Montagebetriebsstätte und für jede einzelne Förderbetriebsstätte ist stets eine gesonderte Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen (siehe Rn. 341).

57 Besteht im Inland zwar eine Betriebsstätte nach § 12 AO, können deren Einkünfte aber aufgrund einer Artikel 8 OECD-MA entsprechenden DBA-Regelung in Deutschland nicht besteuert werden, so ist es aus Vereinfachungsgründen nicht erforderlich, für diese Betriebsstätte eine Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen. Dies gilt nicht, wenn durch eine Betriebsstätte neben Einkünften, die unter eine Artikel 8 OECD-MA entsprechende DBA-Regelung fallen, auch andere Einkünfte erzielt werden, die nicht als Nebeneinkünfte anzusehen sind. In diesem Fall ist für diese anderen Einkünfte eine Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen. Um die in Deutschland steuerpflichtigen Betriebsstätteneinkünfte sachgerecht ermitteln zu können, sind diese von den in Deutschland nicht zu besteuernden Einkünften sachgerecht abzugrenzen. Zur Feststellung, ob im Inland zu besteuernde Einkünfte erzielt werden, ist nach § 90 Absatz 1 AO vom ausländischen Unternehmen insbesondere offen zu legen, welche Personalfunktionen (§ 3 Absatz 3 BsGaV) in der Betriebsstätte (§ 4 Absatz 1 Satz 1 BsGaV) oder für die Betriebsstätte (§ 4 Absatz 2 BsGaV) ausgeübt werden.

2.3.2 Bestandteile der Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 Absatz 2 BsGaV)

58 In der Hilfs- und Nebenrechnung sind die der Betriebsstätte zuzuordnenden Vermögenswerte, ihr Dotationskapital und die übrigen Passivposten zu erfassen (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 72 ff. und Tz. 224 ff.).

59 Ein selbst geschaffener immaterieller Wert, der bisher weder in der Bilanz noch in der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen war, wird dann Bestandteil der Hilfs- und Nebenrechnung, wenn wegen einer Änderung der Zuordnung im Verhältnis zwischen der Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen ein fiktiver Erwerb i. S. d. § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV anzunehmen ist. Zu erfassen ist demnach ein immaterieller Wert, der im übrigen Unternehmen selbst geschaffen wurde und anschließend der Betriebsstätte zuzuordnen ist (siehe Fallabwandlung 2 in Rn. 95) bzw. umgekehrt. Hingegen kann ein selbst geschaffener immaterieller Wert, der zwar der Betriebsstätte zuzuordnen ist, nach § 3 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 BsGaV nicht Bestandteil der Hilfs- und Nebenrechnung sein, wenn ein rechtlich selbständiges Unternehmen in der Situation der Betriebsstätte diesen immateriellen Wert in seiner steuerlichen Gewinnermittlung nicht erfassen würde.

60 Nach § 3 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 BsGaV sind auch die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben mit einzubeziehen, die zur Betriebsstätte gehören, weil sie in Zusammenhang mit Bestandteilen der Hilfs- und Nebenrechnung stehen, die aufgrund der ausgeübten Personalfunktion der Betriebsstätte zuzuordnen sind.

61 Auch die fiktiven Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die aufgrund anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen nach den §§ 16 und 17 BsGaV entstehen, sind nach § 3 Absatz 2 Satz 3 BsGaV in der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen, da voneinander unabhängige Unternehmen in vergleichbaren Fällen Verträge abschließen würden, die entsprechende Auswirkungen auf ihre Gewinnermittlung hätten (siehe auch § 1 Absatz 4 Satz 2 AStG). Zu den fiktiven Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben gehören auch fiktive Veräußerungsgewinne und -verluste.

Fall – Dienstleistung:

Die inländische X-GmbH hat in Staat A (DBA, das den AOA beinhaltet) eine Betriebsstätte A (A). Das übrige Unternehmen erbringt mit Personalfunktionen im Inland eine Dienstleistung für A. Die Dienstleistung verursacht Kosten von 90 und wird vom übrigen Unternehmen zum angemessenen Fremdvergleichspreis von 100 gegenüber A verrechnet.

Lösung:

A weist in der Hilfs- und Nebenrechnung fiktive Betriebsausgaben i. H. v. 100 aus. Das übrige Unternehmen erzielt fiktive Betriebseinnahmen von 100, d. h. es entsteht für das übrige Unternehmen ein Gewinn von 10.

62 Soweit eine Entstrickung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG oder eine fiktive Veräußerung nach § 12 Absatz 1 KStG vorliegt, die in der inländischen Steuerbilanz des Unternehmens im Wege einer Aufstockung zu erfassen ist, sind entsprechende Ansätze in der Hilfs- und Nebenrechnung der betreffenden ausländischen Betriebsstätte erforderlich.

Fall (1) – Überführung eines materiellen Wirtschaftsguts:

Die inländische X-GmbH (X) überführt einen Kran (Buchwert 100, gemeiner Wert/Fremdvergleichspreis 150) in ihre Betriebsstätte A (A) im Staat A (DBA, das den AOA beinhaltet).

Lösung:

Nach § 12 Absatz 1 KStG gilt die Überführung als fiktive Veräußerung des Krans zum gemeinen Wert/Fremdvergleichspreis von 150. Da der Kran unverändert Betriebsvermögen von X ist, muss er in derselben logischen Sekunde mit dem gemeinen Wert/Fremdvergleichspreis in deren Steuerbilanz angesetzt werden. Folge ist eine gewinnwirksame Erhöhung des Bilanzwerts des Krans (sog. Step up) in der Bilanz von X. Dieser Vorgang führt zwischen A und dem übrigen Unternehmen nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV zu einer fiktiven Veräußerung (anzunehmende schuldrechtliche Beziehung) des übrigen Unternehmens an A, so dass der Kran in der Hilfs- und Nebenrechnung von A mit den fiktiven Anschaffungskosten von 150 zu aktivieren und anschließend ausgehend von diesem Wert nach den allgemeinen Regeln abzuschreiben ist. Im Zeitpunkt der Überführung/fiktiven Veräußerung entsteht für das übrige Unternehmen ein Gewinn von 50. Dieser Gewinn neutralisiert sich für X infolge der erhöhten Abschreibung für A (fiktive Anschaffungskosten 150) im Laufe der Nutzungsdauer. Die Gewinnrealisierung wirkt sich letztlich – zeitlich verschoben – nur auf die Gewinnaufteilung zwischen A und dem übrigen Unternehmen aus (einmaliger Gewinn im übrigen Unternehmen von 50, erhöhte Abschreibung bezogen auf die Nutzungsdauer für A von 50).

HINWEIS:

Im umgekehrten Fall (ausländisches Unternehmen mit inländischer Betriebsstätte) liegt eine fiktive Einlage gem. § 8 Absatz 1 KStG, § 4 Absatz 1 Satz 8 Halbsatz 2 EStG vor, die mit dem gemeinen Wert (§ 6 Absatz 1 Nummer 5a EStG) zu bewerten ist. Eine entsprechend Artikel 7 OECD-MA vom Unternehmen vorgenommene Aktivierung zu 150 in der Hilfs- und Nebenrechnung der inländischen Betriebsstätte ist anzuerkennen, von dieser Basis sind Abschreibungen vorzunehmen. Im Ausland kommt es zu einer entsprechenden Gewinnrealisierung.

Fall (2) – Überführung eines immateriellen Werts:

Die inländische X-GmbH (X) hat in Staat A eine Betriebsstätte A (A). Die inländische Forschungseinrichtung von X entwickelt einen immateriellen Wert und lässt ihn zum Patent eintragen. Das Patent ist nach Fertigstellung im Jahr 05 ab dem Jahr 06 unstreitig A zuzuordnen, weil A den immateriellen Wert nutzt und das übrige Unternehmen keine Personalfunktionen mehr hinsichtlich des Patents ausübt (siehe Rn. 28).

Lösung:

Der immaterielle Wert (Patent, bzw. das zukünftige Patent) ist in den Jahren 01 bis 05 dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, denn dort sind die maßgeblichen Personalfunktionen, die zur Schaffung des Patents führten, ausgeübt worden (Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV). Die Zuordnung zu A im Jahr 06 stellt eine Zuordnungsänderung dar. Es ist ein fiktiver Anschaffungsvorgang des Patents durch A anzunehmen (fiktiver Erwerb i. S. d. § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV). Das Patent ist ab dem Jahr 06 nach § 3 Absatz 2 Nummer 1 BsGaV in der Hilfs- und Nebenrechnung von A als Aktivposten mit den fiktiven Anschaffungskosten (d. h. mit einem dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Preis, § 16 Absatz 2 BsGaV) zu erfassen. Dass X das Patent ohne diesen fiktiven Anschaffungsvorgang nach deutschem Steuerrecht nicht in seiner inländischen Bilanz ansetzen darf (Bilanzierungsverbot, § 5 Absatz 2 EStG), ist unerheblich. Gleichzeitig handelt es sich für das übrige Unternehmen um eine fiktive Veräußerung an A i. S. d. § 12 Absatz 1 KStG.

HINWEIS:

Ist im umgekehrten Fall (ausländisches Unternehmen mit inländischer Betriebsstätte) ein selbstgeschaffener (auch halbfertiger) immaterieller Wert nach ausländischem Steuerrecht in der Bilanz des ausländischen Unternehmens auszuweisen (anders als nach deutschem Steuerrecht), so hat dies keinen Einfluss auf die Behandlung in der Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte.

2.3.3 Hinweis auf die Aufzeichnungspflichten (§ 3 Absatz 3 BsGaV)

63 Das Unternehmen muss nach § 3 Absatz 3 BsGaV sicherstellen, dass es im Rahmen des § 90 Absatz 3 Satz 4 AO (siehe auch § 7 GAufzV) auf Anforderung durch die Außenprüfung Aufzeichnungen über die Gründe für die jeweilige Zuordnungsentscheidung hinsichtlich der Bestandteile der Hilfs- und Nebenrechnung und für die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen vorlegen kann. Zu den Aufzeichnungen gehören insbesondere auch Unterlagen, aus denen sich ergibt, wie die betreffenden Bestandteile der Hilfs- und Nebenrechnung und die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen im Ausland steuerlich zugeordnet und behandelt werden. Werden bei einer Außenprüfung Aufzeichnungen, die nach § 90 Absatz 3 Satz 4 AO auf Anforderung zu erstellen und vorzulegen sind, nicht fristgerecht oder nur in unverwertbarer Qualität vorgelegt, können Schätzungen und Zuschläge nach § 162 Absatz 3 und 4 AO notwendig werden.

2.3.4 Begründung und Beendigung einer Betriebsstätte (§ 3 Absatz 4 BsGaV)
2.3.4.1 Begründung einer Betriebsstätte

64 Wird eine Betriebsstätte begründet, ist nach § 3 Absatz 4 Satz 1 BsGaV zu diesem Zeitpunkt erstmals eine Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen. Dies gilt auch, wenn sich erst nachträglich herausstellt, dass eine Betriebsstätte begründet wurde (z. B. Fristüberschreitung für Bau- und Montagebetriebsstätten, unbeabsichtigte und unerkannte Betriebsstättenbegründung). Für den fiktiven Erwerb bzw. die fiktive Überlassung von Vermögenswerten sowie für die Zuordnung von Passivposten gelten auch in diesen Fällen die allgemeinen Grundsätze.

65 In den Fällen, in denen die Begründung einer Betriebsstätte, d. h. ihr tatsächliches Entstehen, nicht erkannt wurde und eine Hilfs- und Nebenrechnung nicht nachträglich erstellt werden kann, kann eine Schätzung nach § 162 AO notwendig werden.

66 Aufwendungen, die vor der Begründung einer Betriebsstätte aber in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit ihrem Entstehen und im Hinblick auf ihre Tätigkeit anfallen (Vorlaufkosten), sind dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, denn einer Betriebsstätte können vor ihrem Entstehen keine Personalfunktionen zugeordnet werden (siehe Rn. 71).

67 Dienen Vorlaufkosten der Erzielung von im Inland nach DBA-Regelungen freigestellten Betriebsstätteneinkünften, so sind sie nach dem Veranlassungsprinzip (§ 4 Absatz 4 EStG) im Inland nicht abziehbar (, BStBl 1983 II S. 566; , BStBl 1999 II S. 293; vgl. OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 221 ff.). Dies gilt auch dann, wenn es gar nicht zum Entstehen der geplanten ausländischen Betriebsstätte kommt (, BStBl II S. 703). Weist das Unternehmen allerdings nach, dass Vorlaufkosten der Erbringung von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen (§ 16 BsGaV) dienen, die für das übrige Unternehmen zu steuerpflichtigen Einkünften führen, sind sie insoweit beim übrigen Unternehmen abziehbar.

2.3.4.2 Beendigung einer Betriebsstätte

68 Wird eine Betriebsstätte beendet, ist die Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 Absatz 4 Satz 2 BsGaV zu diesem Zeitpunkt abzuschließen. Alle noch vorhandenen Vermögenswerte und Passivposten der Betriebsstätte gelten fiktiv als an das übrige Unternehmen zu Fremdvergleichswerten veräußert (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), der fiktive Veräußerungserlös ist nach § 3 Absatz 4 Satz 2 BsGaV in der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen. Eine entsprechende Anwendung des § 11 KStG auf eine Betriebsstätte scheidet auch in den Fällen aus, in denen das Unternehmen, dessen Teil die Betriebsstätte ist, nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist.

Fall – Beendigung einer Betriebsstätte:

Unternehmen X im Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B), die in der Hilfs- und Nebenrechnung eine Maschine ausweist. B wird beendet.

Lösung:

Mit der Beendigung von B ist eine fiktive Veräußerung der Maschine an das übrige Unternehmen (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV) anzunehmen, unabhängig davon, ob die Maschine in Staat B verbleibt oder nicht.

69 Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben in Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte, die zu einem Zeitpunkt anfallen, zu dem die Betriebsstätte nicht mehr besteht, gehören nicht zu den Einkünften der Betriebsstätte, sondern zu den Einkünften des übrigen Unternehmens. Denn nach § 3 Absatz 4 Satz 2 BsGaV gelten die zugrunde liegenden Geschäftsvorfälle und Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsstätte als fiktiv an das übrige Unternehmen veräußert (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV).

2.3.5 Hilfs- und Nebenrechnung für die Betriebsstätte eines nicht bilanzierenden Unternehmens (§ 3 Absatz 5 BsGaV)

70 In Fällen, in denen das Unternehmen, zu dem die Betriebsstätte gehört, weder nach inländischem noch nach ausländischem Recht buchführungspflichtig ist und tatsächlich auch keine Bücher führt, ist die Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 Absatz 5 BsGaV entsprechend einer Einnahmenüberschussrechnung i. S. d. § 4 Absatz 3 EStG zu erstellen. § 6 Absatz 7 EStG ist entsprechend anzuwenden, d. h. die Abschreibungen sind ausgehend von den fiktiven Anschaffungskosten zu bemessen. Entsprechend § 3 Absatz 4 BsGaV ist auch in diesen Fällen zum Zeitpunkt der Begründung der Betriebsstätte mit der Hilfs- und Nebenrechnung zu beginnen. Im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsstätte ist die Hilfs- und Nebenrechnung so abzuschließen, dass sie den Übergang der Vermögenswerte und Passivposten zu Werten enthält, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen.

2.4 Zuordnung von Personalfunktionen (§ 4 BsGaV)

2.4.1 Grundsatz (§ 4 Absatz 1 BsGaV)

71 Für die Zuordnung einer Personalfunktion kommt es nach § 4 Absatz 1 Satz 1 BsGaV in erster Linie darauf an, in welcher Betriebsstätte die Personalfunktion ausgeübt wird (Vermutungsregelung). Die Zuordnung ist grundsätzlich unabhängig von der Dauer der Ausübung.

72 Eine Personalfunktion, die in einer Betriebsstätte ausgeübt wird, ist ihr nach § 4 Absatz 1 Satz 2 BsGaV jedoch nicht zuzuordnen, wenn die Personalfunktion keinen sachlichen Bezug zur Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte aufweist und wenn die Personalfunktion dort nur kurzfristig, d. h. an weniger als 30 Arbeitstagen innerhalb eines Wirtschaftsjahrs, ausgeübt wird.

Grundfall – Vorbereitende Tätigkeit:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B Betriebsstätte B (B) und in Staat C Betriebsstätte C (C). Ein Arbeitnehmer N (N) von X reist für drei Wochen zu B, um sich dort für eine Tätigkeit in Staat C für C vorzubereiten. Es besteht keine sachliche Verbindung zwischen seiner (vorbereitenden) Tätigkeit im Staat B und der Geschäftstätigkeit von B.

Lösung:

Die Tätigkeit von N ist nach § 4 Absatz 1 Satz 2 BsGaV keine Personalfunktion von B, sondern gem. § 4 Absatz 2 Satz 1 1. Alternative BsGaV eine Personalfunktion von C. Die Nutzung der Infrastruktur von B ist ggf. vom übrigen Unternehmen (hier im Ergebnis von C) zu vergüten (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV).

Abwandlung (zur Abgrenzung):

N ist länger als 30 Tage, d. h. nicht nur kurzfristig, bei B tätig.

Lösung:

Die Tätigkeit von N ist nach § 4 Absatz 1 Satz 2 BsGaV eine Personalfunktion von B, da N die Infrastruktur von B nicht nur kurzfristig nutzt. Die Ergebnisse der vorbereitenden Tätigkeit von N in B sind vom übrigen Unternehmen (hier im Ergebnis von C) angemessen zu vergüten (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV).

73 Als Folge der Zuordnung einer Personalfunktion zu einer Betriebsstätte sind der Betriebsstätte neben dem zugehörigen Personalaufwand auch die durch die Personalfunktion verursachten Erträge zuzuordnen. Aus der Zuordnung einer Personalfunktion zu einer Betriebsstätte können sich auch Gründe für die Zuordnung z. B. von Vermögenswerten ergeben.

2.4.2 Besondere Fälle der Zuordnung von Personalfunktionen (§ 4 Absatz 2 BsGaV)

74 Gibt die örtliche Ausübung einer Personalfunktion keine Entscheidung für die Zuordnung vor, weil

  • die Personalfunktion weder in der Betriebsstätte noch im übrigen Unternehmen ausgeübt wird (z. B. Reisetätigkeit) oder

  • das Personal des Unternehmens die Funktion nur kurzfristig in einer Betriebsstätte ausübt, zu der die Personalfunktion sonst keinen sachlichen Bezug aufweist (§ 4 Absatz 1 Satz 2 BsGaV),

so ist die Personalfunktion nach § 4 Absatz 2 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, zu der die Personalfunktion sachlich den engsten Bezug aufweist (siehe Rn. 72 Grundfall).

2.4.3 Zuordnung einer Personalfunktion in Zweifelsfällen (§ 4 Absatz 3 BsGaV)

75 Kann eine Personalfunktion weder nach § 4 Absatz 1 noch nach § 4 Absatz 2 BsGaV zugeordnet werden, so räumt § 4 Absatz 3 BsGaV dem Unternehmen einen Beurteilungsspielraum für die Zuordnung der Personalfunktion ein. Die Zuordnung der Personalfunktion muss sich aber so weit wie möglich an den Kriterien des § 4 Absatz 1 und 2 BsGaV orientieren. Die Zuordnung der Personalfunktion muss spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgt sein und ggf. anhand eindeutiger Aufzeichnungen (§ 90 Absatz 3 AO, siehe auch Rn. 63) begründet werden können (§ 3 Absatz 2 Satz 4 BsGaV). Anderenfalls kann eine Schätzung nach § 162 AO erforderlich werden. Die anteilige Zuordnung einer Personalfunktion ist nicht anzuerkennen.

Fall – Keine eindeutige Zuordnung einer Personalfunktion:

Das Produktionsunternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B Betriebsstätte B (B) und in Staat C Betriebsstätte C (C). X betreibt einen Messestand im Staat M. Der Angestellte N, der üblicherweise im Staat A für X arbeitet, berät und bedient auf der Messe die Kunden von B und C. Der Messestand erfüllt selbst nicht den Tatbestand einer Betriebsstätte.

Lösung:

Da es nicht möglich ist, die auf dem Messestand von N ausgeübte Personalfunktion eindeutig einer der Betriebsstätten zuzuordnen (§ 4 Absatz 1 oder 2 BsGaV) hat X einen Beurteilungsspielraum (§ 4 Absatz 3 BsGaV): X kann die in M von N erbrachte Personalfunktion entweder der inländischen Betriebsstätte oder B oder C zuordnen. X hat sicherzustellen, dass die Aufzeichnungspflichten (siehe Rn. 63) erfüllt werden können. Fiktiv erbrachte Dienstleitungen sind nach § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV angemessen zu verrechnen.

2.5 Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern (§ 5 BsGaV)

2.5.1 Grundsatz (§ 5 Absatz 1 BsGaV)

76 Ein materielles Wirtschaftsgut ist nach der Vermutungsregelung des § 5 Absatz 1 Satz 1 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, in der es genutzt wird, da die Nutzung materieller Wirtschaftsgüter insofern als maßgebliche Personalfunktion gilt (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 75). Unter Nutzung i. S. d. § 5 Absatz 1 Satz 1 BsGaV ist der unmittelbare Verbrauch des materiellen Wirtschaftsguts, d. h. dessen Wertverzehr, zu verstehen. Besonderheiten gelten im Zusammenhang mit Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnlichen Vermögenswerten (§ 7 BsGaV). Da die Nutzung eines materiellen Vermögenswerts immer nur an einem Ort (in einer bestimmten Betriebsstätte) möglich ist, sind Fälle von Funktionsaufteilungen (siehe Rn. 42) im Regelfall nicht möglich (siehe aber Rn. 79).

Fall (1) – Grundfall:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Eine Maschine wird von Personal von B für eigene betriebliche Zwecke angeschafft und anschließend genutzt.

Lösung:

Die Maschine ist B nach § 5 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen und als Bestandteil der Hilfs- und Nebenrechnung von B (§ 3 BsGaV) auszuweisen.

Fall (2) – Nutzung durch Nutzungsüberlassung:

Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Eine Maschine wird von Personal von B angeschafft, und anschließend an ein unabhängiges Unternehmen Y (Y) vermietet.

Lösung:

Die Maschine ist B aufgrund der Nutzung (Vermietung) nach § 5 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen.

Fallfortführung zu Fall (2):

X hat in Staat C die Betriebsstätte C (C). Nach der Vermietung an Y (dieser Geschäftsvorfall ist B nach § 9 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen) wird die Maschine auf Dauer von C genutzt.

Lösung:

Die Maschine ist dem übrigen Unternehmen (hier C) zuzuordnen, denn die tatsächliche Nutzung durch C hat wegen der Vermutungsregelung des § 5 Absatz 1 BsGaV Vorrang gegenüber der denkbaren fiktiven Nutzungsüberlassung von B an C.

Fall (3) – Herstellung; Behandlung eines unternehmensinternen fiktiven Anschaffungsvorgangs:

Geschäftszweck des Unternehmens X (X) in Staat A ist u. a. die Herstellung von Spezialmaschinen. X hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Im Jahr 01 beginnt im übrigen Unternehmen die Fertigung einer Maschine, die für B vorgesehen ist. Die Maschine wird in 02 ausgeliefert und anschließend von B genutzt.

Lösung:

Die Maschine ist B mit Beginn der Nutzung in 02 zuzuordnen (§ 5 Absatz 1 BsGaV – Vermutungsregelung). In der Zeit davor ist das unfertige Erzeugnis dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, da bis zur Nutzung die Herstellung nach § 5 Absatz 2 BsGaV die maßgebliche Personalfunktion ist. Mit Beginn der Nutzung in 02 durch B gilt die Maschine als fiktiv an diese veräußert (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV). Für die fiktive Veräußerung ist ein Verrechnungspreis anzusetzen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

77 Wechselt die Nutzung eines materiellen Wirtschaftsguts auf Dauer, d. h. unbefristet, von einer Betriebsstätte zu einer anderen, führt das nach § 5 Absatz 1 Satz 2 BsGaV zum Zeitpunkt der Nutzungsänderung zu einer geänderten Zuordnung (fiktive Veräußerung, § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), weil die maßgebliche Personalfunktion (Nutzung) nicht mehr in der bisher nutzenden Betriebsstätte, sondern in der anderen Betriebsstätte ausgeübt wird.

Fall – Dauerhafter Nutzungswechsel:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B), die für ihre betrieblichen Zwecke einen PKW erwirbt. Nach einem Jahr wird der PKW nicht mehr für B benötigt. Er wird auf Dauer für die betrieblichen Zwecke des übrigen Unternehmens (hier für die der Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Staat A) verwendet. Der PKW wird weiterhin in der Hilfs- und Nebenrechnung von B erfasst und ein fremdübliches Entgelt für die fiktive Nutzungsüberlassung von B an X angesetzt.

Lösung:

B ist der PKW wegen des Erwerbs und der anschließenden Nutzung zuzuordnen (§ 5 Absatz 1 Satz 1 BsGaV). Nach Beendigung der Nutzung durch B ist der PKW nach § 5 Absatz 1 Satz 2 BsGaV dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, da ihn das übrige Unternehmen (hier die Geschäftsleitungsbetriebsstätte) auf Dauer nutzt. Der Nutzungsübergang führt zu einer fiktiven Veräußerung an das übrige Unternehmen (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), für die nach § 16 Absatz 2 BsGaV ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Betrag zu verrechnen ist. Die steuerliche Behandlung des Vorgangs durch X ist entsprechend zu berichtigen.

78 Wechselt die Nutzung vorübergehend zu einer anderen Betriebsstätte, führt dies zu einer fiktiven Nutzungsüberlassung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) ohne Änderung der Zuordnung, wenn die bisher nutzende Betriebsstätte weiterhin Personalfunktionen hinsichtlich des materiellen Wirtschaftsguts ausübt oder absehbar ist, dass sie das Wirtschaftsgut in Zukunft wieder nutzen wird.

Abwandlung 1 zu Fall Rn. 77 – Vorübergehender Nutzungswechsel:

Der PKW wird nicht auf Dauer, sondern nur für vier Monate für betriebliche Zwecke des übrigen Unternehmens (hier der Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Staat A) verwendet, danach wird er wieder von B genutzt. X hat den PKW weiterhin in der Hilfs- und Nebenrechnung von B erfasst und ein fremdübliches Entgelt für die fiktive Nutzungsüberlassung an das übrige Unternehmen angesetzt.

Lösung:

Da die Nutzung des PKW nur vorübergehend wechselt und absehbar ist, dass B den PKW in Zukunft wieder nutzen wird, ist keine Änderung der Zuordnung vorzunehmen. Es ist eine fiktive Nutzungsüberlassung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) an das übrige Unternehmen anzunehmen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend zu vergüten ist (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

79 Wechselt die Nutzung eines materiellen Wirtschaftsguts häufig, d. h. mehr als zweimal innerhalb eines Kalenderjahrs zwischen verschiedenen Betriebsstätten, ist nach § 5 Absatz 1 Satz 3 BsGaV für die Zuordnung des materiellen Wirtschaftsguts darauf abzustellen, in welcher Betriebsstätte es überwiegend genutzt wird. Dies ist anhand einer Prognose (siehe Rn. 44), die sich auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer bezieht, zu entscheiden. Dadurch wird vermieden, dass häufig fiktive Veräußerungen (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV) anzunehmen sind, die dazu führen, dass die vorhandenen stillen Reserven jeweils festgestellt und versteuert werden müssten. Im Verhältnis der Betriebsstätte, der das materielle Wirtschaftsgut zuzuordnen ist, zu anderen Betriebsstätten, die das materielle Wirtschaftsgut nutzen, liegen fiktive Nutzungsüberlassungen vor (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV).

Abwandlung 2 zu Fall Rn. 77 – Häufiger Nutzungswechsel:

Der PKW wird über das Jahr abwechselnd in verschiedenen Betriebsstätten von X genutzt, auf Dauer überwiegend von B.

Lösung:

Für die Zuordnung ist darauf abzustellen, dass das Fahrzeug voraussichtlich überwiegend von B genutzt wird (§ 5 Absatz 1 Satz 3 BsGaV). Eine Betrachtung, die über ein Wirtschaftsjahr hinausgeht und Prognosen berücksichtigt, kann auch in derartigen Fällen sachgerecht sein (siehe auch Rn. 44). Zu Lasten der übrigen Betriebsstätten, die das Fahrzeug auch nutzen, sind dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende, fiktive Nutzungsentgelte anzusetzen (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

2.5.2 Abweichende Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts (§ 5 Absatz 2 BsGaV)

80 Überwiegt die Bedeutung einer anderen, im übrigen Unternehmen ausgeübten Personalfunktion für ein materielles Wirtschaftsgut eindeutig gegenüber der Nutzung (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), so ist die betreffende andere Personalfunktion nach § 5 Absatz 2 Satz 1 BsGaV entgegen der Vermutungsregelung des § 5 Absatz 1 BsGaV für die Zuordnung des materiellen Wirtschaftsguts maßgeblich. Andere Personalfunktionen, die die Bedeutung der Nutzung im Einzelfall überwiegen können, sind insbesondere solche, die in Zusammenhang mit der Anschaffung, Herstellung, Verwaltung oder Veräußerung des materiellen Wirtschaftsguts stehen. Die Verwaltung allein wird im Regelfall kaum die Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts (wie auch anderer Zuordnungsgegenstände) rechtfertigen.

Fall – Lohnfertiger:

Ein Produktionsunternehmen X (X) in Staat A hat eine Produktionsbetriebsstätte B (B) in Staat B, die ausschließlich Erzeugnisse für X fertigt. In der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A wird darüber entschieden, welche Maschinen für B angeschafft werden, wie und wann sie von wem gewartet werden, wie sie weiterverwertet oder ob sie verschrottet werden. Das Personal des übrigen Unternehmens gibt auch vor, welches Material von B verwendet wird. Sämtliche von B hergestellten Produkte werden von Personal des übrigen Unternehmens weiterverwertet bzw. vermarktet.

Lösung:

Die von B ausgeübten Personalfunktionen (Nutzung) sind für die Zuordnung der verwendeten Maschinen, des Produktionsmaterials und der hergestellten Produkte nicht maßgeblich, da von B keine Entscheidungen im Hinblick auf diese Zuordnungsgegenstände getroffen werden. Die Bedeutung der Nutzung tritt entgegen der Vermutungsregelung des § 5 Absatz 1 BsGaV nach qualitativen Gesichtspunkten (siehe Rn. 43) eindeutig hinter die Bedeutung der Personalfunktionen, die im übrigen Unternehmen ausgeübt werden, zurück. Die Maschinen sind gem. § 5 Absatz 2 BsGaV dem übrigen Unternehmen zuzuordnen. Ungeachtet dessen sind die tatsächlich von B ausgeübten Funktionen (fiktiver Lohnfertiger) angemessen zu vergüten (im Regelfall nach der Kostenaufschlagsmethode oder nach einer kostenorientierten transaktionsbezogenen Nettomargen-Methode).

81 Ein materielles Wirtschaftsgut kann einer Betriebsstätte auch aufgrund einer anderen Personalfunktion i. S. d. § 5 Absatz 2 BsGaV zuzuordnen sein, ohne dass die Nutzung eine Rolle spielt. Es kann darüber hinaus auch aufgrund anderer Personalfunktionen, die in verschiedenen Betriebsstätten ausgeübt werden, zu einer Zuordnungsänderung kommen.

Fall – Zuordnung aufgrund anderer Personalfunktionen:

Das inländische Unternehmen X (X) hat in Staat P eine Produktionsbetriebsstätte P (P), in der Waren zum Verkauf für eine Vertriebsbetriebsstätte V (V) in Staat V gefertigt und dorthin geliefert werden.

Lösung:

Die Waren sind nach § 5 Absatz 2 BsGaV wegen der Herstellung P zuzuordnen. Werden die Waren an V geliefert, liegt eine fiktive Veräußerung von P an das übrige Unternehmen vor (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), denn P übt im Regelfall nach der Lieferung keine Personalfunktionen hinsichtlich der Waren mehr aus (siehe Rn. 47). Nach der Lieferung an V übt nur noch V eine Personalfunktion i. S. d. § 5 Absatz 2 BsGaV aus: Vermarktung der Waren. Deshalb sind V die Waren nach der Lieferung zuzuordnen, sie gelten als vom übrigen Unternehmen an V fiktiv veräußert. Dafür ist ein Verrechnungspreis anzusetzen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

82 Unbewegliches Vermögen, in dem die Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte ausgeübt wird, ist nach § 5 Absatz 2 Satz 3 BsGaV immer dieser Betriebsstätte zuzuordnen, da das Besteuerungsrecht für unbewegliches Vermögen dem Staat zusteht, in dem die Betriebsstätte liegt (siehe auch Artikel 6 OECD-MA).

Fall – Grundvermögen der Betriebsstätte:

Das inländische Unternehmen X hat eine Betriebsstätte A (A) in Staat A, die in eigenen Räumlichkeiten Produkte des Unternehmens X vertreibt.

Lösung:

Die zum Vertrieb genutzten eigenen Räumlichkeiten in Staat A sind nach § 5 Absatz 2 Satz 3 BsGaV der A zuzuordnen.

2.5.3 Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts, wenn andere Personalfunktionen gleichzeitig in verschiedenen anderen Betriebsstätten ausgeübt werden (§ 5 Absatz 3 BsGaV)

83 Sind andere Personalfunktionen (nicht die Nutzung), die gleichzeitig in verschiedenen anderen Betriebsstätten ausgeübt werden, im Einzelfall eindeutig von größerer Bedeutung für ein materielles Wirtschaftsgut als die Nutzung (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), so ist das materielle Wirtschaftsgut nach § 5 Absatz 3 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, in der die andere Personalfunktion mit der größten Bedeutung ausgeübt wird.

Fall (1) – Andere Personalfunktionen von größerer Bedeutung:

Das inländische Unternehmen X ist Eigentümer eines Fahrzeugs, das von der Geschäftsleitungsbetriebsstätte D erworben wurde und – soweit absehbar – nach einer begrenzten kurzfristig wechselnden Nutzung in verschiedenen, zu X gehörenden ausländischen Betriebsstätten von D veräußert wird. Die gesamte Wartung (Reparatur, Service, TÜV usw.) wird von einer Betriebsstätte R in Staat R erledigt.

Lösung:

Die Funktions- und Risikoanalyse führt zu dem Ergebnis, dass die kurzfristig abwechselnde Nutzung durch verschiedene ausländische Betriebsstätten entgegen der Vermutungsregelung des § 5 Absatz 1 BsGaV eindeutig von untergeordneter Bedeutung ist, sowohl gegenüber dem Erwerb und der Veräußerung durch D einerseits, als auch gegenüber der Wartung durch R andererseits. Im Verhältnis zwischen Erwerb/Veräußerung und Wartung überwiegen in der Bedeutung Erwerb/Veräußerung. Das Dienstfahrzeug ist D nach § 5 Absatz 3 BsGaV zuzuordnen.

Fall (2) – Nur andere Personalfunktionen als die Nutzung:

Das inländische Handelsunternehmen X (X) hat in Staat A die Betriebsstätte A (A), die Waren erwirbt, die anschließend von der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte X (X) vertrieben werden. A hat für die Beschaffung die Vorgaben (Qualität, Quantität) von X einzuhalten.

Lösung:

Die von X ausgeübten Personalfunktionen (Veräußerung, Vorgaben von X für A, keine Nutzung, siehe Rn. 76) sind eindeutig von größerer Bedeutung als die bloße Beschaffungsfunktion durch A. Die erworbenen Waren sind X nach § 5 Absatz 3 BsGaV zuzuordnen.

2.5.4 Zweifelsfälle der Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts (§ 5 Absatz 4 BsGaV)

84 Kann ein materielles Wirtschaftsgut nicht eindeutig nach § 5 Absatz 1 bis 3 BsGaV zugeordnet werden (Hinweis insbesondere auf Rn. 43), steht dem Unternehmen ein Beurteilungsspielraum für die Zuordnung des materiellen Wirtschaftsguts zu. Die Zuordnung muss sich aber so weit wie möglich an den Grundsätzen des § 5 Absatz 1 bis 3 BsGaV orientieren. Das bedeutet, dass in Zweifelsfällen vorrangig die Vermutungsregelung des § 5 Absatz 1 BsGaV greift. Der Beurteilungsspielraum kommt vor allem in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz zwischen anderen Personalfunktionen i. S. d. § 5 Absatz 2 BsGaV in Betracht (siehe Rn. 43). Die Entscheidung über die Zuordnung des materiellen Wirtschaftsguts nach § 5 Absatz 4 BsGaV muss

  • nach § 3 Absatz 3 BsGaV spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgen,

  • auch im jeweils anderen Staat der Besteuerung zugrunde gelegt werden und

  • anhand eindeutiger Aufzeichnungen (siehe Rn. 63) nach § 90 Absatz 3 AO begründet werden können.

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann eine Schätzung nach § 162 AO erforderlich werden. Eine anteilige Zuordnung ist – anders als für immaterielle Werte (siehe Rn. 101) – nicht anzuerkennen

2.6 Zuordnung von immateriellen Werten (§ 6 BsGaV)

2.6.1 Grundsatz (§ 6 Absatz 1 BsGaV)

85 Die maßgebliche Personalfunktion für die Zuordnung von immateriellen Werten (Patent, Marke, Know-how, Geschäftswert usw.) ist nach § 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV vorrangig deren Schaffung (erste Vermutungsregelung) oder deren Erwerb (zweite Vermutungsregelung).

86 Unter Schaffung (bzw. Herstellung) eines immateriellen Werts (§ 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV) ist die Ausübung einer Personalfunktion zu verstehen, die für die Entstehung des immateriellen Werts entscheidend ist. Zur Schaffung eines immateriellen Werts gehören nicht nur die eigentlichen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten. Mit umfasst werden z. B. auch (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 88):

  • die Gestaltung der Prüfanforderungen und Prüfverfahren, die den Rahmen für die konkrete Forschungs- und Entwicklungstätigkeit bilden,

  • die Analyse der aus diesen Prüfungen stammenden Daten,

  • die Bestimmung von Entwicklungsphasen (sog. Meilensteine) für das jeweilige Projekt sowie

  • die Entscheidung, insbesondere wenn die jeweiligen Entwicklungsphasen abgeschlossen werden, ob das konkrete Projekt weiterfinanziert oder aufgegeben wird.

87 Unter Erwerb (bzw. Anschaffung) eines immateriellen Werts (§ 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV) ist die Ausübung einer Personalfunktion zu verstehen, die für den Erwerb des immateriellen Werts entscheidend ist. Zum Erwerb eines immateriellen Werts gehört nicht nur die Durchführung des eigentlichen Erwerbsvorgangs. Mit umfasst werden z. B. auch (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 93 bis Tz. 94):

  • die Prüfung, ob Bedarf für einen solchen immateriellen Wert besteht,

  • der Entscheidungsprozess, einen immateriellen Wert zu erwerben und nicht selbst zu entwickeln,

  • die Prüfung des zu erwerbenden bzw. des erworbenen immateriellen Werts,

  • die Wahrnehmung einer etwa erforderlichen Folgeentwicklungstätigkeit sowie

  • die Entscheidung über die Verwendung des immateriellen Werts.

88 Von besonderer Bedeutung für die Zuordnung sind die in einer Betriebsstätte ausgeübten maßgeblichen Personalfunktionen mit Bezug zur aktiven und qualifizierten unternehmerischen Entscheidung hinsichtlich der Übernahme der mit der Schaffung bzw. dem Erwerb des immateriellen Werts verbundenen Risiken und des aktiven Risikomanagements (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 84 bis Tz. 97).

89 Nicht entscheidend ist, wer formal die Entscheidung trifft, insbesondere wenn der betreffende Entscheidungsträger selbst nicht über die Qualifikation für eine verantwortliche Entscheidung verfügt (siehe Rn. 40). Andererseits begründet die Wahrnehmung der unmittelbar mit dem Erwerb oder der technischen Entwicklung eines immateriellen Werts verbundenen Funktion durch eine Betriebsstätte allein nicht zwingend eine entsprechende Zuordnung des immateriellen Werts, wenn die inhaltliche Entscheidung hinsichtlich der Risikoübernahme und des Risikomanagements in einer anderen Betriebsstätte getroffen wird (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 84).

Fall – Formale Entscheidung:

Das Produktionsunternehmen X (X) in Staat A will einen immateriellen Wert in seiner Betriebsstätte B (B) im Staat B entwickeln. Personal von B plant das Projekt (einschließlich der Planung der Meilensteine und des Budgets). Auf Grundlage dieser Planung beschließt der Vorstand von X in Staat A, das Projekt durchzuführen. Die Budgetkontrolle und die Kontrolle der Erreichung der Meilensteine erfolgen durch B.

Lösung:

Der immaterielle Wert ist nach § 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV B zuzuordnen, denn maßgebliche Personalfunktion ist nicht der formale Vorstandsbeschluss in Staat A, sondern vielmehr die Planungsarbeiten einschließlich Budgetplanung und die operative Umsetzung des Projekts durch B.

Abwandlung – Zur Abgrenzung:

Sachverhalt unverändert, aber das aktive Management nach Abschluss der Planungsarbeiten durch B (z. B. Budgetkontrolle, Kontrolle der Erreichung der Meilensteine) wird in Staat A durchgeführt.

Lösung:

Personalfunktionen im Hinblick auf die Schaffung des immateriellen Werts werden sowohl von X im Staat A als auch von B ausgeübt. Der immaterielle Wert ist nach § 6 Absatz 1 Satz 2 BsGaV dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, da dessen Personalfunktionen (aktives Management) qualitativ (siehe Rn. 42) größere Bedeutung zukommt als den Personalfunktionen von B.

90 Wird die betreffende Personalfunktion i. S. d. § 6 Absatz 1 BsGaV (Schaffung bzw. Erwerb des immateriellen Werts) gleichzeitig von zwei oder mehreren Personen, die zum eigenen Personal des Unternehmens gehören, in zwei oder mehreren Betriebsstätten ausgeübt (Funktionsaufteilung, siehe Rn. 42), so ist der immaterielle Wert der Betriebsstätte zuzuordnen, die die betreffende Personalfunktion mit der größten Bedeutung ausübt (§ 6 Absatz 1 Satz 2 BsGaV). Im Regelfall kommt es auf qualitative Kriterien an.

Fall – Qualitative Entscheidung (1):

Das Unternehmen X (X) im Staat X hat in Staat A eine Forschungs- und Entwicklungsbetriebsstätte A (A). Für die erfolgreiche Schaffung eines bestimmten immateriellen Werts ist der sachliche Beitrag von zwei Wissenschaftler-Teams ausschlaggebend, die gemeinsam an dem Projekt arbeiten. Eines der Teams arbeitet im Staat X (Personalkosten 100), das andere im Staat A (Personalkosten 40). Die maßgeblichen Entscheidungen, die mit der Entwicklung des immateriellen Werts verbundenen Risiken, insbesondere die finanziellen Risiken, zu übernehmen sowie das Management der Entwicklung des immateriellen Werts, werden gemeinsam von Personal in Staat X und von Personal von A getroffen. X trägt vor, dass für die erfolgreiche Schaffung des immateriellen Werts der Beitrag des Wissenschaftlers W ausschlaggebend sei, der in A tätig ist. A ist im Übrigen an den unternehmerischen Entscheidungen, die mit der Entwicklung des immateriellen Werts verbundenen Risiken, insbesondere die finanziellen Risiken, zu übernehmen sowie am Management der Entwicklung des immateriellen Werts beteiligt.

Lösung:

Sowohl von A als auch vom übrigen Unternehmen werden Personalfunktionen im Hinblick auf die Schaffung des immateriellen Werts ausgeübt. Über die Zuordnung des immateriellen Werts ist in Fällen von Funktionsaufteilung nach § 6 Absatz 1 Satz 2 BsGaV vorrangig nach qualitativen Gesichtspunkten zu entscheiden (siehe Rn. 42). Wird nachgewiesen, dass die in A ausgeübten Personalfunktionen nach qualitativen Gesichtspunkten überwiegen, ist der immaterielle Wert A zuzuordnen. Die im übrigen Unternehmen (im Staat X) erbrachten Forschungs- und Entwicklungsleistungen (fiktive Dienstleistung, § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) sind dem übrigen Unternehmen von A dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend zu vergüten (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

HINWEIS – Quantitative Entscheidung:

Kann der Nachweis des qualitativen Überwiegens nicht geführt werden, z. B. weil beide Wissenschaftler-Teams qualitativ vergleichbare Beiträge erbringen, ist ausnahmsweise (siehe Rn. 42) auf quantitative Gesichtspunkte abzustellen, z. B. auf die jeweiligen Personalkosten der Wissenschaftler-Teams.

Fall – Qualitative Entscheidung (2):

Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Die technische Forschungs- und Entwicklungstätigkeit zur Schaffung eines immateriellen Werts wird ganz überwiegend im Staat B geleistet, in deutlich geringerem Umfang im übrigen Unternehmen im Staat X. Allerdings ist die Entwicklung des immateriellen Werts Teil einer Forschungs- und Entwicklungsstrategie, die die Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Staat X durch eigene Tätigkeit und durch Beauftragung anderer Betriebsstätten verwirklicht, d. h. die maßgeblichen Entscheidungen, die mit der Entwicklung des immateriellen Werts verbundenen Risiken, insbesondere die finanziellen Risiken, zu übernehmen sowie das Management der Entwicklung des immateriellen Werts erfolgen ausschließlich im Staat X.

Lösung:

Für die Zuordnung des immateriellen Werts nach § 6 Absatz 1 Satz 2 BsGaV ist nach qualitativen Gesichtspunkten (siehe Rn. 42) die Personalfunktion des übrigen Unternehmens maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 5 BsGaV (siehe OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 84 und Tz. 85). Die Leistungen der Forschungs- und Entwicklungsbetriebsstätte im Staat B (fiktive Auftragsforschung, § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) sind dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend vom übrigen Unternehmen zu vergüten (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

91 Wegen der vielfältigen Zuordnungsmöglichkeiten für immaterielle Werte wird über die Zuordnung in vielen Fällen nicht eindeutig entschieden werden können. Im Regelfall der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) zwischen Personalfunktionen nach § 6 Absatz 1 BsGaV und anderen Personalfunktionen (§ 6 Absatz 2 BsGaV) greift die Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV ein, d. h. es bleibt jedenfalls so lange bei der Zuordnung nach der Vermutungsregelung, wie in der betreffenden Betriebsstätte, in der der immaterielle Wert geschaffen oder angeschafft wurde, noch Personalfunktionen (auch untergeordnete) ausgeübt werden. Solange dies der Fall ist, ist über die Zuordnung des immateriellen Werts nach den insgesamt über den gesamten Entwicklungs- und Nutzungszeitraum ausgeübten Personalfunktionen (teilweise Prognose) zu entscheiden (siehe Rn. 44). Kann kein eindeutiges Überwiegen der Bedeutung einer anderen Personalfunktion i. S. d. § 6 Absatz 2 BsGaV festgestellt werden, so bleibt es bei der Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV, d. h. es kommt zu keinem Zuordnungswechsel nach § 16 Absatz 1 Satz 1 BsGaV.

Fall – Vermutungsregelung:

Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B) und in Staat C eine Betriebsstätte C (C). B entwickelt einen immateriellen Wert, der nach Abschluss der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ausschließlich von C genutzt wird. B entwickelt den immateriellen Wert weiter.

Lösung:

Wenn – was zu vermuten ist – nicht eindeutig festgestellt werden kann, dass die Forschung und Entwicklung einschließlich der Weiterentwicklung durch B von geringerer Bedeutung für den immateriellen Wert ist als die Nutzung durch C, greift die Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV ein. Es kommt zu keiner Zuordnungsänderung (keine fiktive Veräußerung nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV). Es liegt eine fiktive Lizenzierung von B an C vor (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV), die entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz zu vergüten ist.

Alternative – Zur Abgrenzung:

Nicht B, sondern C entwickelt den immateriellen Wert weiter und nutzt und verwertet ihn (eigene Produktion, Lizenzierung an andere Unternehmen). B übernimmt für den immateriellen Wert nur noch die allgemeine Verwaltung.

Lösung:

Nach den Umständen des konkreten Falls kommt den Personalfunktionen von C qualitativ insgesamt eindeutig die größere Bedeutung zu. Zu berücksichtigen ist, dass die Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV wegen der Weiterentwicklung durch C nicht von ausschlaggebender Bedeutung zugunsten von B ist und dass die allgemeine Verwaltung im Regelfall allein keine Zuordnung rechtfertigt (siehe Rn. 80).

92 Ist eine Zuordnung nach § 6 Absatz 1 BsGaV nicht möglich, weil die Betriebsstätte, die den immateriellen Wert geschaffen hat, keine Personalfunktionen hinsichtlich des immateriellen Werts mehr ausübt (siehe Rn. 47), muss der immaterielle Wert allerdings nach § 6 Absatz 2 bis 4 BsGaV zugeordnet werden (Zuordnungsänderung, § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV). In diesem Fall greift keine Vermutungsregelung ein.

2.6.2 Abweichende Zuordnung eines immateriellen Werts (§ 6 Absatz 2 BsGaV)

93 Die abweichende Zuordnung eines immateriellen Werts nach § 6 Absatz 2 BsGaV aufgrund anderer Personalfunktionen i. S. d. § 6 Absatz 2 Satz 2 BsGaV, insbesondere aufgrund der Nutzung, der Verwaltung, der Weiterentwicklung, dem Schutz oder der Veräußerung des immateriellen Werts, ist nur dann möglich, wenn diesen anderen Personalfunktionen im Einzelfall einzeln oder zusammen nachweislich – ggf. auch bei veranlagungszeitraumübergreifender Betrachtung – qualitativ eine eindeutig überwiegende Bedeutung zukommt und sie deshalb als maßgeblich anzusehen sind (siehe auch Rn. 43). Die Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV hat jedoch im Regelfall Vorrang (siehe Rn. 91).

94 Der Nachweis der eindeutig überwiegenden Bedeutung einer anderen Personalfunktion wird bei einem immateriellen Wert, der von einer Betriebsstätte selbst geschaffen wurde (erste Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV), eher schwer zu erbringen sein, da die Schaffung eines immateriellen Werts im Regelfall einen erheblichen Einsatz von Personalfunktionen verursacht. Aus diesem Grund wird es häufig dabei bleiben, dass der betreffende immaterielle Wert der Betriebsstätte, die ihn geschaffen hat, auf Dauer zuzuordnen ist. Ein anderes Ergebnis kommt nur in Betracht, wenn die Betriebsstätte, die den immateriellen Wert geschaffen hat, ab einem festzustellenden Zeitpunkt keine Personalfunktionen hinsichtlich des immateriellen Werts mehr ausübt und eine andere Betriebsstätte Personalfunktionen übernimmt, die ab diesem Zeitpunkt als maßgeblich anzusehen sind.

Fall – Schaffung eines immateriellen Werts und weitere Personalfunktionen:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Ein von der Forschungs- und Entwicklungsbetriebsstätte in Staat A in den Jahren 01 bis 03 geschaffener immaterieller Wert wird ab dem Jahr 04 (Fertigstellung) ausschließlich von B genutzt. Das übrige Unternehmen übt nach Nutzungsbeginn durch B keine Personalfunktionen mehr hinsichtlich des immateriellen Werts aus, d. h. Weiterentwicklung, Verwaltung und Schutz erfolgen durch Personalfunktionen von B.

Lösung:

Der immaterielle Wert ist nach § 6 Absatz 1 BsGaV zunächst dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, das ihn geschaffen hat. Dem übrigen Unternehmen sind auch die betreffenden Betriebsausgaben für die Schaffung zuzuordnen. Der Beginn der Nutzung durch die Betriebsstätte A im Jahr 04 ist ein wirtschaftlicher Vorgang, der zu einer fiktiven Veräußerung nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV führt, da das übrige Unternehmen nach Schaffung des immateriellen Werts insoweit keine Personalfunktionen mehr ausübt (siehe Rn. 47). Mit Beginn der Nutzung ist der immaterielle Wert B nach § 6 Absatz 2 BsGaV mit den Folgen des § 16 Absatz 2 BsGaV zuzuordnen.

Abwandlung – Zur Abgrenzung:

Nach Beginn der Nutzung durch A wird der immaterielle Wert vom übrigen Unternehmen weiter verwertet (Lizenzierung an andere Unternehmen), verwaltet und geschützt.

Lösung:

Der Beginn der Nutzung des immateriellen Werts durch B ist ein wirtschaftlicher Vorgang. Die Bedeutung der vom übrigen Unternehmen insgesamt (vor und nach dem wirtschaftlichen Vorgang) ausgeübten Personalfunktionen (insbesondere die Schaffung – Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV) überwiegen (über den gesamten Zeitraum der Schaffung und Nutzung gesehen) die Nutzung durch B. Für eine Zuordnungsänderung zu B wäre aber nötig, dass die Bedeutung der Nutzung gegenüber der Schaffung, § 6 Absatz 2 BsGaV eindeutig überwiegt. Daran fehlt es. Aus diesem Grunde erfolgt keine Zuordnungsänderung vom übrigen Unternehmen zu B.

Der wirtschaftliche Vorgang ist nach § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV als fiktive Lizenzierung zu werten und entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz zu verrechnen (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

HINWEIS:

Eine andere Lösung wäre nur in Betracht zu ziehen, wenn von vornherein feststeht, dass B den immateriellen Wert nutzen wird und B die Forschung und Entwicklung von X steuert (fiktive Auftragsforschung, dann § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV).

95 Der Nachweis wird bei einem immateriellen Wert, der von einer Betriebsstätte erworben wird (zweite Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV) eher zu erbringen sein, da der Erwerb eines immateriellen Werts im Regelfall keinen erheblichen Einsatz von Personalfunktionen verursacht.

Grundfall – Erwerb eines immateriellen Werts:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B die Betriebsstätte B (B). Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A erwirbt einen immateriellen Wert, der nach Erwerb ausschließlich von B genutzt wird. B war nicht am Erwerbsvorgang beteiligt. Das übrige Unternehmen übt nach Erwerb keine weiteren Personalfunktionen aus.

Lösung:

Der immaterielle Wert ist B von Anfang an nach § 6 Absatz 2 BsGaV zuzuordnen, wenn B durch die Nutzung des immateriellen Werts Personalfunktionen ausübt, die qualitativ (siehe Rn. 43) insgesamt eine eindeutig größere Bedeutung für die Zuordnung des immateriellen Werts haben als die Personalfunktion des Erwerbs durch das übrige Unternehmen. Ist das der Fall, liegt im Erwerb des immateriellen Werts durch das übrige Unternehmen eine fiktive Dienstleistung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) gegenüber B vor, die entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz zu vergüten ist (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

Abwandlung (1) – Weitere Funktionen der erwerbenden Betriebsstätte:

Nach Erwerb übt das übrige Unternehmen weitere Personalfunktionen bezüglich Verwertung (z. B. Lizenzierung) Schutz und Verwaltung des immateriellen Werts aus, während B ausschließlich nutzt.

Lösung:

Der immaterielle Wert ist dem übrigen Unternehmen nach § 6 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen, weil es den immateriellen Wert erworben hat (Vermutungsregelung). § 6 Absatz 2 BsGaV ist nicht anzuwenden, da der erforderliche Nachweis, dass die Bedeutung der Nutzung durch B eindeutig größer ist als die des Erwerbs und der nach Nutzungsbeginn weiter von X ausgeübten Personalfunktionen, im Zweifel (Umstände des Einzelfalls) nicht erbracht werden kann. Der Beginn der Nutzung durch B ist ein wirtschaftlicher Vorgang, der zu einer fiktiven Lizenzierung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) von X gegenüber B führt und entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz zu vergüten ist (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

Abwandlung (2) – Zuordnung zur erwerbenden Betriebsstätte, anschließend dort keine Funktionen mehr:

X erwirbt im Jahr 01 auf Vorrat einen immateriellen Wert, der zunächst nicht genutzt wird. Im Jahr 03 entsteht die zu X gehörende Betriebsstätte B (B) in Staat B, die den immateriellen Wert ausschließlich nutzt. Das übrige Unternehmen übt nach Beginn der Nutzung durch B hinsichtlich des immateriellen Werts keine Personalfunktionen mehr aus.

Lösung:

Der immaterielle Wert ist anfangs X zuzuordnen (§ 6 Absatz 1 BsGaV), denn eine Zuordnung zu B von Anfang an ist mangels Bestehens zum Erwerbszeitpunkt nicht möglich (anders als im Grundfall). Da das übrige Unternehmen nach Beginn der Nutzung durch B keine Funktionen hinsichtlich des immateriellen Werts mehr ausübt (siehe Rn. 47), muss dieser nach § 6 Absatz 2 bis 4 BsGaV B zugeordnet werden, denn lt. Sachverhalt besteht nur diese Zuordnungsmöglichkeit. Es liegt eine fiktive Veräußerung (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV) des übrigen Unternehmens an B vor, für die ein angemessener Verrechnungspreis anzusetzen ist (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

2.6.3 Gleichzeitige Ausübung anderer Personalfunktionen in verschiedenen Betriebsstätten (§ 6 Absatz 3 BsGaV)

96 Ist eine andere Personalfunktion (d. h. keine Personalfunktion nach § 6 Absatz 1 BsGaV), die in anderen Betriebsstätten ausgeübt wird, von größerer Bedeutung für einen immateriellen Wert als die Personalfunktionen, die in § 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV genannt sind, so ist der immaterielle Wert nach § 6 Absatz 3 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, in der die andere Personalfunktion mit der größten Bedeutung ausgeübt wird (siehe Personalfunktionenkonkurrenz, Rn. 43). Dieser Fall kann – anders als für andere Zuordnungsgegenstände – für immaterielle Werte häufiger auftreten, insbesondere da ein immaterieller Wert gleichzeitig von verschiedenen Betriebsstätten genutzt, verwertet und verwaltet werden kann.

Fall – Schaffung, Nutzung und Verwaltung in verschiedenen Betriebsstätten:

Unternehmen X in Staat A hat eine Betriebsstätte B (B) in Staat B und eine Betriebsstätte C (C) in Staat C. Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte X (X) in Staat A erwirbt unter Mitwirkung von B einen immateriellen Wert. Anschließend nutzt B den immateriellen Wert, C verwaltet ihn. Nach Beginn der Nutzung durch B übt X keine Personalfunktionen mehr aus.

Lösung:

Der immaterielle Wert ist von Anfang an B zuzuordnen, wenn einerseits die Bedeutung der Nutzung und die Mitwirkung beim Erwerb durch B eindeutig gegenüber der Bedeutung des Erwerbs durch X überwiegt (Umstände des Einzelfalls, § 6 Absatz 2 BsGaV) und wenn andererseits die Bedeutung der Nutzung gegenüber der Bedeutung der Verwaltung überwiegt, wofür vieles spricht (siehe auch Rn. 80). Dies vorausgesetzt, liegen zwei fiktive Dienstleistungen vor (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV): einmal der Erwerb durch X für B und zum anderen die Verwaltung des immateriellen Werts durch C, jeweils mit den Folgen des § 16 Absatz 2 BsGaV.

2.6.4 Zuordnung eines immateriellen Werts in Zweifelsfällen, anteilige Zuordnung (§ 6 Absatz 4 BsGaV)

97 Anders als andere Zuordnungsgegenstände haben immaterielle Werte die Besonderheit, dass für sie potentiell maßgebliche Personalfunktionen nicht selten (gleichzeitig) von mehreren Betriebsstätten ausgeübt werden. In Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) ist – soweit möglich – in erster Linie auf die Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV abzustellen (siehe Rn. 85).

98 Führt die Vermutungsregelung zu keiner eindeutigen Entscheidung, weil z. B. die Vermutungsregelung im Hinblick auf zwei Betriebsstätten anwendbar ist oder weil – mangels anwendbarer Vermutungsregelung – die Abwägung zwischen zwei anderen Personalfunktionen zu keinem eindeutigen Ergebnis führt mit der Folge, dass über die Zuordnung des immateriellen Werts zu zwei oder ggf. sogar mehreren Betriebsstätten nicht eindeutig entschieden werden kann, so hat das Unternehmen nach § 6 Absatz 4 BsGaV einen Beurteilungsspielraum. Aber auch dann muss sich die Zuordnung an den Grundsätzen des § 6 Absatz 1 bis 3 BsGaV orientieren. Der Beurteilungsspielraum kommt vor allem in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) zwischen anderen Personalfunktionen i. S. d. § 6 Absatz 2 BsGaV in Betracht. Die Zuordnung des immateriellen Werts nach § 6 Absatz 4 BsGaV muss nach § 3 Absatz 3 BsGaV spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgen und anhand eindeutiger Aufzeichnungen (§ 90 Absatz 3 AO, siehe Rn. 63) begründet werden können. Sonst kann eine Schätzung nach § 162 AO erforderlich werden.

Fall – Zuordnung im Zweifelsfall:

Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte des Unternehmens X (X) in Staat A und die zu X gehörende Betriebsstätte B (B) in Staat B erwerben gemeinsam einen immateriellen Wert, der anschließend von beiden genutzt wird. Es kann nicht festgestellt werden, in welcher Betriebsstätte die Bedeutung der Nutzung überwiegt, denn bei mehrjähriger Betrachtung ist die Nutzung in etwa gleich groß.

Lösung:

Eine eindeutige Zuordnung nach § 6 Absatz 1 bis 3 BsGaV ist nicht möglich, weil die Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV (Erwerb) kein eindeutiges Ergebnis bringt und weil nicht festgestellt werden kann, dass die Bedeutung einer anderen Personalfunktion (Nutzung, § 6 Absatz 2 und 3 BsGaV) für eine Betriebsstätte überwiegt. In einem derartigen Fall kann der immaterielle Wert vom Unternehmen nach § 6 Absatz 4 Satz 1 BsGaV entweder X oder B zugeordnet werden; dann Lizenzierung gegenüber der Betriebsstätte, der der immaterielle Wert nicht zugeordnet wird (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV). Nach § 6 Absatz 4 Satz 2 BsGaV ist unter bestimmten Umständen auch eine anteilige Zuordnung möglich (siehe Rn. 101).

99 Wegen der häufig hohen Werthaltigkeit von immateriellen Werten kann eine fiktive Veräußerung zu erheblichen steuerlichen Liquiditätsbelastungen führen. Hinzu kommt, dass im Regelfall der hypothetische Fremdvergleich nach § 1 Absatz 3 Satz 8 und 9 AStG anzuwenden ist, für den die Gewinnaussichten eines Geschäftsvorfalls zu prognostizieren sind. Die Unsicherheiten, die sich daraus ergeben, können im Falle einer fiktiven Veräußerung erheblich belastender sein als im Fall einer fiktiven Nutzungsüberlassung (Lizenzierung). Diese Belastungen sind im Betriebsstättenfall seitens des Unternehmens nur schwer rechtssicher auszuschließen, da zwischen dem übrigen Unternehmen und der betreffenden Betriebsstätte keine rechtlich verbindlichen Verträge denkbar sind. Um Realisationsvorgänge nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV zu vermeiden, sieht § 6 Absatz 4 BsGaV vor, dass das Unternehmen in Zweifelsfällen der Zuordnung eines immateriellen Werts eine Zuordnung vornehmen kann, die zu keiner Aufdeckung von stillen Reserven führt, solange die Zuordnung den Regelungen des § 6 Absatz 1 bis 3 BsGaV nicht widerspricht.

100 Für Funktionsverlagerungen stellt Tz. 2.4.2 VWG Funktionsverlagerungen in verbleibenden Zweifelsfällen (unter Bezugnahme auf § 4 FVerlV) die widerlegbare Vermutung auf, dass von der Lizenzierung eines immateriellen Werts, der Teil einer Funktionsverlagerung ist, auszugehen ist, wenn der Steuerpflichtige zustimmt. Von dieser Vermutung (fiktive Lizenzierung nach § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) ist auch im Rahmen der BsGaV auszugehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn

  • sich aus der Hilfs- und Nebenrechnung keine anderen eindeutigen Hinweise ergeben,

  • die Substanzerfordernisse (Personalfunktionen) beim fiktiv Überlassenden so ausgeprägt sind, dass die Anerkennung der Lizenzierung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz berechtigt erscheint, und

  • die Zuordnungsentscheidung auch im jeweils anderen Staat der Besteuerung zugrunde gelegt wird (siehe Rn. 63).

In diesen Fällen kommt den entsprechenden Aufzeichnungen des Unternehmens und der Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte hinsichtlich der konkreten Umstände des wirtschaftlichen Vorgangs i. S. d. § 1 Absatz 4 AStG eine besondere Bedeutung zu (§ 3 Absatz 3 BsGaV), um die jeweils ausgeübten Personalfunktionen und ihre Bedeutung erkennen zu können (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 35 f. und Tz. 177 ff.).

101 Ein immaterieller Wert kann unter den Voraussetzungen des § 6 Absatz 4 Satz 1 BsGaV nach Satz 2 den betreffenden Betriebsstätten auch anteilig zugeordnet werden, wenn dies nach objektiven, voraussichtlich mehrjährig unveränderten Kriterien möglich ist. Entspricht die anteilige Zuordnung dauerhaft der Bedeutung der jeweiligen Personalfunktionen, so können anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen i. S. d. § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV (anteilige fiktive Veräußerung) trotz der anteiligen Zuordnung vermieden werden.

2.7 Zuordnung von Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnlichen Vermögenswerten (§ 7 BsGaV)

2.7.1 Grundsatz (§ 7 Absatz 1 BsGaV)

102 Für die Zuordnung von Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnlichen Vermögenswerten (Vermögenswerte i. S. d. § 7 BsGaV) ist deren Nutzung nach § 7 Absatz 1 BsGaV vorrangig die maßgebliche Personalfunktion (Vermutungsregelung).

103 Eine Nutzung i. S. d. § 7 Absatz 1 Satz 1 BsGaV liegt – abweichend vom Nutzungsbegriff des § 5 Absatz 1 BsGaV – vor, wenn ein funktionaler Zusammenhang des Vermögenswerts i. S. d. § 7 BsGaV mit der sonstigen Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte gegeben ist, d. h. wenn der Vermögenswert i. S. d. § 7 BsGaV der sonstigen Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte dient (vgl. Artikel 10 Absatz 4 und Artikel 11 Absatz 4 OECD-MA, Ziff. 31 bis 32.2 OECD-MK zu Artikel 10 Absatz 4 OECD-MA und Ziff. 24 bis 25.2 OECD-MK zu Artikel 11 Absatz 4 OECD-MA).

Fall – Funktionale Nutzung:

Unternehmen X (X) in Staat A hat eine Produktionsbetriebsstätte B (B) in Staat B und eine Vertriebstochtergesellschaft Y (Y) in Staat C, die ausschließlich die Produkte von B vermarktet.

Lösung:

Die Beteiligung von X an Y ist B zuzuordnen, da der Vertrieb in einem engen funktionalen Zusammenhang mit der Produktion von B steht, d. h. die Geschäftstätigkeit von Y dient der Geschäftstätigkeit von B.

104 Steht ein Vermögenswert i. S. d. § 7 BsGaV in funktionalem Zusammenhang zur Geschäftstätigkeit mehrerer Betriebsstätten (Funktionsaufteilung, siehe Rn. 42), so ist dieser Vermögenswert nach § 7 Absatz 1 Satz 3 BsGaV derjenigen Betriebsstätte zuzuordnen, zu der der überwiegende funktionale Zusammenhang besteht. Hierbei sind im Regelfall vorrangig qualitative Gesichtspunkte maßgebend, d. h. es kommt darauf an, in welcher Betriebsstätte die Personalfunktion ausgeübt wird, der die größte Bedeutung für die mit dem Vermögenswert i. S. d. § 7 BsGaV verbundenen Chancen und Risiken zukommt (vgl. § 10 Absatz 4 BsGaV).

Fall – Überwiegende funktionale Nutzung:

Unternehmen X (X) in Staat A hat zwei Vertriebsbetriebsstätten, eine in Staat B, die andere in Staat C. B und C vertreiben ausschließlich Produkte, die in der X gehörenden Tochtergesellschaft Y in Staat D hergestellt werden. B nimmt voraussichtlich auf Dauer ca. 40 % der Produkte von Y ab, ca. 25 % vertreibt C, der Rest der Produkte wird anderweitig verkauft. C steuert darüber hinaus die Weiterentwicklung der Produkte.

Lösung:

Die Beteiligung von X an Y steht nach qualitativen Gesichtspunkten (bedeutende Produktweiterentwicklung, siehe Rn. 42) funktional überwiegend mit der Geschäftstätigkeit von C im Zusammenhang. Die Beteiligung ist daher C zuzuordnen. Nicht entscheidend ist, dass B die Produkte von Y quantitativ zu einem größeren Anteil vertreibt.

HINWEIS:

Auf den jeweiligen quantitativen Anteil am Vertrieb der Produkte von Y könnte es nur ankommen, wenn sich der funktionale Zusammenhang von B und C auf den Vertrieb der Produkte beschränkt.

Fallabwandlung – Zuordnung zum übrigen Unternehmen:

Die Vertriebsfunktionen von B und C sind schwach ausgeprägt, beschränken sich auf den Vertrieb als solchen und werden außerdem weitgehend durch Personalfunktionen der Geschäftsleitungsbetriebsstätte X in Staat A gesteuert, die auch die Produktionsaktivitäten von Y (Lohnfertiger) steuern.

Lösung:

Der stärkste funktionale Zusammenhang der Beteiligung an Y besteht zur Geschäftsleitungsbetriebsstätte X, eine Zuordnung zu B oder C scheidet deshalb aus.

2.7.2 Abweichende Zuordnung (§ 7 Absatz 2 BsGaV)

105 Überwiegt für einen Vermögenswert i. S. d. § 7 BsGaV die Bedeutung einer anderen Personalfunktion, die im übrigen Unternehmen ausgeübt wird, eindeutig gegenüber der Nutzung (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), so ist die betreffende andere Personalfunktion nach § 7 Absatz 2 Satz 1 BsGaV für die Zuordnung dieses Vermögenswerts maßgeblich. Als andere Personalfunktionen können insbesondere die Anschaffung, die Verwaltung, die Risikosteuerung oder die Veräußerung eines Vermögenswerts i. S. d. § 7 BsGaV maßgeblich sein (vgl. auch Rn. 80). Im Hinblick auf das Kriterium der Anschaffung kommt es darauf an, aufgrund welcher Personalfunktionen die Mittel zur Anschaffung erwirtschaftet wurden (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 20). Auf die Anschaffung ist insbesondere abzustellen, wenn kein funktionaler Zusammenhang i. S. d. § 7 Absatz 1 BsGaV zur Geschäftstätigkeit des Unternehmens besteht oder ein solcher Zusammenhang nur schwer festzustellen ist. Die Verwaltung allein rechtfertigt im Regelfall keine Zuordnung (siehe Rn. 80).

Fall – Zuordnung allein aufgrund der Verwaltung:

Unternehmen X (X) in Staat X hat in Staat A eine Betriebsstätte A, die die Personalfunktionen eines Lohnfertigers ausübt. X hält darüber hinaus mehrere Beteiligungen an Kapitalgesellschaften als Kapitalanlagen (Streubesitz), die über die Jahre aus den Gewinnen des übrigen Unternehmens finanziert wurden. X ordnet die Beteiligungen A zu.

Lösung:

Ein funktionaler Zusammenhang i. S. d. § 7 Absatz 1 BsGaV zu A besteht nicht. Einziger Anknüpfungspunkt für eine Zuordnung der Beteiligungen ist die Herkunft der Mittel (übriges Unternehmen), die für deren Erwerb eingesetzt wurden. Die Zuordnung zu A ist rückgängig zu machen.

2.7.3 Gleichzeitige Ausübung anderer Personalfunktionen in verschiedenen Betriebsstätten (§ 7 Absatz 3 BsGaV)

106 Sind mehrere andere Personalfunktionen, die in verschiedenen Betriebsstätten ausgeübt werden (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), von größerer Bedeutung für einen Vermögenswert i. S. d. § 7 BsGaV als die funktionale Nutzung, so ist dieser nach § 7 Absatz 3 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, in der die andere Personalfunktion mit der größten Bedeutung ausgeübt wird. Die ist insbesondere dann denkbar, wenn kein funktionaler Zusammenhang festzustellen ist.

Fall – Konkurrierende andere Personalfunktionen (Beteiligungsverwaltung):

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B, in der verschiedene Beteiligungen, die X hält, verwaltet werden. Die Mittel zum Erwerb der Beteiligungen sind nicht durch B, sondern vom übrigen Unternehmen erwirtschaftet worden. X ordnet die Beteiligungen B zu.

Lösung:

Die Verwaltung der Beteiligungen durch B begründet keinen funktionalen Zusammenhang i. S. d. § 7 Absatz 1 BsGaV, da kein Zusammenhang zu einer anderen Geschäftstätigkeit von B besteht (siehe auch Rn. 80). Für die Zuordnung der Beteiligungen ist vorrangig darauf abzustellen, aufgrund welcher Personalfunktionen die Mittel zum Erwerb erwirtschaftet wurden (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 20). Da diese Mittel vom übrigen Unternehmen stammen, können die Beteiligungen B nicht zugeordnet werden. Die Verwaltung der Beteiligungen ist als fiktive Dienstleistung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) von B gegenüber dem übrigen Unternehmen zu behandeln, für die ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Betrag zu verrechnen ist (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

2.7.4 Zuordnung in Zweifelsfällen (§ 7 Absatz 4 BsGaV)

107 Kann ein Vermögenswert i. S. d. § 7 BsGaV nach § 7 Absatz 1 bis 3 BsGaV nicht eindeutig einer Betriebsstätte zugeordnet werden, so räumt § 7 Absatz 4 BsGaV dem Unternehmen einen Beurteilungsspielraum für die Zuordnung des Vermögenswerts i. S. d. § 7 BsGaV ein. Die Zuordnung des Vermögenswerts i. S. d. § 7 BsGaV muss sich aber so weit wie möglich an den Grundsätzen des § 7 Absatz 1 bis 3 BsGaV orientieren. Ggf. greift die Vermutung des § 7 Absatz 1 BsGaV ein. Der Beurteilungsspielraum kommt vor allem in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) zwischen anderen Personalfunktionen i. S. d. § 7 Absatz 2 BsGaV in Betracht. Die Entscheidung über die Zuordnung nach § 7 Absatz 4 BsGaV muss

  • nach § 3 Absatz 3 BsGaV spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgen,

  • auch im jeweils anderen Staat der Besteuerung zugrunde gelegt werden und

  • anhand eindeutiger Aufzeichnungen (siehe Rn. 63) nach § 90 Absatz 3 AO begründet werden können.

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann eine Schätzung nach § 162 AO erforderlich werden. Eine anteilige Zuordnung ist – anders als für immaterielle Werte (siehe Rn. 101) – nicht anzuerkennen.

Fall – Gleichwertiger funktionaler Zusammenhang:

Unternehmen X (X) in Staat A hat zwei Vertriebsbetriebsstätten, B in Staat B und C in Staat C. B und C vertreiben jeweils ganz überwiegend Produkte einer Produktionstochtergesellschaft Y (Y). B und C nehmen jährlich wechselnd in unterschiedlichem Umfang Produkte von Y ab. X ordnet B die Beteiligung an Y zu und zieht in der Hilfs- und Nebenrechnung die entsprechenden Konsequenzen.

Lösung:

Ist eine eindeutige Zuordnung im Rahmen einer mehrjährigen Betrachtung und unter Berücksichtigung von Zukunftsprognosen (siehe Rn. 44) nicht möglich, ist die Zuordnung zu B nicht zu beanstanden (§ 7 Absatz 4 BsGaV).

2.8 Zuordnung von sonstigen Vermögenswerten (§ 8 BsGaV)

2.8.1 Grundsatz (§ 8 Absatz 1 BsGaV)

108 Für die Zuordnung von sonstigen Vermögenswerten, die nicht zu einer ausdrücklich in den §§ 5 bis 7 BsGaV genannten Gruppe von Vermögenswerten gehören, ist deren Schaffung oder Erwerb nach § 8 Absatz 1 Satz 1 BsGaV die maßgebliche Personalfunktion (Vermutungsregelung). Die Regelung zu den sonstigen Vermögenswerten ist eine Auffangregelung.

2.8.2 Abweichende Zuordnung von sonstigen Vermögenswerten (§ 8 Absatz 2 BsGaV)

109 Ist eine im übrigen Unternehmen ausgeübte, andere als die in § 8 Absatz 1 BsGaV genannte Personalfunktion im Zusammenhang mit dem sonstigen Vermögenswert so bedeutend, dass sie eindeutig eine Zuordnung des sonstigen Vermögenswerts zu dieser erforderlich macht (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), ist diese andere Personalfunktion für den sonstigen Vermögenswert maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV. Die anderen Personalfunktionen können insbesondere die Nutzung, die Verwaltung (siehe aber Rn. 80), die Risikosteuerung oder die Veräußerung des sonstigen Vermögenswerts sein, wenn diese Personalfunktionen im Einzelfall die Bedeutung der in § 8 Absatz 1 BsGaV genannten Funktionen eindeutig überwiegen.

2.8.3 Gleichzeitige Ausübung anderer Personalfunktionen in verschiedenen Betriebsstätten (§ 8 Absatz 3 BsGaV)

110 Sind mehrere andere Personalfunktionen (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), die in anderen Betriebsstätten ausgeübt werden, von größerer Bedeutung für den sonstigen Vermögenswert als die Personalfunktionen, die in § 8 Absatz 1 Satz 1 BsGaV genannt sind, so bestimmt § 8 Absatz 3 BsGaV, dass der sonstige Vermögenswert der Betriebsstätte zuzuordnen ist, in der die andere Personalfunktion mit der größten Bedeutung ausgeübt wird. Diese andere Personalfunktion ist für den sonstigen Vermögenswert maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV.

2.8.4 Zuordnung in Zweifelsfällen (§ 8 Absatz 4 BsGaV)

111 Kann ein sonstiger Vermögenswert nach § 8 Absatz 1 bis 3 BsGaV nicht eindeutig einer Betriebsstätte zugeordnet werden, räumt § 8 Absatz 4 BsGaV dem Unternehmen einen Beurteilungsspielraum für die Zuordnung des sonstigen Vermögenswerts ein. Die Zuordnung des sonstigen Vermögenswerts muss sich aber so weit wie möglich an den Grundsätzen des § 8 Absatz 1 bis 3 BsGaV orientieren. Ggf. greift die Vermutung des § 8 Absatz 1 BsGaV ein (siehe Rn. 108). Der Beurteilungsspielraum kommt vor allem in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) zwischen anderen Personalfunktionen i. S. d. § 8 Absatz 2 BsGaV in Betracht. Die Entscheidung über die Zuordnung des sonstigen Vermögenswerts nach § 8 Absatz 4 BsGaV muss

  • nach § 3 Absatz 3 BsGaV spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgen,

  • auch im jeweils anderen Staat der Besteuerung zugrunde gelegt werden und

  • anhand eindeutiger Aufzeichnungen (siehe Rn. 63) nach § 90 Absatz 3 AO begründet werden können.

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann eine Schätzung nach § 162 AO erforderlich werden. Eine anteilige Zuordnung ist – anders als für immaterielle Werte (siehe Rn. 101) – nicht anzuerkennen.

2.9 Zuordnung von Geschäftsvorfällen des Unternehmens (§ 9 BsGaV)

2.9.1 Grundsatz (§ 9 Absatz 1 BsGaV)

112 Für die Zuordnung eines Geschäftsvorfalls des Unternehmens mit einem unabhängigen Dritten oder mit einer nahe stehenden Person (einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben) kommt es in erster Linie auf die Ausübung der Personalfunktion an, die dafür maßgeblich ist, dass das Unternehmen den betreffenden Geschäftsvorfall abgeschlossen und die damit verbundenen Risiken übernommen hat (Vermutungsregelung). Die Rechnungsstellung oder die Bezeichnung der Vertragspartner (z. B. die Nennung einer eingetragenen Zweigniederlassung mit eigener Handelsregisternummer) ist lediglich ein Indiz.

Fall – Anschaffung:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Produktionsbetriebsstätte B (B). Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A erwirbt eine Maschine, deren Einsatz von vornherein speziell für Zwecke von B vorgesehen ist. Die Maschine wird entsprechend unmittelbar an B geliefert und anschließend ausschließlich von B genutzt.

Lösung:

Der Geschäftsvorfall (Kauf der Maschine) ist B nach § 9 Absatz 2 Satz 1 BsGaV zuzuordnen, wenn B entscheidend in den Erwerbsvorgang eingebunden war. Entsprechend dem Geschäftsvorfall ist auch die Maschine selbst nach § 5 Absatz 1 BsGaV B zuzuordnen.

113 Werden Personalfunktionen i. S. d. § 9 Absatz 1 Satz 1 BsGaV gleichzeitig in mehreren Betriebsstätten des Unternehmens ausgeübt, kommt es nach § 9 Absatz 1 Satz 2 BsGaV für die Zuordnung eines Geschäftsvorfalls darauf an, in welcher Betriebsstätte die Personalfunktion mit der größten Bedeutung für den Geschäftsvorfall ausgeübt wird (Funktionsaufteilung, siehe Rn. 42). Diese Personalfunktion ist für den Geschäftsvorfall maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV.

Fall – Funktionsaufteilung:

Unternehmen X im Staat A hat in Staat B eine Produktionsbetriebsstätte B (B). In der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A wird entschieden, dass ein immaterieller Wert erworben werden soll, um bestimmte Schwierigkeiten, die die Produktionstätigkeit von B erschweren, zu lösen. B wird beauftragt, einen entsprechenden immateriellen Wert auf dem Markt zu suchen und möglichst preisgünstig zu erwerben. B ist erfolgreich; der Erwerb wird in Staat A genehmigt.

Lösung:

Der Geschäftsvorfall (Erwerb) ist B nach § 9 Absatz 1 Satz 2 BsGaV zuzuordnen, da dort die Personalfunktionen mit der größten Bedeutung im Hinblick auf die Anschaffung des immateriellen Werts ausgeübt werden (Auswahl, Verhandlungsführung). Die Personalfunktion mit der größten Bedeutung für den Geschäftsvorfall ist grundsätzlich nach qualitativen Gesichtspunkten zu bestimmen (siehe Rn. 42). Eine Zuordnung auf Grundlage einer Quantifizierung der Kosten der Personalfunktionen, die mit dem Erwerb des immateriellen Werts im Zusammenhang stehen, kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn eine Zuordnung nach qualitativen Gesichtspunkten nicht möglich ist (siehe Rn. 42).

2.9.2 Abweichende Zuordnung von Geschäftsvorfällen (§ 9 Absatz 2 BsGaV)

114 Ist eine im übrigen Unternehmen ausgeübte, andere als die in § 9 Absatz 1 BsGaV genannte, Personalfunktion für den Geschäftsvorfall so bedeutend (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), dass eindeutig eine Zuordnung erforderlich wird, die von § 9 Absatz 1 BsGaV abweicht, so ist diese andere Personalfunktion nach § 9 Absatz 2 Satz 1 BsGaV für den Geschäftsvorfall maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV. Andere Personalfunktionen können insbesondere die Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Geschäftsvorfall, dessen Verwaltung (siehe aber Rn. 80) oder dessen Risikosteuerung sein. Im Regelfall wird hierdurch ein Gleichklang der Zuordnung von Geschäftsvorfällen mit der Zuordnung der damit im Zusammenhang stehenden Vermögenswerte erreicht.

Fall (1) – Funktionsaufteilung:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A erwirbt eine Maschine, deren Einsatz von vornherein für B vorgesehen ist. B war maßgeblich in den Erwerbsvorgang (Auswahl der Maschine usw.) eingebunden. Die Maschine wird unmittelbar an B geliefert und anschließend ausschließlich von B genutzt.

Lösung:

Die Maschine ist nach § 5 Absatz 1 BsGaV B zuzuordnen. Der Geschäftsvorfall (Kauf der Maschine) ist B nach § 9 Absatz 2 Satz 1 BsGaV zuzuordnen, da B maßgeblich in den Erwerbsvorgang eingebunden war. Darüber hinaus wird durch die Zuordnung des Geschäftsvorfalls zu B ein Gleichklang der Zuordnung des Geschäftsvorfalls mit der Zuordnung des damit im Zusammenhang stehenden Vermögenswerts (Maschine) erreicht. Für die fiktive Dienstleistung des übrigen Unternehmens (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) gegenüber B ist ein Betrag anzusetzen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

Fall (2) – Personalfunktionenkonkurrenz:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A schließt auf Anforderung von B mit einem unabhängigen Dritten einen Vertrag über eine Dienstleistung ab, die dieser ausschließlich für B erbringt.

Lösung:

Maßgebliche Personalfunktion für das Zustandekommen des Geschäftsvorfalls (Dienstvertrag) mit dem unabhängigen Dritten und für die Übernahme der damit verbundenen Risiken sind grundsätzlich die Tätigkeiten, die für den Vertragsabschluss entscheidend sind, wie Auswahl des Auftragnehmers, Vertragsverhandlungen, Vertragsabschluss. Der Geschäftsvorfall wäre daher nach § 9 Absatz 1 Satz 1 BsGaV grundsätzlich der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen. Da die Anforderung der Dienstleistung durch B jedoch ursächlich für den Abschluss des Vertrags war und die Dienstleistung ausschließlich B dient, überwiegt die Bedeutung der von B ausgeübten Personalfunktion die Bedeutung des formalen Vertragsabschlusses durch die Geschäftsleitungsbetriebsstätte (§ 9 Absatz 2 BsGaV). Für die fiktive Dienstleistung von X (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) gegenüber B ist ein Betrag anzusetzen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

Fall (3) – Beschaffung von Handelsware (siehe Fall Rn. 83):

Das inländische Handelsunternehmen X hat in Staat A die Betriebsstätte A (A), die Verträge über den Erwerb von Waren abschließt. Die Waren werden anschließend von der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte X (X) vertrieben. B hat für die Beschaffung die Vorgaben (Qualität, Quantität) von X einzuhalten.

Lösung:

Die von X ausgeübten Personalfunktionen (Veräußerung, Anschaffung nach Vorgaben von X) sind von größerer Bedeutung als der formale Vertragsabschluss durch A. Die Geschäftsvorfälle sind X nach § 9 Absatz 2 BsGaV zuzuordnen. Dadurch entsteht auch ein Gleichklang zwischen der Zuordnung der Verträge und der Waren (siehe Rn. 83).

2.9.3 Gleichzeitige Ausübung anderer Personalfunktionen in verschiedenen Betriebsstätten (§ 9 Absatz 3 BsGaV)

115 Sind mehrere andere Personalfunktionen, die in anderen Betriebsstätten ausgeübt werden, von größerer Bedeutung für einen Geschäftsvorfall als die Personalfunktion, die in § 9 Absatz 1 Satz 1 BsGaV genannt ist (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), so ist der Geschäftsvorfall nach § 9 Absatz 3 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, in der die andere Personalfunktion mit der größten Bedeutung für den Geschäftsvorfall ausgeübt wird. Diese Personalfunktion ist für den Geschäftsvorfall maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV.

2.9.4 Zuordnung in Zweifelsfällen (§ 9 Absatz 4 BsGaV)

116 Kann ein Geschäftsvorfall nach § 9 Absatz 1 bis 3 BsGaV nicht eindeutig zugeordnet werden, so räumt § 9 Absatz 4 BsGaV dem Unternehmen einen Beurteilungsspielraum für die Zuordnung des Geschäftsvorfalls ein. Die Zuordnung des Geschäftsvorfalls muss sich aber so weit wie möglich an den Grundsätzen des § 9 Absatz 1 bis 3 orientieren. Ggf. greift die Vermutung des § 9 Absatz 1 BsGaV ein (siehe Rn. 112). Der Beurteilungsspielraum kommt vor allem in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) zwischen anderen Personalfunktionen i. S. d. § 9 Absatz 2 BsGaV in Betracht. Die Entscheidung über die Zuordnung des sonstigen Vermögenswerts nach § 9 Absatz 4 BsGaV muss

  • nach § 3 Absatz 3 BsGaV spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgen,

  • auch im jeweils anderen Staat der Besteuerung zugrunde gelegt werden und

  • anhand eindeutiger Aufzeichnungen (siehe Rn. 63) nach § 90 Absatz 3 AO begründet werden können.

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann eine Schätzung nach § 162 AO erforderlich werden. Eine anteilige Zuordnung ist – anders als für immaterielle Werte (siehe Rn. 101) – nicht anzuerkennen.

2.10 Zuordnung von Chancen und Risiken (§ 10 BsGaV)

2.10.1 Zuordnung von Chancen und Risiken eines Vermögenswerts oder Geschäftsvorfalls (§ 10 Absatz 1 BsGaV)

117 Die Chancen und Risiken eines Vermögenswerts oder eines Geschäftsvorfalls sind nach § 10 Absatz 1 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, der der betreffende Vermögenswert oder Geschäftsvorfall nach den allgemeinen Zuordnungsregeln zuzuordnen ist (§§ 5 ff. BsGaV). Denn mit dem fiktiven Eigentum an einem Vermögenswert bzw. der Zuordnung eines Geschäftsvorfalls sind einer Betriebsstätte auch die damit im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Chancen und Risiken zuzuordnen.

Fall – Zuordnung von Chancen und Risiken eines Vermögenswerts:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A erwirbt eine Maschine, die ausschließlich und auf Dauer von B genutzt wird. Die Maschine wird durch die fehlerhafte Nutzung durch B zerstört.

Lösung:

Die Maschine ist nach § 5 Absatz 1 BsGaV wegen der Nutzung B zuzuordnen. Damit ist auch das Risiko des Untergangs B zuzuordnen.

2.10.2 Zuordnung von Chancen und Risiken aus der Geschäftstätigkeit (§ 10 Absatz 2 BsGaV)

118 Für Chancen und Risiken, die mit der unternehmerischen Geschäftstätigkeit im Zusammenhang stehen (nicht unmittelbar mit einem Vermögenswert oder Geschäftsvorfall), ist nach § 10 Absatz 2 Satz 1 BsGaV in erster Linie darauf abzustellen, in welcher Betriebsstätte die maßgebliche Personalfunktion ausgeübt wird, die zur Übernahme der betreffenden Chancen und Risiken durch das Unternehmen führt. Für die Geschäftstätigkeit können im Einzelfall verschiedene Chancen und Risiken von Bedeutung sein, z. B. Lagerrisiken, Ausfallrisiken, Wechselkursrisiken, Zinsrisiken, Marktrisiken, Haftungsrisiken (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 22 und Tz. 68).

Fall – Zuordnung von Chancen und Risiken der unternehmerischen Geschäftstätigkeit:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A überlässt B ein Wirtschaftsgut zur vorübergehenden Nutzung. Das Wirtschaftsgut bleibt dem übrigen Unternehmen zugeordnet. Die Nutzung durch B führt aufgrund einer Fehlbedienung durch B zu einem Haftungsfall gegenüber einem unabhängigen Dritten.

Lösung:

Da der Haftungsfall durch eine Fehlbedienung von B verursacht wurde (nicht durch einen Materialfehler der Maschine oder Ähnliches), sind die entsprechenden Kosten (z. B. Schadensersatz gegenüber dem unabhängigen Dritten oder Ersatzbeschaffung gegenüber dem übrigen Unternehmen) B zuzuordnen.

119 Wird eine Personalfunktion i. S. d. § 10 Absatz 2 Satz 1 BsGaV infolge einer Funktionsaufteilung (siehe Rn. 42) gleichzeitig in mehreren Betriebsstätten ausgeübt, so ist nach § 10 Absatz 2 Satz 2 BsGaV für die Zuordnung der betreffenden Chancen und Risiken darauf abzustellen, in welcher Betriebsstätte die Personalfunktion mit der größten Bedeutung für die Übernahme der Chancen und Risiken ausgeübt wird. Diese Personalfunktion ist für die Zuordnung dieser Chancen und Risiken maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV.

2.10.3 Abweichende Zuordnung von Chancen und Risiken (§ 10 Absatz 3 BsGaV)

120 Ist eine im übrigen Unternehmen ausgeübte andere Personalfunktion für die Zuordnung von Chancen und Risiken im Zusammenhang mit der unternehmerischen Geschäftstätigkeit so bedeutend, dass eindeutig eine Zuordnung erforderlich wird, die von § 10 Absatz 2 BsGaV abweicht (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), so ist diese andere Personalfunktion für die betreffenden Chancen und Risiken maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV. Die anderen Personalfunktionen können nach § 10 Absatz 3 Satz 2 BsGaV insbesondere die Risikosteuerung, die Realisation, die Entscheidung, Änderungen hinsichtlich von Chancen und Risiken vorzunehmen, oder die Verwaltung von Chancen und Risiken sein (siehe auch Rn. 80), wenn diese Personalfunktionen im Einzelfall von besonderer Bedeutung für die Chancen und Risiken sind. Im Regelfall bleibt es bei der Zuordnung nach der Vermutungsregelung des § 10 Absatz 1 und 2 BsGaV (siehe Rn. 117 und 118).

2.10.4 Gleichzeitige Ausübung anderer Personalfunktionen in verschiedenen Betriebsstätten (§ 10 Absatz 4 BsGaV)

121 Sind mehrere andere Personalfunktionen, die in anderen Betriebsstätten ausgeübt werden, von größerer Bedeutung für bestimmte Chancen und Risiken als die Personalfunktion, die in § 10 Absatz 2 Satz 1 BsGaV genannt ist (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), so sind nach § 10 Absatz 4 BsGaV die Chancen und Risiken der Betriebsstätte zuzuordnen, in der die andere Personalfunktion mit der größten Bedeutung für die Chancen und Risiken ausgeübt wird. Diese andere Personalfunktion ist für die Zuordnung der betreffenden Chancen und Risiken maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV.

2.10.5 Zuordnung in Zweifelsfällen (§ 10 Absatz 5 BsGaV)

122 Können Chancen und Risiken nach § 10 Absatz 1 bis 4 BsGaV mangels klarer Kriterien nicht eindeutig zugeordnet werden, räumt § 10 Absatz 5 BsGaV dem Unternehmen einen Beurteilungsspielraum für die Zuordnung der Chancen und Risiken ein. Die Zuordnung der Chancen und Risiken muss sich aber so weit wie möglich an den Grundsätzen des § 10 Absatz 1 bis 4 BsGaV orientieren. Ggf. greifen die Vermutungsregelungen des § 10 Absatz 1 und 2 BsGaV ein (siehe Rn. 117, 118). Der Beurteilungsspielraum kommt vor allem in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) zwischen anderen Personalfunktionen i. S. d. § 10 Absatz 3 BsGaV in Betracht. Die Entscheidung über die Zuordnung von Chancen und Risiken nach § 10 Absatz 5 BsGaV muss

  • nach § 3 Absatz 3 BsGaV spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgen,

  • auch im jeweils anderen Staat der Besteuerung zugrunde gelegt werden und

  • anhand eindeutiger Aufzeichnungen (siehe Rn. 63) nach § 90 Absatz 3 AO begründet werden können.

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann eine Schätzung nach § 162 AO erforderlich werden. Eine anteilige Zuordnung ist – anders als für immaterielle Werte (siehe Rn. 101) – nicht anzuerkennen.

2.11 Zuordnung von Sicherungsgeschäften (§ 11 BsGaV)

2.11.1 Unmittelbarer Sicherungszusammenhang (§ 11 Absatz 1 BsGaV)

123 Nach § 11 Absatz 1 BsGaV richtet sich die Zuordnung eines konkreten Sicherungsgeschäfts – abweichend von den sonstigen Zuordnungsregeln – im Regelfall nach der Zuordnung des zu sichernden Zuordnungsgegenstands (Risiken einer Personalfunktion, Risiken eines Vermögenswerts, Risiken eines Geschäftsvorfalls).

Fall – Grundfall:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Eine B zuzuordnende Forderung gegen einen fremden Dritten in US-Dollar wird durch ein Währungsgeschäft abgesichert, das die zu X gehörende Betriebsstätte C (C) in Staat C für X abschließt.

Lösung:

Das Sicherungsgeschäft ist B zuzuordnen. C erbringt nach § 11 Absatz 1 BsGaV gegenüber dem übrigen Unternehmen (hier gegenüber B) eine Dienstleistung, für die nach § 16 Absatz 2 BsGaV ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Betrag zu verrechnen ist.

124 Mit der entsprechenden Zuordnung der Sicherungsgeschäfte (zu denen z. B. auch Finanzinstrumente i. S. d. § 254 HGB gehören) und der zugehörigen Vermögenswerte sind auch die dazugehörigen Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, einschließlich Veräußerungsgewinne und -verluste entsprechend zuzuordnen.

2.11.2 Mittelbarer Sicherungszusammenhang (§ 11 Absatz 2 BsGaV)

125 Ein mittelbarer Sicherungszusammenhang besteht, wenn zwar eindeutig ein Sicherungszusammenhang zwischen den Risiken aus bestimmten Personalfunktionen, Vermögenswerten und Geschäftsvorfällen einerseits und bestimmten Sicherungsgeschäften andererseits feststellbar ist, eine konkrete und präzise Zuordnung der Sicherungsgeschäfte zu den Betriebsstätten, deren Risiken abgesichert werden, jedoch unmöglich ist oder einen unangemessen hohen Aufwand verursacht, z. B. wegen Inkongruenz der jeweiligen Beträge oder Laufzeiten. § 11 Absatz 2 Satz 3 BsGaV lässt es in diesen Fällen zu, die Zuordnung der Sicherungsgeschäfte und der zugehörigen Vermögenswerte anteilig vorzunehmen. Der jeweilige Anteil ist nach einem sachgerechten Aufteilungsschlüssel zu bestimmen (§ 11 Absatz 2 Satz 4 BsGaV), d. h. der Aufteilungsschlüssel ist im konkreten Einzelfall nach Möglichkeit aus den abgesicherten Risiken und den Sicherungsgeschäften abzuleiten.

Fall – Versicherungsprämien (indirekte Zuordnung):

Das Unternehmen X in Staat A hat verschiedene Betriebsstätten in anderen Staaten. Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A schließt eine Haftpflichtversicherung ab, die allgemein die Handlungsrisiken von X umfasst und damit auch Handlungsrisiken der ausländischen Betriebsstätten. Der Vertrag ist nach § 9 Absatz 1 BsGaV wegen der ausgeübten Personalfunktionen unstreitig der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen.

Lösung:

Die entstehenden Aufwendungen (Versicherungsprämien) sind nach § 11 Absatz 2 BsGaV entsprechend einem sachgerechten Schlüssel indirekt den betreffenden Betriebsstätten zuzuordnen. Für die fiktive Dienstleistung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) ist zugunsten der Geschäftsleitungsbetriebsstätte ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Betrag zu verrechnen. Konkret eintretende Schadensfälle sind jeweils einzeln zu verrechnen.

2.11.3 Abweichende Zuordnung von Sicherungsgeschäften (§ 11 Absatz 3 BsGaV)

126 Führt eine abweichende Zuordnung eines Sicherungsgeschäfts einschließlich der aufgrund des Sicherungsgeschäfts ggf. entstehenden Vermögenswerte zu einem Ergebnis der Betriebsstätte, das dem Fremdvergleichsgrundsatz in diesem Einzelfall auch aus Sicht des übrigen Unternehmens besser entspricht, ermöglicht § 11 Absatz 3 BsGaV eine abweichende Zuordnung.

127 Zu einer Änderung der Zuordnung, die von der ursprünglichen Zuordnung abweicht, kann es kommen, wenn sich der Sicherungszusammenhang zwingend ändert.

Fallfortsetzung zu Rn. 123 – Zwingende Änderung des Sicherungszusammenhangs:

Die B zuzuordnende Forderung gegen den fremden Dritten in US-Dollar wird fällig und getilgt, während das Währungsgeschäft von C (ursprüngliches Sicherungsgeschäft) weiter fortbesteht. Das ursprüngliche Sicherungsgeschäft wird nach der Tilgung über das Risikomanagement des von C betriebenen Geld- und Devisenhandels abgesichert.

Lösung:

Ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Geschäftstätigkeit von B und dem ursprünglichen Sicherungsgeschäft ist nach Tilgung der B zuzuordnenden Forderung nicht mehr denkbar. Die weitere Zuordnung einer offenen Risikoposition zu B entspricht nicht den funktionalen Gegebenheiten der Risikosteuerung von X, d. h. das Ergebnis für B entspräche nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz, wenn B die offene Risikoposition zugeordnet würde (siehe § 11 Absatz 3 BsGaV). Mit dem Wegfall der B zuzuordnenden Forderung ist das ursprüngliche Sicherungsgeschäft C zuzuordnen. Das noch nicht realisierte Ergebnis aus dem ursprünglichen Sicherungsgeschäft im Zeitpunkt der Beendigung des Sicherungszusammenhangs ist allerdings endgültig B zuzurechnen.

2.11.4 Fehlende Sicherungsabsicht (§ 11 Absatz 4 BsGaV)

128 Besteht keine Sicherungsabsicht bzw. ist eine Sicherungsabsicht nicht feststellbar, sind die jeweiligen Geschäftsvorfälle nach den allgemeinen Regeln zuzuordnen.

Fall – Fehlende Sicherungsabsicht:

Das Unternehmen X in Staat A hat mehrere Betriebsstätten in verschiedenen Staaten, die Geschäfte in verschiedenen Währungen tätigen. Die entstehenden Forderungen werden nicht durch Kurssicherungsgeschäfte abgesichert. Bei der Bilanzerstellung für X stellt sich heraus, dass einige der Forderungen, die verschiedenen Betriebsstätten zuzuordnen sind, das Kursrisiko gegenseitig absichern, ohne dass dies bezweckt war.

Lösung:

Alle Forderungen sind nach den allgemeinen Regeln der jeweiligen Betriebsstätte zuzuordnen.

2.12 Dotationskapital inländischer Betriebsstätten ausländischer Unternehmen (§ 12 BsGaV)

2.12.1 Grundsatz: funktions- und risikobezogene Kapitalaufteilungsmethode (§ 12 Absatz 1 BsGaV)

129 Nach § 12 Absatz 1 BsGaV ist einer inländischen Betriebsstätte eines nach ausländischem Recht buchführungspflichtigen oder tatsächlich Bücher führenden, ausländischen Unternehmens zu Beginn eines Wirtschaftsjahrs ein Dotationskapital nach der funktions- und risikobezogenen Kapitalaufteilungsmethode (Kapitalaufteilungsmethode) zuzuordnen, das zur Absicherung der ihr zuzuordnenden Vermögenswerte sowie der ihr zuzuordnenden Chancen und Risiken entsprechend der Eigenart der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte im Verhältnis zum übrigen Unternehmen erforderlich ist (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 28, Tz. 107 und Tz. 121 ff.). Das Dotationskapital wird dadurch ermittelt, dass die Kapitalquote (§ 12 Absatz 3 BsGaV, siehe Rn. 135 ff.) der Betriebsstätte auf das festzustellende Eigenkapital (§ 12 Absatz 2 BsGaV, siehe Rn. 133 ff.) des ausländischen Unternehmens angewandt wird. Ein zu geringes Dotationskapital führt zu einer höheren Zuordnung von Verbindlichkeiten des Unternehmens zur inländischen Betriebsstätte. Demzufolge wird der inländischen Betriebsstätte ein unangemessen höherer Zinsaufwand zugeordnet.

Fall (1) – Vereinfachter Grundfall:

Am beträgt das Eigenkapital des ausländischen Unternehmens Y (Y) 1.000. Die Vermögenswerte von Y belaufen sich auf 2.000, auf die inländische Betriebsstätte B (B) entfallen davon 500. Nennenswerte Rückstellungen hat Y nicht gebildet. Es sind keine immateriellen Werte vorhanden. Bewertungsunterschiede im Verhältnis zum Ausland bestehen nicht.

Lösung:

Das Dotationskapital von B ist zum nach der Kapitalaufteilungsmethode (§ 12 Absatz 1 BsGaV) wie folgt zu berechnen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Eigenkapital von Y
1.000
Kapitalquote für B: 500/2.000 = 25 %
 
Dotationskapital von B: 25 % von 1.000 =
250

HINWEIS:

Zur Aufteilung der übrigen Passivposten siehe Rn. 152 ff.

Fall (2) – Zuordnung des Dotationskapitals jeweils zu Beginn des Wirtschaftsjahrs:

Der inländischen Betriebsstätte B (B) eines ausländischen Unternehmens Y (Y) wird zum nach der Kapitalaufteilungsmethode ein Dotationskapital von 100 (10 % von 1.000 Eigenkapital von Y) zugeordnet. Im Laufe des Jahrs 01 erzielt B lt. Hilfs- und Nebenrechnung einen Gewinn von 20. Im Jahr 01 erzielt Y insgesamt einen Verlust von 200. Zum beträgt das Dotationskapital von B lt. Hilfs- und Nebenrechnung 120 (100 zuzüglich 20 Gewinn). Am beträgt der Anteil von B am Gesamtkapital nach der weiterhin anzuwendenden Kapitalaufteilungsmethode unverändert 10 %.

Lösung:

Unabhängig vom Gewinn von 20 im Jahr 01 ist B nach der Kapitalaufteilungsmethode (§ 12 Absatz 1 BsGaV) zum ein Dotationskapital von 80 (10 % von 800) zuzuordnen, das als Ausgangsbasis für die Hilfs- und Nebenrechnung des Jahrs 02 dient.

130 Entsteht zum Ende des Wirtschaftsjahrs eine sog. Überdotierung oder eine sog. Unterdotierung der Betriebsstätte, die erst durch die Bestimmung des Dotationskapitals zu Beginn des neuen Wirtschaftsjahrs erkennbar wird, und sorgt das Unternehmen dafür, dass das in der Hilfs- und Nebenrechnung auszuweisende Dotationskapital den tatsächlich der Betriebsstätte zuzuordnenden Aktivposten und Passivposten entspricht, so ist es nicht zu beanstanden, dass das Unternehmen eine Korrektur des zuzuordnenden Zinsaufwands für den bereits abgelaufenen Zeitraum des neuen Wirtschaftsjahrs unterlässt, wenn

  • die Bestimmung des neu zuzuordnenden Dotationskapitals unverzüglich nach Ablauf des vorangehenden Wirtschaftsjahrs erfolgt und

  • das Dotationskapital für das neue Wirtschaftsjahr unverzüglich angepasst wird.

131 Eine im Ausland steuerlich anerkannte Dotation der inländischen Betriebsstätte kann ein Anhaltspunkt für ein angemessenes Dotationskapital sein, soweit die Dotation ausgehend von der Kapitalaufteilungsmethode begründet werden kann. Hierzu hat das Unternehmen nachzuweisen, welches Dotationskapital die ausländische Finanzverwaltung für die inländische Betriebsstätte angesetzt bzw. anerkannt hat.

132 Zum Zinsabzug für inländische Betriebsstätten von ausländischen Unternehmen, die weder buchführungspflichtig sind noch Bücher führen, siehe § 15 Absatz 4 BsGaV und Rn. 161.

2.12.2 Höhe des Eigenkapitals des ausländischen Unternehmens (§ 12 Absatz 2 BsGaV)

133 Zur Anwendung der Kapitalaufteilungsmethode ist grundsätzlich die Höhe des Eigenkapitals des ausländischen Unternehmens (§ 12 Absatz 2 BsGaV) nach deutschem Steuerrecht zu bestimmen. Die exakte Ableitung des Eigenkapitals nach deutschem Steuerrecht aus dem Ansatz in der ausländischen Bilanz kann im Einzelfall unangemessenen Aufwand verursachen. Deshalb ist es aus Vereinfachungsgründen anzuerkennen, wenn das in der ausländischen Bilanz ausgewiesene Kapital als Ausgangspunkt zugrunde gelegt wird. Eine vollständige Umrechnung der ausländischen Bilanzansätze nach deutschem Steuerrecht führt im Regelfall zu unverhältnismäßigem Aufwand und ist deshalb nicht durchzuführen (siehe Rn. 133). Dem Eigenkapital in der ausländischen Bilanz hinzuzurechnen sind allerdings alle sonstigen Positionen, denen nach deutschem Steuerrecht Eigenkapitalcharakter zukommt. Vom Eigenkapital in der ausländischen Bilanz sind alle Positionen zu kürzen, die nach deutschem Steuerrecht keinen Eigenkapitalcharakter haben. Es ist unbeachtlich, nach welchem Rechnungslegungsstandard die ausländische Bilanz aufgestellt wurde. Sind mehrere Bilanzen verfügbar, ist die Bilanz zu verwenden, die einer deutschen Steuerbilanz am ehesten entspricht.

134 Die Anwendung der Vereinfachungsregelung setzt voraus, dass das Unternehmen durch Vorlage geeigneter Unterlagen und Berechnungen glaubhaft macht,

  • dass das Eigenkapital entsprechend der ausländischen Bilanz nicht erheblich von dem Eigenkapital abweicht, das nach deutschem Steuerrecht anzusetzen wäre, oder

  • dass Abweichungen durch Anpassungen nachvollziehbar rechnerisch so ausgeglichen werden, dass das Ergebnis nicht erheblich von dem Eigenkapital des ausländischen Unternehmens abweicht, das nach deutschem Steuerrecht ermittelt würde.

Dazu ist es grundsätzlich erforderlich, die Bilanzpositionen nach ausländischem Recht zunächst auf entsprechende Wertansätze nach deutschem Steuerrecht anzupassen. Verbleibende Unsicherheiten in Bezug auf unterschiedliche Wertansätze gelten als nicht erheblich i. S. d. § 12 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 BsGaV, wenn diese nach überschlägiger Berechnung voraus sichtlich weniger als 10 % des Eigenkapitals in der ausländischen Bilanz (nach Durchführung erforderlicher Anpassungen) ausmachen. Die Finanzverwaltung kann die Glaubhaftmachung des Unternehmens durch eigene Berechnungen, aus denen sich ergibt, dass die Erheblichkeitsgrenze überschritten wird, widerlegen.

Fall – Anpassungen an das deutsche Steuerrecht:

Das ausländische Unternehmen Y (Y) unterhält eine Betriebsstätte B (B) im Inland. Für das Dotationskapital von B ist die Kapitalaufteilungsmethode anzuwenden (§ 12 Absatz 1 BsGaV). Das Eigenkapital von Y beträgt 250. Abweichungen von Ansätzen, die nach deutschem Steuerrecht vorgeschrieben sind, sind nicht ersichtlich: Die vorgenommenen Abschreibungen auf Vermögenswerte entsprechen den Vorgaben der §§ 7 ff. bzw. des § 6 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 und Nummer 2 Satz 2 EStG. Die gebildeten Rückstellungen entsprechen den Anforderungen des § 6 Absatz 1 Nummer 3a und § 5 Absatz 2a bis 4b und § 6a EStG. Soweit notwendig, wurden in der ausländischen Bilanz ausgewiesene Verbindlichkeiten entsprechend § 6 Absatz 1 Nummer 2 EStG abgezinst.

Lösung:

Das nach ausländischem Recht ermittelte Eigenkapital von Y i. H. v. 250 kann der Ermittlung des Dotationskapitals von B nach der Kapitalaufteilungsmethode zugrunde gelegt werden.

Abwandlung:

Y hat in der ausländischen Bilanz eine Ausschüttungsverbindlichkeit von 30 passiviert, die nach inländischem Recht Eigenkapital darstellt. Weiterhin ist aus der Bilanz von Y ersichtlich, dass ein immaterieller Wert „Kosten für die Ingangsetzung des Geschäftsverkehrs” mit 10 aktiviert ist. Darüber hinaus ergeben sich überschlägig ermittelte Wertabweichungen bei Bilanzposten von 30 (z. B. bei Pensionsrückstellungen, wegen anderweitiger Abschreibungen von Wirtschaftsgütern).

Lösung:

Hinsichtlich der als Eigenkapital zu qualifizierenden Verbindlichkeit ist das Eigenkapital von Y um 30 zu erhöhen. Da in einer deutschen Steuerbilanz der genannte immaterielle Wert nicht aktiviert werden darf, ergibt sich eine Minderung des Eigenkapitals um 10.

Das angepasste Eigenkapital von Y beträgt danach:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Eigenkapital lt. ausländischer Bilanz
250
+ Anpassung
20
= nach deutschem Steuerrecht angepasstes Eigenkapital
270

Die nach dieser Anpassung in den Bilanzansätzen der Wirtschaftsgüter verbleibenden Unsicherheiten (30) übersteigen 10 % des angepassten Eigenkapitals (27). Deswegen darf das nach ausländischem Recht ermittelte Eigenkapital von Y nicht der Ermittlung des Dotationskapitals zugrunde gelegt werden, § 12 Absatz 2 Satz 2 BsGaV. Y muss nach § 12 Absatz 2 Satz 1 BsGaV eine detaillierte Überleitung des Eigenkapitals in einen nach deutschem Steuerrecht ermittelten Betrag vorlegen.

2.12.3 Bestimmung der Kapitalquote der inländischen Betriebsstätte (§ 12 Absatz 3 BsGaV)

135 Die Kapitalquote der inländischen Betriebsstätte, die auf das nach § 12 Absatz 1 und 2 BsGaV zu ermittelnde Eigenkapital des ausländischen Unternehmens anzuwenden ist, ergibt sich aus dem Verhältnis der Vermögenswerte sowie der Chancen und Risiken, die der Betriebsstätte zuzuordnen sind, zu den Vermögenswerten sowie den Chancen und Risiken des Unternehmens. Die Vermögenswerte sind mit Werten anzusetzen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen (§ 12 Absatz 3 Satz 1 BsGaV). Zu berücksichtigen sind alle Chancen und Risiken, sowohl diejenigen, die in der Bilanz des Unternehmens und in der Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte ausgewiesen sind, als auch diejenigen, die nicht bilanziert und/oder in der Hilfs- und Nebenrechnung ausgewiesen sind (siehe auch die Vereinfachungsregelung in Rn. 138).

136 Chancen und Risiken, die mit Vermögenswerten in unmittelbarem Zusammenhang stehen, sind in den Fremdvergleichspreisen der Vermögenswerte enthalten. Es ist nicht zu beanstanden, dass Chancen und Risiken, die nicht einzelnen Vermögenswerten oder Geschäftsvorfällen zugeordnet werden können (z. B. Gewährleistungsrückstellungen), pauschal berücksichtigt werden. Die Pauschalierung soll unverhältnismäßigen Aufwand vermeiden, der ansonsten erforderlich wäre.

137 Das Bestehen von Chancen und Risiken, die weder in der Bilanz noch in der Hilfs- und Nebenrechnung erfasst sind, die aber für die Ermittlung der Kapitalquote zu berücksichtigen sind (z. B. Geschäfts- und Firmenwert), hat derjenige glaubhaft zu machen, der sich darauf beruft.

Fall – Nicht erfasste Chancen und Risiken:

Das Eigenkapital des ausländischen Unternehmens Y (Y) beträgt 1.200. Die Fremdvergleichspreise der bilanzierten Vermögenswerte belaufen sich auf 1.700, davon entfallen auf die inländische Betriebsstätte B (B) 500. In der Bilanz von Y ist eine pauschale Gewährleistungsrückstellung i. H. v. 400 ausgewiesen, davon entfallen auf B 100. Y verfügt über nicht bilanzierungsfähige immaterielle Werte i. H. v. 200, davon entfallen auf B 100.

Lösung:

Das Dotationskapital von B ermittelt sich wie folgt:

Zunächst ist die auf das aufzuteilende Eigenkapital i. H. v. 1.200 anzuwendende Kapitalaufteilungsquote zu ermitteln:


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bilanzierte Vermögenswerte
1.700
+ nicht bilanzierte immaterielle Wirtschaftsgüter
200
– Gewährleistungsrückstellungen
400
= Ergebnis
1.500

Davon entfallen auf B:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
bilanzierte Vermögenswerte
500
+ nicht bilanzierte immaterielle Wirtschaftsgüter
100
– Gewährleistungsrückstellungen
100
= Ergebnis
500

Die Kapitalquote für B beträgt damit 500/1.500 (1/3). Die Anwendung der Kapitalquote auf das Eigenkapital von Y (1.200) führt zu einem Dotationskapital für B i. H. v. 400.

Abwandlung:

Die Gewährleistungsrückstellung beträgt 200, wovon 100 auf B entfallen. Zusätzlich ist in der Bilanz von Y eine Kontaminierungsrückstellung i. H. v. 200 ausgewiesen, die im Zusammenhang mit einem Grundstück steht, das dem übrigen Unternehmen zuzuordnen ist. Der Fremdvergleichspreis der Vermögenswerte beträgt wegen der Kontaminierung 1.500.

Lösung:

Das Dotationskapital von B ermittelt sich wie folgt:


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bilanzierte Vermögenswerte von Y
1.500
+ nicht bilanzierte immaterielle Wirtschaftsgüter
200
– Gewährleistungsrückstellungen
200
– Kontaminierungsrückstellung (in den Vermögenswerten bereits enthalten)
0
= Ergebnis
1.500

Davon entfallen auf B:


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bilanzierte Vermögenswerte
500
+ nicht bilanzierte immaterielle Wirtschaftsgüter
100
– Gewährleistungsrückstellungen
100
= Ergebnis
500

Die Kapitalquote für B beträgt 500/1.500. Die Anwendung der Kapitalquote auf das Eigenkapital von Y (1.200) führt zu einem Dotationskapital für B i. H. v. 400.

138 Aus Vereinfachungsgründen können die Buchwerte der Aktivposten des ausländischen Unternehmens und die Werte in der Hilfs- und Nebenrechnung der inländischen Betriebsstätte zur Bestimmung der Kapitalquote der inländischen Betriebsstätte herangezogen werden. Der Ansatz von im Ausland vorhandenen Werten, die Buchwerten vergleichbar sind, ist anzuerkennen, wenn das Unternehmen glaubhaft macht,

  • dass nach überschlägiger Berechnung der Ansatz von Buchwerten oder von im Ausland vorhandenen Werten, die Buchwerten entsprechen, zu einer Kapitalquote führt, die nicht erheblich von der Kapitalquote abweicht, die sich ergäbe, wenn Werte entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz angesetzt würden, oder

  • dass erkennbare Abweichungen durch Anpassungen nachvollziehbar so ausgeglichen werden, dass das Ergebnis nicht erheblich von dem Ergebnis nach § 12 Absatz 3 Satz 1 BsGaV abweicht; Anpassungsrechnungen können z. B. erforderlich werden, wenn bisher nicht bilanzierte immaterielle Vermögenswerte zu berücksichtigen sind.

139 Eine nach den Buchwerten ermittelte Kapitalquote ist nicht zu beanstanden, wenn sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Kapitalquote nach Fremdvergleichswerten um mehr als 10 Prozentpunkte von der Kapitalquote nach Buchwerten abweicht.

Fall – Nichtbeanstandungsklausel:

Das Eigenkapital des ausländischen Unternehmens Y (Y) beträgt 1.000. Die Buchwerte der Aktivposten belaufen sich insgesamt auf 2.000, davon entfallen auf die inländische Betriebsstätte B (B) 500.

Lösung:

Das Dotationskapital von B nach Buchwerten ist wie folgt zu berechnen:


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Eigenkapital von Y
1.000
Kapitalquote für B: 500/2.000 = 25 %
 
Dotationskapital von B: 25 % von 1.000 =
250

Diese Berechnung ist anzuerkennen, wenn keine Anhaltspunkte vorliegen, dass eine Berechnung nach Fremdvergleichswerten zu einer Kapitalquote führt, die unter 15 % oder über 35 % liegt.

2.12.4 Unterkapitalisierung des ausländischen Unternehmens (§ 12 Absatz 4 BsGaV)

140 Die Regelung des § 12 Absatz 4 BsGaV gilt ausschließlich für Unternehmensgruppen, die einem Konzern i. S. d. § 18 AktG entsprechen. Betroffen sind Fälle, in denen das nach der Kapitalaufteilungsmethode zugewiesene Dotationskapital dauerhaft zu einem Ergebnis für die inländische Betriebsstätte führt, das ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter vergleichbaren Umständen nicht hinnehmen würde. Ist aufgrund der Unterkapitalisierung des Unternehmens bei der Betriebsstätte nach Abzug der Zinsaufwendungen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht mit einem positiven Gesamtergebnis zu rechnen (betriebswirtschaftliche Prognoserechnung), ist das Dotationskapital von Anfang an nach § 12 Absatz 4 BsGaV zu ermitteln.

141 Das Dotationskapital für die inländische Betriebsstätte ist dadurch zu bestimmen, dass zunächst das konsolidierte Eigenkapital der Unternehmensgruppe, zu dem das Unternehmen gehört, entsprechend § 12 Absatz 2 BsGaV ermittelt wird. Die auf das konsolidierte Eigenkapital der Unternehmensgruppe anzuwendende Kapitalquote ist entsprechend § 12 Absatz 1 bis 3 BsGaV zu ermitteln. Die in Rn. 138 enthaltene Vereinfachungsregelung (Verwendung der Buchwerte der Aktivposten nach Konsolidierung) kann angewendet werden, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen.

Beispiel:

Die inländische Betriebsstätte B (B) produziert und vertreibt an fremde Dritte (keine Geschäftsbeziehungen zum übrigen Unternehmen). B gehört zum ausländischen Unternehmen T, das zum ausländischen Konzern Y gehört. T weist ein Eigenkapital von 40 aus. Nach der Kapitalaufteilungsmethode (§ 12 Absatz 1 bis 3 BsGaV) wäre B ein Dotationskapital von 10 (25 % vom Eigenkapital von T) zuzuordnen. Aufgrund des hohen Zinsaufwandes weist B trotz der positiven operativen Ergebnisse dauerhaft Verluste von jährlich 20 aus. Das konsolidierte Eigenkapital von Y beträgt 1.000. Die Kapitalquote von B beträgt nach § 12 Absatz 1 bis 3 BsGaV bezogen auf das konsolidierte Eigenkapital von Y 10 %.

Lösung:

Da aufgrund der Unterkapitalisierung von T, die sich bei Anwendung des § 12 Absatz 1 BsGaV auch auf das Dotationskapital von B auswirkt, dauerhafte Verluste eintreten, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nicht hinnehmen würde, bestimmt sich das Dotationskapital nach § 12 Absatz 4 BsGaV auf Grundlage des konsolidierten Eigenkapitals von Y. B ist ein Dotationskapital von 100 (10 % von 1.000) zuzuweisen.

2.12.5 Untergrenze: handelsrechtliches Kapital der inländischen Betriebsstätte (§ 12 Absatz 5 BsGaV)

142 In Fällen, in denen das ausländische Unternehmen für seine inländische Betriebsstätte eine Handelsbilanz erstellt und darin ein bestimmtes Dotationskapital ausweist, darf dieser Betriebsstätte für steuerliche Zwecke kein niedrigeres Dotationskapital zugeordnet werden. Denn durch die Entscheidung des ausländischen Unternehmens, seiner inländischen Betriebsstätte tatsächlich (durch den Ausweis in der Handelsbilanz dokumentiert) ein bestimmtes Dotationskapital zur Verfügung zu stellen, macht das ausländische Unternehmen deutlich, dass es dieses Dotationskapital betriebswirtschaftlich für erforderlich hält, um auf dem inländischen Markt wirtschaftlich tätig zu sein.

2.12.6 Unterjährige Anpassung des Dotationskapitals einer inländischen Betriebsstätte (§ 12 Absatz 6 BsGaV)


143 Das Dotationskapital einer inländischen Betriebsstätte ist innerhalb eines Wirtschaftsjahrs anzupassen, wenn sich die Zuordnung von Personalfunktionen, von Vermögenswerten oder von Chancen und Risiken zu einem bestimmten Zeitpunkt gegenüber den Verhältnissen zu Beginn des Wirtschaftsjahrs ändert und dies zu einer erheblichen Veränderung des zuzuordnenden Dotationskapitals führt. Eine sich ergebende Änderung des Dotationskapitals einer inländischen Betriebsstätte ist erheblich, wenn das wegen der geänderten Zuordnung von Personalfunktionen, von Vermögenswerten oder von Chancen und Risiken zuzuordnende Dotationskapital zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahrs um mehr als 30 % vom Dotationskapital zu Beginn des Wirtschaftsjahrs abweicht, aber nur dann, wenn die Abweichung mindestens 2 Mio. Euro beträgt. Für die unterjährige Ermittlung des Dotationskapitals kann aus Vereinfachungsgründen das Dotationskapital zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahrs (ggf. mit entsprechenden Anpassungen) verwendet werden. Von einer unterjährigen Erhöhung des Dotationskapitals kann abgesehen werden, wenn diese nicht sachgerecht wäre, z. B. weil die Veränderung erst am Ende des Jahrs eintritt und die steuerlichen Auswirkungen deshalb gering sind. Eine Verringerung des Dotationskapitals einer inländischen Betriebsstätte ist allerdings steuerlich nur anzuerkennen, wenn nachgewiesen wird, dass das ausländische Unternehmen im Ausland die entsprechenden steuerlichen Konsequenzen gezogen hat. Auf die Beschränkung der Änderungsmöglichkeit durch die Finanzverwaltung nach § 1 Absatz 1 AStG wird hingewiesen (vgl. Rn. 10).

2.13 Dotationskapital ausländischer Betriebsstätten inländischer Unternehmen (§ 13 BsGaV)

2.13.1 Grundsatz: Mindestkapitalausstattungsmethode (§ 13 Absatz 1 BsGaV)

144 Ausländischen Betriebsstätten inländischer buchführungspflichtiger oder tatsächlich Bücher führender Unternehmen wird zu Beginn eines Wirtschaftsjahrs Dotationskapital grundsätzlich nur zugeordnet, soweit das Unternehmen glaubhaft macht, dass diese Zuordnung aus betriebswirtschaftlichen Gründen für die Betriebsstätte erforderlich ist (Mindestkapitalausstattungsmethode). Das Unternehmen hat das Erfordernis einer höheren Dotation auf Basis eines Vergleichs der Funktionen und Risiken der Betriebsstätte mit denen des übrigen Unternehmens darzustellen und anhand von betriebswirtschaftlichen Kennziffern zu belegen. Das vom Betriebsstättenstaat nachweislich geforderte Dotationskapital für eine ausländische Betriebsstätte kann als Indiz für eine angemessene Dotation angesehen werden (siehe aber Rn. 146 ff.) Ein höheres Dotationskapital führt zu einer geringeren Zuordnung von Verbindlichkeiten des Unternehmens zur ausländischen Betriebsstätte, so dass der ausländischen Betriebsstätte ein geringerer Zinsaufwand zugeordnet wird.

Fall – Höheres Dotationskapital als nach der Mindestkapitalausstattungsmethode:

Die ausländische Betriebsstätte A (A) ist Teil des inländischen Unternehmens X. A erbringt einfache Dienstleistungen an das übrige Unternehmen. A sind keinerlei Vermögenswerte zuzuordnen und A trägt auch keine nennenswerten Risiken.

Lösung:

Nach der Mindestkapitalausstattungsmethode ist A kein Dotationskapital zuzuordnen. Betriebswirtschaftliche Gründe für ein höheres Dotationskapital liegen nicht vor bzw. sind nicht ersichtlich (siehe auch Rn. 368 zu Bau- und Montagebetriebsstätten).

Abwandlung:

A sind zur Erbringung der Dienstleistung mehrere Vermögenswerte zugeordnet.

Lösung:

Nach der Mindestkapitalausstattungsmethode ist A kein Dotationskapital zuzuordnen. Soweit betriebswirtschaftliche Gründe glaubhaft gemacht werden (z. B. Risiken aus den zugeordneten Vermögenswerten), ist A ein angemessenes (Mindest-)Dotationskapital zuzuordnen.

145 Entsteht zum Ende des Wirtschaftsjahrs eine Überdotierung oder Unterdotierung der Betriebsstätte, die erst durch die Bestimmung des Dotationskapitals zu Beginn des neuen Wirtschaftsjahrs erkennbar wird, und sorgt das Unternehmen dafür, dass das in der Hilfs- und Nebenrechnung auszuweisende Dotationskapital den tatsächlich der Betriebsstätte zuzuordnenden Aktivposten und Passivposten entspricht, so ist es nicht zu beanstanden, wenn das Unternehmen eine Korrektur des zuzuordnenden Zinsaufwands für den bereits abgelaufenen Zeitraum des neuen Wirtschaftsjahrs unterlässt, wenn

  • die Bestimmung des neu zuzuordnenden Dotationskapitals unverzüglich nach Ablauf des vorangehenden Wirtschaftsjahrs erfolgt und

  • das Dotationskapital für das neue Wirtschaftsjahr anschließend unverzüglich angepasst wird.

2.13.2 Obergrenze: Anwendung der Kapitalaufteilungsmethode (§ 13 Absatz 2 BsGaV)

146 Ein höheres Dotationskapital, als es nach § 13 Absatz 1 BsGaV erforderlich ist, ist anzuerkennen, soweit dies im Einzelfall zu einem Ergebnis der Betriebsstätte führt, das dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht. Dies kann z. B. anhand betriebswirtschaftlicher Kennziffern dargestellt werden. Jeder höhere Ansatz – über das erforderliche Dotationskapital hinaus (Mindestkapitalausstattungsmethode) – ist zu begründen.

147 Das nach § 13 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 BsGaV ermittelte Dotationskapital darf jedoch den Höchstbetrag nicht übersteigen, der sich ergibt, wenn die Kapitalaufteilungsmethode nach § 12 Absatz 1 bis 3 BsGaV entsprechend auf die ausländische Betriebsstätte angewendet wird.

148 Für die Berechnung des Höchstbetrags nach Rn. 147 sind die für die Besteuerung maßgeblichen Bilanzansätze des inländischen Unternehmens anzusetzen, es sei denn, der Ansatz einzelner Fremdvergleichswerte entsprechend § 12 Absatz 3 Satz 1 BsGaV führt im Einzelfall zu einem erheblich abweichenden Ergebnis der Betriebsstätte, das dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht. Von den Bilanzansätzen abweichende Fremdvergleichswerte sind von demjenigen nachzuweisen, der sie behauptet.

Fall – Höchstbetragsberechnung:

Das inländische Unternehmen X (X) hat im Staat A die Betriebsstätte A (A). X besitzt neben bilanzierten Wirtschaftsgütern selbstgeschaffene immaterielle Werte, die zutreffend nicht in der Steuerbilanz von X ausgewiesen sind. Die vereinfachte Bilanz von X stellt sich wie folgt dar:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Grundstück
100
Eigenkapital
400
Sonstiges Anlagevermögen
400
Fremdkapital
600
Umlaufvermögen
500
 
 
 
1.000
 
1.000

A sind auf Basis der Buchwerte 20 % des sonstigen Anlagevermögens und 20 % des Umlaufvermögens sowie ein selbstgeschaffener immaterieller Wert mit einem Wert von 220 zuzuordnen. Der Fremdvergleichswert des Grundstücks beträgt 480. Im sonstigen Anlagevermögen und im Umlaufverlauf sind keine stillen Reserven enthalten. X ordnet A unter Berufung auf die einzubeziehenden Fremdvergleichswerte ein Dotationskapital von 180 zu. In der Prüfung wird auf Basis von Unterlagen von X festgestellt, dass A nach der Mindestkapitalausstattungsmethode ein Dotationskapital von 40 als betriebswirtschaftlich mindestens erforderlich zuzuordnen ist (§ 13 Absatz 1 BsGaV).

Lösung:

§ 13 Absatz 2 Satz 1 BsGaV lässt den Ansatz eines höheren Dotationskapitals als nach der Mindestkapitalausstattungsmethode zu, wenn dies dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht. Das höhere Dotationskapital ist jedoch begrenzt auf den Betrag, der sich bei Anwendung der Kapitalaufteilungsmethode ergibt. Auf Basis der Buchwerte sind A 20 % von 900 Vermögenswerten (sonstiges Anlagevermögen 400 und Umlaufvermögen 500) zuzuordnen. Somit betragen die Aktivposten der Hilfs- und Nebenrechnung von A 180. Dies entspricht 18 % der Aktivposten von X. Der Höchstbetrag des Dotationskapitals nach der Kapitalaufteilungsmethode nach § 12 Absatz 3 Satz 2 BsGaV auf der Grundlage der Buchwerte beträgt folglich 18 % des Eigenkapitals von 400 = 72 (gleiche Kapitalausstattung von X und A). Die Berechnung unter Einbeziehung der Fremdvergleichswerte, die in diesem Fall für alle Vermögenswerte anzusetzen sind, ergibt folgenden Höchstbetrag:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Fremdvergleichswerte
X insgesamt
Betriebsstätte A
Grundstück
480
0
+ Sonstiges Anlagevermögen
400
80
+ Umlaufvermögen
500
100
+ immaterieller Wert
220
220
= Werte insgesamt
1.600
400
Anteil von A am tatsächlichen Wert der Aktivposten
 
25 %
Dotationskapital A höchstens: 25 % von 400
 
100

Das von X angesetzte Dotationskapital von 180 ist deshalb in jedem Fall zu korrigieren. Unabhängig davon, welcher Höchstbetrag sich für das Dotationskapital ergibt, kann ein 40 übersteigender Betrag nach § 13 Absatz 2 Satz 1 BsGaV nur anerkannt werden, soweit X glaubhaft macht, dass der höhere Betrag dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht als 40. Allerdings können im konkreten Fall höchstens 100 angesetzt werden, wobei jede Erhöhung des Werts von 40 zu begründen ist (siehe Rn. 146). Unbeachtlich ist, dass der Höchstbetrag auf Grundlage der Fremdvergleichswerte (25 %) den Höchstbetrag auf Grundlage der Buchwerte (18 %) nur um 7 Prozentpunkte übersteigt, denn Rn. 139 enthält lediglich eine Nichtbeanstandungsregelung, die X nicht bindet.

HINWEIS:

Grund für den Ansatz eines höheren Dotationskapitals als 40 können z. B. die hohe Eigenkapitalausstattung von X oder ein besonderes Risikoprofil von A sein.

2.13.3 Ausnahmeregelung: nichtsteuerrechtliche Anforderungen im Ausland (§ 13 Absatz 3 BsGaV)

149 Ein höheres Dotationskapital als nach § 13 Absatz 1 und 2 BsGaV ist anzuerkennen, soweit außersteuerliche ausländische Vorschriften dieses erhöhte Dotationskapital vorschreiben. In diesem Fall kann zugunsten des Unternehmens auch ein die Kapitalaufteilungsmethode überschreitender Betrag angesetzt werden, soweit dadurch ein internationaler Besteuerungskonflikt vermieden wird (siehe Rn. 262 für Banken und Rn. 328 für Versicherungen). Beruht das erhöhte Dotationskapitalerfordernis dagegen auf steuerrechtlichen Vorschriften des Auslands, werden diese Vorschriften nach deutschem Rechtsverständnis durch die DBA überschrieben (vgl. Artikel 7 OECD-MA).

2.13.4 Obergrenze: handelsrechtliches Kapital der ausländischen Betriebsstätte (§ 13 Absatz 4 BsGaV)

150 Durch die Entscheidung des inländischen Unternehmens, seiner ausländischen Betriebsstätte tatsächlich (durch den Ausweis in der ausländischen Handelsbilanz dokumentiert) ein bestimmtes Dotationskapital zur Verfügung zu stellen, macht das inländische Unternehmen deutlich, dass es dieses Dotationskapital für betriebswirtschaftlich ausreichend hält, um auf dem ausländischen Markt wirtschaftlich tätig zu sein.

2.13.5 Unterjährige Anpassung des Dotationskapitals einer ausländischen Betriebsstätte (§ 13 Absatz 5 BsGaV)

151 Das Dotationskapital einer ausländischen Betriebsstätte ist innerhalb eines Wirtschaftsjahrs anzupassen, wenn sich die Zuordnung von Personalfunktionen, von Vermögenswerten oder von Chancen und Risiken gegenüber den Verhältnissen zu Beginn des Wirtschaftsjahrs ändert und dies zu einer erheblichen Veränderung des Dotationskapitals führt. Eine sich ergebende Änderung des Dotationskapitals einer inländischen Betriebsstätte ist erheblich, wenn das wegen der geänderten Zuordnung von Personalfunktionen, von Vermögenswerten oder von Chancen und Risiken zuzuordnende Dotationskapital zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahrs um mehr als 30 % vom Dotationskapital zu Beginn des Wirtschaftsjahrs abweicht, aber nur dann, wenn die Abweichung mindestens 2 Mio. Euro beträgt. Rn. 143 ist sinngemäß anzuwenden. Eine Erhöhung des Dotationskapitals einer ausländischen Betriebsstätte ist allerdings nur anzuerkennen, wenn nachgewiesen wird, dass das inländische Unternehmen im Ausland die entsprechenden steuerlichen Konsequenzen gezogen hat. Auf die Beschränkung der Änderungsmöglichkeit durch die Finanzverwaltung nach § 1 Absatz 1 AStG wird hingewiesen (vgl. Rn. 10).

2.14 Zuordnung übriger Passivposten (§ 14 BsGaV)

2.14.1 Direkte Methode (§ 14 Absatz 1 BsGaV)

152 Nach Abzug der in der Hilfs- und Nebenrechnung auszuweisenden Risiken (§§ 10 und 11 BsGaV) und des Dotationskapitals (§§ 12 und 13 BsGaV) müssen der Betriebsstätte im Regelfall übrige Passivposten des Unternehmens zugeordnet werden, um die Hilfs- und Nebenrechnung auszugleichen. Diese Passivposten sind der Betriebsstätte vorrangig nach der direkten Methode zuzuordnen. Der Betriebsstätte direkt zuordenbar sind die übrigen Passivposten des Unternehmens, die mit den Vermögenswerten sowie den Chancen und Risiken der Betriebsstätte im unmittelbaren Zusammenhang stehen.

Fall – Direkte Methode:

Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Eine Maschine wird von B für eigene betriebliche Zwecke angeschafft und anschließend genutzt. Die Maschine ist zu 100 % über ein Bankdarlehen von X finanziert worden.

Lösung:

Die Maschine ist B nach § 5 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen und als Bestandteil der Hilfs- und Nebenrechnung von B (§ 3 BsGaV) auszuweisen. Das Bankdarlehen steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Maschine. Es ist deshalb der B nach § 14 Absatz 1 BsGaV (vorbehaltlich § 14 Absatz 2 BsGaV, siehe Rn. 153) ebenfalls zu 100 % zuzuordnen und Bestandteil deren Hilfs- und Nebenrechnung.

2.14.2 Kürzung eines Überhangs an direkt zuordnungsfähigen übrigen Passivposten (§ 14 Absatz 2 BsGaV)

153 Übersteigen die direkt zuordnungsfähigen übrigen Passivposten in ihrer Summe den Betrag, der auf der Passivseite der Hilfs- und Nebenrechnung nach Zuordnung der Risiken und des Dotationskapitals verbleibt, sind die übrigen Passivposten anteilig zu kürzen. Der nach der Kürzung verbleibende Teil ist der Betriebsstätte zuzuordnen. In Höhe des Kürzungsbetrags sind die übrigen Passivposten dem übrigen Unternehmen zuzuordnen.

Fall (1) – Kürzung der direkt zuordenbaren Passivposten:

Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Produktionsbetriebsstätte B (B). B sind zutreffend Vermögenswerte nach §§ 5 ff. BsGaV, Risiken nach §§ 10 f. BsGaV und Dotationskapital nach §§ 12 bzw. 13 BsGaV zugeordnet worden. Es ergeben sich folgende Positionen, die in der Hilfs- und Nebenrechnung von B zwingend zu erfassen sind:


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vorläufige Hilfs- und Nebenrechnung
Maschine
1.000
Dotationskapital
300
Rohstoffe
300
Gewährleistungsrückstellung
300

Zur allgemeinen Unternehmensfinanzierung besteht für X ein Bankdarlehen (I) i. H. v. 300. Für den Erwerb der von B genutzten und B zuzuordnenden Maschine hat X ein weiteres Bankdarlehen (II) i. H. v. 900 aufgenommen.

Lösung:

Das Bankdarlehen (I) steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit B zuzuordnenden Vermögenswerten und kann B daher grundsätzlich nicht nach § 14 Absatz 1 BsGaV zugeordnet werden (vorbehaltlich § 14 Absatz 3 BsGaV). Dagegen steht das Bankdarlehen (II) in unmittelbarem Zusammenhang mit der zuzuordnenden Maschine und ist B daher nach § 14 Absatz 1 BsGaV grundsätzlich wie die Maschine zu 100 % zuzuordnen. Die direkte Zuordnung des Bankdarlehens (II) führt allerdings zu einem Passivüberhang, der nach § 14 Absatz 2 BsGaV durch eine entsprechende Kürzung auszugleichen ist. Das Bankdarlehen (II) kann B daher nur im Umfang von 700, d. h. anteilig, zugeordnet werden. Der restliche Darlehensbetrag von 200 ist dem übrigen Unternehmen zuzuordnen. Es ergibt sich folgende endgültige Hilfs- und Nebenrechnung:


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Hilfs- und Nebenrechnung
Maschine
1.000
Dotationskapital
300
Rohstoffe
300
Gewährleistungsrückstellung
300
 
 
Bankdarlehen (II)
700
 
1.300
 
1.300

Fallvariante (1) – Anteilige Kürzung der direkt zuordenbaren Passivposten:

Gleicher Sachverhalt, aber zur Finanzierung der B zuzuordnenden Rohstoffe hat X ein weiteres Bankdarlehen (III) i. H. v. 100 aufgenommen.

Lösung:

Beide Bankdarlehen (II und III) stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit den B zuzuordnenden Vermögenswerten und sind daher nach § 14 Absatz 1 BsGaV grundsätzlich ebenfalls B zuzuordnen. Die direkte Zuordnung der beiden Bankdarlehen führt zu einem Passivüberhang, der nach § 14 Absatz 2 BsGaV durch eine anteilige Kürzung auszugleichen ist. Beide Bankdarlehen sind B daher nur im Umfang von insgesamt 700 (Berücksichtigungsquote: 70 %) zuzuordnen. Die restlichen Darlehensbeträge sind dem übrigen Unternehmen zuzuordnen. Es ergibt sich folgende endgültige Hilfs- und Nebenrechnung:


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endgültige Hilfs- und Nebenrechnung
Maschine
1.000
Dotationskapital
300
Rohstoffe
300
Gewährleistungsrückstellung
300
 
 
Bankdarlehen (II) 70 % v. 900
630
 
 
Bankdarlehen (III) 70 % v. 100
70
 
1.300
 
1.300

Fall (2) – Kürzung der direkt zuordenbaren Passivposten und Aufstockung um liquide Mittel:

Gleicher Sachverhalt wie Grundfall, aber für B ergibt sich aufgrund zwingend anzusetzender Werte folgende vorläufige Hilfs- und Nebenrechnung:


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vorläufige Hilfs- und Nebenrechnung
Rohstoffe
300
Dotationskapital
200
Maschine
100
Gewährleistungsrückstellung
300

Für den Erwerb der Rohstoffe ist ein Bankdarlehen i. H. v. 200 aufgenommen worden. Im Übrigen bestehen keine weiteren Darlehen.

Lösung:

Das Bankdarlehen steht zwar in unmittelbarem Zusammenhang mit den B zuzuordnenden Rohstoffen und ist B daher grundsätzlich nach § 14 Absatz 1 BsGaV zu 100 % zuzuordnen. Die direkte Zuordnung führt allerdings zu einem Passivüberhang, der nach § 14 Absatz 2 BsGaV durch eine entsprechende Kürzung (hier: zu 100 %) auszugleichen ist. Das Bankdarlehen ist daher nicht B, sondern dem übrigen Unternehmen zuzuordnen. Die darüber hinaus bestehende Differenz zwischen den zwingend in der Hilfs- und Nebenrechnung von B zu erfassenden Vermögenswerten und der Summe von Dotationskapital und den ebenfalls zwingend zu erfassenden Risiken ist durch Zuordnung von liquiden Mitteln (z. B. Kasse oder Bank) zu schließen. Es ergibt sich folgende endgültige Hilfs- und Nebenrechnung:


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endgültige Hilfs- und Nebenrechnung
Rohstoffe
300
Dotationskapital
200
Bank/Kasse
100
Gewährleistungsrückstellung
300
Maschine
100
 
 
 
500
 
500

2.14.3 Indirekte Methode (§ 14 Absatz 3 BsGaV)

154 Verbleibt nach der direkten Zuordnung der übrigen Passivposten nach § 14 Absatz 1 BsGaV ein Fehlbetrag an Passivposten in der Hilfs- und Nebenrechnung, so ist dieser Fehlbetrag zum Ausgleich der Aktiv- und Passivseite der Hilfs- und Nebenrechnung mit übrigen Passivposten des Unternehmens aufzufüllen. Dazu sind vorrangig die Passivposten des übrigen Unternehmens zu verwenden, die nicht direkt einem Vermögenswert des übrigen Unternehmens zugeordnet werden können, soweit dies ohne unverhältnismäßigen Aufwand feststellbar ist.

Fall – Indirekte Methode:

Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Produktionsbetriebsstätte B (B). B sind zutreffend Vermögenswerte nach §§ 5 ff. BsGaV, Risiken nach §§ 10 f. BsGaV und Dotationskapital nach §§ 12 bzw. 13 BsGaV zugeordnet worden. Es ergeben sich folgende Positionen, die in der Hilfs- und Nebenrechnung von B zwingend zu erfassen sind:


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vorläufige Hilfs- und Nebenrechnung
Maschine
1.000
Dotationskapital
300
Rohstoffe
300
Gewährleistungsrückstellung
300

Für den Erwerb der von B genutzten und B zuzuordnenden Maschine hat X ein Bankdarlehen (I) i. H. v. 500 aufgenommen. Für den Erwerb eines LKW, der zutreffend dem übrigen Unternehmen zugeordnet ist, hat X ein Bankdarlehen (II) i. H. v. 800 aufgenommen. Zur allgemeinen Unternehmensfinanzierung besteht für X ein Bankdarlehen (III) i. H. v. 3.000. Weitere Verbindlichkeiten bestehen nicht.

Lösung:

Das Bankdarlehen (I) steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der B zuzuordnenden Maschine und ist B daher nach § 14 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen. Weder das Bankdarlehen zur Finanzierung des LKW (II) noch das zur allgemeinen Unternehmensfinanzierung (III) stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit B zuzuordnenden Vermögenswerten. Diese Bankdarlehen können B daher nicht direkt nach § 14 Absatz 1 BsGaV zugeordnet werden. Die Zuordnung nur der direkt zuordenbaren Passivposten führt zu einem Aktivüberhang. Dieser Überhang ist nach § 14 Absatz 3 BsGaV durch die weitere Zuordnung von übrigen Passivposten auszugleichen. Hierzu sind vorrangig die übrigen Passivposten heranzuziehen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Vermögenswerten, Chancen und Risiken stehen, die dem übrigen Unternehmen zuzuordnen sind. B ist daher vorrangig ein Teil des Bankdarlehens (III) zuzuordnen, das der allgemeinen Unternehmensfinanzierung dient. Es ergibt sich folgende endgültige Hilfs- und Nebenrechnung:


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endgültige Hilfs- und Nebenrechnung
Maschine
1.000
Dotationskapital
300
Rohstoffe
300
Gewährleistungsrückstellung
300
 
 
Bankdarlehen (I)
500
 
 
Bankdarlehen (III)
200
 
1.300
 
1.300

HINWEIS:

Reicht das Bankdarlehen (III) zum Auffüllen der Passivseite nicht aus, so ist B nach § 14 Absatz 3 BsGaV auch der für den Ausgleich erforderliche Teil des Bankdarlehens (II) zuzuordnen.

2.15 Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen (§ 15 BsGaV)

2.15.1 Direkte Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen (§ 15 Absatz 1 BsGaV)

155 Finanzierungsaufwendungen, die mit Passivposten zusammenhängen, die der Betriebsstätte nach § 14 Absatz 1 BsGaV direkt zuzuordnen sind, sind ebenfalls der Betriebsstätte zuzuordnen.

Fallfortsetzung – Direkte Methode (siehe Rn. 152):

Für das Bankdarlehen „Allgemeine Unternehmensfinanzierung“ (I) fallen jährlich Zinsen i. H. v. 50 an.

Lösung:

Da das Bankdarlehen (I) nach § 14 Absatz 1 BsGaV B zuzuordnen ist, sind B auch die Finanzierungsaufwendungen i. H. v. 50 zuzuordnen und in der Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 BsGaV) zu berücksichtigen.

HINWEIS (zur Abgrenzung):

Finanzierungsaufwendungen, die nach § 16 Absatz 3 Satz 2 und 3 BsGaV anfallen, sind der Betriebsstätte zuzuordnen, die die Finanzmittel nutzt (siehe Fall Rn. 174 zu § 16 Absatz 3 BsGaV).

2.15.2 Kürzung von Finanzierungsaufwendungen bei Überhang an übrigen Passivposten (§ 15 Absatz 2 BsGaV)

156 Sind die direkt zuordnungsfähigen übrigen Passivposten der Betriebsstätte nach § 14 Absatz 2 BsGaV nur anteilig zuzuordnen, so sind auch die mit diesen Passivposten in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Finanzierungsaufwendungen nur anteilig anzusetzen, d. h., auch sie müssen entsprechend gekürzt werden.

Fortsetzung Fall (1), siehe Rn. 153 – Kürzung der direkt zuordenbaren Passivposten:

Für das Bankdarlehen (II) „Maschine“ fallen jährlich Zinsen i. H. v. 90 an.

Lösung:

Da das Bankdarlehen (II) nach § 14 Absatz 2 BsGaV B nur im Umfang von 7/9 zugeordnet werden kann, können B auch nur Finanzierungsaufwendungen i. H. v. 7/9 von 90 = 70 zugeordnet und in der Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 BsGaV) berücksichtigt werden.

Fortsetzung Fallvariante (1), siehe Rn. 153 – anteilige Kürzung der direkt zuordenbaren Passivposten:

Für das Bankdarlehen (II) „Maschine“ fallen jährlich Zinsen i. H. v. 90 an, für das Bankdarlehen (III) „Rohstoffe” jährlich 10.

Lösung:

Da beide Bankdarlehen B nach § 14 Absatz 2 BsGaV B nur im Umfang von 70 % zuzuordnen sind, können B auch nur Finanzierungsaufwendungen i. H. v. 70 % von 90 = 63 und 70 % von 10 = 7, d. h. insgesamt Finanzierungsaufwand von 70 zugeordnet und in der Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 BsGaV) berücksichtigt werden.

2.15.3 Indirekte Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen (§ 15 Absatz 3 BsGaV)
2.15.3.1 Indirekte Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen (§ 15 Absatz 3 Satz 1 und 2 BsGaV)

157 § 15 Absatz 3 Satz 1 BsGaV bestimmt, dass Finanzierungsaufwendungen des Unternehmens in den Fällen der indirekten Zuordnung der Passivposten nach § 14 Absatz 3 BsGaV der Betriebsstätte anteilig zuzuordnen sind. Eine anteilige Zuordnung der Finanzierungsaufwendungen ist auch vorzunehmen, wenn eine direkte Zuordnung einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen würde.

Fallfortsetzung – Indirekte Methode (siehe Rn. 154):

Für das Bankdarlehen (I) „Maschine” fallen jährlich insgesamt Zinsen i. H. v. 50 an, für das Bankdarlehen (III) zur allgemeinen Unternehmensfinanzierung jährlich insgesamt 300.

Lösung:

Da B das Bankdarlehen (I) nach § 14 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen ist, sind B auch die Finanzierungsaufwendungen i. H. v. 50 zuzuordnen und in der Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 BsGaV) auszuweisen. Das Bankdarlehen (III) ist B nach § 14 Absatz 3 BsGaV nur zu 200/3.000 zuzuordnen. Daher sind auch nur 200/3.000 von 300 = 20 als Finanzierungsaufwand B zuzuordnen und in der Hilfs- und Nebenrechnung auszuweisen.

158 In den Fällen mehrerer nicht direkt zuordnungsfähiger übriger Passivposten sind zur Ermittlung der anteiligen Finanzierungsaufwendungen der Betriebsstätte nach § 15 Absatz 3 Satz 2 BsGaV die übrigen Passivposten, die der Betriebsstätte nach § 14 Absatz 3 BsGaV indirekt zuzuordnen sind, ins Verhältnis zu setzen zu den übrigen Passivposten des Unternehmens. Für diese Quote ist aus Vereinfachungsgründen auf die Beträge abzustellen, die sich zu Beginn des jeweiligen Wirtschaftsjahrs ergeben.

Fall – Quotale Zuordnung:

Unternehmen X (X) in Staat A, dessen Wirtschaftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmt, hat in Staat B eine Produktionsbetriebsstätte B (B). Die in der Bilanz von X ausgewiesenen übrigen Passivposten setzen sich aus verschiedenen Bankdarlehen zusammen, die konkret keinen Vermögenswerten zugeordnet werden können. Für diese Bankdarlehen fällt ein jährlicher Zinsaufwand von insgesamt 350 an. Zum beträgt die Höhe der Bankdarlehen von X 3.000 und schwankt während des Jahrs. Zum belaufen sich die Bankdarlehen auf 2.800. B sind zum nach § 14 Absatz 3 BsGaV 300 der übrigen Passivposten von X zuzuordnen.

Lösung:

Da B nach § 14 Absatz 3 BsGaV teilweise Bankdarlehen zuzuordnen sind, ist B nach § 15 Absatz 3 Satz 1 BsGaV auch der entsprechende Teil der Finanzierungsaufwendungen dieser Bankdarlehen zuzuordnen. Zur Aufteilung sind nach § 15 Absatz 3 Satz 2 BsGaV die B zuzuordnenden Bankdarlehen ins Verhältnis zu dem Stand der Gesamtdarlehen von X am zu setzen. Das Verhältnis beträgt 300/3000 = 10 %. Diese Berechnung gilt aus Vereinfachungsgründen unabhängig von den Schwankungen der Darlehenshöhe für das ganze laufende Jahr 01. B sind deshalb – unabhängig von den Zinskonditionen der einzelnen Bankdarlehen – Finanzierungsaufwendungen i. H. v. 10 % = 35 zuzuordnen (durchschnittliche Zinsbelastung) und in der Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 BsGaV) zu berücksichtigen.

2.15.3.2 Abweichende Zuordnung von Finanzierungsaufwand (§ 15 Absatz 3 Satz 3 BsGaV)

159 Nach § 15 Absatz 3 Satz 3 BsGaV ist der Finanzierungsaufwand des Unternehmens abweichend von § 15 Absatz 3 Satz 1 und 2 BsGaV zuzuordnen, wenn diese Zuordnung im Einzelfall zu einem Ergebnis der Betriebsstätte führt, das dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht.

160 In den Fällen einer unterjährigen Anpassung des Dotationskapitals nach § 12 Absatz 6 und § 13 Absatz 5 BsGaV ist § 15 Absatz 3 Satz 3 BsGaV ebenfalls anzuwenden.

Fall – Anpassung Dotationskapital:

Unternehmen X in Staat A, dessen Wirtschaftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmt, hat in Staat B eine Produktionsbetriebsstätte B (B). Zum sind B nach § 14 Absatz 3 BsGaV übrige Passivposten von X i. H. v. 500 zuzuordnen. Zum erfolgt eine Anpassung des Dotationskapitals von B, welche zur Folge hat, dass B keine übrigen Passivposten von X mehr zugeordnet werden können. Die Finanzierungsaufwendungen für die übrigen Passivposten von X betragen 400, die Quote nach § 15 Absatz 3 Satz 2 BsGaV beträgt zum  10 %.

Lösung:

Nach § 15 Absatz 3 Satz 1 BsGaV sind B die Finanzierungsaufwendungen für die B nach § 14 Absatz 3 BsGaV zuzuordnenden übrigen Passivposten von X zuzuordnen. Hierzu ist aus Vereinfachungsgründen die nach § 15 Absatz 3 Satz 2 BsGaV ermittelte Quote heranzuziehen. Danach wären B Finanzierungsaufwendungen i. H. v. 10 % von 400 = 40 zuzuordnen. Da B nur für 6 Monate übrige Passivposten zugeordnet werden können, sind B nach § 15 Absatz 3 Satz 3 BsGaV entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz auch nur die anteiligen Finanzierungsaufwendungen für 6 Monate (1/2 von 40 = 20) zuzuordnen.

2.15.4 Zuordnung von Finanzierungsaufwand für inländische Betriebsstätten nichtbilanzierender ausländischer Unternehmen (§ 15 Absatz 4 BsGaV)

161 Der inländischen Betriebsstätte eines nichtbilanzierenden ausländischen Unternehmens kann Finanzierungsaufwand des ausländischen Unternehmens nur zugeordnet werden, soweit er im unmittelbaren Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte steht. Die Zuordnung ist nur anzuerkennen, soweit das Ergebnis der Betriebsstätte aus ihrer Geschäftstätigkeit dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.

Fall – Inländische Betriebsstätte eines nichtbilanzierenden Unternehmens:

Unternehmen X (X) in Staat A hat im Inland eine Produktionsbetriebsstätte B (B). X ist weder nach den Vorschriften des Staats A noch nach deutschen Regelungen – für seine Betriebsstätte – zur Buchführung verpflichtet. Für die B zuzuordnenden Vermögenswerte hat X ein Bankdarlehen (I) i. H. v. 1.000 aufgenommen. Hierfür fallen Zinsaufwendungen i. H. v. 50 an. Für allgemeine Geschäftszwecke hat X ein Bankdarlehen (II) i. H. v. 200 aufgenommen, für das Zinsaufwendungen von 10 anfallen.

Lösung:

Eine Zuordnung von übrigen Passivposten nach § 14 BsGaV erfolgt mangels Buchführungspflicht nicht. Als Finanzierungsaufwendungen sind nach § 15 Absatz 4 Satz 1 BsGaV B die Zinsaufwendungen zuzuordnen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit von B stehen, d. h. nur die Zinsaufwendungen für die Darlehen zur Anschaffung der B zuzuordnenden Vermögenswerte i. H. v. 50. Nicht zuzuordnen sind die Zinsaufwendungen für das Bankdarlehen zur Finanzierung der allgemeinen Geschäftszwecke von X.

2.15.5 Zuordnung von Finanzierungsaufwand für ausländische Betriebsstätten nichtbilanzierender inländischer Unternehmen (§ 15 Absatz 5 BsGaV)

162 Der ausländischen Betriebsstätte eines nicht buchführungspflichtigen und auch tatsächlich keine Bücher führenden inländischen Unternehmens ist Finanzierungsaufwand des Unternehmens zuzuordnen, soweit er im unmittelbaren Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte steht. Der Betriebsstätte ist mindestens der Anteil des Finanzierungsaufwands des Unternehmens zuzuordnen, der dem Anteil der Betriebsstätte an den Außenumsätzen des Unternehmens entspricht.

Fall – Ausländische Betriebsstätte eines nichtbilanzierenden Unternehmens:

Das inländische Unternehmen X (X) hat in Staat B eine Produktionsbetriebsstätte B (B). X ist weder nach deutschen Regelungen noch nach den Vorschriften des Staats B für B zur Führung von Büchern verpflichtet. Für die B zuzuordnenden Vermögenswerte hat X ein Bankdarlehen (I) i. H. v. 1.000 aufgenommen. Hierfür fallen Zinsaufwendungen i. H. v. 50 an. Für allgemeine Geschäftszwecke hat X ein Bankdarlehen (II) i. H. v. 200 aufgenommen, für das Zinsaufwendungen von 10 anfallen. Der weltweite Umsatz von X beträgt 10.000, von dem 20 % (2.000) auf B entfallen. Die gesamten Finanzierungsaufwendungen von X betragen 1.000.

Lösung:

Eine Zuordnung von übrigen Passivposten nach § 14 BsGaV erfolgt mangels Buchführungspflicht nicht. Als Finanzierungsaufwendungen sind B nach § 15 Absatz 5 Satz 1 BsGaV nur die Zinsaufwendungen zuzuordnen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit von B stehen, d. h. nur die Zinsaufwendungen für das Bankdarlehen (I) zur Anschaffung der B zuzuordnenden Vermögenswerte i. H. v. 50. Nicht zuzuordnen sind die Zinsaufwendungen für das Bankdarlehen (II) zur Finanzierung der allgemeinen Geschäftszwecke von X. Nach § 15 Absatz 5 Satz 2 BsGaV sind B aber mindestens 20 % der Finanzierungsaufwendungen von X zuzuordnen, d. h. mindestens 20 % von 1.000 = 200.

163 Nach § 15 Absatz 5 Satz 3 BsGaV ist der Finanzierungsaufwand des Unternehmens abweichend von § 15 Absatz 5 Satz 1 und 2 BsGaV zuzuordnen, wenn die abweichende Zuordnung im Einzelfall zu einem Ergebnis der Betriebsstätte führt, das dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht.

2.16 Anzunehmende schuldrechtliche Beziehung (§ 16 BsGaV)

2.16.1 Grundsatz (§ 16 Absatz 1 BsGaV)

164 Schuldrechtliche Beziehungen zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen sind rechtlich nicht möglich. Stattdessen werden schuldrechtliche Beziehungen fingiert, die entsprechend der Funktions- und Risikoanalyse vorliegen würden, wenn die Betriebsstätte und das übrige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen wären (§ 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 AStG). Grundsätzlich können schuldrechtliche Beziehungen jeder Art fingiert werden (siehe Rn. 5). Es ist die schuldrechtliche Beziehung anzunehmen, die den jeweils ausgeübten Personalfunktionen und übernommenen Risiken am besten entspricht.

165 Eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung setzt ein tatsächliches und identifizierbares Ereignis voraus (wirtschaftlicher Vorgang), das im Regelfall die jeweils ausgeübten Personalfunktionen betrifft. Es muss eine Schwelle überschritten werden, die es rechtfertigt, für dieses Ereignis anzunehmen, dass rechtlich selbständige, unabhängige Unternehmen in einer vergleichbaren Situation eine schuldrechtliche Vereinbarung abgeschlossen oder eine bestehende Rechtsposition geltend gemacht hätten (§ 1 Absatz 4 Satz 2 AStG, siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 35 und Tz. 176).

166 Eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung i. S. d. § 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 AStG liegt insbesondere vor,

  • wenn sich Personalfunktionen im Hinblick auf Vermögenswerte verändern (fiktiver Verkauf oder fiktive Nutzungsüberlassung), dazu gehören auch die wirtschaftlichen Vorgänge bei Beginn und Beendigung einer Betriebsstätte (siehe § 3 Absatz 4 BsGaV),

  • wenn eine unterstützende Personalfunktion für eine andere Betriebsstätte erbracht wird (fiktive Dienstleistung), z. B. wenn eine Personalfunktion im Hinblick auf Risiken (z. B. Überwachung, Management) von einer Betriebsstätte ausgeübt wird, die nicht die maßgebliche Personalfunktion für die betreffenden Zuordnungsgegenstände ist (§§ 5 bis 11 BsGaV),

  • wenn voneinander unabhängige Dritte Rechtspositionen geltend machen würden.

167 Die Gründe für das Vorliegen anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen und für die Art der anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen sind aufzuzeichnen (siehe § 3 BsGaV, Rn. 63). Die Aufzeichnungen des Unternehmens bilden im Regelfall den Ausgangspunkt für die Charakterisierung einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung i. S. d. § 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 AStG i. V. m. § 16 BsGaV (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 177 und Tz. 181). Für die Betriebsstättengewinnermittlung kommt der unternehmerischen Dispositionsfreiheit allerdings nur eine eingeschränkte Bedeutung zu, da die Zuordnungsgegenstände auf Grundlage der ausgeübten Personalfunktionen nach objektiven Kriterien zuzuordnen sind, wie z. B. materielle Wirtschaftsgüter nach der Nutzung. Deshalb haben die Aufzeichnungen nicht die gleiche Bedeutung wie rechtsgültige Verträge in Fällen des § 1 Absatz 1 AStG.

168 Im Rahmen der Regelungen zur Zuordnung von Zuordnungsgegenständen sind bereits eine Reihe von Fallgestaltungen angesprochen worden (siehe Rn. 76 ff.), die auch für die Anwendung des § 16 BsGaV von Bedeutung sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird in folgender Übersicht auf verschiedene Beispielsfälle hingewiesen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Vorgang
Beispielsfall
Entstrickung (allgemein)
Rn. 20
Fiktive Veräußerung
bei Zuordnungsänderung
– eines materiellen Wirtschaftsguts



– eines immateriellen Vermögenswerts


Rn. 62 (Fall 1) – Überführung
Rn. 68 – Beendigung Rn. 76 (Fall 3) – Herstellung
Rn. 77 – Nutzungswechsel
Rn. 81 – Lieferung
Rn. 62 (Fall 2) und Rn. 94 – Schaffung, danach keine Personalfunktionen mehr
Rn. 95 (Abwandlung 2) – ausschließliche Nutzung durch andere Betriebsstätte
Nutzungsüberlassung
– eines materiellen Wirtschaftsguts

– eines immateriellen Vermögenswerts

Rn. 78  – vorübergehende Nutzung
Rn. 79 – häufiger Nutzungswechsel
Rn. 29 – Mitnutzung
Rn. 94 – Abgrenzungsfall
Erbringung von Dienstleistungen
– Forschungsleistung
– Auftragsforschung
– Beteiligungsverwaltung
– Lohnfertigung
– Einkaufsleistung
– Schulungsleistung
– Treasury-Leistung
– kurzfristiges Darlehen
– langfristiges bankinternes Darlehen

Rn. 90 (Fall 1)
Rn. 90 (Fall 2), Hinweis auf
Rn. 94
Rn. 106
Rn. 80
Rn. 366 – aber Beistellung
Rn. 391,
Rn. 410
Rn. 180
Rn. 176,
Rn. 191 (Fallvariante)
Rn. 230

2.16.1.1 Zuordnungsänderung (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV)

169 Eine Änderung der Zuordnung, die nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV zu einem Übergang des fiktiven Eigentums an einem Zuordnungsgegenstand führt, tritt ein, wenn ein wirtschaftlicher Vorgang i. S. d. § 1 Absatz 4 AStG stattfindet, der zur Folge hat, dass ein Zuordnungsgegenstand, der bisher aufgrund der ausgeübten maßgeblichen Personalfunktion einer Betriebsstätte nach §§ 5 ff. BsGaV zuzuordnen war, ab einem bestimmten Zeitpunkt dem übrigen Unternehmen zuzuordnen ist oder umgekehrt (Zuordnungsänderung).

170 Erfolgt ein Wechsel der Zuordnung eines Vermögenswerts von einer Betriebsstätte zu einer anderen Betriebsstätte in einem anderen Staat, gilt der Vermögenswert zunächst als von der fiktiv veräußernden Betriebsstätte an das übrige Unternehmen und in derselben logischen Sekunde von diesem an die fiktiv erwerbende Betriebsstätte übertragen. Eine unmittelbare Gewinnabgrenzung zwischen den beiden Betriebsstätten kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Entsprechendes gilt für fiktive Dienstleistungen und fiktive Nutzungsüberlassungen.

Fall – Dauerhafte Nutzungsänderung zwischen Betriebsstätten:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B) und in Staat C eine Betriebsstätte C (C). B erwirbt für ihre betrieblichen Zwecke einen PKW. Nach einem Jahr wird der PKW nicht mehr für B benötigt. Er wird auf Dauer für die betrieblichen Zwecke von C verwendet.

Lösung:

B ist der PKW wegen des Erwerbs und der anschließenden Nutzung zuzuordnen (§ 5 Absatz 1 Satz 1 BsGaV). Nach der dauerhaften Nutzungsänderung auf C ist der PKW nach § 5 Absatz 1 Satz 2 BsGaV C zuzuordnen. Der Nutzungsübergang führt zunächst zu einer fiktiven Veräußerung von B an das übrige Unternehmen (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), für die nach § 16 Absatz 2 BsGaV ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Betrag zu verrechnen ist. Unmittelbar danach wird der PKW vom übrigen Unternehmen zum selben Betrag fiktiv an C veräußert und ist in der Hilfs- und Nebenrechnung von C zu erfassen.

HINWEIS:

Aus Vereinfachungsgründen ist nicht zu beanstanden, derartige wirtschaftliche Vorgänge als anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen unmittelbar zwischen den beteiligten Betriebsstätten, d. h. ohne Beteiligung des betreffenden Unternehmens, zu behandeln, wenn sich dadurch keine Auswirkungen für die deutsche Besteuerung ergeben (Auswirkungen können sich z. B. ergeben, wenn gleichzeitig Freistellungs- bzw. Anrechnungsbetriebsstätten beteiligt sind). Auch diese Vereinfachungsregelung ändert nichts an der rechtlichen Struktur, die von den DBA vorgegeben und in Verständigungsverfahren grundsätzlich zu beachten ist (siehe Lösung).

2.16.1.2 Vergütung für fiktive Dienstleistungen, Nutzungsüberlassungen usw. (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 BsGaV)

171 Hätten voneinander unabhängige Dritte für eine Tätigkeit, die durch die Personalfunktion einer Betriebsstätte ausgeübt wird (fiktive Dienstleistung), oder für die Überlassung eines Vermögenswerts, der einer Betriebsstätte zugeordnet ist (fiktive Nutzungsüberlassung), eine schuldrechtliche Vereinbarung getroffen, so ist eine derartige Vereinbarung auch zwischen dem übrigen Unternehmen und der Betriebsstätte zu fingieren. Gleiches gilt auch für fiktive Dienstleistungen oder für fiktive Nutzungsüberlassungen des übrigen Unternehmens gegenüber einer Betriebsstätte. Hätte ein unabhängiger Dritter eine Rechtsposition, z. B. einen Schadensersatzanspruch oder einen Gewährleistungsanspruch, geltend gemacht (fiktive Geltendmachung von Rechtspositionen), so ist eine derartige Geltendmachung auch zwischen dem übrigen Unternehmen und der Betriebsstätte anzunehmen.

Fall (1) – Fiktive Dienstleistung:

Das Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). B übt unterstützende Personalfunktionen für Vermögenswerte aus, die dem übrigen Unternehmen (hier: der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A) zuzuordnen sind.

Lösung:

Voneinander unabhängige Dritte hätten für die Unterstützung einen Dienstvertrag vereinbart. Ein gleichartiger Vertrag ist zwischen B und dem übrigen Unternehmen zu fingieren (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV). Nach § 16 Absatz 2 BsGaV ist dafür ein Betrag zu verrechnen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.

Fall (2) – Fiktive Nutzungsüberlassung:

Das Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Ein materielles Wirtschaftsgut, das nach § 5 Absatz 2 BsGaV B zugeordnet ist, wird vorübergehend durch das übrige Unternehmen (hier: durch die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A) genutzt.

Lösung:

Voneinander unabhängige Dritte hätten für die Überlassung einen Mietvertrag abgeschlossen. Deshalb ist ein Mietvertrag zwischen B und dem übrigen Unternehmen zu fingieren (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV). Nach § 16 Absatz 2 BsGaV ist dafür ein Betrag zu verrechnen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.

Fall (3) – Gewährleistungsanspruch:

Das Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Produktionsbetriebsstätte B (B). B beliefert sowohl das übrige Unternehmen als auch unabhängige Dritte. Wegen Produktionsfehlern, die durch eigenes Personal von B verursacht werden, ist die gesamte Produktion mangelhaft. Ein unabhängiger Dritter macht gegenüber X einen berechtigten Gewährleistungsanspruch geltend. Durch die Belieferung des übrigen Unternehmens durch B ist auch ein entsprechender Schaden bei X entstanden.

Lösung:

Da der Gewährleistungsfall durch Fehler von B verursacht wurde, sind die entstehenden Kosten (Schadensersatz gegenüber dem unabhängigen Dritten) B zuzuordnen (§ 10 Absatz 1 BsGaV). Die entsprechende Schadensersatzforderung des übrigen Unternehmens gegenüber B ist zu fingieren (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b BsGaV). Die Höhe des Schadensersatzanspruchs richtet sich nach Zivilrecht.

Fall (4) – Schadensersatz:

Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Das übrige Unternehmen (hier die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A) überlässt B ein materielles Wirtschaftsgut, das dem übrigen Unternehmen zugeordnet bleibt, zur vorübergehenden Nutzung. Die Nutzung durch B führt aufgrund einer Fehlbedienung durch eigenes Personal von B zu einer erheblichen Beschädigung des Wirtschaftsguts.

Lösung:

Ein unabhängiger Dritter würde als Eigentümer des Wirtschaftsguts gegenüber dem Verursacher des Schadens seine Rechtsposition geltend machen und Schadensersatz verlangen. Gleiches ist für das übrige Unternehmen zu fingieren (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b BsGaV).

2.16.2 Verrechnungspreise für anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen (§ 16 Absatz 2 BsGaV)

172 Für anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen sind Verrechnungspreise anzusetzen, die entsprechend den OECD-Leitlinien und § 1 AStG sowie den dazu ergangenen Rechtsverordnungen und BMF-Schreiben dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Es sind alle Verrechnungspreismethoden, die auch zwischen nahe stehenden Personen (bzw. verbundenen Unternehmen) anwendbar sind, in Betracht zu ziehen (zu Kostenumlagen siehe Rn. 5).

173 Der Ansatz von Verrechnungspreisen für anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen führt zu fiktiven Betriebseinnahmen und fiktiven Betriebsausgaben, die in der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen sind (§ 3 Absatz 2 Satz 3 BsGaV).

2.16.3 Nutzung von finanziellen Mitteln (§ 16 Absatz 3 BsGaV)

174 Die Nutzung von finanziellen Mitteln des übrigen Unternehmens durch eine Betriebsstätte begründet im Regelfall keine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung (fiktives Darlehen). Die Zuordnung der entsprechenden Passivposten erfolgt nach den §§ 12 ff. BsGaV, insbesondere nach § 14 BsGaV. Die Spezialregelung des § 19 Absatz 6 BsGaV gilt nur für Bankbetriebsstätten.

Fall – Finanzielle Mittel für eine Anschaffung:

Eine Kapitalgesellschaft Y (Y) mit Sitz und Geschäftsleitung im Staat Y hat im Inland eine Produktionsbetriebsstätte D (D). Y ist zu 100 % mit Eigenkapital ausgestattet. D weist ein Dotationskapital aus, das nach der Kapitalaufteilungsmethode angemessen ist. Für die eigene Geschäftstätigkeit erwirbt D von E (fremder Dritter) eine Maschine. Für die Zahlung des Kaufpreises stehen D keine ausreichenden liquiden Mittel zur Verfügung. Deshalb überweist Y den erforderlichen Betrag auf das von D für ihre Geschäfte genutzte Bankkonto. Anschließend überweist D den Kaufpreis an E. Der interne Vorgang wird über ein Verrechnungskonto von D gebucht.

Lösung:

Der Zahlungsvorgang begründet nach § 16 Absatz 3 Satz 1 BsGaV keine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung zwischen Y und D (kein fiktives Darlehen). Eine Verrechnung fiktiver Zinsen kommt nicht in Betracht. Ggf. ist das Dotationskapital von D nach dem Erwerb der Maschine nach § 12 Absatz 6 BsGaV anzupassen.

HINWEIS:

Gleiches gilt, wenn D Finanzmittel an Y überlässt. § 16 Absatz 3 Satz 1 BsGaV ist insoweit analog anzuwenden.

175 Eine anzunehmende schuldrechtliche Finanzierungsbeziehung ist nach § 16 Absatz 3 Satz 2 und 3 BsGaV nur anzunehmen, wenn

  • die Betriebsstätte eine Finanzierungsfunktion innerhalb des Unternehmens ausübt (siehe Sonderregelung des § 17 BsGaV), die im Regelfall als fiktive Dienstleistung anzusehen ist oder

  • aufgrund der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte im laufenden Wirtschaftsjahr finanzielle Mittel der Betriebsstätte entstehen, die nachweislich für bestimmte Zwecke im übrigen Unternehmen genutzt werden. In diesen Fällen ist nach § 16 Absatz 3 Satz 3 BsGaV von einer fiktiven kurzfristigen Darlehensbeziehung auszugehen.

176 Eine solche fiktive kurzfristige Darlehensbeziehung endet spätestens

  • mit dem Ende des laufenden Wirtschaftsjahrs oder

  • zu dem Zeitpunkt, zu dem das Dotationskapital der Betriebsstätte nach § 12 Absatz 6 oder § 13 Absatz 5 BsGaV anzupassen ist. Auf die Sonderregelung des § 19 Absatz 6 BsGaV für Bankbetriebsstätten wird hingewiesen.



Fall – Liquiditätsüberschuss:

Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Vertriebsbetriebsstätte B (B). Durch die Veräußerung von Anlagevermögen, das B zuzuordnen ist, erwirtschaftet B Anfang des Wirtschaftsjahrs einen hohen Liquiditätsüberschuss. Diesen Liquiditätsüberschuss stellt B dem übrigen Unternehmen (hier der Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Staat A) zur Verfügung, die damit neue Maschinen für die eigene Geschäftstätigkeit kauft.

Lösung:

§ 16 Absatz 3 Satz 1 BsGaV untersagt grundsätzlich anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen für die Nutzung liquider Mittel, die im Unternehmen vorhanden sind. Wird nachgewiesen, dass die finanziellen Mittel in B entstanden sind und von X für die Anschaffung neuer Maschinen für das übrige Unternehmen genutzt wurden, und wird glaubhaft gemacht, dass voneinander unabhängige Dritte für die Überlassung des Liquiditätsüberschusses einen Darlehensvertrag vereinbart hätten, so ist nach § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a und § 16 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 BsGaV ein gleichartiger Vertrag zwischen B und dem übrigen Unternehmen anzunehmen. Nach § 16 Absatz 2 BsGaV ist dafür ein Betrag, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, zu verrechnen. Das fiktive Darlehensverhältnis endet mit der Neubestimmung des Dotationskapitals, spätestens mit dem Ende des Wirtschaftsjahrs (§ 16 Absatz 3 Satz 3 BsGaV). Daher ist der dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende Zinssatz aus kurzfristigen Darlehensverhältnissen zwischen Parteien gleicher Bonität abzuleiten.

177 In Betriebsstättensachverhalten ist – anders als bei selbständigen verbundenen Unternehmen – zivilrechtlich keine Trennung von Kapital und Risiko denkbar, die z. B. ein externer Darlehensgeber berücksichtigen würde (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 33 und Tz. 99 ff.). Daher können Bürgschaften, Garantien und ähnliche Rechtsverhältnisse zwischen Betriebsstätte und übrigem Unternehmen nicht fingiert werden. Dies betrifft sowohl den Fall der Risikoübernahme des übrigen Unternehmens für Ansprüche der Betriebsstätte gegenüber externen Anspruchsberechtigten (interne Garantie), als auch den Fall der Risikoübernahme des übrigen Unternehmens für Ansprüche Externer gegen die Betriebsstätte (externe Garantie). Eine steuerliche Anerkennung derartiger Garantien widerspräche § 10 Absatz 1 BsGaV, denn die Trennung von Vermögenswerten i. S. d. §§ 5 ff. BsGaV und den damit verbundenen Risiken würde ermöglicht.

2.17 Finanzierungsfunktion innerhalb eines Unternehmens (§ 17 BsGaV)

2.17.1 Definition der Finanzierungsfunktion innerhalb eines Unternehmens (§ 17 Absatz 1 BsGaV)

178 § 17 Absatz 1 Satz 1 BsGaV definiert für Zwecke der BsGaV die Begriffe „Finanzierungsbetriebsstätte“ und „Finanzierungsfunktion innerhalb eines Unternehmens”. § 17 BsGaV ist eine Spezialregelung, die anderen Regelungen des Abschnitts 1 der BsGaV vorgeht.

179 § 17 Absatz 1 Satz 2 BsGaV regelt, was unter dem Begriff „Liquiditätssteuerung“ zu verstehen ist. Liquiditätsüberhänge, die u. a. Gegenstand der Liquiditätssteuerung sind und von der Finanzierungsbetriebsstätte für andere Betriebsstätten verwaltet werden, sind die Mittel, die für die laufende Geschäftstätigkeit der anderen Betriebsstätte aktuell nicht benötigt werden und deshalb anderweitig verwendet werden können.

2.17.2 Finanzierungsfunktion als Dienstleistung (§ 17 Absatz 2 BsGaV)

180 Die Ausübung einer Finanzierungsfunktion innerhalb eines Unternehmens ist im Regelfall als Dienstleistung (anzunehmende schuldrechtliche Beziehung) der Finanzierungsbetriebsstätte für das übrige Unternehmen anzusehen und nicht als Zurverfügungstellung eigener finanzieller Mittel der Finanzierungsbetriebsstätte, die zur Annahme einer fiktiven Darlehensvereinbarung zwischen der Finanzierungsbetriebsstätte und einer anderen Betriebsstätte desselben Unternehmens führen würde. Auf die Öffnungsklausel des § 17 Absatz 7 BsGaV wird hingewiesen.

Fall – Grundfall Finanzierung:

Unternehmen X in Staat A hat in angemieteten Räumen in Staat B eine Finanzierungsbetriebsstätte B (B). Eigenes Personal von B organisiert die Kreditaufnahme für den Erwerb von Vermögenswerten im übrigen Unternehmen.

Lösung:

B übt die übliche Geschäftstätigkeit einer Finanzierungsbetriebsstätte aus (§ 17 Absatz 1 Satz 1 BsGaV). Es sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die für eine Anwendung der Ausnahmeregelung des § 17 Absatz 7 BsGaV sprechen. Die weitergereichten Darlehen sind B nicht als Vermögenswerte (Forderungen) nach §§ 7 oder 8 BsGaV zuzuordnen. Die aufgenommenen Kredite sind B nicht als übrige Passivposten nach § 14 BsGaV zuzuordnen. Für die Dienstleistung steht B eine Vergütung gem. § 17 Absatz 2 BsGaV zu. Die beschafften Vermögenswerte sind B nicht zuzuordnen.

181 Für die Ausübung der Finanzierungsfunktion, die im Regelfall risikoarm ist, ist nach § 16 Absatz 2 Satz 1 BsGaV ein Verrechnungspreis anzusetzen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.

182 Zur Ermittlung des Verrechnungspreises ist eine kostenorientierte Verrechnungspreismethode anzuwenden. Hierzu gehören insbesondere die Kostenaufschlagsmethode (OECD-Leitlinien, Tz. 2.39 ff.) und die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode, wenn ihre Anwendung sich an den Kosten orientiert (OECD-Leitlinien, Tz. 2.92 ff.). Für die Anwendung der Methoden sind Finanzierungsaufwendungen und Finanzierungserträge des Unternehmens, die durch die Tätigkeiten der Finanzierungsbetriebsstätte verursacht werden, nicht als Bestandteil der Kostenbasis der Finanzierungsbetriebsstätte anzusehen (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 159). Sie sind den Betriebsstätten zuzuordnen, die die Finanzierungsfunktion nutzen, weil ihnen auch die Vermögenswerte, die der Finanzierungsfunktion innerhalb des Unternehmens dienen, zugeordnet werden.

183 Für die Anwendung der Methoden sind jeweils nur die erforderlichen Kosten der Finanzierungsbetriebsstätte zu berücksichtigen.

Fall – Grundfall (Kostenbasis):

Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Finanzierungsbetriebsstätte B (B). B beschäftigt fünf Arbeitnehmer zur Liquiditätssteuerung. Die Lohnkosten betragen 8.000.

Lösung:

B ist eine Finanzierungsbetriebsstätte i. S. d. § 17 Absatz 1 Satz 1 BsGaV. Für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung des § 17 Absatz 7 BsGaV liegen keine Anhaltspunkte vor. B stellt dem übrigen Unternehmen keine finanziellen Mittel zur Verfügung, sondern übt eine Dienstleistung für das übrige Unternehmen aus. Diese Dienstleistung ist nach § 17 Absatz 2 Satz 2 BsGaV entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz zu vergüten. In Betracht kommt im Regelfall die Kostenaufschlagsmethode. Für die Anwendung dieser Methode sind als Kostenbasis vor allem die Personalkosten heranzuziehen, die unmittelbar durch die eigenen Personalfunktionen von B verursacht werden (z. B. Lohnkosten). Allgemeine Verwaltungs- oder Geschäftskosten, die aufgrund von Personalfunktionen des übrigen Unternehmens entstehen, gehören nicht zur Kostenbasis.

2.17.3 Indirekte Kostenverrechnung (§ 17 Absatz 3 BsGaV)

184 Zur Bestimmung der Verrechnungspreise für die Dienstleistung der Finanzierungsbetriebsstätte sind die Kosten der Finanzierungsbetriebsstätte zuzüglich eines angemessenen Aufschlags grundsätzlich direkt auf die nutzenden Betriebsstätten zu verteilen.

185 Ist es nicht möglich oder wäre es unverhältnismäßig aufwendig, die Kosten der Finanzierungsbetriebsstätte, die von der jeweiligen Betriebsstätte verursacht werden, direkt zuzuordnen, kommt auch eine verursachungsgerechte indirekte Aufteilung in Betracht. Der Aufteilungsschlüssel ist nach anderen Kriterien festzulegen als nach den Kriterien, die für die Verteilung des Finanzierungsaufwands und der Finanzierungserträge anzuwenden sind. Je nach den Verhältnissen im Einzelfall ist ein Aufteilungsschlüssel sachgerecht, der auf die Inanspruchnahme der Finanzierungsbetriebsstätte durch die nutzenden Betriebsstätten abstellt.

Fall – Direkte/indirekte Kostenverrechnung:

Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Finanzierungsbetriebsstätte B (B). B nimmt ein Bankdarlehen (I) für Zwecke der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A auf sowie ein weiteres Bankdarlehen (II), das bei Bedarf von den drei Produktionsbetriebsstätten von X in den Ländern C, D und E abgerufen wird.

Lösung:

Die B durch die Aufnahme und Verwaltung von Bankdarlehen (I) entstehenden Kosten sind dem übrigen Unternehmen (Geschäftsleitungsbetriebsstätte) mit einem entsprechenden Gewinnaufschlag als fiktive Dienstleistung zu belasten. Die Kosten für die Aufnahme und Verwaltung von Bankdarlehen (II) sind – mit einem angemessenen Gewinnaufschlag – nach einem verursachungsgerechten Verteilungsschlüssel anteilig C, D und E zu belasten. Hierfür kommt z. B. die Häufigkeit der Inanspruchnahme von B in Frage.

2.17.4 Zuordnung von Vermögenswerten aus Liquiditätsüberhängen und Erträgen aus diesen Vermögenswerten (§ 17 Absatz 4 BsGaV)

186 Vermögenswerte, die der externen Anlage von Liquiditätsüberhängen dienen oder die aufgrund der externen Anlage von Liquiditätsüberhängen entstehen, sowie die Erträge aus diesen Vermögenswerten sind nicht der Finanzierungsbetriebsstätte, sondern den anderen Betriebsstätten verursachungsgerecht zuzuordnen. Die Finanzierungsfunktion innerhalb eines Unternehmens führt daher weder zu fiktiven Darlehensverhältnissen innerhalb des Unternehmens noch zu einer veränderten Zuordnung von Vermögenswerten.

187 Ist eine direkte Zuordnung der Vermögenswerte und Erträge, die aufgrund der Finanzierungsfunktion entstehen, nicht möglich oder würde eine direkte Zuordnung zu einem unverhältnismäßigen Aufwand führen, so sind diese Vermögenswerte und deren Erträge den anderen Betriebsstätten anteilig zuzuordnen. Die Aufteilung der zuzuordnenden Vermögenswerte bestimmt sich nach der Herkunft der Liquiditätsüberhänge, da die jeweiligen Betriebsstätten, von denen die Liquiditätsüberhänge stammen, im entsprechenden Umfang die Mittel für diese Vermögenswerte bereitgestellt haben.

Fall – Investition von Liquiditätsüberschüssen:

Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte des inländischen Unternehmens X (X) investiert die Liquiditätsüberhänge sämtlicher zu X gehörender Betriebsstätten (u. a. auch der ausländischen Betriebsstätte A (A) im Staat A) in festverzinsliche Finanzanlagen. Die Zinserträge erhöhen jeweils das Investitionsvermögen. A hat 15 % der Mittel für diese Vermögenswerte erwirtschaftet.

Lösung:

Das übrige Unternehmen erbringt für A eine fiktive Finanzierungsdienstleistung (§ 17 Absatz 1 und 2 BsGaV), für die gem. § 17 Absatz 2 BsGaV ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Betrag zu berücksichtigen ist. Die Vermögenswerte und Erträge, die aufgrund der Finanzierungsfunktion des übrigen Unternehmens aus den Finanzanlagen entstehen, sind A unmittelbar anteilig im Rahmen des Anteils von 15 % zuzuordnen (§ 17 Absatz 4 BsGaV).

2.17.5 Zuordnung von Passivposten (§ 17 Absatz 5 BsGaV)

188 Passivposten, die aufgrund der Finanzierungsfunktion entstehen, sind soweit möglich direkt und verursachungsgerecht den Betriebsstätten zuzuordnen, die die Finanzierungsfunktion nutzen (siehe Fall Rn. 180). Die Zuordnung der entstehenden Finanzierungsaufwendungen bestimmt sich nach § 15 BsGaV (im Regelfall nach § 15 Absatz 3 BsGaV, d. h. indirekte Zuordnung, siehe Rn. 157).

2.17.6 Entstehende Salden auf Verrechnungskonten (§ 17 Absatz 6 BsGaV)

189 Die Ausübung der Finanzierungsfunktion innerhalb eines Unternehmens führt im Regelfall zu einem Saldo auf dem entstehenden Verrechnungskonto, das allein für Zwecke der internen Abrechnung besteht. Positive Salden auf derartigen Verrechnungskonten sind keine zuordnungsfähigen Vermögenswerte i. S. d. §§ 7, 8 BsGaV. Die auf diesen Konten ausgewiesenen Salden sind daher für steuerliche Zwecke nicht zu verzinsen.

Fall – Zinssaldo auf einem Verrechnungskonto:

Unternehmen X in Staat A hat eine Finanzierungsbetriebsstätte F im Staat F. F führt ein Verrechnungskonto für ihre Geschäftstätigkeit für die Produktionsbetriebsstätten von X, die in verschiedenen Ländern tätig sind. Auf diesem Verrechnungskonto werden sowohl die Guthaben (1.000) der Betriebsstätte B (B) als auch die Ausleihungen (800) der Betriebsstätte C (C) gebucht. Hieraus entsteht bei F ein positiver Saldo, da die Guthaben von B die Ausleihungen von C übersteigen.

Lösung:

Der resultierende positive Saldo auf dem von F geführten Verrechnungskonto stellt keinen Vermögenswert dar, der F zuzuordnen wäre. Dieser Saldo führt nicht zu Zinserträgen (bzw. zu Zinsaufwand) von F, denn die entsprechenden Zinsen betreffen unmittelbar B und C.

2.17.7 Abweichende Zuordnung von Vermögenswerten und Passivposten (§ 17 Absatz 7 BsGaV)

190 § 17 Absatz 7 BsGaV enthält eine Öffnungsklausel gegenüber der widerlegbaren Annahme des § 17 Absatz 2 BsGaV, dass die Finanzierungsfunktion einer Betriebsstätte gegenüber dem übrigen Unternehmen eine fiktive Dienstleistung darstellt und ihr die betreffenden Vermögenswerte und Passivposten nicht zuzuordnen sind. Eine von § 17 Absatz 2 bis 6 BsGaV abweichende Zuordnung von Vermögenswerten und Passivposten ist vorzunehmen, wenn im Einzelfall

  • die Zuordnung zur Finanzierungsbetriebsstätte aus funktionalen Gründen, insbesondere wegen der wirtschaftlichen Substanz der Personalfunktionen, die im Hinblick auf entstehende Vermögenswerte und Passivposten sowie auf die damit zusammenhängenden Chancen und Risiken ausgeübt werden, sachgerecht ist und

  • die entsprechend anzuwendende Verrechnungspreismethode zu einem Ergebnis führt, das dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht.

191 Ein Indiz dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann darin liegen, dass anhand von Unterlagen glaubhaft gemacht wird (siehe Rn. 63), dass voneinander unabhängige Dritte in vergleichbarer Situation die betreffenden Vermögenswerte und Passivposten übertragen hätten (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 36). Aber auch in einem solchen Fall ist zu berücksichtigen, dass eine Betriebsstätte im Regelfall dasselbe Kreditrating hat wie das Unternehmen, zu dem sie gehört (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 33 und Tz. 99 ff.).

Fall – Zur Abgrenzung:

Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte des inländischen Unternehmens X (X) verwaltet die Liquiditätsüberhänge sämtlicher zu X gehörender ausländischer Vertriebs- und Produktionsbetriebsstätten in verschiedenen Staaten. Die inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte übernimmt die unternehmensinterne Finanzierungsfunktion, d. h. sie gleicht die Liquidität innerhalb des Unternehmens aus: Liquiditätsüberschüsse, die in den ausländischen Betriebsstätten entstehen, werden gesammelt und stehen anderen ausländischen Betriebsstätten mit Liquiditätsbedarf zur Verfügung. In geringem Umfang werden kurzfristig entstehende Überschüsse auch extern angelegt, kurzfristiger Finanzierungsbedarf der ausländischen Betriebsstätten wird mit vorhandener Liquidität von X gedeckt.

Lösung:

Es liegt kein Fall des § 17 Absatz 7 BsGaV vor, denn die Finanzierungsfunktion, die die Geschäftsleitungsbetriebsstätte übernimmt, ist mit keinen externen Risiken von X verbunden (ausschließlich oder fast ausschließlich interne Finanzierungsverhältnisse). Die von der Geschäftsleitungsbetriebsstätte ausgeübten Personalfunktionen führen nicht dazu, ihr die entstehenden Liquiditätsüberschüsse zuzuordnen. Diese bleiben den ausländischen Betriebsstätten zugeordnet. Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte erhält für die Finanzierungssteuerung ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechendes fiktives Dienstleistungsentgelt (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a und § 16 Absatz 2 BsGaV).

Fallvariante – Finanzierungsrisiko:

Die ausländischen Vertriebs- und Produktionsbetriebsstätten von X stellen der Geschäftsleitungsbetriebsstätte ihre Liquiditätsüberschüsse zur Verfügung, die diese in Handelsportfolien investiert, in denen die unterschiedlichsten Finanzprodukte, z. B. Zinsinstrumente (Anleihen und auf Zinsen gerichtete Derivate) und Aktieninstrumente (Aktien und auf Aktien gerichtete Derivate) miteinander verknüpft werden. Die ausländischen Vertriebs und Produktionsbetriebsstätten entscheiden, der Geschäftsleitungsbetriebsstätte die Liquiditätsüberschüsse zur Verfügung zu stellen, die Geschäftsleitungsbetriebsstätte steuert das Risikomanagement dieser Portfolien und entscheidet selbständig, in welche Produkte im Rahmen der Risikosteuerung investiert wird. Das Handelsergebnis wird in das Portfolio, das der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zugeordnet wird, reinvestiert.

Lösung:

Die Handelsportfolien (und damit die liquiden Mittel) sind der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen, wenn nachgewiesen wird,

  • dass sie die maßgeblichen Personalfunktionen im Hinblick auf die entstehenden Vermögenswerte und die mit dem Handel verbundenen Chancen und Risiken ohne Beteiligung der anderen Betriebsstätten trifft (§ 17 Absatz 7 BsGaV) und

  • dass die Entscheidung, ihr die Liquiditätsüberschüsse zu überlassen, jeweils in den ausländischen Betriebsstätten getroffen wird.

Gelingt der Nachweis, so gelten die liquiden Mittel fiktiv als der Geschäftsleitungsbetriebsstätte von den ausländischen Betriebsstätten durch ein kurzfristiges Darlehen zur Verfügung gestellt (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV). In diesem Fall sind zwischen der Geschäftsleitungsbetriebsstätte und den ausländischen Betriebsstätten fiktive Zinsen zu berücksichtigen (§ 16 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 BsGaV). Zu Beginn des Folgejahrs entfallen die kurzfristigen fiktiven Darlehen (§ 16 Absatz 3 Satz 3 BsGaV), denn die Ausstattung der ausländischen Betriebsstätten mit Dotationskapital erfolgt nach § 13 BsGaV, wodurch die fiktiven internen Darlehensverhältnisse entfallen.

2.18 Allgemeines zu Bankbetriebsstätten (§ 18 BsGaV)

192 Abschnitt 2 der BsGaV (§§ 18 bis 22 BsGaV) ist speziell auf Bankbetriebsstätten anzuwenden (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 1). Der Begriff „Bankbetriebsstätte” ist unter Bezugnahme auf § 1 Absatz 1 KWG in § 18 BsGaV definiert. Im KWG sind auch Finanzdienstleistungsinstitute genannt. Auf Finanzdienstleistungsinstitute, die keine Bankgeschäfte tätigen, sind die Regelungen des Abschnitts 2 der BsGaV nicht anzuwenden.

193 Zu den Bankgeschäften i. S. d. § 18 Nummer 2 BsGaV gehören auch Geschäfte einer Bankbetriebsstätte, die mit Bankgeschäften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, auch wenn diese Geschäfte – isoliert betrachtet – keine Bankgeschäfte i. S. d. § 1 Absatz 1 KWG sind (Bankgeschäfte), z. B.:

  • Finanzdienstleistungen i. S. d. § 1 Absatz 1a KWG, die von einem Kreditinstitut i. S. d. § 1 Absatz 1 KWG erbracht werden, und

  • die Anlage von Vermögen in Wertpapieren, Beteiligungen und anderen Vermögenswerten durch ein Kreditinstitut, wenn eine bankübliche Kapitalanlage unter Beachtung des Grundsatzes der Risikostreuung vorliegt.

Fall – Bankgeschäfte:

Die inländische Bankbetriebsstätte B (B) des ausländischen Kreditinstituts Y nimmt Kundengelder als Einlagen herein (Einlagengeschäft nach § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 KWG). Soweit diese Gelder nicht für das Kreditgeschäft von B benötigt werden, werden sie durch Mitarbeiter von B in banküblicher Weise in Wertpapieren angelegt.

Lösung:

Zu den Bankgeschäften von B gehören neben dem Einlage- und dem Kreditgeschäft auch die von B getätigten Wertpapiergeschäfte.

194 Werden von einer Bankbetriebsstätte auch andere Geschäftstätigkeiten ausgeübt oder sind für Bankbetriebsstätten in den §§ 18 bis 22 BsGaV keine besonderen Regelungen getroffen worden, so gelten die allgemeinen Regelungen der §§ 1 bis 11 und §§ 14 bis 17 BsGaV. Insbesondere ist auf die Rn. 177 (unternehmensinterne Risikoübernahme) hinzuweisen, die auch für Bankbetriebsstätten anzuwenden ist. Hinzuweisen ist insbesondere auf die Rn. 63 (Aufzeichnungspflichten), die u. a. auch den Zweck verfolgen, internationale Besteuerungskonflikte (Doppelbesteuerung bzw. Nichtbesteuerung) zu erkennen und nach Möglichkeit zu vermeiden. Das Dotationskapital einer Bankbetriebsstätte ist auch in den Fällen einer gemischten Tätigkeit nach §§ 20 und 21 BsGaV zu bestimmen.

195 Hat ein Kreditinstitut eine Betriebsstätte in einem anderen Staat, die keine Bankgeschäfte betreibt und deshalb keine Bankbetriebsstätte i. S. d. § 18 BsGaV ist, so gelten für diese Betriebsstätte insgesamt nur die Vorschriften der §§ 1 bis 17 BsGaV.

Fall – Betriebsstätte eines Kreditinstituts, die keine Bankbetriebsstätte ist:

Ein inländisches Kreditinstitut X hat in Staat A eine Betriebsstätte A (A), in der IT-Leistungen für das übrige Unternehmen erbracht werden. In Staat B besteht eine Bankbetriebsstätte B (B), die das Kreditgeschäft (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 KWG) betreibt.

Lösung:

Für A gelten die allgemeinen Vorschriften (§§ 1 bis 17 BsGaV), für B gilt ergänzend und überlagernd Abschnitt 2 der BsGaV.

196 Hat ein ausländisches Kreditinstitut eine inländische Betriebsstätte, die keine Bankbetriebsstätte ist (siehe Rn. 195), und ist für diese Betriebsstätte nach § 12 Absatz 1 BsGaV die Kapitalaufteilungsmethode anzuwenden, so kann für die Ermittlung des Dotationskapitals dieser Betriebsstätte aus Vereinfachungsgründen das nach Rn. 233 ff. ermittelte Eigenkapital des Kreditinstituts zugrunde gelegt werden.

2.19 Besondere Zuordnungsregelungen für Bankbetriebsstätten (§ 19 BsGaV)

2.19.1 Zuordnung von Vermögenswerten, die Gegenstand von Bankgeschäften sind (§ 19 Absatz 1 BsGaV)

197 Die Terminologie für Bankbetriebsstätten weicht von der allgemeinen Terminologie in § 2 Absatz 4 BsGaV ab („maßgebliche Personalfunktionen“ – OECD: „Significant People Functions“). Die Personalfunktionen, die für die Zuordnung von Vermögenswerten, die durch den Abschluss von Bankgeschäften entstehen, entscheidend sind, werden im Zusammenhang mit Bankbetriebsstätten als „unternehmerische Risikoübernahmefunktionen“ bezeichnet (OECD: „Key Entrepreneurial Risk Taking Function“ – „KERT Function“).

198 Ein Vermögenswert des Bankgeschäfts (finanzieller Vermögenswert) kann einer Bankbetriebsstätte nur zugeordnet werden, wenn in dieser Betriebsstätte die unternehmerische Risikoübernahmefunktion im Hinblick auf den Vermögenswert ausgeübt wird, durch die die mit dem betreffenden Vermögenswert verbundenen Chancen und Risiken für das Kreditinstitut entstehen (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 16 und Teil II Tz. 8 und Tz. 18 ff.).

199 Anders als für Chancen und Risiken anderer Vermögenswerte (siehe § 10 Absatz 1 und 2 BsGaV) erfordert nach Auffassung der OECD die Zuordnung eines finanziellen Vermögenswerts die Zuordnung sämtlicher mit diesem Vermögenswert zusammenhängender Chancen und Risiken, d. h. sowohl der Chancen und Risiken des finanziellen Vermögenswerts selbst als auch der Chancen und Risiken der unternehmerischen Verwendung des Vermögenswerts.

200 Für die Zuordnung eines finanziellen Vermögenswerts kommt es darauf an, in welcher Bankbetriebsstätte die unternehmerische Risikofunktion hinsichtlich des betreffenden Vermögenswerts bis zu dessen Entstehen ausgeübt wird. Diese Zuordnung ist anschließend auch beizubehalten, weshalb Personalfunktionen, die nach dem Entstehen des finanziellen Vermögenswerts ausgeübt werden, grundsätzlich keinen Einfluss auf eine einmal zutreffend erfolgte Zuordnung haben (zu möglichen Ausnahmen zu dieser Grundregel siehe § 19 Absatz 4 BsGaV).

201 Für die Zuordnung eines finanziellen Vermögenswerts ist zu unterscheiden zwischen

  • dem Kreditgeschäft (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 6 bis Tz. 11) und

  • dem Handelsgeschäft (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil III Tz. 39 bis Tz. 85); der Begriff „Handelsgeschäft” umfasst den Eigenhandel nach § 1 Absatz 1a Satz 2 Nummer 4 KWG und das Eigengeschäft nach § 1 Absatz 1a Satz 3 KWG.

Das BaFin-Rundschreiben 10/2012 vom (Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk – BA 54-FR 2210-2012/0002 –, AT 2.3, Tz. 3) definiert, dass Geschäfte, mit denen ein Kreditinstitut im eigenen Namen und für eigene Rechnung finanzielle Vermögenswerte erwirbt oder veräußert, Handelsgeschäfte i. S. d. Bankenaufsichtsrechts sind. Wird eine Bank lediglich für Kunden tätig, so liegt kein Handelsgeschäft in diesem Sinne vor. Auf Geschäfte, die keine Handelsgeschäfte sind, ist § 9 BsGaV (siehe Rn. 112 ff.) anzuwenden, es sei denn, es liegt globaler Handel mit Finanzinstrumenten (Global Trading) vor, der nach § 22 Absatz 3 BsGaV gesondert geregelt ist.

202 Im Kreditgeschäft sind die Personalfunktionen, die der Schaffung eines neuen finanziellen Vermögenswerts (Kredit) dienen, zu unterscheiden von den Personalfunktionen, die der Verwaltung eines existierenden finanziellen Vermögenswerts (z. B. Kredit) dienen (siehe auch Rn. 80).

203 Folgende Personalfunktionen sind im Regelfall im Kreditgeschäft für die Schaffung eines neuen finanziellen Vermögenswerts von Bedeutung (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 6):

  • Sales/Marketing: dazu gehören vor allem die Akquisition von Neukunden, die Betreuung von bestehenden Kundenbeziehungen, die Erörterung des Finanzierungsbedarfs des Kunden und der Finanzierungsprodukte der Bank;

  • Sales/Trading: dazu gehören vor allem das Aushandeln der Vertragsbedingungen, die Bewertung der Risiken (Kreditausfall-, Währungs-, Markt- und andere Risiken), die Entscheidung über die Kreditvergabe und über deren Bedingungen (z. B. Preisbestimmung);

  • Treasury: dazu gehören vor allem die Beschaffung von Refinanzierungsmitteln und die Liquiditätssteuerung;

  • Sales/Support: dazu gehören vor allem die Überprüfung von Vertragsentwürfen und der vom Kunden angebotenen Sicherheiten, der formelle Abschluss des Vertrags, die Auszahlung des Kredits und seine Verbuchung.

204 Folgende Personalfunktionen sind im Regelfall im Kreditgeschäft für die Verwaltung eines existierenden finanziellen Vermögenswerts von Bedeutung (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 7):

  • Loan Support: dazu gehören vor allem die Kreditverwaltung und die Überwachung von Zins- und Tilgungszahlungen;

  • Monitoring Risk: dazu gehören vor allem die Bonitätsüberwachung und die Kontrolle der Risiko- und Zinspositionen;

  • Managing Risk: dazu gehören vor allem die Entscheidung über die Absicherung bestehender Risiken (z. B. Hedging), über den Verkauf und über die Verbriefung von Krediten bzw. von Kreditausfallrisiken;

  • Treasury: dazu gehört vor allem die Liquiditätssteuerung für das Kreditinstitut;

  • Sales/Trading: dazu gehören vor allem die Entscheidungen über die Prolongation von Krediten und die Durchführung von Verbriefungsprozessen.

205 Werden Risiken aus dem Kreditgeschäft erstmalig übernommen (Schaffung eines finanziellen Vermögenswerts), so ist Sales/Trading im Regelfall die unternehmerische Risikoübernahmefunktion (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 9). Denn in Ausübung dieser Funktion fällt die aktive Entscheidung, das Risiko für das Kreditinstitut zu übernehmen und anschließend zu tragen. Zeitlich nachgelagerte Funktionen wie z. B. die Verwaltung von Risiken des Kreditinstituts (siehe Rn. 199 und allgemein zu Verwaltung Rn. 80) können im Zeitpunkt der Schaffung keine unternehmerischen Risikoübernahmefunktionen sein. Allerdings kann die Verwaltung von Risiken unter den Voraussetzungen des § 19 Absatz 4 BsGaV ab einem bestimmten Zeitpunkt ausnahmsweise die unternehmerische Risikoübernahmefunktion für einen existierenden finanziellen Vermögenswert sein (siehe Rn. 224 ff., OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 9).

206 Folgende Personalfunktionen sind im Regelfall für die Übernahme und das Management von Risiken aus Handelsgeschäften mit finanziellen Vermögenswerten von Bedeutung (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil III Tz. 39 bis Tz. 85):

  • Sales/Marketing: dazu gehören vor allem die Akquisition von Neukunden, die Betreuung von bestehenden Kundenbeziehungen, die Erörterung des Bedarfs an Finanzmarktprodukten und entsprechende Angebote des Kreditinstituts und die Preisbestimmung in Abstimmung mit dem verantwortlichen Händler;

  • Trading & Day-to-day Risk Management: dazu gehören vor allem die Bewertung von Markt-, Währungs- und anderen Risiken und die Entscheidung über den Abschluss von Handelstransaktionen und über deren Bedingungen;

  • Treasury: dazu gehören vor allem die effiziente Beschaffung von Refinanzierungsmitteln und die Liquiditätssteuerung für das Kreditinstitut;

  • Support, back office, middle office: dazu gehören vor allem die Überprüfung, Verbuchung und Abwicklung von Handelsgeschäften.

207 Im Handelsgeschäft ist im Regelfall Trading & Day-to-day Risk Management die unternehmerische Risikoübernahmefunktion, da durch die Käufe und Verkäufe die aktive Entscheidung fällt, das Risiko zu tragen.

208 Die Festsetzung von Entscheidungsparametern durch das höhere Management, z. B. die Festlegung von Limits, und die Überprüfung dieser Entscheidungsparameter durch bankinterne Gremien, ist keine unternehmerische Risikoübernahmefunktion hinsichtlich konkreter finanzieller Vermögenswerte. Denn die Festsetzung von Entscheidungsparametern führt nicht zu einer aktiven Entscheidung über die Risikoübernahme im Einzelfall, sondern hat strategische Bedeutung (siehe Rn. 40 sowie OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 10, Teil III Tz. 76). Wird allerdings durch ein Gremium im Einzelfall eine individuelle Entscheidung getroffen (z. B. über eine konkrete Kreditvergabe und deren Bedingungen oder über einen konkreten finanziellen Vermögenswert), kann diese Entscheidung im Verhältnis zu Personalfunktionen, die in anderen Bankbetriebsstätten ausgeübt werden, die unternehmerische Risikoübernahmefunktion sein. Die Zuordnungsentscheidung zu einem solchen Gremium kann nur anerkannt werden, wenn diese Entscheidung eindeutig aus der Hilfs- und Nebenrechnung des betreffenden Wirtschaftsjahrs hervorgeht und die Gründe für diese Zuordnung unter Berücksichtigung aller Personalfunktionen, die für diese Zuordnungsentscheidung von Bedeutung sein können, in den erforderlichen ergänzenden Aufzeichnungen enthalten sind (siehe Rn. 63). Die Zuordnung muss darüber hinaus unter vergleichbaren Umständen für gleichartige finanzielle Vermögenswerte nachweislich konsistent und nach gleichen Grundsätzen erfolgen.

209 Setzen Kreditinstitute zur Risikoeinschätzung im Massenkundengeschäft zentral entwickelte, standardisierte, mathematisch-statistische Verfahren ein (Credit-Scoring), um z. B. die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit von Kreditantragstellern zu prognostizieren, so dient dies der einheitlichen Anwendung von Bewertungsstandards und gleichzeitig der Effizienzsteigerung in Routineverfahren. Solche Risikoeinstufungen und Kreditzusagen, die automatisiert erfolgen (z. B. Scorecard-Verfahren), können keine Personalfunktionen sein. Weder die Entscheidung, ein solches System anzuwenden, noch dessen Entwicklung bzw. dessen spätere Anpassung ist eine unternehmerische Risikoübernahmefunktion, weil diese Personalfunktionen mit keinem konkreten finanziellen Vermögenswert im Zusammenhang stehen.

210 Für standardisierte Kreditangebote mit automatisierter Kreditzusage ist die individuelle Entscheidung über die Kreditvergabe als unternehmerische Risikoübernahmefunktion ersetzt durch die aktive Entscheidung (§ 19 Absatz 1 BsGaV), einen Kredit faktisch verbindlich durch die jeweilige Bankbetriebsstätte anzubieten (Sales/Trading), wenn der Kunde die Bedingungen erfüllt. Das Angebot ist in diesen Fällen die einzig feststellbare Personalfunktion, die zur Übernahme der Chancen und Risiken des Kredits führt.

211 Sofern in einem automatisierten Prüfungssystem eine individuelle Kreditentscheidung durch Personal einer Bankbetriebsstätte notwendig wird, ist diese die unternehmerische Risikoübernahmefunktion.

212 Die Nutzung eines automatisierten Prüfungssystems, das von einer anderen Bankbetriebsstätte entwickelt wurde, ist eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung, die entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz von der Bankbetriebsstätte zu vergüten ist, der der finanzielle Vermögenswert zuzuordnen ist.

2.19.2 Konkurrenz von unternehmerischen Risikoübernahmefunktionen in zwei oder mehr Bankbetriebsstätten (§ 19 Absatz 2 BsGaV)

213 Wird z. B. infolge einer Funktionsaufteilung (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 159 und Rn. 42) eine Personalfunktion, die die unternehmerische Risikoübernahmefunktion hinsichtlich eines finanziellen Vermögenswerts ist, in zwei oder mehr Bankbetriebsstätten ausgeübt, so ist für die Zuordnung des betreffenden Vermögenswerts zu entscheiden, welchem Teil dieser Personalfunktion für den finanziellen Vermögenswert die größte Bedeutung zukommt. Dabei ist vorrangig auf qualitative Kriterien abzustellen (siehe Rn. 42). Die Gründe für die Zuordnung sind aufzuzeichnen (siehe Rn. 63).

214 Für den anderen Teil der Personalfunktion ist entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz eine angemessene Vergütung zu berücksichtigen (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV). Dies gilt sowohl für Kreditgeschäfte als auch für Handelsgeschäfte.

215 Im Kreditgeschäft ist Sales/Trading die unternehmerische Risikoübernahmefunktion (siehe Rn. 202). Werden verschiedene Teile des Sales/Trading in verschiedenen Bankbetriebsstätten ausgeübt, ist im Regelfall die Personalfunktion, durch die die Vertragsbedingungen mit den Kunden inhaltlich (unabhängig vom formalen Vertragsschluss) festgelegt werden, die unternehmerische Risikoübernahmefunktion. Werden die Vertragsbedingungen mit dem Kunden durch die Personalfunktion einer Bankbetriebsstätte ausgehandelt und ist es erforderlich, dass eine Zustimmung durch Personalfunktionen einer anderen Bankbetriebsstätte erfolgt, kann eine solche Zustimmung die unternehmerische Risikoübernahmefunktion sein, wenn eine erneute eigene Kreditprüfung, eine Weisung für die weitere Verhandlung und inhaltlich die abschließende Kreditentscheidung durch die andere Betriebsstätte erfolgt. Für die Zuordnung ist auf die konkreten Umstände des einzelnen Kreditinstituts und auf den jeweiligen Vertragsabschluss abzustellen. Die Zuordnungsentscheidung muss eindeutig in der Hilfs- und Nebenrechnung des betreffenden Wirtschaftsjahrs ausgewiesen werden, die Gründe für diese Zuordnung müssen sich unter Berücksichtigung aller Personalfunktionen, die dafür von Bedeutung sein können, aus den erforderlichen ergänzenden Aufzeichnungen (siehe Rn. 63) ergeben. Die Zuordnung finanzieller Vermögenswerte muss außerdem unter vergleichbaren Umständen für gleichartige finanzielle Wirtschaftsgüter konsistent und nach gleichen Grundsätzen erfolgen.

216 Im Handelsgeschäft ist Trading & Day-to-day Risk Management die unternehmerische Risikoübernahmefunktion (siehe Rn. 205). Werden Personalfunktionen des Trading & Day-to-day Risk Management in verschiedenen Bankbetriebsstätten ausgeübt, ist im Regelfall die Personalfunktion, durch die die Entscheidung über den Abschluss einer Handelstransaktion und deren Bedingungen getroffen werden, die Personalfunktion mit der größten Bedeutung und damit die unternehmerische Risikoübernahmefunktion. Für den globalen Handel mit Finanzinstrumenten (Global Trading) ist die Sonderregelung in § 22 BsGaV zu beachten.

2.19.3 Zuordnung aufgrund der Kundenbeziehung (§ 19 Absatz 3 BsGaV)

217 Die Zuordnung eines finanziellen Vermögenswerts aufgrund einer Kundenbeziehung nach § 19 Absatz 3 BsGaV ist nur durchzuführen, wenn keine eindeutige Entscheidung nach § 19 Absatz 2 BsGaV getroffen werden kann. Hauptanwendungsfälle, in denen eine qualitative Entscheidung (siehe Rn. 43) nicht möglich ist, sind komplexe Entscheidungsvorgänge im Kreditgeschäft (siehe Rn. 202). Der Begriff der Kundenbeziehung ist geschäftsvorfallbezogen unterschiedlich auszulegen:

  • Im Kreditgeschäft besteht nach Abschluss des Kreditvertrags die Kundenbeziehung fort.

  • Im Handelsgeschäft bietet die Kundenbeziehung im Regelfall keinen Anhaltspunkt für eine von § 19 Absatz 2 BsGaV abweichende Zuordnung, da die Kundenbeziehung im Handelsgeschäft nicht dauerhaft ist, sondern mit dessen Abschluss endet.

218 Eine Kundenbeziehung gehört zu einer Bankbetriebsstätte, wenn die Personalfunktion im Zusammenhang mit der Betreuung des Kunden, der Pflege der Kundenbeziehung, der Akquisition von Neukunden usw. in dieser Bankbetriebsstätte ausgeübt wird.

Fall – Kundenbeziehung als Zuordnungskriterium bei Funktionsaufteilung:

Ein inländisches Kreditinstitut X hat im Staat A die Bankbetriebsstätte A (A) und im Staat B die Bankbetriebsstätte B (B). Beschäftigte von A und Beschäftigte von B entwickeln und verhandeln gemeinsam die Vertragsbedingungen mit einem Kreditkunden K und arbeiten gemeinsam die Kreditvorlage mit Entscheidungsvorschlag aus. In der Geschäftsleitungsbetriebsstätte von X im Inland erfolgt die Zustimmung zum Kreditvertrag nach einer Schlüssigkeitsprüfung. K wurde von A akquiriert, A übernimmt die laufende Kundenbetreuung.

Lösung:

Der Kreditvertrag ist wegen der Kundenbeziehung A zuzuordnen. A und B sind zwar gleichwertig an der unternehmerischen Risikoübernahmefunktion beteiligt, so dass keine Entscheidung nach qualitativen Kriterien möglich ist (siehe Rn. 42 – Funktionsaufteilung). Nur in diesen Fällen entscheidet nach § 19 Absatz 3 BsGaV über die Zuordnung des Vermögenswerts, zu welcher Bankbetriebsstätte die betreffende Kundenbeziehung gehört. Der formalen Zustimmung durch die Geschäftsleitungsbetriebsstätte ist keine entscheidende Bedeutung für die Zuordnung beizumessen (siehe Rn. 40).

219 In den Fällen des § 19 Absatz 3 BsGaV darf von der Zuordnung des finanziellen Vermögenswerts nach der Kundenbeziehung nur abgewichen werden (§ 19 Absatz 3 Satz 2 BsGaV), wenn dies angesichts der ausgeübten Personalfunktionen sowie der Chancen und Risiken zu einem Ergebnis der Bankbetriebsstätte führt, das im Einzelfall aus der Sicht der beiden gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht (Öffnungsklausel).

220 Für die Anwendung des § 19 Absatz 3 Satz 2 BsGaV sind gleichartige finanzielle Wirtschaftsgüter konsistent und nach gleichen Grundsätzen zuzuordnen.

2.19.4 Änderung einer einmal erfolgten, zutreffenden Zuordnung (§ 19 Absatz 4 BsGaV)

221 Die Änderung einer ursprünglich sachgerechten Zuordnung eines finanziellen Vermögenswerts nach § 19 Absatz 4 BsGaV ist nur in Ausnahmefällen möglich. Kommt es in den Ausnahmefällen des § 19 Absatz 4 BsGaV zu einer Zuordnungsänderung eines finanziellen Vermögenswerts, ist diese nach § 16 Absatz 2 BsGaV entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz zu vergüten.

222 § 19 Absatz 4 Nummer 1 BsGaV ermöglicht dem Unternehmen eine Änderung der einmal zutreffend vorgenommenen Zuordnung eines finanziellen Vermögenswerts zu der Bankbetriebsstätte, zu der die bestehende Kundenbeziehung gehört. Weitere Voraussetzung ist, dass in der Bankbetriebsstätte, der dieser Vermögenswert zugeordnet war, ab einem bestimmten Zeitpunkt keine Personalfunktionen im Hinblick auf den Vermögenswert mehr ausgeübt werden. Nur zu diesem Zeitpunkt kann die geänderte Zuordnung hinsichtlich einer fiktiven Veräußerung dieses finanziellen Vermögenswerts angenommen werden (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV).

Fall – Zuordnungsänderung zur Betriebsstätte der Kundenbeziehung:

Ein inländisches Kreditinstitut X hat im Staat A die Bankbetriebsstätte A (A) und im Staat B die Bankbetriebsstätte B (B). Personal von B entwickelt und verhandelt die Vertragsbedingungen mit einem Kreditkunden K und arbeitet die Kreditvorlage mit Entscheidungsvorschlag aus. A stimmt dem Kreditvertrag nach einer Schlüssigkeitsprüfung zu. A hat den Kunden akquiriert, dort findet auch die laufende Kundenbetreuung statt. Nach der Zustimmung zum Kreditvertrag übt B keinerlei Personalfunktionen mehr aus. Das Risikomanagement wird danach ausschließlich von A ausgeübt.

Lösung:

Die erstmalige Zuordnung erfolgte nach § 19 Absatz 2 BsGaV aus qualitativen Gründen zu B. Sobald B keine Personalfunktionen in Zusammenhang mit dem finanziellen Vermögenswert mehr ausübt, ist von X zu entscheiden, ob eine geänderte Zuordnung nach § 19 Absatz 4 Nummer 1 BsGaV vorgenommen wird. Nur zu diesem Zeitpunkt ist nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV eine Zuordnungsänderung möglich, da die Beendigung der Aktivitäten von B das einzige Sachverhaltselement ist, das als wirtschaftlicher Vorgang eine fiktive Veräußerung i. S. d. § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV auslösen kann (fiktive Veräußerung an A). Erfolgt zu diesem Zeitpunkt keine Zuordnungsänderung, ist gem. § 16 Absatz 1 Nummer 2 BsGaV danach eine fiktive Dienstleistung von A an B anzunehmen.

223 Eine Zuordnungsänderung nach § 19 Absatz 4 Nummer 1 BsGaV kann unter den genannten Voraussetzungen gesondert für jeden finanziellen Vermögenswert erfolgen (z. B. auch für eine verbriefte Forderung). Die Änderung der Zuordnung ist als außergewöhnlicher Geschäftsvorfall nach § 90 Absatz 3 Satz 3 AO aufzuzeichnen (siehe Rn. 63) und muss in der Hilfs- und Nebenrechnung des betreffenden Wirtschaftsjahrs ausgewiesen werden.

224 Die Änderung einer ursprünglich sachgerechten Zuordnung eines finanziellen Vermögenswerts nach § 19 Absatz 4 Nummer 2 BsGaV kommt nur in Betracht, wenn

  • die verbleibende Risikoübernahmefunktion (siehe Rn. 197, hier das konkrete Risikomanagement bezogen auf den finanziellen Vermögenswert) ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr von der Bankbetriebsstätte durchgeführt wird, der der finanzielle Vermögenswert ursprünglich zu Recht zugeordnet war, sondern von einer anderen Bankbetriebsstätte und

  • das konkrete Risikomanagement in der anderen Betriebsstätte die Bedeutung der Personalfunktion, die zur ursprünglichen Zuordnung geführt hat, eindeutig überwiegt (z. B. in Fällen von Leistungsstörungen).

225 Dagegen berechtigt ein Risikomanagement, das zwar Teil einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation eines Kreditinstituts i. S. d. § 25a KWG ist, sich aber nicht auf einen einzelnen, konkreten finanziellen Vermögenswert bezieht, nicht zu einer Änderung der Zuordnung dieses Vermögenswerts. Denn ein solches Risikomanagement stellt lediglich eine strategische Personalfunktion dar (siehe Rn. 39 und Rn. 208).

Fall – Risikomanagement als Zuordnungsgrund:

Ein inländisches Kreditinstitut X (X) hat im Staat A die Bankbetriebsstätte A (A) und im Staat B die Bankbetriebsstätte B (B). Die unternehmerische Risikoübernahmefunktion für die Übernahme von Risiken aus einem Kreditvertrag von X mit dem Kunden K wurde von A ausgeübt, zu der auch die Kundenbeziehung mit K gehört. Die Kreditforderung wird A im Jahr 01 nach § 19 Absatz 2 BsGaV zugeordnet. Das Risikomanagement für die Kreditforderung gegen K wird von Personal von A durchgeführt. Ab dem Jahr 03 wird das Risikomanagement für die Forderungen von A aus Gründen der Steigerung der Effizienz von B übernommen (wirtschaftlicher Vorgang). Hinsichtlich des Kredits, der K gewährt wurde, ist im Jahr 03 keine Leistungsstörung eingetreten.

Lösung:

Nach § 19 Absatz 4 Nummer 2 BsGaV kommt ausnahmsweise die Änderung der Zuordnung einer Kreditforderung zu einer anderen Bankbetriebsstätte als zu der, zu der die Kundenbeziehung besteht, in Betracht, wenn dies zu einem Ergebnis führt, das aus der Sicht der beiden gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht. Das ist nach der Systematik der Vorschrift nur anzunehmen, wenn das Risikomanagement durch B qualitativ (siehe auch Rn. 43) die Bedeutung der ursprünglichen von A ausgeübten Personalfunktion überwiegt und zu diesem Zeitpunkt der Kundenbeziehung zwischen A und K keine Bedeutung mehr zukommt, weil sich die Kundenbeziehung tatsächlich weitgehend auf das Risikomanagement der Kreditforderung reduziert (z. B. Insolvenz des Darlehensschuldners). Da das allgemeine Risikomanagement durch B qualitativ nicht die Bedeutung der von A unverändert ausgeübten Personalfunktion (Kundenbeziehung) überwiegt, berechtigt ein solches Risikomanagement nicht zu einer Änderung der Zuordnung des finanziellen Vermögenswerts. Stattdessen ist die anzunehmende schuldrechtliche Beziehung (fiktive Dienstleistung, die B gegenüber A erbringt, § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) angemessen zu vergüten (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

Alternative – Zuordnungsänderung:

Sachverhalt unverändert, aber hinsichtlich des Kredits mit K ist im Jahr 03 eine konkrete Leistungsstörung eingetreten. Deshalb wird die übrige Kundenbeziehung zwischen A und K beendet. Das Risikomanagement wird im Jahr 03 von B übernommen (wirtschaftlicher Vorgang), da B im Kreditinstitut für derartige Fälle zentral zuständig ist.

Lösung:

Überwiegt wegen der eingetretenen Leistungsstörung das Risikomanagement durch B unter qualitativen Gesichtspunkten (siehe auch Rn. 43) eindeutig die Bedeutung der ursprünglichen von A ausgeübten Personalfunktion (Kundenbeziehung), so ist nach § 19 Absatz 4 Nummer 2 BsGaV unter diesen besonderen Umständen (keine Bedeutung der Kundenbeziehung mehr) eine Änderung der Zuordnung der Kreditforderung zu B möglich (fiktive Veräußerung). Die Kreditforderung ist dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend unter Berücksichtigung der Leistungsstörung zu bewerten. Unterbleibt zu diesem Zeitpunkt die Zuordnungsänderung, ist die anzunehmende schuldrechtliche Beziehung (fiktive Dienstleistung, die B gegenüber A erbringt) angemessen zu vergüten (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

226 Im Regelfall führt die Veräußerung eines finanziellen Vermögenswerts, der einer Bankbetriebsstätte zuzuordnen ist, durch eine andere Bankbetriebsstätte an einen Dritten zu keiner Zuordnungsänderung, sondern ist als fiktive Dienstleistung anzusehen (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 BsGaV). Eine Zuordnungsänderung ist nur ausnahmsweise aufgrund eines gesonderten wirtschaftlichen Vorgangs – nicht aufgrund der Veräußerung – anzuerkennen, wenn anhand schlüssiger Aufzeichnungen (siehe Rn. 63) glaubhaft gemacht wird, dass eine andere Handhabung, d. h. ein zwischenzeitlicher fiktiver Verkauf des finanziellen Vermögenswerts der Bankbetriebsstätte an die andere Bankbetriebsstätte (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), im Einzelfall aus der Sicht der beiden gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht (§ 19 Absatz 4 Nummer 2 BsGaV).

227 Für die Anwendung des § 19 Absatz 4 BsGaV sind gleichartige finanzielle Wirtschaftsgüter konsistent und nach gleichen Grundsätzen zuzuordnen. Da die Zuordnungsänderungen nach § 19 Absatz 4 BsGaV außergewöhnliche Geschäftsvorfälle sind, sind neben diesen Geschäftsvorfällen auch die entsprechenden Grundsätze nach § 90 Absatz 3 Satz 3 AO zeitnah aufzuzeichnen.

2.19.5 Zuordnung zu einer Bankbetriebsstätte bei Funktionsaufteilung (§ 19 Absatz 5 BsGaV)

228 In Fällen von Funktionsaufteilungen (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 159 und Rn. 421) und in Fällen von Personalfunktionskonkurrenz (unterstützende Personalfunktionen, siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 187) ist entsprechend § 16 Absatz 2 BsGaV für die Ausübung der unterstützenden Personalfunktionen i. S. d. § 19 Absatz 5 Satz 2 BsGaV, die andere Bankbetriebsstätten gegenüber der Bankbetriebsstätte mit der unternehmerischen Risikoübernahmefunktion ausüben, ein Verrechnungspreis anzusetzen, wie er zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen angesetzt worden wäre.

2.19.6 Kreditinstitutsinterne Darlehensverhältnisse (§ 19 Absatz 6 BsGaV)

229 § 19 Absatz 6 BsGaV erweitert für Kreditinstitute die Möglichkeit, fiktive kreditinstitutsinterne Darlehensverhältnisse i. S. d. § 16 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 BsGaV mit einer längeren Laufzeit anzunehmen, als § 16 Absatz 3 Satz 3 BsGaV dies vorsieht (Beendigung mit Ende des Wirtschaftsjahrs). Die Anerkennung solcher fiktiver kreditinstitutsinterner Darlehensverhältnisse ist von dem Nachweis abhängig, dass

  • dies sowohl aufgrund der Geschäftspolitik des Kreditinstituts als auch aufgrund der ausgeübten Personalfunktionen, die im Zusammenhang mit der Zurverfügungstellung und der Entgegennahme von finanziellen Mitteln ausgeübt werden, sachgerecht ist und

  • die Ergebnisse der Bankbetriebsstätte, die auf der Anerkennung solcher kreditinstitutsinterner Darlehensverhältnisse beruhen, dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen.

230 Werden solche fiktiven kreditinstitutsinternen Darlehensverhältnisse angenommen, ist hierfür ein Zins zu verrechnen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (siehe Rn. 172). Für die Ermittlung dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Zinsen für kreditinstitutsinterne Darlehensverhältnisse sind die Kreditwürdigkeit des Kreditinstituts sowie die Währung und die Laufzeit der Mittelüberlassung zu beachten. Die Laufzeit für das kreditinstitutsinterne Darlehen muss mit der kreditinstitutsexternen Mittelverwendung übereinstimmen. Darüber hinaus muss ggf. der Aufwand für die Refinanzierung berücksichtigt werden. Die Faktoren, die zur Bestimmung der kreditinstitutsinternen Verzinsung verwendet wurden, sind nach § 90 Absatz 3 Satz 2 AO aufzuzeichnen (siehe Rn. 63).

Fall – Fiktives kreditinstitutsinternes Darlehensverhältnis:

Die ausländische Bankbetriebsstätte A (A) in Staat A des inländischen Kreditinstituts X (X) bietet dort mit entsprechender Personalausstattung alle Arten von Bankgeschäften an (Universalbank). A erhält von ihren Kunden Einlagen, die sie für ihre Bankgeschäfte verwendet. Zeitweise entsteht ein Mittelüberhang, der von der Geschäftsleitungsbetriebsstätte von X im Inland dafür verwendet wird, Kredite an Kunden des übrigen Unternehmens zu gewähren. Diese Kredite sind zutreffend nach § 19 Absatz 1 BsGaV der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zugeordnet worden.

Lösung:

Die Verwendung der von A erwirtschafteten Mittel ist nach § 19 Absatz 6 BsGaV als anzunehmende schuldrechtliche Beziehung (§ 16 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 BsGaV, fiktives Darlehen) über die in § 16 Absatz 3 Satz 3 BsGaV genannte Laufzeit hinaus anzuerkennen, da die Gewährung und Entgegennahme von finanziellen Mitteln in einem engen Zusammenhang mit der üblichen Geschäftstätigkeit der Bank steht. Für das fiktive Darlehen ist ein angemessener Zins anzusetzen.

231 Betriebsstätten, deren Geschäftszweck lediglich darin besteht, Einlagen von Kunden entgegenzunehmen, um diese an das übrige Unternehmen weiterzuleiten (z. B. an eine andere Bankbetriebsstätte des Kreditinstituts), damit dieses sie für seine Bankgeschäfte nutzt, erbringt eine fiktive Dienstleistung (anzunehmende schuldrechtliche Beziehung nach § 16 Absatz 1 Nummer 2 BsGaV), die angemessen zu vergüten ist. Das Funktions- und Risikoprofil der Betriebsstätte, die die fiktive Dienstleistung erbringt, rechtfertigt es nicht, fiktive Darlehensverhältnisse nach § 16 Absatz 3 BsGaV anzunehmen. Ihr können deshalb keine finanziellen Vermögenswerte zugeordnet werden.

Fall – Einlagensammelstelle:

Ein inländisches Kreditinstitut X hat im Staat A die Bankbetriebsstätte A (A). A übt außer der Annahme von Spareinlagen von Privatkunden in A keine nennenswerten Geschäftstätigkeiten aus. Die inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte von X (X) verwendet die finanziellen Mittel, die A erhält, für ihre eigene Geschäftstätigkeit und steuert die Rückzahlungsverpflichtungen, da das übrige Unternehmen die dafür erforderlichen finanziellen Mittel erwirtschaftet.

Lösung:

Die Geschäftsvorfälle mit den Privatkunden sind dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, nicht A. Denn das übrige Unternehmen übernimmt funktional die Erfüllung der Rückzahlungsverpflichtung (unternehmerische Risikoübernahmefunktion). Zudem überwiegt die Bedeutung der Personalfunktion der Verwendung der Mittel und der Steuerung der Rückzahlung eindeutig gegenüber der Annahme der Spareinlagen durch A (§ 9 Absatz 2 BsGaV). Im Ergebnis übt A lediglich eine Kapitalbeschaffungsfunktion als fiktive Dienstleistung innerhalb des Kreditinstituts aus (§ 17 Absatz 2 BsGaV). A steht für die fiktive Dienstleistung eine nach dem Fremdvergleichsgrundsatz angemessene Vergütung zu.

232 Zur Abgrenzung der in Rn. 229 ff. genannten Geschäftstätigkeit ist darauf abzustellen, ob die hereingenommenen Kundeneinlagen den Finanzbedarf für eigene Geschäfte der Bankbetriebsstätte dauerhaft übersteigen. Ein dauerhafter Liquiditätsüberhang ist dem übrigen Unternehmen zuzuordnen mit der Folge, dass der Bankbetriebsstätte nur ein Entgelt für eine fiktive Dienstleistung zusteht (Kapitalbeschaffung), es sei denn, es wird nachgewiesen, dass der Liquiditätsüberhang der eigenen Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte dienen sollte. Gelingt der Nachweis, z. B. weil in der Bankbetriebsstätte Personal vorhanden ist, das dazu dienen kann, die Fremdmittel in der aufgenommenen Höhe dauerhaft für die Funktionalität einer Universalbank zu verwenden, ist ein fiktives Darlehensverhältnis zum übrigen Unternehmen anzuerkennen.

2.20 Dotationskapital inländischer Bankbetriebsstätten ausländischer Kreditinstitute, Bankenaufsichtsrecht (§ 20 BsGaV)

2.20.1 Funktions- und risikogewichtete Kapitalaufteilungsmethode für die inländische Bankbetriebsstätte eines ausländischen Kreditinstituts (§ 20 Absatz 1 BsGaV)

233 Ausgangspunkt für die Zuordnung von Dotationskapital zu inländischen Bankbetriebsstätten ist das Eigenkapital des ausländischen Kreditinstituts, denn auch für inländische Bankbetriebsstätten ist grundsätzlich die funktions- und risikogewichtete Kapitalaufteilungsmethode anzuwenden, die wegen bestimmter Besonderheiten aus dem Bankenaufsichtsrecht in § 20 Absatz 1 Satz 1 BsGaV als „Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten“ bezeichnet wird (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 98 und Tz. 99). Eine Besonderheit ist, dass für die Risikogewichtung von finanziellen Vermögenswerten von Kreditinstituten, die für die Zuordnung von Dotationskapital zu einer inländischen Bankbetriebsstätte wichtig sind, bankenaufsichtsrechtliche Vorschriften bestehen, auf die auch für die Besteuerung aus Gründen des Fremdvergleichsgrundsatzes sowie aus Vereinfachungs-, Transparenz- und Gleichbehandlungsgründen so weit wie möglich zurückgegriffen wird (siehe z. B. den Bezug zu den „risikogewichteten Positionsbeträgen“ und zum ausländischen Bankenaufsichtsrecht allgemein; für den Bereich der EU/des EWR, siehe insbesondere Artikel 92 ff. der Verordnung (EU) Nr. 575/2013). Denn diese Grundsätze sind im Ansässigkeitsstaat des Kreditinstituts allgemein anerkannt, von steuerlichen Überlegungen grundsätzlich unabhängig (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 86) und gelten für alle Marktteilnehmer. Diese Grundsätze gehen von betriebswirtschaftlichen Überlegungen aus und stehen in keinem Widerspruch zu den Regeln des KWG. Risikogewichtete Positionsbeträge können einer Bankbetriebsstätte nur wegen Vermögenswerten zugerechnet werden, die der Bankbetriebsstätte nach § 19 BsGaV zutreffend zugeordnet sind und entsprechend in der Hilfs- und Nebenrechnung erfasst werden.

Fall (1) – Unwiderrufliche Kreditzusage:

Das Kreditinstitut A in Staat A hat eine Bankbetriebsstätte B (B) in Staat B. Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte von A (A) hat einem Kunden K in Staat B eine unwiderrufliche Kreditzusage erteilt. Die Einbuchung erfolgt bei B, B wird ausschließlich als Intermediär und Buchungsstelle tätig.

Lösung:

Die unwiderrufliche Kreditzusage ist A zuzuordnen, denn B übt hinsichtlich des Kredits an K keine unternehmerische Risikoübernahmefunktionen aus (keine Übernahme von Risiken oder Risikosteuerung). Deswegen ist die unwiderrufliche Kreditzusage für B nicht bei den risikogewichteten Positionsbeträgen zu berücksichtigen (Auswirkungen auf das Dotationskapital).

Fall (2) – Halten von Wertpapieren:

Das Kreditinstitut A in Staat A hat eine Bankbetriebsstätte B (B) in Staat B. Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte von A (A) überträgt B ein Wertpapier, das sie wertmäßig zutreffend auf der Aktivseite unter Forderungen verbucht. B erhält von A eine Provision für das Halten des Wertpapiers (administrative fee) und wird ausschließlich als Intermediär und Buchungsstelle tätig. Abschreibungen auf das Wertpapier macht B steuerlich nicht geltend.

Lösung:

Das Wertpapier kann B nach § 19 BsGaV nicht zugeordnet werden, da die Entscheidung, das Wertpapier zu erwerben, es auf B zu übertragen und die Einschätzung der Risiken aus dem Wertpapier (Trading & Day-to-day Risk Management) nicht durch B erfolgt. Das Wertpapier ist A zuzuordnen. Für B ist es beim Ansatz der risikogewichteten Positionsbeträge nicht zu berücksichtigen (Auswirkungen auf das Dotationskapital).

234 Im Regelfall setzt sich das Eigenkapital eines ausländischen Kreditinstituts aus dem gezeichneten Kapital (Nennkapital), den einbehaltenen Gewinnen und den offenen Rücklagen zusammen (bankenaufsichtsrechtliches Kernkapital). Zum Eigenkapital gehört auch ein nach ausländischem Recht gebildeter Fonds für allgemeine Bankrisiken oder eine vergleichbare Form der Risikovorsorge. Diese Beträge können der ausländischen Handelsbilanz entnommen werden.

235 Kreditinstitutsinterne Positionsbeträge, die aus anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen entstanden sind (z. B. § 19 Absatz 6 BsGaV), bleiben für die Risikogewichtung außer Ansatz, denn sie beinhalten kein Risiko im Außenverhältnis. Folge ist, dass einer inländischen Bankbetriebsstätte, die eine Forderung gegenüber dem übrigen Unternehmen hat, bei sonst gleichen Verhältnissen weniger Dotationskapital zuzuweisen ist.

Fall – Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten:

Ein ausländisches Kreditinstitut Y (Y) hat die inländische Bankbetriebsstätte A (A). Das Eigenkapital von Y beläuft sich auf 500. Sowohl dem übrigen Unternehmen im Ausland als auch A sind kreditinstitutsexterne risikogewichtete Positionsbeträge i. H. v. je 100 zuzuordnen.

Lösung:

Das Dotationskapital von A ist nach der Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten (§ 20 Absatz 1 Satz 1 BsGaV) mit 250 anzusetzen.

Abwandlung:

A weist in der Hilfs- und Nebenrechnung Forderungen gegen Kreditinstitute i. H. v. 120 aus, in denen Forderungen gegen das übrige Unternehmen i. H. v. 20 enthalten sind. In die Berechnung der risikogewichteten Positionsbeträge (Bankenaufsichtsrecht) für A gehen auch Forderungen gegen das übrige Unternehmen ein.

Lösung:

Kreditinstitutsinterne risikogewichtete Positionsbeträge sind nach § 20 Absatz 1 Satz 2 BsGaV für die Dotation nicht zu berücksichtigen, so dass auch in diesem Fall für A ein Dotationskapital von 250 anzusetzen ist.

236 Bestimmt ein ausländischer Bankkonzern, zu dem eine inländische Bankbetriebsstätte eines ausländischen Kreditinstituts gehört, sein Eigenkapital ausschließlich auf konsolidierter Konzernbasis, weil das anzuwendende ausländische Bankenaufsichtsrecht dies zulässt, so kann für die Berechnung das konsolidierte Eigenkapital des Bankkonzerns angesetzt werden. Voraussetzung ist, dass eine Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das Eigenkapital nicht auf Einzelinstitutsbasis errechnet worden ist und auch nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand errechnet werden kann (siehe auch Rn. 249: in Waiver-Fällen ist zwingend das konsolidierte Eigenkapital anzusetzen).

2.20.2 Niedrigeres Dotationskapital für die inländische Bankbetriebsstätte eines ausländischen Kreditinstituts (§ 20 Absatz 2 BsGaV)

237 In Fällen, in denen es im Einzelfall für die inländische Bankbetriebsstätte nach der Kapitalaufteilungsmethode zu einem unangemessen hohen Dotationskapital käme, enthält § 20 Absatz 2 BsGaV eine Öffnungsklausel. Für eine Abweichung von der Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten nach Absatz 1 ist es allerdings erforderlich, dass

  • jeder niedrigere Ansatz begründet wird und

  • das geringere Dotationskapital zu einem Ergebnis der Bankbetriebsstätte führt, das im Einzelfall aus der Sicht der beiden gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht.

Fall – Abweichende Zuordnung von Dotationskapital:

Ein ausländisches Kreditinstitut Y (Y) in Staat A plant die Übernahme eines Konkurrenzunternehmens im Staat B. Aus diesem Grund wird der inländischen Bankbetriebsstätte D (D), die mit der Übernahme nichts zu tun hat, im Jahr 01 von dem vorhandenen Eigenkapital von Y ein Dotationskapital zugeordnet, das niedriger ist, als es sich nach der Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten rechnerisch ergeben würde.

Lösung:

Für die Anwendung des § 20 Absatz 2 BsGaV ist das Eigenkapital von Y – nach Minderung um den für den Erwerb des Konkurrenzunternehmens erforderlichen Betrag – aufzuteilen (Rn. 240 ist zu beachten).

238 Wird die Öffnungsklausel für eine inländische Bankbetriebsstätte genutzt, ist jede Abweichung von der Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten zu begründen.

239 Zumindest muss jedoch ein Dotationskapital berücksichtigt werden, das den bankenaufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen für ein selbständiges Kreditinstitut in der wirtschaftlichen Situation der inländischen Bankbetriebsstätte entspricht (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 112 ff. – Quasi Thin Capitalisation Approach). Dadurch wird die Zuweisung eines zu geringen Dotationskapitals verhindert.



240 Wird für eine inländische Bankbetriebsstätte ein geringeres Dotationskapital angesetzt, als es sich nach der Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten ergibt, so ist jedoch mindestens ein Betrag (Untergrenze) anzusetzen, der sich unter Anwendung der Mindestkapitalausstattungsmethode für Bankbetriebsstätten ergibt (siehe § 20 Absatz 2 Satz 2 und 3 BsGaV). Der Mindestbetrag bestimmt sich danach, welches Eigenkapital (Kernkapital) ein vergleichbares inländisches Kreditinstitut nach inländischem Bankenaufsichtsrecht auszuweisen hätte, zuzüglich eines Zuschlags von 0,5 % der Summe der (kreditinstitutsexternen) risikogewichteten Positionsbeträge der Bankbetriebsstätte (nach Bankenaufsichtsrecht). Der Zuschlag ist notwendig und sachgerecht, da sonst die Bankbetriebsstätte, wäre sie ein selbständiges Kreditinstitut, keine weiteren Geschäfte tätigen könnte. Die risikogewichteten Positionsbeträge i. S. d. § 20 BsGaV entsprechen dem Gesamtforderungsbetrag i. S. d. Artikels 92 Absatz 3 Verordnung EU Nr. 575/2013. Nach § 20 Absatz 3 Nummer 2 BsGaV ist mindestens ein Dotationskapital von 5 Mio. Euro auszuweisen.

Fall – Rechnerische Untergrenze für inländische Bankbetriebsstätten:

Die inländische Bankbetriebsstätte D (D) eines ausländischen Kreditinstituts Y weist in der Hilfs- und Nebenrechnung Forderungen von 100 aus. Das entspricht nach inländischem Bankenaufsichtsrecht risikogewichteten Positionsbeträgen von 80.

Lösung:

Nach bankenaufsichtsrechtlichen Grundsätzen beträgt das Kernkapital eines mit D vergleichbaren inländischen Kreditinstituts mindestens 6 % der risikogewichteten Positionsbeträge (Gesamtforderungsbetrag). Zusätzlich sind nach § 20 Absatz 2 Satz 3 BsGaV 0,5 % der risikogewichteten Positionsbeträge von D anzusetzen. Demnach sind mindestens 5,2 als Dotationskapital von D auszuweisen.

241 Ein anderer Zuschlag ist anzusetzen, wenn dieser zu einem Ergebnis der Bankbetriebsstätte führt, das im Einzelfall aus der Sicht der beiden gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht. Macht das Unternehmen geltend, dass ein anderer Zuschlag anzusetzen ist, hat es die Berechnung und die Begründung dafür mit der Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 BsGaV vorzulegen.

2.20.3 Vereinfachungsregelung für inländische Bankbetriebsstätten ausländischer Kreditinstitute (§ 20 Absatz 3 BsGaV)

242 Nimmt eine inländische Bankbetriebsstätte eines ausländischen Kreditinstituts die Geschäftstätigkeit neu auf, ist § 20 Absatz 3 BsGaV anzuwenden, der eine Dotierung i. H. v. 3 % der Summe der Aktivposten vorschreibt, mindestens aber ein Dotationskapital von 5 Mio. Euro. Denn zu diesem Zeitpunkt besteht im Regelfall keine Möglichkeit, der Bankbetriebsstätte risikogewichtete Positionsbeträge zuzuordnen.

Fall – Neuaufnahme bei Umwandlung:

Ein inländisches Kreditinstitut X (X), das mit einem ausländischen Kreditinstitut Y (Y) verbunden ist, wird in eine inländische Bankbetriebsstätte A (A) von Y umgewandelt. Die Bilanzsumme von X beträgt zum Umwandlungszeitpunkt 500 Mio. Euro. Nach der Umwandlung beträgt die Summe der Aktivposten von A ebenfalls 500 Mio. Euro.

Lösung:

Wendet Y die Vereinfachungsregelung des § 20 Absatz 3 BsGaV an, so beträgt das Dotationskapital von A 3 % der Summe der Aktivposten = 15 Mio. Euro (nicht 5 Mio. Euro), denn A sind unmittelbar ab Umwandlung Aktivposten (500 Mio. Euro) zuzuordnen.

243 Für inländische Bankbetriebsstätten eines ausländischen Kreditinstituts, deren Summe der Aktivposten in der Hilfs- und Nebenrechnung 1 Mrd. Euro nicht übersteigt, ist die Vereinfachungsregelung ebenfalls anzuwenden. Dazu ist von der Bezugsgröße Bilanzsumme, d. h. dem Betrag der Hilfs- und Nebenrechnung, auszugehen. Aus Vereinfachungsgründen kann statt der Summe der Aktivposten in der Hilfs- und Nebenrechnung die Summe aus der Bilanzstatistischen Meldung an die Deutsche Bundesbank (BISTA-Meldung), die die Zahlen der in ländischen Bankbetriebsstätten auf den letzten Bilanzstichtag vor Beginn des Wirtschaftsjahrs enthält, zugrunde gelegt werden. Als Dotationskapital sind 3 % dieser Summe zuzuordnen.

Rechenbeispiel:

Die Summe der Aktivposten in der Hilfs- und Nebenrechnung einer inländischen Bankbetriebsstätte beträgt 400 Mio. Euro. Ihr ist nach § 20 Absatz 3 Nummer 2 BsGaV ein Dotationskapital von 12 Mio. Euro zuzuordnen.

244 Eine niedrigere Dotierung als 3 % der Summe der Aktivposten ist nur dann anzuerkennen, wenn die Vereinfachungsregelung nicht in Anspruch genommen wird und sich die niedrigere Dotierung aus der Anwendung der allgemeinen Grundsätze ergibt. Als Dotationskapital sind jedoch in jedem Fall mindestens 5 Mio. Euro zuzuordnen.

Rechenbeispiel:

Die Summe der Aktivposten in der Hilfs- und Nebenrechnung einer inländischen Bankbetriebsstätte beträgt 100 Mio. Euro. Ihr ist nach § 20 Absatz 3 Nummer 2 BsGaV ein Mindestdotationskapital von 5 Mio. Euro zuzuordnen (3 % wären nur 3 Mio. Euro).

2.20.4 Unterkapitalisierung des ausländischen Kreditinstituts (§ 20 Absatz 4 BsGaV)

245 Besteht im Sitzstaat (EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat) eines ausländischen Kreditinstituts, zu dem die Bankbetriebsstätte gehört, eine Regelung entsprechend § 2a KWG (Waiver, siehe auch Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013), ist es bankenaufsichtsrechtlich möglich, dass das notwendige Kernkapital nicht in jedem einzelnen Kreditinstitut vorgehalten, sondern dass hierfür auf die Kreditinstitutsgruppe abgestellt wird. Eine Übernahme der bankenaufsichtsrechtlichen Erleichterungen für die Bestimmung des steuerlichen Eigenkapitals von Kreditinstituten könnte zu Ergebnissen der Besteuerung von inländischen Bankbetriebsstätten ausländischer Kreditinstitute führen, die mit dem Fremdvergleichsgrundsatz, dessen Anwendung durch § 1 Absatz 5 AStG angeordnet ist, nicht entsprechen. § 20 Absatz 4 BsGaV ordnet daher in Fällen, in denen das ausländische Bankenaufsichtsrecht eine Unterkapitalisierung des Kreditinstituts erlaubt, unter bestimmten Bedingungen eine modifizierte Berechnung des Dotationskapitals von inländischen Bankbetriebsstätten an, um den Erfordernissen des Fremdvergleichsgrundsatzes nachkommen zu können. Die modifizierte Berechnung ist nicht durchzuführen, wenn alternativ eine der beiden in § 20 Absatz 4 Satz 1 BsGaV genannten Voraussetzungen erfüllt ist.

246 § 20 Absatz 4 Satz 1 BsGaV, erste Alternative: das ausländische Kreditinstitut mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat hat vom Waiver keinen Gebrauch gemacht.

Fall – Waiver-Regelung 1:

Ein ausländisches Kreditinstitut Y (Y) mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat hat eine inländische Bankbetriebsstätte A (A). Y verfügt zum über Kernkapital von 1.100, die risikogewichteten Positionsbeträge betragen 10.000 Einheiten. Auf A entfallen hiervon 2.000 Einheiten. Y nimmt nachweislich die ausländische Variante der Waiver-Regelung nicht in Anspruch.

Lösung:

§ 20 Absatz 4 Satz 2 BsGaV ist wegen des Nachweises nicht anzuwenden. Das Dotationskapital von A ist nach § 20 Absatz 1 BsGaV zu ermitteln (Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten). Danach beträgt das zutreffende Dotationskapital 1.100 steuerliches Eigenkapital × 2.000/10.000 Einheiten = 220. Ein niedrigeres Dotationskapital ist nur unter den Voraussetzungen des § 20 Absatz 2 Satz 1 BsGaV anzusetzen.

247 § 20 Absatz 4 Satz 1 BsGaV, zweite Alternative: das ausländische Kreditinstitut mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat hat zwar vom Waiver Gebrauch gemacht, aber das Kreditinstitut verfügt über ausreichendes Eigenkapital, um die Voraussetzungen der ausländischen bankenaufsichtsrechtlichen Regelungen zu erfüllen, auch wenn der Waiver dort nicht eingeführt wäre.

Fall – Waiver-Regelung 2:

Wie Fall Rn. 246, Y nimmt aber die Waiver-Regelung in Anspruch. Allerdings weist Y ungeachtet dessen ein bankenaufsichtsrechtliches Kernkapital von 1.100 aus.

Lösung:

Gleiches Ergebnis wie im Fall Waiver-Regelung 1.

248 In beiden Alternativen des § 20 Absatz 4 Satz 1 BsGaV ist davon auszugehen, dass das ausländische Kreditinstitut mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat über genügend Eigenkapital verfügt, um der inländischen Bankbetriebsstätte, wäre sie ein selbständiges Kreditinstitut, einen ausreichenden Anteil zuzuordnen. Deshalb bedarf es der Anwendung der besonderen Regelungen des § 20 Absatz 4 Satz 2 BsGaV nicht.

249 Sind die genannten Alternativen nicht gegeben, ist nach § 20 Absatz 4 Satz 2 BsGaV zu vermuten, dass das ausländische Kreditinstitut mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat, zu dem die inländische Bankbetriebsstätte gehört, ein zu geringes Eigenkapital ausweist. Dementsprechend wird auch die inländische Bankbetriebsstätte zu wenig Dotationskapital ausweisen, jedenfalls weniger, als sie bankenaufsichtsrechtlich als selbständiges Kreditinstitut – ohne Waiver-Regelung – ausweisen müsste. In solchen Fällen ist für das Eigenkapital, das nach der Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten aufzuteilen ist, nicht auf das Kernkapital des ausländischen Kreditinstituts abzustellen, sondern auf das konsolidierte Kernkapital der ausländischen Kreditinstitutsgruppe, zu der das ausländische Kreditinstitut gehört (siehe auch Rn. 236). Für die Bestimmung des Anteils der inländischen Bankbetriebsstätte an diesem Kapital ist die Summe der risikogewichteten Positionsbeträge der Bankbetriebsstätte zur Summe der risikogewichteten Positionsbeträge der ausländischen Kreditinstitutsgruppe ins Verhältnis zu setzen. Da es sich um eine konsolidierte Betrachtung handelt, sind alle gruppeninternen Risiken (auch die gegenüber gruppenzugehörigen Kreditinstituten) außer Ansatz zu lassen.

Fall – Dotationskapital auf Grundlage der Waiver-Gruppe:

Das ausländische Kreditinstitut Y (Y) mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat nimmt die im EU-Staat Y geltende Waiver-Regelung in Anspruch. Es weist zum risikogewichtete Positionsbeträge i. H. v. 10.000 Einheiten aus. Das unter Ausnutzung der Waiver-Regelung für Y ausgewiesene Kernkapital beträgt 400. Ohne Waiver-Regelung wäre nach ausländischem Bankenaufsichtsrecht für Y ein Mindesteigenkapital von 1.100 erforderlich gewesen. Y hat eine inländische Bankbetriebsstätte A (A) mit risikogewichteten Positionsbeträgen (ohne gruppeninterne Risiken) von 2.000 Einheiten. A wird nach der Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten ein Dotationskapital von 400 × 2.000/10.000 = 80 zugeordnet. Die Waiver-Gruppe, zu der Y gehört, verfügt insgesamt über ein bankenaufsichtsrechtliches Kernkapital von 2.000. Ihre risikogewichteten Positionsbeträge betragen 20.000 Einheiten (ohne gruppeninterne Risiken).

Lösung:

Die Dotierung von A richtet sich nach § 20 Absatz 4 Satz 2 BsGaV, der Nachweis nach § 20 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 BsGaV entfällt. Ausgangspunkt der Berechnung ist das bankenaufsichtsrechtliche Kernkapital der Waiver-Gruppe (2.000). Der Anteil von A entspricht dem Verhältnis der gewichteten Risiken von A zu den gewichteten Risiken der gesamten Gruppe. Das zutreffende Dotationskapital von A beträgt 2.000 × 2.000/20.000 = 200. Dieses Dotationskapital ist der deutschen Besteuerung zugrunde zu legen. Die auf die Unterdotierung von 120 entfallenden Fremdkapitalzinsen sind bei der Ermittlung des Gewinns von A für das Wirtschaftsjahr 01 nicht abzugsfähig.

2.20.5 Erfordernisse des inländischen Bankenaufsichtsrechts (§ 20 Absatz 5 BsGaV)

250 Nach § 20 Absatz 5 BsGaV ist die Regelung des § 12 BsGaV entsprechend anzuwenden, allerdings ist hinsichtlich des § 12 Absatz 6 BsGaV auch das inländische Bankenaufsichtsrecht zu berücksichtigen. Denn im Rahmen der Faktoren, die steuerlich Grund für eine Änderung des Dotationskapitals inländischer Bankbetriebsstätten während des laufenden Geschäftsjahrs sein können, ist ggf. auch das inländische Bankenaufsichtsrecht für inländische Kreditinstitute von Bedeutung, das nach dem Fremdvergleichsgrundsatz auch für inländische Bankbetriebsstätten zu berücksichtigen ist.

251 Die entsprechende Anwendung des § 12 BsGaV betrifft insbesondere die Vereinfachungsregelungen des § 12 Absatz 2 Satz 2 BsGaV (Berechnung des Eigenkapitals des Unternehmens) und § 12 Absatz 3 Satz 2 BsGaV (Berechnung der Quote der Betriebsstätte), die für die Berechnung des Dotationskapitals inländischer Bankbetriebsstätten entsprechend anzuwenden sind.

252 Die entsprechende Anwendung der Regelungen des § 12 BsGaV umfasst auch die zeitlich begrenzte Nichtbeanstandung der Über- oder Unterdotierung einer inländischen Bankbetriebsstätte (vgl. Rn. 130 zu § 12 Absatz 1 BsGaV) aufgrund der Neubestimmung des Dotationskapitals jeweils zum Beginn des Wirtschaftsjahrs (siehe Rn. 129). Voraussetzung für die Nichtbeanstandung ist, dass die zum Ende des Vorjahrs entstandene Über- bzw. Unterdotierung unverzüglich beseitigt wird, nachdem das Unternehmen sie erkannt hat oder erkennen musste. Die Berechnungen, die die Über- bzw. Unterdotierung erkennbar gemacht haben, und die Buchung, die Über- bzw. Unterdotierung beseitigt, sind in der Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 BsGaV aufzuzeichnen (siehe Rn. 63).

253 § 20 Absatz 5 BsGaV ordnet über § 12 Absatz 6 BsGaV hinaus eine Änderung des Dotationskapitals einer inländischen Bankbetriebsstätte innerhalb des Wirtschaftsjahrs an, wenn die rechtlichen Anforderungen des inländischen Bankenaufsichtsrechts geändert werden und dies im konkreten Fall eine Anpassung des Dotationskapitals erfordert. Daneben ist nach § 12 Absatz 6 BsGaV allerdings auch eine Anpassung des Dotationskapitals aufgrund von Änderungen der Zuordnung von Personalfunktionen, von Vermögenswerten oder von Chancen und Risiken durchzuführen, wenn die sich daraus ergebende Veränderung des zuzuordnenden Dotationskapitals erheblich ist (siehe Rn. 143, die sinngemäß auch für inländische Bankbetriebsstätten gilt). Eine Veränderung ist erheblich, wenn das Dotationskapital zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahrs um mehr als 30 % vom Dotationskapital zu Beginn des Wirtschaftsjahrs abweicht, aber nur dann, wenn die Abweichung mindestens 2 Mio. Euro beträgt. Indikator für eine erhebliche Veränderung des Dotationskapitals ist insbesondere die Veränderung der jeweils der inländischen Bankbetriebsstätte zuzuordnenden Summe der risikogewichteten Positionsbeträge, denn hiervon wird im Regelfall das bankenaufsichtsrechtlich zuzuordnende Dotationskapital maßgeblich beeinflusst.

Fall – Erhebliche Veränderung durch neues Geschäftsfeld:

Das ausländische Kreditinstitut Y (Y) hat eine inländische Bankbetriebsstätte A (A). Die risikogewichteten Positionsbeträge von A zum betragen 1.000 Einheiten. Sie verändern sich in den Monatsabschlüssen bis April 02 nicht. Ab Mai 02 beginnt A mit Geschäftsaktivitäten für ein neues Geschäftsfeld. Dies führt zu einer Erhöhung der risikogewichteten Positionsbeträge von A auf 1.900 Einheiten, bei der es bis zum bleibt.

Lösung:

Die Gesamtjahressumme der risikogewichteten Positionsbeträge von A für 02 beträgt 19.200 Einheiten (= 4 × 1.000 + 8 × 1.900). Dies ergibt einen monatlichen Durchschnitt von 1.600 Einheiten. Dieser Durchschnitt übersteigt den Stichtagswert zum um mehr als 30 %. Aus diesem Grund ist eine Schätzung des Dotationskapitals von A für 02 auf der Basis von 1.600 Einheiten erforderlich. Ergänzend ist anzumerken, dass für 03 die Stichtagsgröße von 1.900 Einheiten zum entscheidend ist, ihre Überprüfung erfolgt anhand der Monatsbilanzen 03.

254 Auch wenn ein Unternehmen die Vereinfachungsregelung des § 20 Absatz 3 BsGaV in Anspruch nimmt, ist § 20 Absatz 5 BsGaV zu beachten. Hat das Unternehmen der Ermittlung des Dotationskapitals die Werte laut BISTA-Meldung auf den letzten Bilanzstichtag zugrunde gelegt, ist für die Prüfung einer unterjährigen Anpassung des Dotationskapitals ebenfalls auf den Durchschnitt der Werte laut den BISTA-Meldungen des laufenden Jahrs abzustellen.

255 Auch für eine inländische Bankbetriebsstätte ergibt sich aus § 12 Absatz 5 BsGaV eine Untergrenze für die Dotation, d. h. ungeachtet der Regelung in § 20 Absatz 1 bis 4 BsGaV ist der inländischen Bankbetriebsstätte mindestens das in einer inländischen Handelsbilanz tatsächlich ausgewiesene Kapital als Dotationskapital zuzuordnen.

2.20.6 Ausschluss von inländischen Betriebsstätten ausländischer Finanzdienstleistungsinstitute, die nicht der Bankenaufsicht unterliegen (§ 20 Absatz 6 BsGaV)

256 § 20 Absatz 1 bis 5 BsGaV, der auf das Bankenaufsichtsrecht abstellt, gilt nicht für ausländische Finanzdienstleistungsinstitute und ihre inländischen Betriebsstätten, wenn keine bankenaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen zu erfüllen sind. Durch diese Regelung wird die Rechtsfolge des § 18 BsGaV verdeutlicht, dass ein Finanzdienstleistungsinstitut nicht in den Anwendungsbereich des Abschnitts 2 der BsGaV fällt, weil es keine Bankgeschäfte betreibt (siehe Rn. 193).

2.21 Dotationskapital ausländischer Bankbetriebsstätten inländischer Kreditinstitute, Bankenaufsichtsrecht (§ 21 BsGaV)

2.21.1 Mindestkapitalmethode für ausländische Bankbetriebsstätten eines inländischen Kreditinstituts (§ 21 Absatz 1 BsGaV)

257 § 21 Absatz 1 Satz 1 BsGaV bestimmt (ähnlich wie § 13 BsGaV für ausländische Betriebsstätten allgemein), dass für ausländische Bankbetriebsstätten die Mindestkapitalausstattungsmethode für Bankbetriebsstätten (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 112 ff. – Quasi Thin Capitalisation Approach) anzuwenden ist, die im Übrigen als Untergrenze für die Kapitalausstattung inländischer Bankbetriebsstätten in § 20 Absatz 2 Satz 2 BsGaV genannt worden ist. Die Besonderheiten, die sich aus den ausländischen bankenaufsichtsrechtlichen Vorschriften ergeben, sind aus folgenden Gründen so weit wie möglich für die Besteuerung zu berücksichtigen:

  • zur Vermeidung von internationalen Besteuerungskonflikten,

  • aus Vereinfachungs- und Gleichbehandlungsgründen und

  • aus Gründen des Fremdvergleichsgrundsatzes.

258 Die bankenaufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen gelten für alle im ausländischen Staat tätigen Kreditinstitute. Die Mindestkapitalausstattungsmethode für Bankbetriebsstätten ist zur Bestimmung der unteren Grenze der Dotierung einer ausländischen Bankbetriebsstätte zu beachten, auch wenn diese Methode für Bankbetriebsstätten international nicht als eigenständige, dem Fremdvergleichsgrundsatz vollumfänglich entsprechende Methode anerkannt ist (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 113). Eine Mindestdotation der ausländischen Bankbetriebsstätte, die den Kapitalanforderungen des ausländischen Bankenaufsichtsrechts für selbständige Kreditinstitute entspricht, ist in den Grenzen des § 21 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 Satz 2 BsGaV anzuerkennen. Die Grundsätze der Mindestkapitalausstattungsmethode für Bankbetriebsstätten gehen von betriebswirtschaftlichen Überlegungen aus und stehen in keinem Widerspruch zu den Regeln des KWG.

Fall – Vorgaben des ausländischen Bankenaufsichtsrechts:

Ein inländisches Kreditinstitut X (X) unterhält eine ausländische Bankbetriebsstätte A (A) im Staat Y. Das nach deutschen Vorschriften ermittelte Kernkapital von X beträgt 2.000. Die gewichteten Risiken von X betragen insgesamt 10.000 Einheiten. Auf A entfallen hiervon 2.500 Einheiten. Nach dem Bankenaufsichtsrecht des Staats Y ist A ein Mindestdotationskapital von 250 zuzuweisen.

Lösung:

Nach der Mindestkapitalausstattungsmethode für Bankbetriebsstätten wäre A rechnerisch ein Mindestdotationskapital von 6,5 % von 2.000 = 130 zuzuordnen. Der Prozentsatz von 6,5 % entspricht der Summe aus der Kernkapitalquote von 6 % nach Artikel 92 Absatz 1 Buchstabe b Verordnung EU. Nr. 575/2013 und des Zuschlags von 0,5 % nach § 20 Absatz 2 Satz 3 BsGaV, der entsprechend anzuwenden ist. Allerdings ist – dem ausländischen Bankenaufsichtsrecht folgend – nach § 21 Absatz 1 Satz 1 BsGaV auch steuerlich das im Ausland für das übrige Unternehmen bankenaufsichtsrechtlich zwingend erforderliche Dotationskapital (hier 250) zuzuweisen.

259 Ordnet ein inländisches Kreditinstitut seiner ausländischen Bankbetriebsstätte Dotationskapital zu, das höher ist, als es sich nach der Mindestkapitalausstattungsmethode für Bankbetriebsstätten ergibt, so hat es nach § 21 Absatz 1 Satz 2 BsGaV die Gründe dafür nachzuweisen.

2.21.2 Höheres Dotationskapital für die ausländische Bankbetriebsstätte eines inländischen Kreditinstituts (§ 21 Absatz 2 BsGaV)

260 Der über die Mindestkapitalausstattungsmethode hinausgehende Ansatz von Dotationskapital ist nach § 21 Absatz 2 BsGaV nur anzuerkennen, wenn und soweit dieser höhere Ansatz dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht. Das höhere Dotationskapital muss zu einem Ergebnis der Bankbetriebsstätte führen, das im Einzelfall aus der Sicht der beiden gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht.

261 Nach § 21 Absatz 2 Satz 2 BsGaV darf Dotationskapital unter den Voraussetzungen des § 21 Absatz 2 Satz 1 BsGaV höchstens mit dem Betrag angesetzt werden, der sich aus der Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten ergibt (§ 20 Absatz 1 Satz 1 BsGaV). Die Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten ist grundsätzlich nicht für ausländische Bankbetriebsstätten anzuwenden, sie beschreibt vielmehr lediglich eine Obergrenze für die Zuordnung von Dotationskapital. Das für eine solche Höchstbetragsberechnung nach der Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten aufzuteilende Eigenkapital i. S. d. § 21 Absatz 2 i. V. m. § 20 Absatz 1 BsGaV entspricht dem bankenaufsichtsrechtlichen Kernkapital i. S. d. KWG (siehe auch Rn. 234).

Fall – Obergrenze des Dotationskapitals:

Ein inländisches Kreditinstitut X (X) hat eine ausländische Bankbetriebsstätte A (A) im Staat Y. Das nach deutschen Vorschriften ermittelte Kernkapital von X beträgt 2.000. Die gewichteten Risiken von X betragen insgesamt 10.000 Einheiten. Auf A entfallen hiervon 2.000 Einheiten. Für A bestehen nachweislich besondere Risiken, die die Zuordnung eines Dotationskapitals rechtfertigen, das höher ist als das nach ausländischem Bankenaufsichtsrecht vorgeschriebene Mindestkapital von 200.

Lösung:

In welchem Umfang A ein höheres Dotationskapital zuzuweisen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls und einem entsprechenden Nachweis ab. Nach der Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten liegt die Obergrenze (§ 21 Absatz 2 Satz 2 BsGaV) bei 2.000 × 2.000/10.000 Einheiten = 400.

2.21.3 Erfordernisse des ausländischen Bankenaufsichtsrechts (§ 21 Absatz 3 BsGaV)

262 § 21 Absatz 3 Satz 1 BsGaV geht auf einen im Einzelfall denkbaren Konflikt ein, der entstehen kann, wenn das ausländische Bankenaufsichtsrecht zwingend eine höhere Dotation für die ausländische Bankbetriebsstätte vorschreibt, als dies die Öffnungsklausel des § 21 Absatz 2 BsGaV höchstens zulässt. Die bankenaufsichtsrechtlichen Vorschriften des Auslands sind nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu beachten, denn sie sind eine der generellen Voraussetzungen dafür, dass das inländische Kreditinstitut durch seine ausländische Bankbetriebsstätte auf dem ausländischen Markt tätig werden kann. In diesen Fällen kann sogar ein Betrag angesetzt werden, der den Betrag, der sich nach der Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten nach § 21 Absatz 2 Satz 2 BsGaV ergibt, überschreitet, wenn dadurch ein internationaler Besteuerungskonflikt vermieden wird.

263 Nach § 21 Absatz 3 Satz 2 BsGaV muss dem übrigen Unternehmen allerdings rechnerisch nach Abzug des der ausländischen Bankbetriebsstätte zugewiesenen Dotationskapitals mindestens ein Eigenkapital verbleiben, das nach den Kriterien des inländischen Bankenaufsichtsrechts für das übrige Unternehmen, wäre es ein selbständiges Kreditinstitut, ausreichen würde. Denn sonst entspräche die Kapitalausstattung für das übrige Unternehmen, wäre es ein selbständiges Kreditinstitut, nicht den im Inland geltenden, bankenaufsichtsrechtlichen Vorgaben.

Fall – Höchstgrenze für Dotationskapital ausländischer Bankbetriebsstätten:

Ein inländisches Kreditinstitut X (X) hat eine ausländische Bankbetriebsstätte A (A) im Staat Y. Das nach deutschen Vorschriften ermittelte Kernkapital von X beträgt 2.000 Einheiten. Die gewichteten Risiken von X betragen insgesamt 10.000 Einheiten. Auf A entfallen hiervon 2.000 Einheiten. X weist A ein Dotationskapital von 800 Einheiten zu, weil nach dem Bankenaufsichtsrecht des Staats A mindestens Dotationskapital in dieser Höhe zuzuweisen ist. Nach deutschem Bankenaufsichtsrecht wäre für das übrige Unternehmen, wäre es ein inländisches Kreditinstitut, mindestens Eigenkapital von 1.500 Einheiten erforderlich.

Lösung:

Nach § 21 Absatz 3 Satz 1 BsGaV (Sonderfall der Mindestkapitalausstattungsmethode für Bankbetriebsstätten) ist A grundsätzlich auch steuerlich – entsprechend dem ausländischen Bankenaufsichtsrecht – das zwingend erforderliche Dotationskapital zuzuweisen, auch wenn dieses höher ist, als es sich nach der Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten (§ 21 Absatz 1 BsGaV) ergibt. Allerdings darf A nach § 21 Absatz 3 Satz 2 BsGaV nur so viel Dotationskapital zugeordnet werden, dass dem übrigen Unternehmen genügend Kernkapital verbleibt (Mindestkapital nach deutschem Bankenaufsichtsrecht). Vorliegend übersteigt die Summe des jeweiligen Mindestkapitals (800 Einheiten für A und 1.500 Einheiten für das übrige Unternehmen) das vorhandene Kernkapital von X. Deshalb kann A steuerlich höchstens ein Dotationskapital von 2.000 – 1.500 = 500 Einheiten zugeordnet werden.

2.21.4 Unterkapitalisiertes inländisches Kreditinstitut (§ 21 Absatz 4 BsGaV)

264 Im Fall eines unterkapitalisierten inländischen Kreditinstituts mit einer ausländischen Bankbetriebsstätte kann der Fremdvergleichsgrundsatz des § 1 Absatz 5 AStG Modifikationen bei der Ermittlung des steuerlich anzusetzenden Dotationskapitals für die ausländische Bankbetriebsstätte erfordern (siehe auch Rn. 245 zu § 20 Absatz 4 BsGaV). § 21 Absatz 4 BsGaV regelt zwei relevante Fallgruppen, die im Zusammenhang mit der Anwendung von Waiver-Regelungen auftreten können, die es zulassen, dass die bankenaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen insgesamt auf einen Bankkonzern angewendet werden und nicht mehr auf das einzelne Kreditinstitut (z. B. § 2a KWG):

  • Die erste Fallgruppe betrifft Sachverhalte, in denen ein inländisches Kreditinstitut, zu dem eine ausländische Bankbetriebsstätte gehört, Teil einer inländischen Kreditinstitutsgruppe ist, auf die § 2a KWG angewendet wird.

  • Die zweite Fallgruppe betrifft Sachverhalte, in denen auf ein inländisches Kreditinstitut, zu dem eine ausländische Bankbetriebsstätte gehört, eine Regelung angewendet wird, die Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 entspricht, weil das inländische Kreditinstitut Teil einer ausländischen Kreditinstitutsgruppe eines Staats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums ist.

265 In beiden Fallgruppen kann die Folge sein, dass das inländische Kreditinstitut – isoliert betrachtet – über ein geringeres Kernkapital verfügt, als es nach bankenaufsichtsrechtlichen Grundsätzen für die Summe der risikogewichteten Positionsbeträge erforderlich wäre (Unterkapitalisierung), wenn entweder § 2a KWG oder die Bestimmungen einer Regelung eines anderen Staats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (Waiver), die Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 entspricht, nicht anwendbar wären.

266 Verfügt das inländische Kreditinstitut wegen einer Waiver-Regelung nur über ein geringes Kernkapital und macht es oder eine ausländische Finanzverwaltung geltend, dass für eine ausländische Bankbetriebsstätte ein Mindestdotationskapital entsprechend § 21 Absatz 1 Satz 1 BsGaV zu berücksichtigen ist, so kommt es zu Besteuerungskonflikten, wenn nach Zuordnung dieses Mindestkapitals bankenaufsichtsrechtlich kein ausreichendes Kernkapital für das übrige Unternehmen, wäre es selbständig, verbleibt. Denn Kernkapital muss nach dem Fremdvergleichsgrundsatz auch für das übrige Unternehmen mindestens in Höhe des Betrags zur Verfügung stehen, den das übrige Unternehmen, wäre es ein selbständiges Kreditinstitut, bankenaufsichtsrechtlich nachweisen müsste, um in Deutschland Bankgeschäfte tätigen zu können.

Fall – Konfliktfall Waiver:

Ein inländisches Kreditinstitut X (X) gehört zu einer inländischen Waiver-Gruppe (§ 2a KWG) und hat eine ausländische Bankbetriebsstätte A (A) im Staat Y. Das nach deutschem Bankenaufsichtsrecht ohne Berücksichtigung der Waiver-Regelung zur Deckung aller gewichteten Risiken mindestens erforderliche Kernkapital von X beträgt 1.000 Einheiten. Das Kernkapital, das X innerhalb der Waiver-Gruppe tatsächlich zugeordnet ist, beträgt 900 Einheiten. Die gewichteten Risiken von X betragen 10.000 Einheiten. Auf A entfallen hiervon 2.000 Einheiten. Nach dem Bankenaufsichtsrecht des Staats Y ist A mindestens ein Dotationskapital von 200 Einheiten zuzuordnen. Nach deutschem Bankenaufsichtsrecht – ohne Waiver – wäre dem übrigen Unternehmen mindestens Kernkapital i. H. v. 800 Einheiten zuzuordnen.

Lösung:

Die Summe der Mindestkapitalausstattung für A und für das übrige Unternehmen beträgt 1.000 Einheiten. X verfügt tatsächlich aber nur über ein Kernkapital von 900 Einheiten. Nach § 21 Absatz 4 BsGaV kann A in diesem Fall lediglich so viel Dotationskapital zugeordnet werden, dass dem übrigen Unternehmen das nach deutschem Bankenaufsichtsrecht mindestens notwendige Kernkapital (800 Einheiten) verbleibt. Für A steht somit Dotationskapital lediglich i. H. v. 100 Einheiten zur Verfügung, Der daraus entstehende internationale Besteuerungskonflikt ist durch die Entscheidungen der Waiver-Gruppe verursacht worden, den Waiver zu nutzen und X lediglich ein Kernkapital von 900 Einheiten zur Verfügung zu stellen.

Abwandlung:

Wie der Grundfall, aber X gehört zu einer ausländischen Waiver-Gruppe.

Lösung:

Wie der Grundfall.

2.21.5 Auswirkungen ausländischen Bankenaufsichtsrechts (§ 21 Absatz 5 BsGaV)

267 § 21 Absatz 5 Satz 1 BsGaV bestimmt, dass § 13 Absatz 5 BsGaV entsprechend anzuwenden ist, allerdings unter Hinweis auf das ausländische Bankenaufsichtsrecht. Im Rahmen der Faktoren, die steuerlich Grund für eine Änderung des Dotationskapitals ausländischer Bankbetriebsstätten während des laufenden Geschäftsjahrs sein können, ist ggf. auch das ausländische Bankenaufsichtsrecht für ausländische Kreditinstitute von Bedeutung, das nach dem Fremdvergleichsgrundsatz auch für ausländische Bankbetriebsstätten zu berücksichtigen ist. Auf die Beschränkung der Änderungsmöglichkeit durch die Finanzverwaltung nach § 1 Absatz 5 AStG wird hingewiesen.

268 Nach § 21 Absatz 5 Satz 2 BsGaV ist § 13 BsGaV sinngemäß auf ausländische Bankbetriebsstätten anzuwenden, denn § 21 BsGaV enthält lediglich ergänzend besondere Regelungen, vor allem im Hinblick auf das Bankenaufsichtsrecht.

269 § 21 Absatz 5 BsGaV ordnet über § 13 Absatz 5 BsGaV hinaus eine Änderung des Dotationskapitals einer ausländischen Bankbetriebsstätte innerhalb des Wirtschaftsjahrs an, wenn die rechtlichen Anforderungen des ausländischen Bankenaufsichtsrechts geändert werden und dies im konkreten Fall eine Anpassung des Dotationskapitals erfordert. Daneben ist nach § 13 Absatz 5 BsGaV allerdings auch eine Anpassung des Dotationskapitals einer ausländischen Bankbetriebsstätte aufgrund von Änderungen der Zuordnung von Personalfunktionen, von Vermögenswerten oder von Chancen und Risiken durchzuführen, wenn die sich daraus ergebende Veränderung des zuzuordnenden Dotationskapitals erheblich ist (siehe Rn. 151, die sinngemäß auch für ausländische Bankbetriebsstätten gilt). Eine Veränderung ist erheblich, wenn das Dotationskapital zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahrs um mehr als 30 % vom Dotationskapital zu Beginn des Wirtschaftsjahrs abweicht, aber nur dann, wenn die Abweichung mindestens 2 Mio. Euro beträgt. Indikator für eine erhebliche Veränderung des Dotationskapitals ist insbesondere die Veränderung der jeweils der ausländischen Bankbetriebsstätte zuzuordnenden Summe der risikogewichteten Positionsbeträge, denn hiervon wird im Regelfall das bankenaufsichtsrechtlich zuzuordnende Dotationskapital maßgeblich beeinflusst.

270 Die entsprechende Anwendung des § 13 BsGaV umfasst auch die zeitlich begrenzte Nichtbeanstandung der Über- oder Unterdotierung einer ausländischen Bankbetriebsstätte (vgl. Rn. 144 zu § 13 Absatz 1 BsGaV) aufgrund der Neubestimmung des Dotationskapitals jeweils zum Beginn des Wirtschaftsjahrs (siehe Rn. 129). Voraussetzung für die Nichtbeanstandung ist, dass die zum Ende des Vorjahrs entstandene Über- bzw. Unterdotierung unverzüglich beseitigt wird, nachdem das Unternehmen sie erkannt hat oder erkennen musste. Die Berechnungen, die die Über- bzw. Unterdotierung erkennbar gemacht haben, und die Buchungen, die die Über- bzw. Unterdotierung beseitigen, sind im Rahmen der Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 BsGaV aufzuzeichnen (siehe Rn. 63).

2.21.6 Ausschluss für ausländische Betriebsstätten inländischer Finanzdienstleistungsinstitute, die nicht der Bankenaufsicht unterliegen (§ 21 Absatz 6 BsGaV)

271 Nach § 21 Absatz 6 BsGaV gilt § 21 Absatz 1 bis 5 BsGaV, der ausdrücklich auf das Bankenaufsichtsrecht abstellt, nicht für ein inländisches Finanzdienstleistungsinstitut und seine ausländischen Betriebsstätten, wenn das inländische Finanzdienstleistungsinstitut keine bankenaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen erfüllen muss. Durch diese Regelung wird die Rechtsfolge des § 18 BsGaV verdeutlicht, dass ein Finanzdienstleistungsinstitut nicht in den Anwendungsbereich des Abschnitts 2 der BsGaV fällt, weil es keine Bankgeschäfte betreibt (siehe Rn. 192).

2.22 Globaler Handel mit Finanzinstrumenten (§ 22 BsGaV)

2.22.1 Grundsatz für die Zuordnung von Finanzinstrumenten zu Bankbetriebsstätten (§ 22 Absatz 1 BsGaV)

272 § 22 Absatz 1 Satz 1 BsGaV verweist für die Zuordnung von Finanzinstrumenten auf die Vorschrift für finanzielle Vermögenswerte von Kreditinstituten in § 19 BsGaV, die grundsätzlich auch im Bereich des globalen Handels mit Finanzinstrumenten anzuwenden ist. Ergänzend kommt über die Regelung des § 18 BsGaV auch die Anwendung der allgemeinen Vorschriften des Abschnitts 1 Unterabschnitt 2 der BsGaV in Betracht. § 22 BsGaV ist insofern eine Spezialvorschrift zu § 19 BsGaV, so wie § 19 BsGaV eine Spezialvorschrift für Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 der BsGaV ist. § 22 Absatz 1 Satz 1 BsGaV enthält die allgemeine Definition für den globalen Handel mit Finanzinstrumenten (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil III Tz. 7).

273 § 22 Absatz 1 Satz 2 BsGaV enthält eine beispielhafte, nicht abschließende Aufzählung von Geschäftsaktivitäten, die unter den globalen Handel mit Finanzinstrumenten fallen. Zur weiteren Klarstellung wird in der BsGaV auch auf innerstaatliche Rechtsgrundlagen Bezug genommen.

2.22.2 Aufteilung des Ergebnisses (§ 22 Absatz 2 BsGaV)

274 § 22 Absatz 2 Satz 1 BsGaV lässt für den globalen Handel mit Finanzinstrumenten eine anteilige Aufteilung der steuerlich realisierten und nichtrealisierten Ergebnisse nach einem sachgerechten Aufteilungsschlüssel zu, wenn die unternehmerischen Risikoübernahmefunktionen bezogen auf verschiedene Finanzinstrumente über ein globales Buch in mehreren Bankbetriebsstätten ausgeübt werden. Denn Finanzinstrumente im globalen Handel, die über ein globales Buch gehandelt werden, auf das häufig mehrere Bankbetriebsstätten in verschiedenen Ländern abwechselnd oder gleichzeitig Zugriff haben, lassen sich meist nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand einzeln bestimmten Bankbetriebsstätten zuordnen. In diesem Bereich kommen häufig Funktionsaufteilungen (siehe Rn. 42) vor, die komplex ausgestaltet sind (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil III Tz. 206). Sind noch nicht realisierte Ergebnisse aus dem globalen Handel mit Finanzinstrumenten der Besteuerung zugrunde zu legen (§ 5 Absatz 1a EStG i. V. m. § 254 HGB bzw. § 6 Absatz 1 Nummer 2b EStG), so gelten diese Grundsätze auch für die Aufteilung der noch nicht realisierten Ergebnisse.

Fall – Zur Abgrenzung:

Das ausländische Kreditinstitut Y (Y) in Staat A unterhält in den Staaten B und C die Bankbetriebsstätten B (B) und C (C). Im Staat A befindet sich auch die Handelsabteilung von Y, die alle Trading-Funktionen (Trading & Day-to-day Risk Management gem. Rn. 205 und Rn. 206) für die gehandelten Vermögenswerte ausübt. Die Kundenbetreuer von A, B und C erbringen die Sales-/Marketing-Funktion (siehe Rn. 204), d. h. sie vertreiben die Finanzprodukte auf Basis der von der Trading-Abteilung in A aufgestellten Vorgaben an die Kunden der Bank.

Lösung:

Die Finanzprodukte und die aus den Handelsaktivitäten erzielten Ergebnisse sind aufgrund der in A ausgeübten unternehmerischen Risikoübernahmefunktionen A zuzuordnen. Für die Übernahme der Sales-/Marketing-Funktionen ist für B und C ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechendes Entgelt anzusetzen.

Fallabwandlung – Globaler Handel:

In den Betriebsstätten B (B) C (C) und D (D) des ausländischen Kreditinstituts Y (Y) in Staat A bestehen jeweils Handelsabteilungen, die eigenständig die Vermögenswerte von Y handeln. Für bestimmte Finanzprodukte existieren globale Handelsbücher, die (formal) von A geführt werden. Die Händler aller Bankbetriebsstätten verfügen über eine uneingeschränkte Handelserlaubnis für alle Positionen der weltweiten Handelsbücher.

Lösung:

Eine konkrete Zuordnung der einzelnen Vermögenswerte und der jeweils erzielten Ergebnisse zu den in den jeweiligen Bankbetriebsstätten ausgeübten Personalfunktionen ist nicht möglich. Die Vermögenswerte und Ergebnisse sind nach einem sachgerechten Schlüssel auf die beteiligten Bankbetriebsstätten B, C und D aufzuteilen.

275 § 22 Absatz 2 Satz 2 BsGaV lässt zur Erleichterung der Handhabung eine Buchung der Finanzinstrumente (finanzielle Vermögenswerte) zu, die von der anteiligen Aufteilung der Einkünfte abweicht, wenn die anteilige Zuordnung der Chancen und Risiken für die Zuordnung des jeweiligen Dotationskapitals berücksichtigt und das Ergebnis der betreffenden Bankbetriebsstätten nicht beeinflusst wird. Denn häufig ist in einem Kreditinstitut eine Bankbetriebsstätte bestimmt, in der aus Vereinfachungsgründen zentral die Buchungen für den globalen Handel durchgeführt werden (Booking Location, siehe z. B. OECD-Betriebsstättenbericht, Teil III Tz. 201 und Tz. 215). Durch Satz 2 werden die Anforderungen des Fremdvergleichsgrundsatzes ausreichend zur Geltung gebracht. Die Erleichterungen stehen unter dem Vorbehalt, dass die Handhabung transparent und konsistent in den Hilfs- und Nebenrechnungen der betreffenden Bankbetriebsstätte dargestellt wird.

Fall – Abweichende Zuordnung im globalen Handel:

Das ausländische Kreditinstitut Y (Y) unterhält im Inland und in seinen ausländischen Bankbetriebsstätten in den Staaten A, B und C Handelsabteilungen, die gemeinsam das Vermögen von Y verwalten. Für bestimmte Finanzprodukte existierten gemeinsame, globale Handelsbücher, die (formal) von der ausländischen Betriebsstätte A (A) geführt werden. Die Händler aller Bankbetriebsstätten verfügen über eine uneingeschränkte Handelserlaubnis für alle Positionen der weltweiten Handelsbücher. Alle Buchungen erfolgen dabei auf Depots bzw. Konten, die intern der Betriebsstätte A zugeordnet sind (Booking Location).

Lösung:

Eine konkrete Zuordnung der einzelnen Vermögenswerte und der jeweils erzielten Ergebnisse zu den in den jeweiligen Bankbetriebsstätten ausgeübten Personalfunktionen ist nicht möglich. Nach § 22 Absatz 2 Satz 2 BsGaV kann die Zuordnung der Vermögenswerte zu A grundsätzlich anerkannt werden. Dies gilt jedoch nicht für die Ermittlung des Dotationskapitals: In der Berechnung für die inländische Bankbetriebsstätte müssen gem. § 20 BsGaV die Risikopositionen aus den der deutschen Bankbetriebsstätte anteilig zuzurechnenden Vermögenswerten berücksichtigt werden. Hierfür ist ein sachgerechter Schlüssel, der die im Inland ausgeübten Personalfunktionen angemessen berücksichtigt, anzuwenden. Nach diesem Schlüssel sind die Ergebnisse aus den Handelsaktivitäten auf die beteiligten Bankbetriebsstätten aufzuteilen.

2.22.3 Anzuwendende Verrechnungspreismethode (§ 22 Absatz 3 BsGaV)

276 § 22 Absatz 3 BsGaV enthält eine widerlegbare Vermutung, dass in Fällen des globalen Handels mit Finanzinstrumenten auf der Grundlage der übernommenen unternehmerischen Risikoübernahmefunktionen vorrangig die Restgewinnaufteilungsmethode (siehe auch OECD-Leitlinien, Tz. 2.121 ff. – Residual Profit Split) anzuwenden ist. Denn diese Methode ist am besten geeignet, den funktionalen Verhältnissen des globalen Handels mit Finanzinstrumenten gerecht zu werden. Andere Methoden sind anwendbar, wenn sie zu einem Ergebnis der beteiligten Bankbetriebsstätten führen, das im Einzelfall aus der Sicht der beiden gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht.

Fall – Verrechnungspreismethode

Ein inländisches Kreditinstitut X (X) unterhält globale Bücher, in denen es den auf eigene Rechnung betriebenen Handel mit Zinsprodukten in der jeweiligen Währung weltweit zentral erfasst. Die Handelsaktivitäten werden in den ausländischen Bankbetriebsstätten A (A) und B (B) ausgeübt. B übernimmt dabei ausschließlich An- und Verkaufsleistungen im Segment börsengehandelter Euro-Anleihen. Vergleichbare An- und Verkaufsleistungen erbringt B auch an Kunden, denen hierfür eine volumenabhängige Transaktionsgebühr in Rechnung gestellt wird.

Lösung:

Das Ergebnis von B aus den Eigenhandelsaktivitäten kann auf Basis der Preisvergleichsmethode durch eine fiktive Transaktionsgebühr zu Lasten von A ermittelt werden. Das Ergebnis von A ergibt sich entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz aus dem tatsächlichen Ergebnis der Handelsaktivitäten aus dem Handelsbuch „Euro-Zinsprodukte“ abzüglich der B zugewiesenen Transaktionsgebühren.

277 Andere Leistungen einer Bankbetriebsstätte, die dem übrigen Unternehmen im Rahmen einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV) erbracht werden, sind vorab zu Lasten der Bankbetriebsstätten, denen die unternehmerischen Risikoübernahmefunktionen für die betreffenden Vermögenswerte zuzuordnen sind, zu vergüten (deshalb wird in § 22 Absatz 3 BsGaV der Begriff „Restgewinn“ verwendet). Diese vorab zu vergütenden Leistungen sind im Einzelfall auf Basis einer Funktions- und Risikoanalyse (§ 4 Nummer 3 i. V. m. § 7 GAufzV) daraufhin zu untersuchen, ob eine sachgerechte Verrechnungspreismethode verwendet wird.

278 § 22 Absatz 3 BsGaV ist auch anwendbar auf Geschäftsvorfälle im globalen Handel mit Finanzinstrumenten, soweit der Handel für Kunden ausgeübt wird, und tritt insoweit an die Stelle einer Zuordnung der Geschäftsvorfälle nach § 9 BsGaV.

2.23 Allgemeines zu Versicherungsbetriebsstätten (§ 23 BsGaV)

279 Abschnitt 3 der BsGaV (§§ 23 bis 29 BsGaV) ist speziell auf Betriebsstätten anzuwenden, die das Versicherungsgeschäft betreiben (Versicherungsbetriebsstätten – siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 1). Der Begriff „Versicherungsbetriebsstätte“ ist unter Bezugnahme auf § 1 Absatz 1 Nummer 1 VAG (§ 1 Absatz 1 Nummer 1 VAG a. F.) in § 23 BsGaV definiert.

280 Versicherungsgeschäfte sind gesetzlich nicht definiert. Üblicherweise werden darunter Geschäfte verstanden, bei denen gegen Prämienzahlung für den Fall eines ungewissen Ereignisses bestimmte Leistungen versprochen werden, wobei das übernommene Risiko auf eine Vielzahl von Personen verteilt wird. Der Risikoübernahme liegt eine auf dem Gesetz der großen Zahlen beruhende Kalkulation zugrunde (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 5).

281 Werden von einer Versicherungsbetriebsstätte auch andere Geschäftstätigkeiten ausgeübt oder sind für Versicherungsbetriebsstätten im Abschnitt 3 der BsGaV (§§ 23 bis 28 BsGaV) keine besonderen Regelungen getroffen worden, so gelten die allgemeinen Regelungen der §§ 1 bis 11 und §§ 14 bis 17 BsGaV. Hinzuweisen ist auf die Rn. 63 (Aufzeichnungspflichten), die u. a. den Zweck verfolgt, internationale Besteuerungskonflikte (Doppelbesteuerung bzw. Nichtbesteuerung) zu erkennen und nach Möglichkeit zu vermeiden. Das Dotationskapital einer Versicherungsbetriebsstätte ist auch in den Fällen einer gemischten Tätigkeit nach §§ 25 und 26 BsGaV zu bestimmen.

282 Hat ein Versicherungsunternehmen in einem anderen Staat eine Betriebsstätte, die keine Versicherungsgeschäfte betreibt, so gelten für diese Betriebsstätte insgesamt nur die Vorschriften der §§ 1 bis 17 BsGaV.

2.24 Besondere Zuordnungsregelungen für Versicherungsbetriebsstätten (§ 24 BsGaV)

2.24.1 Grundsatz: Zuordnung von Vermögenswerten, die durch den Abschluss eines Versicherungsvertrags entstehen (§ 24 Absatz 1 BsGaV)

283 Die Terminologie für Versicherungsbetriebsstätten weicht von der allgemeinen Terminologie in § 2 Absatz 4 BsGaV („maßgebliche Personalfunktionen” – OECD: „Significant People Functions“) ab. Die Personalfunktionen, die für die Zuordnung von Vermögenswerten, die durch den Abschluss eines Versicherungsvertrags entstehen, entscheidend sind, werden im Zusammenhang mit Versicherungsbetriebsstätten als unternehmerische Risikoübernahmefunktion (OECD: „KERT Function“, siehe auch Rn. 197) bezeichnet. Die Zuordnung eines Vermögenswerts im Versicherungsbereich erfordert die Zuordnung sämtlicher, mit dem Vermögenswert zusammenhängender Chancen und Risiken, d. h. sowohl der Chancen und Risiken des Vermögenswerts selbst als auch der Chancen und Risiken der unternehmerischen Verwendung des Vermögenswerts. Andere Vermögenswerte und Geschäftsvorfälle sowie Chancen und Risiken sind entsprechend der allgemeinen Regeln der §§ 5 bis 11 BsGaV zuzuordnen.

284 Im Versicherungsgeschäft ist für die Übernahme des Versicherungsrisikos die Personalfunktion des Zeichnungsprozesses entscheidend (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 94). Die Personalfunktion des Zeichnungsprozesses ist die Funktion, durch die die mit dem Versicherungsvertrag verbundenen Chancen und Risiken, insbesondere das versicherungstechnische Risiko, für das Versicherungsunternehmen entstehen. Ziel des Zeichnungsprozesses ist, die versicherten Risiken im Verhältnis zur Preisgestaltung der entsprechenden Versicherungsverträge sachgerecht einzustufen (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 35). Der Zeichnungsprozess (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 69) ist somit die unternehmerische Risikoübernahmefunktion für Versicherungsunternehmen (§ 24 Absatz 1 Satz 2 BsGaV).

285 Der Zeichnungsprozess besteht aus folgenden fünf Schritten (§ 24 Absatz 1 Satz 3 BsGaV (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 34 und Tz. 35):

  1. Festlegung der Zeichnungsstrategie (§ 24 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 BsGaV)

    Die Festlegung der Zeichnungsstrategie, die von dem für die Zeichnungsentscheidung im Versicherungsgeschäft oder Rückversicherungsgeschäft zuständigen Personal einzuhalten ist, ist Teil des Risikomanagements und muss auf die fachlichen Fähigkeiten und Kompetenzen des Personals des Versicherungsunternehmens zugeschnitten sein. Die Zeichnungsstrategie

    • definiert die Parameter für die Höhe des zu versichernden Risikos, die sowohl allgemein, aber auch detailliert gehalten sein können,

    • bestimmt Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des Versicherungsunternehmens und

    • ist nach den Umständen des Einzelfalls ein wichtiger Faktor für die Rentabilität des Versicherungsgeschäfts.

    Für die Bedeutung der Festlegung der Zeichnungsstrategie kommt es entscheidend darauf an, in welchem Ausmaß diese aktiv zum Zeichnungsprozess beiträgt (siehe OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 70 und Tz. 94).

  2. Risikoklassifizierung und Risikoauswahl (§ 24 Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 BsGaV)

    Der Prozess der Klassifizierung und Auswahl des versicherten Risikos ist der Zeichnungsprozess im engeren Sinne. Dieser Prozess umfasst die Analyse des spezifischen Risikos und der diesbezüglichen Risikokategorie. Je nach Risiko, Kosten und Marktbedingungen bestimmt dieser Prozess den Preis (die Prämie), ggf. unter Anwendung entsprechender Prämientabellen. Der Prozess der Risikoklassifizierung und Risikoauswahl kann darüber hinaus die Aufgabe beinhalten, das Risiko auszuwählen und die Kapazitätsgrenzen zu überprüfen. Grundanforderungen sind die Klassifizierung von Risiken auf der Basis ausgewählter Kriterien und der Verwendung einschlägiger Statistiken.

  3. Preisgestaltung (§ 24 Absatz 1 Satz 3 Nummer 3 BsGaV)

    Die Preis- und Konditionengestaltung der Prämien für einen Vertrag kann ein wesentlicher Bestandteil des Zeichnungsprozesses sein. Handelt es sich um ein standardisiertes Produkt und werden die Prämien mit Bezugnahme auf anwendbare Prämientabellen festgelegt, hat die Preisgestaltung des Vertrags – wenn die Klassifizierung des Risikos abgeschlossen ist – für den Zeichnungsprozess keine Bedeutung. Im Lebensversicherungsgeschäft wird die Preisgestaltung des versicherten Risikos von Aktuaren i. S. d. § 141 VAG (§ 11a VAG a. F.) vorgenommen, auch hier hat die Preisgestaltung für den Zeichnungsprozess keine Bedeutung.

  4. Analyse der Risikoweitergabe (§ 24 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 BsGaV)

    Im Rahmen des Zeichnungsprozesses kann auch entschieden werden, welcher Teil des versicherten Risikos (durch das Versicherungsunternehmen) selbst getragen werden sollte und welcher Teil an einen Rückversicherer abgegeben wird und zu welchen Bedingungen.

  5. Annahme der versicherten Risiken (§ 24 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 BsGaV)

    Die Entscheidung, einen Versicherungsvertrag abzuschließen, ist der Teil des Zeichnungsprozesses, der das Versicherungsunternehmen dem Versicherungsrisiko aussetzt. Für die Gewichtung dieses Teils des Zeichnungsprozesses ist der Entscheidungsspielraum des dafür zuständigen Personals entscheidend. Das Personal kann einerseits über ein erhebliches Maß an Unabhängigkeit und Kompetenzen verfügen oder andererseits nach detaillierten Vorgaben – ohne wesentliche eigene Entscheidungsbefugnisse – arbeiten.

286 Die Klassifizierung der versicherten Risiken erfolgt im Regelfall auf der Basis ausgewählter Kriterien und unter Verwendung einschlägiger Statistiken (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 36). Bei standardisierten Produkten im Massengeschäft (z. B. Reisegepäckversicherung, Auslandsreisekrankenversicherung) kann dieses Verfahren weitgehend automatisiert sein. Bei komplexen bzw. individuell gestalteten Versicherungsverträgen (z. B. Produkthaftpflichtversicherung, Betriebsunterbrechungsversicherung, Rückversicherung) erfordert der Prozess eine umfassende Prüfung der versicherten Risiken sowie eine ausgeprägte Fachkompetenz, insbesondere in den Bereichen Risikostrukturierung sowie der rechtlichen, medizinischen und physischen Implikationen.

287 Die Vertragsausfertigung umfasst insbesondere die Angebotsbearbeitung, die Zeichnung der Risiken, die Vertragserstellung und die Auftragsvergabe.

288 Für die Bestimmung der unternehmerischen Risikoübernahmefunktion sind nur die Schritte der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses i. S. d. Rn. 285 heranzuziehen, die durch eigenes Personal des Versicherungsunternehmens i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV ausgeübt werden (siehe Rn. 74 ff.). Ausgegliederte Schritte der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses, d. h. Funktionen, die aufgrund eines Ausgliederungsvertrags i. S. d. § 32 VAG (Funktionsausgliederungsvertrag i. S. d. § 5 Absatz 3 Nummer 4, § 119 Absatz 2 Satz 2 Nummer 6 VAG a. F. oder Dienstleistungsvertrag i. S. d. § 64a Absatz 4 VAG a. F.) durch unabhängige Dritte oder durch nahe stehende Unternehmen erbracht werden, sind für die Bestimmung der unternehmerischen Risikoübernahmefunktion nicht heranzuziehen.

289 Übt ein Versicherungsunternehmen das Versicherungsgeschäft in einem anderen Staat durch eine Versicherungsbetriebsstätte aus, die nicht über eigenes Personal i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV verfügt, so liegt ein Fall des ständigen Vertreters vor, wenn das Versicherungsgeschäft im Betriebsstättenstaat durch Personal eines nahe stehenden Unternehmens, das im selben Staat ansässig ist, in der Weise betrieben wird, dass das nahe stehende Unternehmen die unternehmerische Risikoübernahmefunktion für die Versicherungsbetriebsstätte ausübt und die Versicherungsverträge im Namen und für Rechnung der Versicherungsbetriebsstätte abschließt (Ständiger Vertreter i. S. d. § 13 AO; siehe § 39 BsGaV, Artikel 5 Absatz 5 OECD-MA). In diesem Fall wird die unternehmerische Risikoübernahmefunktion in der Versicherungsbetriebsstätte ausgeübt, der die Versicherungsverträge zuzuordnen sind.

Fall – Ständiger Vertreter:

Ein Versicherungsunternehmen X (X) mit Sitz im Inland übt das Versicherungsgeschäft in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat durch eine Niederlassung A (A) aus. A verfügt über kein eigenes Personal. Mit der Betriebsführung von A ist vertraglich das nahe stehende Unternehmen Y (Y), eine Tochtergesellschaft der X, beauftragt. Y übt nachweislich die unternehmerische Risikoübernahme für die von ihr im Namen und für Rechnung der Niederlassung abgeschlossenen Versicherungsverträge aus.

Lösung:

A verfügt über kein eigenes Personal i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV. Auch eine Personalüberlassung i. S. d. § 2 Absatz 4 Satz 2 BsGaV durch Y liegt nicht vor, da die Leistungsverpflichtung der Y über die bloße Personalgestellung hinausgeht. Y ist daher ständiger Vertreter i. S. d. § 13 AO für X. Nach § 39 Absatz 2 BsGaV sind die vom Personal des ständigen Vertreters ausgeübten Personalfunktionen, insbesondere die unternehmerische Risikoübernahmefunktion bezüglich der im Namen und für Rechnung der Niederlassung abgeschlossen Versicherungsverträge, als eigene Personalfunktion der Niederlassung anzusehen. Damit sind die von Y abgeschlossenen Versicherungsverträge ebenfalls der Niederlassung zuzuordnen.

2.24.2 Maßgeblichkeit der unternehmerischen Risikoübernahmefunktion für Versicherungsbetriebsstätten (§ 24 Absatz 2 BsGaV)

290 Die Ausübung der unternehmerischen Risikoübernahmefunktion in einer Versicherungsbetriebsstätte entscheidet nach § 24 Absatz 2 BsGaV über die Zuordnung der Vermögenswerte, aber auch über die Zuordnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben sowie über die Zuordnung der Chancen und Risiken, insbesondere der versicherungstechnischen Risiken, die mit dem Versicherungsvertrag im Zusammenhang stehen (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 73).

2.24.3 Funktionsaufteilung bei Versicherungsbetriebsstätten (§ 24 Absatz 3 BsGaV)

291 Die einzelnen Schritte, die zur Personalfunktion des Zeichnungsprozesses gehören (siehe Rn. 285), können in zwei oder mehr Versicherungsbetriebsstätten ausgeübt werden (Funktionsaufteilung, siehe Rn. 42). In diesen Fällen muss es sich aus der Funktions- und Sachverhaltsanalyse ergeben, welchen Schritten der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses (bis zum Abschluss des Versicherungsvertrags) die größte Bedeutung zukommt, wo die einzelnen Schritte der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses ausgeübt werden und welche qualitative Bedeutung die jeweiligen Schritte unter den jeweiligen Gegebenheiten haben (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 37). Hierzu sind insbesondere die Personalfunktionen zu identifizieren, die eine aktive unternehmerische Entscheidung für die Übernahme des Versicherungsrisikos erfordern (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 94). Eine solche aktive unternehmerische Entscheidung kann auch in der Entscheidung bestehen, bestimmte Funktionen auszugliedern und anschließend zu kontrollieren.

292 Die relative qualitative Bedeutung eines bestimmten Schritts der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von Faktoren wie der Art des Versicherungsgeschäfts oder dem Geschäftsmodell. Der Zeichnungsprozess ist für komplexe Risiken (wie z. B. Lebensversicherungsrisiken oder Erdbebenversicherungsrisiken) viel schwieriger und und für die Zuordnung bedeutungsvoller als für standardisierte Produkte (wie z. B. für über das Internet verkaufte Reiseversicherungen, siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 48 ff. und Tz. 69).

293 Folgende Faktoren sind bei der qualitativen Gewichtung der fünf Schritte des Zeichnungsprozesses, unter Beachtung der Besonderheiten der einzelnen Versicherungszweige, zu beachten:

  • die Finanzkraft des Versicherungsunternehmens,

  • die versicherungsaufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf die maximale Risikokapazität,

  • die fachlichen Kompetenzen und Fähigkeiten des Personals,

  • die Verfügbarkeit und die Kosten einer Rückversicherung durch unverbundene Dritte sowie

  • die strategischen Geschäftsziele des Versicherungsunternehmens.

294 Die Personalfunktion des Zeichnungsprozesses überwiegt, wenn die in einer Versicherungsbetriebsstätte ausgeübten Schritte der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses i. S. d. § 24 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 5 BsGaV (siehe Rn. 285) gegenüber den im übrigen Unternehmen ausgeübten Schritten der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses qualitativ überwiegen (siehe Rn. 42). Die qualitative Gewichtung der einzelnen Schritte der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses hat an Hand von sachgerechten Zuordnungskriterien zu erfolgen, insbesondere unter Beachtung der in Rn. 293 genannten Faktoren. Z. B. mittels einer Skala von 1 bis 5, wobei 1 für „geringe Bedeutung“ und 5 für „hohe Bedeutung“ steht.

295 Kann ein qualitatives Überwiegen der in einer Versicherungsbetriebsstätte ausgeübten Schritte der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses nicht festgestellt werden, so können ausnahmsweise die entstandenen Personalkosten der geeignete Maßstab für die Aufteilung i. S. d. § 24 Absatz 3 Satz 2 BsGaV sein (siehe Rn. 42). Hierzu hat das Versicherungsunternehmen die Aufteilung der Personalkosten für den Zeichnungsprozess, gesondert nach den fünf Schritten des Zeichnungsprozesses (siehe Rn. 285) nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Vorlage einer Kostenstellenrechnung, die nach Versicherungszweigen und Versicherungsbetriebsstätten gegliedert ist, oder durch vergleichbare Unterlagen zu führen.



Fall – Überwiegen der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses:

Das in Staat A ansässige Versicherungsunternehmen X (X) betreibt in Staat B durch seine Versicherungsbetriebsstätte B (B) das Versicherungsgeschäft im Versicherungszweig Kraftfahrzeugversicherung. X macht glaubhaft, dass die Personalfunktion des Zeichnungsprozesses in der Versicherungsbetriebsstätte und im übrigen Unternehmen unter qualitativen Gesichtspunkten wie folgt ausgeübt wird:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zeichnungsprozess
Gewichtung
(siehe Rn. 294)
X
B
Festlegung der Zeichnungsstrategie
3
3
 
Risikoklassifizierung und Risikoauswahl
3
 
3
Preisgestaltung
2
2
 
Analyse der Risikoweitergabe
2
1
1
Annahme der versicherten Risiken
2
 
2
Summe:
12
6
6

Außerdem legt X eine Kostenstellenrechnung vor, aus der sich folgende Aufteilung der Personalkosten ergibt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zeichnungsprozess
Personalkosten X
Personalkosten B
Festlegung der Zeichnungsstrategie
300
0
Risikoklassifizierung und Risikoauswahl
0
400
Preisgestaltung
150
0
Analyse der Risikoweitergabe
75
100
Annahme der versicherten Risiken
0
175
Summe:
525
675

Lösung:

Nach qualitativen Gesichtspunkten kann kein Überwiegen der von B ausgeübten Schritte der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses gegenüber den von X ausgeübten Schritten (jeweils Faktor 6) i. S. d. § 24 Absatz 3 Satz 1 BsGaV festgestellt werden. Nach quantitativen Gesichtspunkten überwiegen die Personalkosten von B, weshalb die unternehmerische Risikoübernahmefunktion im vorliegenden Fall von B ausgeübt wird.

296 In Fällen einer Funktionsaufteilung ist nur die im Hinblick auf einen Versicherungsvertrag in einer Versicherungsbetriebsstätte ausgeübte Personalfunktion des Zeichnungsprozesses mit der qualitativ größten Bedeutung (siehe auch Rn. 42) die unternehmerische Risikoübernahmefunktion (§ 24 Absatz 3 Satz 2 BsGaV).

297 Sachgerechter Anknüpfungspunkt für die Zuordnung ist, in welcher Versicherungsbetriebsstätte bis zum Abschluss des Versicherungsvertrags die unternehmerische Risikoübernahmefunktion ausgeübt wurde (§ 24 Absatz 3 Satz 3 BsGaV). Personalfunktionen, die nach Abschluss des Versicherungsvertrags ausgeübt werden, gehören nicht zum Zeichnungsprozess und haben keinen Einfluss auf die Zuordnung.

2.24.4 Zuordnungsregelung im Rückversicherungsgeschäft (§ 24 Absatz 4 BsGaV)

298 Im Rückversicherungsgeschäft gilt die Personalfunktion der Risikoklassifizierung und der Risikoauswahl im Regelfall als unternehmerische Risikoübernahmefunktion (widerlegbare Vermutung § 24 Absatz 4 BsGaV). Unter Rückversicherungsgeschäft versteht man die Versicherung der von einem Versicherungsunternehmen übernommenen Gefahren, d. h. Rückversicherungsgeschäfte sind Versicherungsgeschäfte, mit denen versicherte Risiken von einem Versicherungsunternehmen auf ein anderes Versicherungsunternehmen übertragen werden (zu den Formen des Rückversicherungsgeschäfts siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 21).

299 Grundsätzlich gelten für die Risikoklassifizierung und die Risikoauswahl (siehe Rn. 286) im Rückversicherungsgeschäft keine Besonderheiten. Da es sich aber bei Rückversicherungsverträgen im Regelfall um individuelle Deckungszusagen handelt, erfordern die Risikoklassifizierung und die Risikoauswahl in der Rückversicherung bestimmte zentrale Funktionen. Dazu gehören z. B. die Grundlagenforschung bezüglich bestimmter Risiken (z. B. für Elementarrisiken, für bestimmte Branchenrisiken im Industriegeschäft etc.) und die Führung langjähriger Statistiken. Diese zentralen Funktionen erfordern sowohl in materieller als auch in personeller Hinsicht eine umfangreiche Geschäftsausstattung. Das für die Risikoklassifizierung und die Risikoauswahl in der Rückversicherung zuständige Personal verfügt über die für diese Aufgabe erforderliche Qualifikation (im Regelfall ist ein Hochschulabschluss erforderlich, der entsprechende Kenntnisse für den betreffenden Versicherungszweig vermittelt). Für die qualitative Beurteilung (siehe Rn. 42) der Personalfunktion der Risikoklassifizierung und der Risikoauswahl sind die Ausübung dieser zentralen Funktionen und die Qualifikation des zuständigen Personals einzubeziehen.

300 Anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen (Leistungsbeziehungen) zwischen der Versicherungsbetriebsstätte und dem übrigen Unternehmen können einen Hinweis darauf geben, wo die Personalfunktion der Risikoklassifizierung und Risikoauswahl ausgeübt werden.

2.24.5 Sonderregelung für Niederlassungen ausländischer Versicherungsunternehmen nach Versicherungsaufsichtsrecht (§ 24 Absatz 5 BsGaV)

301 Für ausländische Versicherungsunternehmen, die im Inland das Versicherungsgeschäft betreiben, gelten folgende versicherungsaufsichtsrechtlichen Regelungen:

302 Begründet ein ausländisches Versicherungsunternehmen im Inland nach versicherungsaufsichtsrechtlichen Regelungen eine Niederlassung, gilt die widerlegbare Vermutung des § 24 Absatz 5 Satz 1 BsGaV, dass die unternehmerische Risikoübernahmefunktion hinsichtlich derjenigen Versicherungsverträge, die durch die Niederlassung abgeschlossen werden, in der Versicherungsbetriebsstätte ausgeübt wird (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 96).

303 Die widerlegbare Vermutung des § 24 Absatz 5 Satz 1 BsGaV gilt nicht, wenn ein Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat das Versicherungsgeschäft im Inland im Dienstleistungsverkehr ausübt. Begründet das ausländische Unternehmen in diesen Fällen eine inländische Versicherungsbetriebsstätte, gelten die Zuordnungsregelungen des § 24 Absatz 1 bis 4 BsGaV (siehe Rn. 283 bis 300).

Fall – Dienstleistungsverkehr:

Das in der EU ansässige Versicherungsunternehmen X (X) betreibt im Inland das Versicherungsgeschäft im Versicherungszweig Feuer im Dienstleistungsverkehr gem. § 61 Absatz 3 VAG (§ 110a Absatz 2a VAG a. F.). Eine Niederlassung nach § 61 Absatz 1 i. V. m. § 68 Absatz 2 VAG (§ 110a Absatz 1 i. V. m. § 106 Absatz 2 VAG a. F.) besteht nicht.

Lösung:

Die widerlegbare Vermutung des § 24 Absatz 5 Satz 1 BsGaV ist nicht anzuwenden.

Fallvariante – Dienstleistungsverkehr:

Das in der EU ansässige Versicherungsunternehmen X (X) betreibt im Inland das Versicherungsgeschäft im Versicherungszweig Feuer im Dienstleistungsverkehr gem. § 61 Absatz 3 VAG (§ 110a Absatz 2a VAG a. F.). Außerdem hat X im Inland eine Niederlassung A (A) nach § 61 Absatz 1 i. V. m. § 68 Absatz 2 VAG (§ 110a Absatz 1 i. V. m. § 106 Absatz 2 VAG a. F.) errichtet und einen Hauptbevollmächtigten ernannt. A betreibt das Versicherungsgeschäft in den Versicherungszweigen Allgemeine Unfall und Kraftfahrt.

Lösung:

Die widerlegbare Vermutung des § 24 Absatz 5 Satz 1 BsGaV ist für A anzuwenden, soweit das Versicherungsgeschäft in den Versicherungszweigen Allgemeine Unfall und Kraftfahrt betroffen ist. Die im Dienstleistungsverkehr durch X abgeschlossenen Versicherungsverträge im Versicherungszweig Feuer sind der Niederlassung nicht zuzurechnen, da diese nicht als vom Hauptbevollmächtigten abgeschlossen gelten.

304 Zur Unterscheidung zwischen der Ausübung des Versicherungsgeschäfts im Dienstleistungsverkehr oder durch eine Niederlassung wird auf die Mitteilung der Kommission 2000/C 43/03 vom zu Abgrenzungsfragen zwischen Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsrecht in den Versicherungsrichtlinien hingewiesen.

305 Die Vermutung des § 24 Absatz 5 Satz 1 BsGaV (siehe Rn. 302) kann widerlegt werden, wenn das ausländische Versicherungsunternehmen nachweist, dass die unternehmerische Risikoübernahmefunktion für den unter Beteiligung der inländischen Versicherungsbetriebsstätte erfolgten Abschluss eines Versicherungsvertrags tatsächlich nicht in der inländischen Versicherungsbetriebsstätte ausgeübt wird. Vor dem Hintergrund, dass die Ausübung des Versicherungsgeschäfts mittels einer Niederlassung das Vorhandensein eines Mittelpunkts der geschäftlichen Tätigkeit erfordert, bedeutet dies, dass das ausländische Versicherungsunternehmen nachweist, welche Personalfunktionen des Zeichnungsprozesses mit Bezug zum Versicherungsvertrag einerseits in der inländischen Versicherungsbetriebsstätte (Niederlassung) und welche andererseits im übrigen Versicherungsunternehmen ausgeübt werden.

306 Weiterhin hat das ausländische Versicherungsunternehmen nachzuweisen,

  • dass den in der Versicherungsbetriebsstätte ausgeübten Personalfunktionen des Zeichnungsprozesses – entsprechend § 24 Absatz 3 BsGaV – nicht die größte Bedeutung für den Abschluss des Versicherungsvertrags zukommt (siehe Rn. 294),

  • dass die Ausgliederung einer Personalfunktion des Zeichnungsprozesses aus der Versicherungsbetriebsstätte ohne Beteiligung des Hauptbevollmächtigten aufgrund einer aktiven unternehmerischen Entscheidung, die im übrigen Unternehmen ausgeübt und im Folgenden auch im übrigen Unternehmen kontrolliert wurde, erfolgt ist und

  • wo stattdessen und von wem die entsprechende unternehmerische Risikoübernahmefunktion ausgeübt wurde.

Dem Nachweis hat ein ausländisches Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat entsprechend § 69 Absatz 1 VAG den Geschäftsplan nach § 9 Absatz 2 und 3 VAG sowie die in § 9 Absatz 4 genannten Angaben und Unterlagen (den Geschäftsplan i. S. d. § 106b VAG a. F. bzw. den Tätigkeitsbericht i. S. d. § 119 Absatz 2 VAG a. F. i. V. m. § 121i VAG a. F.), ggf. ergänzt um Änderungsanzeigen nach § 12 VAG (§ 13 VAG a. F.) beizufügen. Ausländische Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat haben den nach ausländischem Versicherungsaufsichtsrecht einzureichenden Tätigkeitsbericht (entsprechend Artikel 145 Absatz 2 der RL 2009/138/EG), ggf. ergänzt um Änderungsanzeigen (entsprechend Artikel 145 Absatz 4 der RL 2009/138/EG) beizufügen.

307 Außerdem hat das ausländische Versicherungsunternehmen nachzuweisen, dass es den Sachverhalt, der der Finanzbehörde vorgetragen wird, übereinstimmend sowohl der deutschen Versicherungsaufsichtsbehörde als auch der ausländischen Versicherungsaufsichtsbehörde mitgeteilt hat. Der Nachweis kann nur durch Vorlage einer schriftlichen Mitteilung mit Nachweis des Zugangs bei den beteiligten Versicherungsaufsichtsbehörden erbracht werden.

308 Zu den notwendigen Angaben in der Mitteilung an die beteiligten Versicherungsaufsichtsbehörden gehört die Darlegung,

  • welche Funktionen in der Niederlassung, insbesondere vom Hauptbevollmächtigten tatsächlich ausgeübt werden,

  • wo und von wem die unternehmerische Risikoübernahmefunktion, d. h. die Personalfunktion des Zeichnungsprozesses, ausgeübt wird,

  • dass und warum die Versicherungsverträge, die durch die Niederlassung abgeschlossen wurden, dem übrigen Unternehmen zuzuordnen sind und

  • dass das übrige Unternehmen – entsprechend § 1 Absatz 1 Nummer 1 VVG-InfoV – im Versicherungsvertrag als die Versicherung ausgewiesen wird, über die der Versicherungsvertrag abgeschlossen wurde.

2.24.6 Ergänzende Regelung für ausländische Versicherungsbetriebsstätten inländischer Versicherungsunternehmen (§ 24 Absatz 6 BsGaV)

309 Ein Versicherungsvertrag kann einer ausländischen Versicherungsbetriebsstätte eines inländischen Versicherungsunternehmens nur zugeordnet werden, wenn das Versicherungsunternehmen nachweist, dass die unternehmerische Risikoübernahmefunktion tatsächlich in der ausländischen Versicherungsbetriebsstätte ausgeübt wird. Auf die Bestellung eines ausländischen Hauptbevollmächtigten oder eines sonstigen ausländischen Bevollmächtigten, der einem Hauptbevollmächtigten i. S. d. § 68 Absatz 2 VAG (§ 106 Absatz 3 VAG a. F.) vergleichbar ist, kommt es nicht an. Daher ist unbeachtlich, dass

  • ein inländisches Versicherungsunternehmen, das in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat das Versicherungsgeschäft durch eine Niederlassung (Versicherungsbetriebsstätte) betreibt, nach § 58 VAG (§ 13b VAG a. F.) für die ausländische Niederlassung einen Hauptbevollmächtigten zu bestellen hat, und

  • es auch für eine Niederlassung in einem Drittstaat aufgrund dortiger versicherungsaufsichtsrechtlicher Vorgaben notwendig sein kann, einen Bevollmächtigten zu bestellen, der einem Hauptbevollmächtigten i. S. d. § 68 Absatz 2 VAG (§ 106 Absatz 3 VAG a. F.) vergleichbar ist.

310 Für die Zuordnung eines Versicherungsvertrags zu einer ausländischen Versicherungsbetriebsstätte reicht es nicht aus, dass dort lediglich die Personalfunktionen ausgeübt werden, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Annahme des versicherten Risikos i. S. d. § 24 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 BsGaV stehen, da dies eine bloß formale Aktivität sein kann, z. B. lediglich eine rechtsförmliche Unterschrift (siehe Rn. 39). Werden über eine bloß formale Aktivität hinaus keine weiteren Personalfunktionen des Zeichnungsprozesses in der ausländischen Versicherungsbetriebsstätte ausgeübt, muss für eine Zuordnung zusätzlich eine der folgenden Personalfunktionen, die nicht zum Zeichnungsprozess gehören, in der ausländischen Versicherungsbetriebsstätte ausgeübt werden:

  • Produktmanagement und Produktentwicklung (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 26 bis Tz. 28),

  • Verkauf und Marketing (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 29 bis Tz. 33) oder

  • Risikomanagement und Rückversicherung, d. h. Entscheidung über die Weitergabe eines Teilrisikos (Zession) (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 38 bis Tz. 41).

311 Kommt der Ausübung der Personalfunktion in einer ausländischen Versicherungsbetriebsstätte, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Annahme des versicherten Risikos i. S. d. § 24 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 BsGaV steht, ggf. zusammen mit anderen Personalfunktionen die überwiegende Bedeutung zu, folgt daraus, dass die unternehmerische Risikoübernahmefunktion für den Versicherungsvertrag insgesamt in dieser ausländischen Versicherungsbetriebsstätte ausgeübt wird.

2.24.7 Sonderregelung für unterstützende Personalfunktionen von Versicherungsbetriebsstätten (§ 24 Absatz 7 BsGaV)

312 In Fällen von unterstützenden Personalfunktionen (§ 24 Absatz 7 i. V. m § 19 Absatz 5 BsGaV) ist entsprechend § 16 Absatz 2 BsGaV für die Ausübung der Personalfunktionen anderer Versicherungsbetriebsstätten gegenüber der Versicherungsbetriebsstätte mit der unternehmerischen Risikoübernahmefunktion, der der Versicherungsvertrag nach § 24 Absatz 1 bis 6 BsGaV zuzuordnen ist, ein Verrechnungspreis anzusetzen, wie er zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen angesetzt worden wäre (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 219). Der Verrechnungspreis ist im Regelfall unter Verwendung einer kostenorientierten Verrechnungspreismethode zu bestimmen.

313 Zu den unterstützenden Personalfunktionen gehören (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 42 und Tz. 43)

  • Personalfunktionen, die der Sache nach zur unternehmerischen Risikoübernahmefunktion gehören können, aber in einer Betriebsstätte des Versicherungsunternehmens ausgeübt werden, der die unternehmerische Risikoübernahmefunktion nicht zuzuordnen ist,

  • Personalfunktionen, die der Verwaltung des Versicherungsvertrags nach dessen Abschluss dienen, sowie

  • andere unterstützende Personalfunktionen, insbesondere die Vertragsverwaltung und die Schadensbearbeitung.

Fall – Zeichnungsstrategie als Hilfsfunktion:

Im Sachverhalt des Falls in Rn. 295 wird die unternehmerische Risikoübernahmefunktion von der Versicherungsbetriebsstätte B ausgeübt. Die Funktion Festlegung der Zeichnungsstrategie (siehe Rn. 284) wird von X ausgeübt.

Lösung:

Die Ausübung der Funktion „Festlegung der Zeichnungsstrategie“ ist ein wirtschaftlicher Vorgang, der eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung i. S. d. § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b BsGaV darstellt (fiktive Dienstleistung von X gegenüber B). Für diese fiktive Dienstleistung ist nach § 16 Absatz 2 BsGaV ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Verrechnungspreis anzusetzen.

2.25 Dotationskapital inländischer Versicherungsbetriebsstätten ausländischer Versicherungsunternehmen, Versicherungsaufsichtsrecht (§ 25 BsGaV)

2.25.1 Grundsatz: Zuordnung der Kapitalanlagen zu inländischen Versicherungsbetriebsstätten (§ 25 Absatz 1 BsGaV)

314 Ausgangspunkt für die Zuordnung von Dotationskapital zu inländischen Versicherungsbetriebsstätten sind die Vermögenswerte, die insgesamt der Bedeckung der versicherungstechnischen Rückstellungen und des Eigenkapitals des ausländischen Versicherungsunternehmens dienen (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 75). Für die Berechnung sind die Werte zugrunde zu legen, die in der Bilanz des ausländischen Versicherungsunternehmens ausgewiesen sind.

315 Für Zwecke der Bestimmung des Dotationskapitals inländischer Versicherungsbetriebsstätten ausländischer Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem EU- oder EWR-Staat sind als Vermögenswerte, die der Bedeckung der versicherungstechnischen Rückstellungen und des Eigenkapitals dienen, die Vermögenswerte anzusehen, die den Vermögenswerten entsprechen, die nach Artikel 6 der Richtlinie des Rats vom über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen (91/674/EWG) auf der Aktivseite der Bilanz unter den Buchstaben C (Kapitalanlagen), D (Kapitalanlagen für Rechnung und Risiko von Inhabern von Lebensversicherungspolicen) und E I. (Forderungen aus dem selbst abgeschlossenen Versicherungsgeschäft) auszuweisen sind (gleichlautend Formblatt I der RechVersV). Für inländische Versicherungsbetriebsstätten ausländischer Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat sind als Vermögenswerte, die der Bedeckung der versicherungstechnischen Rückstellungen und des Eigenkapitals dienen, die Vermögenswerte anzusehen, die nach den aufsichtsrechtlichen Vorschriften des Sitzstaats als bedeckungsfähige Vermögenswerte anzusetzen sind. Liegen entsprechende aufsichtsrechtliche Vorschriften des Sitzstaats nicht vor, ist Satz 1 sinngemäß anzuwenden.

Fall 1 – Schaden-Versicherungsunternehmen:

Das Versicherungsunternehmen X (X) mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat betreibt das Schaden- und Unfallversicherungsgeschäft im Inland durch eine Niederlassung (Versicherungsbetriebsstätte). Die Bilanz von X weist (vereinfacht) folgende Positionen aus:


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B.
Immaterielle Vermögenswerte
70
A.
Eigenkapital
700
C.
Kapitalanlagen (KA):
 
E.
Versicherungstechnische Rückstellungen (R):
 
 
I.
Grundstücke
150
 
I.
Beitragsüberträge
450
 
II.
KA verbundene Unternehmen
470
 
II.
Deckungsrückstellung
2.000
 
III.
Sonstige KA
7.470
 
III.
Schadenrückstellung
4.900
 
IV.
Depotforderung RV
100
 
IV.
R für Beitragsrückerstattung
250
 
 
 
 
VI.
Sonstige R
10
E.
Forderungen (F):
 
G.
Andere Rückstellungen
150
 
I.
F selbst abgeschlossenes Versicherungsgeschäft
80
 
 
 
 
II.
Abrechnungs-Vblk Rückversicherung
140
 
 
 
 
III.
Sonstige F
300
 
 
 
F.
Sonstige Vermögensgegenstände
120
I.
Andere Verbindlichkeiten (Vblk):
 
 
 
 
 
I.
Vblk selbstabgeschlossenes Versicherungsgeschäft
250
 
 
 
 
II.
Abrechnungs-F Rückversicherung
10
 
 
 
 
III.
Sonstige Vblk
280
G.
Rechnungsabgrenzungsposten
100
 
 
 
 
 
9.000
 
 
9.000

Lösung:

Die Vermögenswerte, die der Bedeckung der versicherungstechnischen Rückstellungen und des Eigenkapitals dienen, betragen 8.270 (Summe von C.I. [150], C.II. [470], C.III. [7.470], C.IV [100] und E.I. [80]).

Fall 2 – Lebensversicherungsunternehmen:

Das Versicherungsunternehmen X (X) mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat betreibt das Lebensversicherungsgeschäft im Inland durch eine Niederlassung (Versicherungsbetriebsstätte). Die Bilanz von X weist (vereinfacht) folgende Positionen aus:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
B.
Immaterielle Vermögenswerte
10
A.
Eigenkapital
400
C.
Kapitalanlagen (KA):
 
E.
Versicherungstechnische Rückstellungen (R):
 
 
I.
Grundstücke
500
 
I.
Beitragsüberträge
260
 
II.
KA verbundene Unternehmen
1.200
 
II.
Deckungsrückstellung
38.000
 
III.
Sonstige KA
40.000
 
III.
Schadenrückstellung
170
 
 
 
 
IV.
R für Beitragsrückerstattung
3.200
D.
KA auf Rechnung und Risiko Versicherungsnehmer
800
F.
R auf Rechnung und Risiko Versicherungsnehmer
800
E.
Forderungen (F):
 
G.
Andere Rückstellungen
150
 
I.
F selbst abgeschlossenes Versicherungsgeschäft
250
 
 
 
 
III.
Sonstige F
500
 
 
 
F.
Sonstige Vermögensgegenstände
300
I.
Andere Verbindlichkeiten (Vblk)
 
 
 
 
 
I.
Vblk selbstabgeschlossenes Versicherungsgeschäft
900
 
 
 
 
II.
Abrechnungs-Vblk Rückversicherung
10
 
 
 
 
III.
Sonstige Vblk
100
G.
Rechnungsabgrenzungsposten
400
K.
Rechnungsabgrenzungsposten
10
 
 
44.000
 
 
44.000

Lösung:

Die Vermögenswerte, die der Bedeckung der versicherungstechnischen Rückstellungen und des Eigenkapitals dienen, betragen 42.750 (Summe von C.I. [500], C.II. [1.200], C.III. [40.000], D. [800] und E.I. [250]).

316 Im Ergebnis ist einer inländischen Versicherungsbetriebsstätte ein Anteil an den Vermögenswerten des ausländischen Versicherungsunternehmens zuzuordnen, denn diese Vermögenswerte dienen insgesamt der Bedeckung der versicherungstechnischen Rückstellungen und des Eigenkapitals des ausländischen Versicherungsunternehmens (einschließlich der inländischen Versicherungsbetriebsstätte). Die Berechnung des Anteils der inländischen Versicherungsbetriebsstätte erfolgt auf Basis der in der handelsrechtlichen Bilanz des ausländischen Versicherungsunternehmens ausgewiesenen Vermögenswerte. Aus der Bilanz zum Ende eines Wirtschaftsjahrs ergibt sich der Wert für den Beginn des folgenden Wirtschaftsjahrs.

317 Der anzuwendende Aufteilungsschlüssel ergibt sich aus dem Verhältnis der versicherungstechnischen Rückstellungen für Versicherungsverträge, die der inländischen Versicherungsbetriebsstätte zuzuordnen sind, zu den in der Bilanz des ausländischen Versicherungsunternehmens insgesamt ausgewiesenen versicherungstechnischen Rückstellungen (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 147).

Fall 1 – Schaden-Versicherungsunternehmen:

Sachverhalt wie Fall 1 zu Rn. 315. In der Bilanz des ausländischen Versicherungsunternehmens X sind versicherungstechnische Rückstellungen i. H. v. 7.610 ausgewiesen. Darin sind für die der inländischen Versicherungsbetriebsstätte zuzuordnenden Versicherungsverträge folgende, nach ausländischem Recht ermittelte Beträge enthalten: Beitragsüberträge 70, Deckungsrückstellung 450, Schadenrückstellung 875, Rückstellung für Beitragsrückerstattung 50.

Lösung:

Die versicherungstechnischen Rückstellungen für die der inländischen Versicherungsbetriebsstätte zuzuordnenden Versicherungsverträge betragen 1.445. Das entspricht einem Anteil von 19 %. Folglich sind der Versicherungsbetriebsstätte Vermögenswerte i. H. v. 19 % der Vermögenswerte des ausländischen Versicherungsunternehmens X zuzuordnen, d. h. 19 % von 8.270 = 1.571.

Fall 2 – Lebensversicherungsunternehmen

Sachverhalt wie Fall 2 zu Rn. 315. In der Bilanz des ausländischen Versicherungsunternehmens X sind versicherungstechnische Rückstellungen i. H. v. 41.630 ausgewiesen. Darin sind für die der inländischen Versicherungsbetriebsstätte zuzuordnenden Versicherungsverträge folgende, nach ausländischem Recht ermittelte Beträge enthalten: Beitragsüberträge 70, Deckungsrückstellung 9.500, Schadenrückstellung 40, Rückstellung für Beitragsrückerstattung 800.

Lösung:

Die versicherungstechnischen Rückstellungen für die der inländischen Versicherungsbetriebsstätte zuzuordnenden Versicherungsverträge betragen 10.410. Das entspricht einem Anteil von 25 %. Folglich sind der Versicherungsbetriebsstätte Vermögenswerte i. H. v. 25 % der Vermögenswerte des ausländischen Versicherungsunternehmens X zuzuordnen, d. h. 25 % von 42.750 = 10.688.

2.25.2 Zuordnung von Dotationskapital bei Versicherungsbetriebsstätten ausgehend von den Kapitalanlagen (§ 25 Absatz 2 BsGaV)

318 Die der inländischen Versicherungsbetriebsstätte zuzuordnenden Vermögenswerte bestimmen, in welcher Höhe der Versicherungsbetriebsstätte Dotationskapital zuzuordnen ist (§ 25 Absatz 2 Satz 1 BsGaV). Für die Berechnung sind für die Versicherungsverträge, die der Versicherungsbetriebsstätte zuzuordnen sind, die versicherungstechnischen Rückstellungen und die aus Versicherungsverhältnissen entstandenen Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten wie für ein selbständiges Versicherungsunternehmen nach deutschem Handelsrecht zu bestimmen (§§ 341 ff. HGB und RechVersV). Das der Versicherungsbetriebsstätte zuzuordnende Dotationskapital errechnet sich dadurch, dass von den nach § 25 Absatz 1 BsGaV zuzuordnenden Vermögenswerten die versicherungstechnischen Rückstellungen und die aus Versicherungsverhältnissen entstandenen Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten abgezogen werden. Im Grundsatz entspricht diese Berechnung der funktions- und risikobezogenen Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten (§ 20 BsGaV) und für Betriebsstätten allgemein (§ 12 BsGaV). Aufgrund der abweichenden Struktur des Berechnungsverfahrens für Versicherungsbetriebsstätten wird die Methode als „modifizierte Kapitalaufteilungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten“ bezeichnet (§ 25 Absatz 2 Satz 2 BsGaV). Andere Aufteilungsschlüssel sind nicht anzuwenden, da diese nach internationaler Auffassung nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen (siehe OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 149 f.).

Fall 1 – Schaden-Versicherungsunternehmen:

Sachverhalt wie Fall 1 zu Rn. 315 und Rn. 317.

Lösung:

Nach dem Ergebnis zu Fall 1 der Rn. 317 sind der inländischen Versicherungsbetriebsstätte Vermögenswerte i. H. v. 1.571 zuzuordnen. Zur Bestimmung des Dotationskapitals der inländischen Versicherungsbetriebsstätte sind folgende, nach inländischem Handelsrecht ermittelte versicherungstechnische Rückstellungen und die aus Versicherungsverhältnissen entstandenen Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten abzuziehen:


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Vermögenswerte
1.571
– Beitragsüberträge
71
– Deckungsrückstellung
440
– Schadenrückstellung
800
– Schwankungsrückstellung
100
– Rückstellung für Beitragsrückerstattung
50
– Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten aus Versicherungsverträgen
10
= Dotationskapital
100

Fall 2 – Lebensversicherungsunternehmen:

Sachverhalt wie Fall 2 zu Rn. 315 und Rn. 317.

Lösung:

Nach dem Ergebnis zu Fall 2 der Rn. 317 sind der inländischen Versicherungsbetriebsstätte Vermögenswerte i. H. v. 10.688 zuzuordnen. Zur Bestimmung des Dotationskapitals der inländischen Versicherungsbetriebsstätte sind folgende, nach inländischem Handelsrecht ermittelte versicherungstechnische Rückstellungen und die aus Versicherungsverhältnissen entstandenen Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten abzuziehen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Vermögenswerte
10.688
– Beitragsüberträge
71
– Deckungsrückstellung
9.500
– Schadenrückstellung
42
– Rückstellung für Beitragsrückerstattung
800
– Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten aus Versicherungsverträgen
75
= Dotationskapital
200

2.25.3 Öffnungsklausel für Versicherungsbetriebsstätten (§ 25 Absatz 3 BsGaV)

319 § 25 Absatz 3 Satz 1 BsGaV lässt den Ansatz eines – im Verhältnis zur modifizierten Kapitalaufteilungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten – niedrigeren Dotationskapitals zu, wenn und soweit nachgewiesen wird, dass aufgrund der Funktions- und Risikostruktur ein geringeres Dotationskapital zu einem Ergebnis der inländischen Versicherungsbetriebsstätte führt, das im Verhältnis zum übrigen Unternehmen dem Fremdvergleichsgrundsatz im Einzelfall besser entspricht.

320 Das Mindesteigenkapital, das ein selbständiges Versicherungsunternehmen in der Situation der Versicherungsbetriebsstätte im Inland versicherungsaufsichtsrechtlich ausweisen müsste, darf allerdings durch die inländische Versicherungsbetriebsstätte nicht unterschritten werden (§ 25 Absatz 3 Satz 2 BsGaV). Denn ein unabhängiges Versicherungsunternehmen könnte ohne ein solches Mindesteigenkapital in Deutschland kein Versicherungsgeschäft betreiben. Deshalb ist für inländische Versicherungsbetriebsstätten neben der modifizierten Kapitalaufteilungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten auch die Mindestkapitalausstattungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten (siehe § 26 Absatz 1 Satz 1 BsGaV) für die Zuordnung von Dotationskapital von Bedeutung (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 153 ff.: Thin Capitalisation/Adjusted Regulatory Minimum Approach), da sie die Untergrenze für die rechnerische Ausstattung mit Dotationskapital festlegt. Dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend gilt § 25 Absatz 3 Satz 2 BsGaV auch für die modifizierte Kapitalaufteilungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten nach § 25 Absatz 1 und 2 BsGaV.

2.25.4 Anpassung der zuzuordnenden Vermögenswerte bei inländischen Versicherungsbetriebsstätten (§ 25 Absatz 4 BsGaV)

321 Die Systematik für die Bestimmung des Dotationskapitals für inländische Versicherungsbetriebsstätten erfordert (§ 25 Absatz 1 und 2 BsGaV), dass jede davon abweichende Zuordnung von Dotationskapital auch eine Anpassung der nach § 25 Absatz 1 BsGaV zuzuordnenden Vermögenswerte zur Folge hat (§ 25 Absatz 4 BsGaV).

Fall:

Das Versicherungsunternehmen X (X) mit Sitz in einem Drittstaat betreibt das inländische Versicherungsgeschäft durch eine Niederlassung. Nach der modifizierten Kapitalaufteilungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten sind der Versicherungsbetriebsstätte Vermögenswerte i. H. v. 4.000 zuzuordnen, nach Abzug der versicherungstechnischen Rückstellungen von 3.700 ergibt sich ein Dotationskapital von 300. X weist nach, dass nach § 25 Absatz 3 BsGaV ein Dotationskapital von 100 dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht.

Lösung:

Folge der Kürzung des Dotationskapitals um 200 (300 abzüglich 100) ist, dass nach § 25 Absatz 4 BsGaV die zuzuordnenden Vermögenswerte um 200 zu kürzen sind. Danach sind die Vermögenswerte nur mit 3.800 in der Hilfs- und Nebenrechnung anzusetzen.

2.25.5 Erfordernisse des inländischen Versicherungsaufsichtsrechts (§ 25 Absatz 5 BsGaV)

322 § 25 Absatz 5 BsGaV ordnet über § 12 Absatz 6 BsGaV hinaus eine Änderung des Dotationskapitals einer inländischen Versicherungsbetriebsstätte innerhalb des Wirtschaftsjahrs an, wenn die rechtlichen Anforderungen des inländischen Versicherungsaufsichtsrechts eine unterjährige Anpassung des Dotationskapitals erfordern. Daneben ist nach § 12 Absatz 6 BsGaV allerdings auch eine Anpassung des Dotationskapitals einer inländischen Versicherungsbetriebsstätte durchzuführen, wenn die sich ergebende Veränderung des zuzuordnenden Dotationskapitals erheblich ist (siehe Rn. 143, die sinngemäß auch für inländische Versicherungsbetriebsstätten gilt). Eine Veränderung ist erheblich, wenn das Dotationskapital zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahrs um mehr als 30 % vom Dotationskapital zu Beginn des Wirtschaftsjahrs abweicht, aber nur dann, wenn die Abweichung mindestens 2 Mio. Euro beträgt.

323 Nach § 25 Absatz 5 Satz 2 BsGaV ist § 12 BsGaV sinngemäß auf inländische Versicherungsbetriebsstätten anzuwenden, soweit § 25 Absatz 1 bis 4 BsGaV keine besondere Regelung enthält. Dies gilt insbesondere für die Regelung des § 12 Absatz 5 BsGaV. Deshalb ist einer inländischen Versicherungsbetriebsstätte ungeachtet der Regelung in § 25 Absatz 1 bis 4 BsGaV mindestens das in einer inländischen Handelsbilanz tatsächlich ausgewiesene Kapital als Dotationskapital zuzuordnen.

2.26 Dotationskapital ausländischer Versicherungsbetriebsstätten inländischer Versicherungsunternehmen, Versicherungsaufsichtsrecht (§ 26 BsGaV)

2.26.1 Grundsatz: Mindestkapitalausstattung für Versicherungsbetriebsstätten (§ 26 Absatz 1 BsGaV)

324 Ausländischen Versicherungsbetriebsstätten ist nur Dotationskapital zuzuordnen, soweit dies nach § 13 Absatz 1 Satz 1 BsGaV notwendig ist. Ein höheres Dotationskapital ist anzuerkennen, wenn zwingende Regelungen zur Mindestkapitalausstattung nach ausländischem Versicherungsaufsichtsrecht bestehen und befolgt werden, die für die ausländische Versicherungsbetriebsstätte anzuwenden wären, wenn sie ein selbständiges Versicherungsunternehmen wäre. Denn eine solche, für alle im ausländischen Staat tätigen Versicherungsunternehmen geltende Mindestanforderung für das Dotationskapital ist – dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend – eine notwendige Voraussetzung dafür, in dem betreffenden Staat Versicherungsgeschäfte zu tätigen.

325 Das inländische Versicherungsunternehmen hat nach § 26 Absatz 1 Satz 2 BsGaV nachzuweisen, in welcher Höhe Dotationskapital für die ausländische Versicherungsbetriebsstätte anzusetzen ist, d. h. in welcher Höhe ein vergleichbares ausländisches Versicherungsunternehmen mit Eigenkapital ausgestattet sein müsste, und in welcher Höhe tatsächlich Dotationskapital für die ausländische Versicherungsbetriebsstätte angesetzt worden ist.

2.26.2 Höheres Dotationskapital für die ausländische Versicherungsbetriebsstätte eines inländischen Unternehmens (§ 26 Absatz 2 BsGaV)

326 Um zu vermeiden, dass für eine ausländische Versicherungsbetriebsstätte im Einzelfall ein unangemessen niedriges Dotationskapital angesetzt wird, sieht § 26 Absatz 2 Satz 1 BsGaV den Ansatz eines höheren Dotationskapitals vor, als nach der Mindestkapitalausstattungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten vorgesehen ist. Jeder höhere Ansatz ist zu begründen. Das höhere Dotationskapital muss zu einem Ergebnis der ausländischen Versicherungsbetriebsstätte führen, das den von ihr ausgeübten Personalfunktionen, den ihr zuzuordnenden Vermögenswerten sowie den ihr zuzuordnenden Chancen und Risiken im Verhältnis zum übrigen Unternehmen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz im Einzelfall betriebswirtschaftlich besser entspricht.

327 Das Dotationskapital einer ausländischen Versicherungsbetriebsstätte darf nach § 26 Absatz 2 Satz 2 BsGaV nicht den Betrag übersteigen, der sich bei Anwendung der modifizierten Kapitalaufteilungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten ergibt (§ 25 Absatz 1 und 2 BsGaV), um eine Überdotierung der ausländischen Versicherungsbetriebsstätte im Verhältnis zum übrigen Unternehmen zu vermeiden. Insofern ist die modifizierte Kapitalaufteilungsmethode keine für die Bestimmung des Dotationskapitals für eine ausländische Versicherungsbetriebsstätte anzuwendende Methode, sie beschreibt lediglich eine Obergrenze für die Zuordnung von Dotationskapital.

2.26.3 Erfordernisse des ausländischen Versicherungsaufsichtsrechts (§ 26 Absatz 3 BsGaV)

328 § 26 Absatz 3 Satz 1 BsGaV geht auf einen im Einzelfall denkbaren Konflikt ein, der entstehen kann, wenn das ausländische Versicherungsaufsichtsrecht zwingend eine höhere Dotation verlangt, als dies die Öffnungsklausel des § 26 Absatz 2 BsGaV zulässt. Abzustellen ist dabei auf die Summe des Dotationskapitals und der versicherungstechnischen Rückstellungen. Nur wenn diese Summe nach ausländischem Versicherungsaufsichtsrecht die Summe nach inländischem Versicherungsaufsichtsrecht übersteigt, ist § 26 Absatz 3 Satz 1 BsGaV anzuwenden. Ausländische versicherungsaufsichtsrechtliche Vorschriften sind nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu beachten, denn sie sind eine der generellen Voraussetzungen dafür, dass die ausländische Versicherungsbetriebsstätte auf dem ausländischen Markt tätig werden kann. In diesen Fällen kann sogar ein Betrag angesetzt werden, der den Betrag überschreitet, der sich nach der modifizierten Kapitalaufteilungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten nach § 26 Absatz 2 Satz 2 BsGaV ergibt, wenn dadurch ein internationaler Besteuerungskonflikt vermieden wird.

329 Nach § 26 Absatz 3 Satz 2 BsGaV muss dem übrigen Unternehmen allerdings rechnerisch nach Abzug der Dotierung für die ausländische Versicherungsbetriebsstätte mindestens ein Kapital verbleiben, das nach den Kriterien des inländischen Versicherungsaufsichtsrechts für das übrige Unternehmen, wäre es ein selbständiges Versicherungsunternehmen, erforderlich wäre, um die Kapitalerfordernisse für das übrige Unternehmen zu erfüllen. Denn sonst entspräche die Kapitalausstattung für das übrige Unternehmen, wäre es ein selbständiges Versicherungsunternehmen, nicht den im Inland geltenden versicherungsaufsichtsrechtlichen Vorgaben.

2.26.4 Auswirkungen des ausländischen Versicherungsaufsichtsrechts (§ 26 Absatz 4 BsGaV)

330 § 26 Absatz 4 Satz 1 BsGaV ordnet über § 13 Absatz 5 BsGaV hinaus eine Änderung des Dotationskapitals einer ausländischen Versicherungsbetriebsstätte innerhalb des Wirtschaftsjahrs an, wenn die rechtlichen Anforderungen des ausländischen Versicherungsaufsichtsrechts eine unterjährige Anpassung des Dotationskapitals erfordern. Daneben ist nach § 13 Absatz 5 BsGaV allerdings auch eine Anpassung des Dotationskapitals einer ausländischen Versicherungsbetriebsstätte durchzuführen, wenn die sich ergebende Veränderung des zuzuordnenden Dotationskapitals erheblich ist (siehe Rn. 151, die sinngemäß auch für ausländische Versicherungsbetriebsstätten gilt). Eine Veränderung ist erheblich, wenn das Dotationskapital zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahrs um mehr als 30 % vom Dotationskapital zu Beginn des Wirtschaftsjahrs abweicht, aber nur dann, wenn die Abweichung mindestens 2 Mio. Euro beträgt.

331 Nach § 26 Absatz 4 Satz 2 BsGaV ist § 13 BsGaV sinngemäß auf ausländische Versicherungsbetriebsstätten anzuwenden, soweit § 26 Absatz 1 bis 3 BsGaV keine besonderen Regelungen enthält. Dies gilt insbesondere für die Regelung des § 13 Absatz 4 BsGaV. Deshalb ist einer ausländischen Versicherungsbetriebsstätte ungeachtet der Regelung in § 26 Absatz 1 bis 3 BsGaV höchstens das in einer ausländischen Handelsbilanz tatsächlich ausgewiesene Kapital als Dotationskapital zuzuordnen.

2.27 Zuordnung von Einkünften aus Vermögenswerten bei Versicherungsbetriebsstätten (§ 27 BsGaV)

2.27.1 Direkte Zuordnung von Einkünften aus Kapitalanlagen (§ 27 Absatz 1 BsGaV)

332 Sind bestimmte Vermögenswerte einer Versicherungsbetriebsstätte direkt zuzuordnen, so sind ihr auch die Einkünfte aus diesen Vermögenswerten zuzuweisen.

333 Eine direkte Zuordnung ist möglich, wenn bestimmte Vermögenswerte der Bedeckung der versicherungstechnischen Rückstellungen, der aus Versicherungsverhältnissen entstandenen Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten oder des Dotationskapitals dienen. Eine direkte Zuordnung ist insbesondere dann möglich, wenn die Vermögenswerte in einer aus handelsrechtlichen oder versicherungsaufsichtsrechtlichen Gründen für die Versicherungsbetriebsstätte erstellten Bilanz entsprechend ausgewiesen sind. Dann besteht ein unmittelbarer Bezug der Einkünfte zur Geschäftstätigkeit der Versicherungsbetriebsstätte. Für die direkte Zuordnung kommt es nicht darauf an, ob ein Vermögenswert der Bedeckung eines oder mehrerer der in § 27 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 BsGaV genannten Zwecke dient.

Fall – Direkte Zuordnung:

Sachverhalt wie Fall 1 (Schaden-Versicherungsunternehmen) in Rn. 315, Rn. 317 und Rn. 318. Die inländische Versicherungsbetriebsstätte betreibt die Niederlassung in einem Bürogebäude, das in der Bilanz des Versicherungsunternehmens X mit 50 ausgewiesen ist. Weiterhin wird im Inland ein Bankdepot geführt und von der Niederlassung verwaltet, in dem Vermögenswerte i. H. v. 521 enthalten sind.

Lösung:

Das Bürogebäude (50) und das inländische Bankdepot (521) sind der Versicherungsbetriebsstätte direkt zuzuordnen. Somit können die durch das Bürogebäude und das Bankdepot erzielten Einkünfte der Versicherungsbetriebsstätte direkt zugeordnet werden.

2.27.2 Indirekte Zuordnung von Einkünften aus Kapitalanlagen (§ 27 Absatz 2 BsGaV)

334 Ist eine direkte Zuordnung von Vermögenswerten und von entsprechenden Kapitalerträgen zu einer Versicherungsbetriebsstätte nicht möglich, so ist – ggf. ergänzend zur direkten Zuordnung nach § 27 Absatz 1 BsGaV – eine indirekte Zuordnung der Kapitaleinkünfte durchzuführen.

335 Eine indirekte Zuordnung ist z. B. erforderlich, wenn von der Versicherungsbetriebsstätte direkt keine bzw. keine ausreichenden Vermögenswerte gehalten werden. Dies gilt insbesondere, wenn für die Versicherungsbetriebsstätte weder aus handelsrechtlichen noch aus versicherungsaufsichtsrechtlichen Gründen eine Bilanz erstellt wird oder in einer tatsächlich erstellten Bilanz keine bzw. keine ausreichenden Vermögenswerte ausgewiesen werden.



336 Für die indirekte Zuordnung von Kapitaleinkünften ist auf die durchschnittliche Kapitalanlagerendite des Versicherungsunternehmens abzustellen. Die durchschnittliche Kapitalanlagerendite ist ein Prozentwert, der im Rechnungsabschluss jedes Versicherungsunternehmens ausgewiesen wird. Der Wert ist ein Nettowert, der die Erträge und Aufwendungen aus Kapitalanlagen berücksichtigt, einschließlich der direkten und indirekten Kosten der Kapitalanlageverwaltung. Die durchschnittliche Kapitalanlagerendite führt zu einer sachgerechten, pauschalen Zuordnung der Einkünfte aus Vermögenswerten zur Versicherungsbetriebsstätte, ohne dass es einer aufwendigen Untergliederung bedarf (z. B. in Zinsen, Dividenden, Mieten).

337 Einer Versicherungsbetriebsstätte direkt zuzuordnende und in der Bilanz ausgewiesene Vermögenswerte sind nicht an die Kapitalstruktur des Versicherungsunternehmens, zu der die Versicherungsbetriebsstätte gehört, anzupassen.

Fall – Indirekte Zuordnung:

Sachverhalt wie Fall in Rn. 333. Nach Abzug der direkt zuzuordnenden Vermögenswerte verbleiben noch indirekt zuzuordnende Vermögenswerte i. H. v. 1.000. Die vom Versicherungsunternehmen X in der Bilanz ausgewiesene durchschnittliche Kapitalanlagerendite beträgt 4,75 %.

Lösung:

Der Versicherungsbetriebsstätte sind, neben den direkt zuzuordnenden Einkünften (siehe Rn. 333) noch 4,75 % von 1.000, somit Einkünfte i. H. v. 47,5 indirekt zuzuordnen.

338 Die Zuordnung von Einkünften aus zuzuordnenden Vermögenswerten ist ausschließlich für die Zurechnung von Gewinnen zur Versicherungsbetriebsstätte relevant und hat keine weiterreichenden Folgen, z. B. für die Einkommensermittlung oder die Anrechnung von Steuern (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 166).

2.28 Rückversicherung innerhalb eines Unternehmens (§ 28 BsGaV)

339 Eine Rückversicherung innerhalb eines Unternehmens (Internal Reinsurance), d. h. eine Rückversicherung zwischen einer Versicherungsbetriebsstätte und dem übrigen Unternehmen, ist gem. § 28 BsGaV nicht als anzunehmende schuldrechtliche Beziehung anzuerkennen (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 179). Dagegen schließt § 28 BsGaV die Zuordnung eines Rückversicherungsvertrags, den das Versicherungsunternehmen mit einem nahe stehenden Versicherungsunternehmen oder mit einem unverbundenen Versicherungsunternehmen abschließt, zu einer Versicherungsbetriebsstätte nicht aus. Die Zuordnung solcher Rückversicherungsverträge erfolgt nach § 9 BsGaV.

2.29 Pensionsfonds und Versicherungs-Zweckgesellschaften (§ 29 BsGaV)

340 Auf Betriebsstätten von Pensionsfonds i. S. d. § 1 Absatz 1 Nummer 5 VAG (§ 112 VAG a. F.) sowie von Versicherungs-Zweckgesellschaften i. S. d. § 1 Absatz 1 Nummer 3 VAG (§ 121g VAG a. F.) sind die Regelungen des Abschnitts 3 der BsGaV sinngemäß anzuwenden. Gleiches gilt für Betriebsstätten von Sicherungsfonds i. S. d. § 1 Absatz 1 Nummer 4 VAG.

2.30 Allgemeines zu Bau- und Montagebetriebsstätten (§ 30 BsGaV)

341 Abschnitt 4 der BsGaV (§§ 30 bis 34 BsGaV) ist speziell auf Bau- und Montagebetriebsstätten anzuwenden. Bau- und Montagebetriebsstätten i. S. d. § 30 Satz 1 BsGaV entstehen zur Erfüllung von Bau- und Montageverträgen, die im Regelfall das Bau- und Montageunternehmen abgeschlossen hat. Bau- und Montagebetriebsstätten weisen die Besonderheit auf, dass sie von vornherein zeitlich begrenzt sind und ihnen im Regelfall außer der Geschäftsbeziehung zum übrigen Unternehmen (anzunehmende schuldrechtliche Beziehung, §§ 16, 32 und 33 BsGaV) keine bzw. nur wenige Geschäftsbeziehungen zuzuordnen sind. Aus diesem Grunde sind Sonderregelungen für diese Art von Betriebsstätten notwendig, obwohl im OECD-Betriebsstättenbericht hierfür kein gesonderter Teil vorgesehen ist. Auf Bau- und Montagebetriebsstätten sind die allgemeinen Vorschriften des Abschnitts 1 der BsGaV anzuwenden, es sei denn, Abschnitt 4 der BsGaV enthält besondere Regelungen. Hinzuweisen ist auf die Rn. 63 (Aufzeichnungspflichten), die u. a. den Zweck verfolgt, internationale Besteuerungskonflikte (Doppelbesteuerung bzw. Nichtbesteuerung) zu erkennen und nach Möglichkeit zu vermeiden.

342 Besteht eine Bau- und Montagebetriebsstätte in einem Staat und schließt das Bau- und Montageunternehmen einen Folgevertrag im selben Staat ab (kein örtlicher und sachlicher Zusammenhang mit der bestehenden Bau- und Montagebetriebsstätte, deshalb kein Anschlussvertrag, siehe Rn. 343), so sind für den Folgevertrag die Voraussetzungen für das Entstehen einer Bau- und Montagebetriebsstätte eigenständig zu prüfen. Es entsteht ggf. eine neue, selbständig zu beurteilende Bau- und Montagebetriebsstätte (siehe Rn. 56). Der Folgevertrag ist im Regelfall dem übrigen Unternehmen zuzuordnen (zu möglichen Ausnahmen siehe § 31 Absatz 4 BsGaV und Rn. 354).

Fall – Folgevertrag:

Im Anschluss an die Errichtung eines Einkaufzentrums (Voraussetzungen für eine Bau- und Montagebetriebsstätte erfüllt) im Staat Y erhält ein inländisches Bauunternehmen X den Auftrag für die Errichtung eines Bürogebäudes im Staat Y. Dieser Auftrag steht mit dem Einkaufszentrum in keinem sachlichen Zusammenhang.

Lösung:

Erfüllt auch die Errichtung des Bürogebäudes die Voraussetzungen für eine Bau- und Montagebetriebsstätte, so liegen zwei getrennt voneinander zu beurteilende Bau- und Montagebetriebsstätten (Einkaufszentrum/Bürogebäude) vor.

343 Liegt ein Anschlussvertrag vor (d. h. örtlicher und sachlicher Zusammenhang mit einer vorher bereits bestehenden Bau- und Montagebetriebsstätte, z. B. Gesamtprojekt mit demselben Kunden), so entsteht dadurch keine neue, selbständig zu beurteilende Bau- und Montagebetriebsstätte. Der Anschlussvertrag ist Teil der bestehenden Bau- und Montagebetriebsstätte. Er ist im Regelfall ebenfalls dem übrigen Unternehmen zuzuordnen (zu möglichen Ausnahmen siehe § 31 Absatz 4 BsGaV und Rn. 354).

Fall – Anschlussvertrag:

Nach Fertigstellung der Erdarbeiten für ein größeres Gebäude im Staat Y (Voraussetzungen für eine Bau- und Montagebetriebsstätte erfüllt), erhält das inländische Bauunternehmen X den Auftrag, den Rohbau des Gebäudes zu errichten.

Lösung:

Es handelt sich wegen des örtlichen und sachlichen Zusammenhangs um einen Anschlussvertrag und damit nur um eine Bau- und Montagebetriebsstätte. Dies gilt unabhängig davon, ob die Errichtung des Rohbaus, isoliert betrachtet, die Voraussetzungen für eine Bau- und Montagebetriebsstätte erfüllt.

344 Wird eine Geschäftstätigkeit ausgeübt, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erledigung eines Bau- und Montagevertrags steht, so ist diese Geschäftstätigkeit nicht einer ggf. vorliegenden Bau- und Montagebetriebsstätte zuzuordnen. Besteht neben einer eigenständig zu beurteilenden Bau- und Montagebetriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung des Bau- und Montageunternehmens (§ 12 Satz 1 AO bzw. Artikel 5 Absatz 1 OECD-MA), die die Arbeiten der verschiedenen Bau- und Montagebetriebsstätten koordiniert, so ist der Gewinn dieser festen Geschäftseinrichtung (Betriebsstätte) nach den allgemeinen Regeln zu ermitteln (§§ 1 bis 17 BsGaV).

345 Bilden Bau- und Montageunternehmen eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE), ist diese im Regelfall (vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung) eine Mitunternehmerschaft nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG. Allerdings ist für die Frage, ob eine Mitunternehmerschaft vorliegt, die Bezeichnung unerheblich. Für eine ARGE, deren alleiniger Zweck in der Erfüllung eines einzigen Werkvertrags oder Werklieferungsvertrags besteht, ist weder eine gesonderte und einheitliche Feststellung durchzuführen (§ 180 Absatz 4 AO) noch ist eine solche ARGE gewerbesteuerpflichtig (§ 2a GewStG). Der Bau- und Montagevertrag mit dem Auftraggeber wird im Regelfall durch die ARGE abgeschlossen. Die ARGE wird anschließend durch die ARGE-Partner tätig. Es können ggf. neben ihrer eigenen Bau- und Montagebetriebsstätte zusätzlich Betriebsstätten der ARGE bei den ARGE-Partnern entstehen. Um in derartigen Fällen Abgrenzungsprobleme zwischen der Anwendung von § 1 Absatz 1 AStG und der Anwendung von § 1 Absatz 5 AStG zu vermeiden, ist es aus Vereinfachungsgründen nicht zu beanstanden, den Bau- und Montagevertrag nicht der ARGE, sondern den ARGE-Partnern unmittelbar zuzuordnen, wenn durch diese Vereinfachung keine internationalen Besteuerungskonflikte mit anderen Staaten entstehen. Wird diese Vereinfachungsregel angewandt, ist davon auszugehen, dass die ARGE-Partner jeweils eine eigene Bau- und Montagebetriebsstätte haben, deren Gewinn ggf. jeweils nach §§ 30 ff. BsGaV zu ermitteln ist (insbesondere nach § 32 BsGaV). Soweit die ARGE daneben selbst eine andere Betriebsstätte zur Verwaltung und Koordination hat (keine Bau- und Montagebetriebsstätte), ist deren Gewinn nach §§ 1 bis 17 BsGaV zu ermitteln und nach dem im ARGE-Vertrag vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssel aufzuteilen (siehe Rn. 344).

346 Konsortien bilden keine Mitunternehmerschaft nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG, wenn es ihnen, wie im Regelfall, an einer eigenen Gewinnerzielungsabsicht fehlt. Für die Frage, ob eine Mitunternehmerschaft vorliegt, ist die Bezeichnung unerheblich (z. B. Dach-ARGE). Deshalb ist ein Bau- und Montagevertrag im Regelfall nicht dem Konsortium, sondern den Konsortialpartnern zuzuordnen. Ob die Voraussetzungen für eine Bau- und Montagebetriebsstätte erfüllt sind und inwieweit dieser ein Gewinn zuzurechnen ist, ist für jeden Konsortialpartner jeweils gesondert zu ermitteln – nicht für das Konsortium.

347 Werden in diesem BMF-Schreiben (bzw. in den §§ 30 ff. BsGaV) Begriffe verwendet, die in den Tz. 4.3.1 bis 4.3.5 VWG Betriebsstätten definiert sind, so gelten diese Definitionen, soweit in diesem BMF-Schreiben (bzw. in den §§ 30 ff. BsGaV) keine davon abweichende Regelung enthalten ist.

348 Ob eine Bau- und Montagebetriebsstätte i. S. d. § 30 Satz 1 BsGaV entsteht, richtet sich nach § 12 Satz 2 Nummer 8 AO und der entsprechenden Regelung im anzuwendenden DBA (siehe Artikel 5 Absatz 3 OECD-MA).

349 Jedes Unternehmen, zu dem eine Bau- und Montagebetriebsstätte gehört, ist nach § 30 Satz 2 BsGaV ein Bau- und Montageunternehmen, unabhängig davon, welchen Anteil die Bau- und Montagetätigkeit an der Geschäftstätigkeit des Unternehmens ausmacht.

Fall – Einmalige Bau- und Montagebetriebsstätte:

Ein inländisches Unternehmen X produziert und vertreibt Baumaschinen. Im Jahr 05 betreibt es mit eigenem Personal einmalig eine Bau- und Montagebetriebsstätte A in Staat A.

Lösung:

Auch wenn X nur einmalig eine Bau- und Montagebetriebsstätte hat, ist X für die Gewinnaufteilung zwischen A und dem übrigen Unternehmen ein Bau-und Montageunternehmen i. S. d. § 30 Satz 2 BsGaV.

2.31 Besondere Zuordnungsregelungen für Bau- und Montagebetriebsstätten (§ 31 BsGaV)

2.31.1 Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts zur Bau- und Montagebetriebsstätte (§ 31 Absatz 1 BsGaV)

350 Nach § 31 Absatz 1 Satz 1 BsGaV gilt die Nutzung eines materiellen Wirtschaftsguts durch eine Bau- und Montagebetriebsstätte abweichend von § 5 Absatz 1 Satz 1 BsGaV nur dann als maßgebliche Personalfunktion, wenn zusätzlich zur Nutzung auch Personalfunktionen durch die Bau- und Montagebetriebsstätte ausgeübt werden, die im Zusammenhang mit der Anschaffung, der Herstellung, der Veräußerung oder der Verwertung des materiellen Wirtschaftsguts stehen. Die Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts zur Bau- und Montagebetriebsstätte setzt voraus, dass die Bedeutung der genannten Personalfunktionen, die in der Bau- und Montagebetriebsstätte im Hinblick auf das materielle Wirtschaftsgut ausgeübt werden, gegenüber der Bedeutung der insoweit im übrigen Unternehmen ausgeübten Personalfunktionen qualitativ eindeutig überwiegt.

Fall – Sonderfall der Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern:

Ein inländisches Bau- und Montageunternehmen X (X) hat eine Bau- und Montagebetriebsstätte A (A) in Staat A. Ein von X ohne Mitwirkung von A angeschaffter Kran wird ausschließlich von A genutzt. Über die Wartung, Weiterverwendung und Veräußerung entscheidet allein eigenes Personal von A.

Lösung:

Die Personalfunktionen von A überwiegen qualitativ eindeutig (siehe Rn. 42 und Rn. 43) die Personalfunktion der Anschaffung durch das übrige Unternehmen. Deshalb ist der Kran A zuzuordnen (§ 31 Absatz 1 BsGaV).

2.31.2 Zuordnung zum übrigen Unternehmen (§ 31 Absatz 2 BsGaV)

351 Ein materielles Wirtschaftsgut des Bau- und Montageunternehmens, das in einer Bau- und Montagebetriebsstätte genutzt wird, dieser aber nicht nach § 31 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen ist, muss nach § 31 Absatz 2 BsGaV dem übrigen Unternehmen zugeordnet werden. Es gilt als der Bau- und Montagebetriebsstätte vom übrigen Unternehmen unentgeltlich beigestellt. Da in den Fällen der unentgeltlichen Beistellung durch das übrige Unternehmen die ursprüngliche Zuordnung des materiellen Wirtschaftsguts nicht geändert wird, führt z. B. die Nutzung eines materiellen Wirtschaftsguts durch eine ausländische Bau- und Montagebetriebsstätte weder zu einer Entstrickung des Wirtschaftsguts i. S. d. § 4 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG beim inländischen Bau- und Montageunternehmen noch zu einer fiktiven Veräußerung oder entgeltlichen Nutzungsüberlassung i. S. d. § 16 Absatz 1 BsGaV.

Fall – Unentgeltliche Beistellung eines materiellen Wirtschaftsguts:

Das Bau- und Montageunternehmen Y (Y) in Staat A hat im Inland eine Bau- und Montagebetriebsstätte B (B). Dort wird eine Spezialmaschine, die von Y angeschafft wurde, für 4 Monate für die Bauarbeiten genutzt und nach Ablauf der 4 Monate auf anderen Baustellen eingesetzt. B setzt die Maschine lediglich für den B betreffenden Bauauftrag ein und übt keine Personalfunktionen hinsichtlich der Anschaffung, Veräußerung oder Verwertung der Maschine aus.

Lösung:

Die Maschine ist nach § 31 Absatz 1 BsGaV dem übrigen Unternehmen zuzuordnen. Sie gilt B nach § 31 Absatz 2 BsGaV als unentgeltlich beigestellt.

2.31.3 Entsprechende Anwendung auf andere Vermögenswerte (§ 31 Absatz 3 BsGaV)

352 Die Grundsätze des § 31 Absatz 1 und 2 BsGaV gelten für die Zuordnung von Vermögenswerten nach den §§ 6 bis 8 BsGaV entsprechend.

Fall – Unentgeltliche Beistellung eines immateriellen Werts:

Das ausländische Bau- und Montageunternehmen Y (Y) hat im Inland eine Bau- und Montagebetriebsstätte B (B). Von B wird ein Patent, welches vom übrigen Unternehmen selbst geschaffen wurde und bei verschiedenen Projekten eingesetzt wird, zur Durchführung des Projekts genutzt. B setzt das Patent lediglich für den B betreffenden Bauauftrag ein und übt keine Personalfunktionen hinsichtlich der Schaffung, Veräußerung oder Verwertung des Patents aus.

Lösung:

Das Patent ist ein immaterieller Wert i. S. d. § 6 BsGaV. Es ist nach § 31 Absatz 3 i. V. m. Absatz 1 BsGaV dem übrigen Unternehmen zuzuordnen. Es gilt B nach § 31 Absatz 2 BsGaV als unentgeltlich beigestellt.

2.31.4 Zuordnung des Bau- und Montagevertrags (§ 31 Absatz 4 BsGaV)

353 Ein Bau- und Montagevertrag mit dem Auftraggeber ist ein Geschäftsvorfall i. S. d. § 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 AStG, der im Regelfall der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen ist. Dies gilt auch für einen Anschluss- bzw. für einen Folgeauftrag (siehe Rn. 342 f.). Der Bau- und Montagevertrag kann im Einzelfall aber auch einer anderen Betriebsstätte i. S. d. § 12 Satz 1 AO bzw. Artikel 5 Absatz 1 bzw. 5 OECD-MA zuzuordnen sein.

Fall – Zuordnung des Bau- und Montagevertrags zu einer Betriebsstätte:

Ein inländisches Bauunternehmen X (X) hat im Staat A eine Betriebsstätte A (A), die die Voraussetzungen einer festen Geschäftseinrichtung i. S. d. § 12 Satz 1 AO bzw. Artikel 5 Absatz 1 OECD-MA erfüllt. A akquiriert laufend verschiedene Bauaufträge in A und koordiniert die Bauarbeiten (teilweise Bau- und Montagebetriebsstätten), ohne selbst an den Bauarbeiten mitzuwirken.

Lösung:

A ist selbst keine Bau- und Montagebetriebsstätte, da sie nicht zur Durchführung eines einzelnen Bau- und Montagevertrags besteht (§ 30 BsGaV). X ist ein Bau- und Montageunternehmen, da es mehrere Bau- und Montagebetriebsstätten unterhält. Die Bau- und Montageverträge sind A zuzuordnen, da die dort ausgeübten Personalfunktionen für die Zuordnung der Verträge maßgeblich sind (§ 9 BsGaV). Dafür, dass Zuordnungsänderungen (mit den Folgen des § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV) von A an das übrige Unternehmen oder an Bau- und Montagebetriebsstätten vorzunehmen wären, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Gewinne von A sind nach den allgemeinen Regelungen der §§ 1 bis 17 BsGaV zu ermitteln.

354 Die Zuordnung eines Bau- und Montagevertrags zum übrigen Unternehmen ist nach § 31 Absatz 4 Satz 2 BsGaV nur in den beiden Ausnahmefällen des § 31 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 und 2 BsGaV zu ändern, wenn dies den jeweils in der Bau- und Montagebetriebsstätte und im übrigen Unternehmen ausgeübten Personalfunktionen entspricht. In diesen Ausnahmefällen gilt im Hinblick auf das betreffende Projekt die Bau- und Montagebetriebsstätte als das eigentliche Bau- und Montageunternehmen. Das übrige Unternehmen erbringt in diesen Fällen Dienstleistungen für die Bau- und Montagebetriebsstätte, die nach § 16 Absatz 2 BsGaV entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz zu vergüten sind.

355 Eine Zuordnungsänderung eines Bau- oder Montagevertrags vom übrigen Unternehmen zu einer Bau- und Montagebetriebsstätte gilt nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV als fiktive Veräußerung des Bau- und Montagevertrags, für die nach § 16 Absatz 2 BsGaV ein fremdvergleichsüblicher Verrechnungspreis anzusetzen ist. Erbringt das übrige Unternehmen nach der fiktiven Veräußerung des Bau- und Montagevertrags an die Bau- und Montagebetriebsstätte dieser gegenüber fiktive Dienstleistungen (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 BsGaV), ist dafür ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Verrechnungspreis anzusetzen (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

2.32 Anzunehmende schuldrechtliche Beziehung, die als Dienstleistung anzusehen ist (§ 32 BsGaV)

2.32.1 Grundsatz: Anwendung einer kostenorientierten Verrechnungspreismethode (§ 32 Absatz 1 BsGaV)

356 Nach § 32 Absatz 1 Satz 1 BsGaV gilt die Mitwirkung einer Bau- und Montagebetriebsstätte an der Erfüllung des vom Bau- und Montageunternehmen abgeschlossenen Bau- und Montagevertrags im Regelfall (Ausnahme siehe § 33 BsGaV) als fiktive Dienstleistung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 BsGaV) gegenüber dem übrigen Unternehmen, für die der Verrechnungspreis nach § 32 Absatz 1 Satz 2 BsGaV im Regelfall durch Anwendung der Kostenaufschlagsmethode zu bestimmen ist, wenn die von der Bau- und Montagebetriebsstätte erbrachte fiktive Dienstleistung eine Routinetätigkeit ist. Von einer Routinetätigkeit ist auszugehen, wenn die Bau- und Montagebetriebsstätte lediglich die eigentlichen Bau- und Montagearbeiten erbringt, auch wenn diese technisch schwierig und anspruchsvoll sind, während die eigentliche Wertschöpfung im übrigen Unternehmen erfolgt.

Fall (1) – Routinetätigkeit:

Das inländische Bau- und Montageunternehmen X (X) übernimmt die Erstellung eines technisch schwierigen Bauvorhabens im Staat A, sodass eine Bau- und Montagebetriebsstätte A (A) entsteht. Bei der Durchführung des Bauvorhabens treten erhebliche Schwierigkeiten auf. Die technischen Lösungen werden ganz überwiegend von Spezialisten im Inland erarbeitet und anschließend von A auf der Baustelle erfolgreich umgesetzt.

Lösung:

Auch wenn die Umsetzung der im übrigen Unternehmen erarbeiteten Lösungen durch A technisch schwierig und anspruchsvoll ist, rechtfertigt dies nach § 32 Absatz 1 BsGaV kein Abweichen von der Anwendung der Kostenaufschlagsmethode, solange die eigentliche Wertschöpfung im Inland erfolgt. Dies gilt auch, wenn A in untergeordnetem Umfang an der Erarbeitung von Lösungen mitwirkt.

Fall (2) – Keine Routinetätigkeit:

Das inländische Bau- und Montageunternehmen verpflichtet sich, im Staat A eine schlüsselfertige Fabrikanlage mit vertraglich vereinbarten Leistungsmerkmalen zu erstellen. Die Arbeiten zur Realisierung des Projekts führen zur Entstehung der Bau- und Montagebetriebsstätte A (A). Anders als ursprünglich geplant, entscheidet die inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte X (X), eigene inländische Spezialisten zu A zu schicken, um wesentliche Planungs- und Ingenieursarbeiten vor Ort im Staat A durchzuführen.

Lösung:

Die von A geschaffene Wertschöpfung, zu der die von X auf die Baustelle geschickten Spezialisten wesentlich beigetragen haben (Personalfunktionen von A, § 4 Absatz 1 Satz 1 BsGaV), lässt es nicht zu, A als Routineunternehmen mit geringen Risiken zu qualifizieren. Deshalb kommt neben der Anwendung des § 32 BsGaV (ggf. mit entsprechend höherem Kostenaufschlag) unter bestimmten Umständen auch die Anwendung des § 33 BsGaV in Betracht (zu Einzelheiten siehe dort Rn. 370 ff.).

357 Die Grundsätze des § 32 Absatz 1 BsGaV sind entsprechend heranzuziehen für funktions- und risikoähnliche Betriebsstätten, auch wenn sie keine Bau- und Montagebetriebsstätten i. S. d. § 30 BsGaV sind, wenn sie

  • im Wesentlichen nur eine Geschäftsbeziehung (fiktive Dienstleistung) zum übrigen Unternehmen haben und

  • lediglich Routinetätigkeiten ausüben (siehe auch Tz.  .2 VWG Verfahren).

Fall – Funktionsähnliche Betriebsstätte:

Die inländische X-GmbH (X) hat im Staat A eine Betriebsstätte A (A). X schließt mit einem Kunden K im Staat A einen Wartungsvertrag über 5 Jahre ab. Aufgrund des Vertrags ist X verpflichtet, Wartungen und etwaige notwendige Reparaturen durchzuführen. Die Arbeiten werden von Personal von A erledigt.

Lösung:

A ist eine Betriebsstätte i. S. d. § 12 Satz 1 AO bzw. Artikel 5 Absatz 1 OECD-MA, keine Bau- und Montagebetriebsstätte i. S. d. § 12 Satz 2 Nummer 8 AO bzw. Artikel 5 Absatz 3 OECD-MA. Da A eine funktions- und risikoarme Tätigkeit ausübt, sind die Grundsätze des § 32 BsGaV entsprechend anzuwenden, denn die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes erfolgt aufgrund einer Funktions- und Risikoanalyse, die zu vergleichbaren Lösungen führt.

358 Für die Anwendung einer kostenorientierten Verrechnungspreismethode nach § 32 Absatz 1 Satz 3 BsGaV gehören zur Kostenbasis vor allem die Personalkosten, die unmittelbar durch die eigenen Personalfunktionen der Bau- und Montagebetriebsstätte verursacht werden (z. B. eigene Montagetätigkeit, selbst durchgeführte Bauüberwachung, Integration von Subunternehmern durch eigenes Personal usw.). Als unmittelbare Kosten gelten alle direkten Kosten der Personalfunktionen (z. B. Bruttolöhne, Sozialabgaben, Zuführungen zu Pensionsrückstellungen, Reisekosten), die der Bau- und Montagebetriebsstätte nach § 4 BsGaV zuzuordnen sind.

359 Werden darüber hinaus durch die Ausübung von Personalfunktionen einer Bau- und Montagebetriebsstätte selbst weitere Kosten verursacht (z. B. Materialbeschaffung, Einschaltung von Subunternehmern usw.), so gehören diese Kosten dann zur maßgeblichen Kostenbasis, wenn der jeweilige Vertrag der Bau- und Montagebetriebsstätte nach § 9 BsGaV zuzuordnen ist. Dabei sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden:

  • In der Bau- und Montagebetriebsstätte wird in Bezug auf die Subunternehmer oder das Material keine Personalfunktion ausgeübt.

  • In der Bau- und Montagebetriebsstätte wird in Bezug auf die Subunternehmer oder das Material eine Personalfunktion ausgeübt.

  • Das Personal der Bau- und Montagebetriebsstätte beauftragt selbständig die Subunternehmer und bestellt selbständig das Material von den Lieferanten.

Fall (1) – Keine Mitwirkung der Bau- und Montagebetriebsstätte:

Das inländische Bauunternehmen X (X) errichtet einen Rohbau im Staat A. Dadurch entsteht die Baubetriebsstätte A (A). Auf der Baustelle wird auch Subunternehmer S (S) tätig. Die Auswahl von S und die Koordination der Zusammenarbeit mit S erfolgt durch Personal des übrigen Unternehmens.

Lösung:

Da A hinsichtlich des S keine Personalfunktionen ausübt, ist der Vertrag mit S nach § 9 Absatz 1 BsGaV dem übrigen Unternehmen zuzuordnen. Die Kosten, die X für die Beauftragung von S entstehen, sind nicht in die Kostenbasis für die für A anzuwendende Kostenaufschlagsmethode einzubeziehen.

Variante (1) – Mitwirkung der Bau- und Montagebetriebsstätte:

Sachverhalt wie Fall 1, aber die formale Beauftragung des S erfolgt durch den Bauleiter von A.

Lösung:

Wenn die Beauftragung des S nicht auf einer eigenständigen Entscheidung des Bauleiters beruht (siehe Rn. 40), erfolgt keine Zuordnung des Vertrags zu A (§ 9 Absatz 1 BsGaV). Die Kosten für S gehören für die Anwendung der anzuwendenden Kostenaufschlagsmethode deshalb nicht zur Kostenbasis von A.

Variante (2) – Selbständige Entscheidung der Bau- und Montagebetriebsstätte:

Sachverhalt wie Fall 1, aber

  • der Bauleiter von A schließt den Vertrag eigenständig ab und übt eigenständig ein Auswahlermessen aus oder

  • die Überwachungs- und Koordinierungsleistung von A überwiegt qualitativ (siehe Rn. 42 bzw. Rn. 43) gegenüber der Bedeutung des formalen Vertragsschlusses durch das übrige Unternehmen (siehe Rn. 40).

Lösung:

Unabhängig davon, wer den Vertrag mit S formal unterschreibt, ist der Vertrag A nach § 9 Absatz 1 bzw. Absatz 2 BsGaV zuzuordnen. Dies gilt erst recht, wenn Personal von A im Rahmen einer generellen Vertretungsvollmacht selbständig tätig wird. Ist A der Vertrag zuzuordnen, sind die Kosten für S in die Kostenbasis von A einzubeziehen. Die Kosten des S sind jedoch nicht mit dem Kostenaufschlagssatz zu verrechnen, mit dem die eigenen Personalkosten von A verrechnet werden, da insoweit eine qualitativ andere Leistung (die Leistung des S) als Kostenbasis dient. Entweder sind die Kosten des S mit einem gesonderten angemessenen Kostenaufschlag zu verrechnen oder der sonst übliche Kostenaufschlagssatz ist entsprechend anzupassen.

Fall (2):

Das inländische Bau- und Montageunternehmen X (X), das im Anlagenbau tätig ist, errichtet im Staat A eine Fertigungsanlage. X liefert an den Kunden im Staat A diverse Einzelteile, die aufgrund der Planung der Fertigungsanlage im Inland produziert werden. Die Teile werden zur Bau- und Montagebetriebsstätte A (A) transportiert und dort von Subunternehmern und von eigenem Personal von A bzw. unter der Anleitung und Aufsicht von eigenem Personal von A montiert und zur Gesamtanlage zusammengefügt. Die Subunternehmer werden vom übrigen Unternehmen ausgewählt und beauftragt.

Lösung:

Die Koordinierungs- und Überwachungstätigkeit durch A stellt einen für den Erfolg des Auftrags wichtigen Leistungsbeitrag dar. Die Leistungen der Subunternehmer sind nach § 9 Absatz 2 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, wenn die Bedeutung der laufenden Koordination und der Überwachung durch eigenes Personal von A die Bedeutung der Personalfunktion hinsichtlich der Auswahl und Beauftragung der Subunternehmer (übriges Unternehmen) eindeutig überwiegt. Die Kosten für die Einzelteile sind A hingegen nicht zuzuordnen, da insoweit keine Personalfunktionen von A ausgeübt werden.

360 Fehlmaßnahmen, die durch Personalfunktionen einer Bau- und Montagebetriebsstätte verursacht werden, sind von ihr zu tragen (ohne Vergütung der entstehenden Kosten). Das Risiko der Bau- und Montagebetriebsstätte ist durch ihren Gewinnaufschlag abgegolten. Daher gehören Kosten, die dadurch entstehen, dass es aufgrund von eigenen Personalfunktionen der Bau- und Montagebetriebsstätte zu Fehlmaßnahmen kommt oder dass die Bau- und Montagebetriebsstätte eigene Fehler beseitigt, nicht zu ihrer Kostenbasis. In solchen Fällen kann eine Bau- und Montagebetriebsstätte, die Routinetätigkeiten ausübt, auch Verluste erzielen.

361 Fehlmaßnahmen, die durch Personalfunktionen des übrigen Unternehmens verursacht werden, dürfen das Funktions- und Risikoprofil und damit den Gewinn einer Bau- und Montagebetriebsstätte nicht beeinflussen. Entstehen einer Bau- und Montagebetriebsstätte Kosten aufgrund von Fehlmaßnahmen, die durch Personalfunktionen des übrigen Unternehmens verursacht werden, sind diese Kosten in die Kostenbasis einzubeziehen.

362 Zur Kostenbasis einer Bau- und Montagebetriebsstätte gehören in den Fällen des § 32 BsGaV keine mittelbaren Kosten, wie z. B. die allgemeinen Verwaltungs- oder Geschäftskosten, die aufgrund von Personalfunktionen des übrigen Unternehmens entstehen.

2.32.2 Einheitliche Verrechnung von Leistungsbündeln (§ 32 Absatz 2 BsGaV)

363 Sind mehrere Leistungsbündel, z. B. unterschiedliche Gewerke, Bauüberwachung, Gegenstand der Tätigkeit einer Bau- und Montagebetriebsstätte, so sind diese als eine einheitliche fiktive Dienstleistung zu verrechnen. Eine getrennte Verrechnung einzelner Dienstleistungsbestandteile hat zu erfolgen, wenn sich die entsprechenden Einzelvergütungen oder Vergütungsteile hinsichtlich ihrer Bemessung erheblich voneinander unterscheiden und die gesonderte Verrechnung zu einem Ergebnis führt, das dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht, weil besondere Schwierigkeiten entstehen, einen einheitlichen Kostenaufschlagssatz zu bestimmen.

Fall – Gesonderter Kostenaufschlagssatz:

Die Bau- und Montagebetriebsstätte A (A) des inländischen Bau- und Montageunternehmens X (X) errichtet in Staat A ein Gebäude auf der Grundlage von Bauplanungen des übrigen Unternehmens. Es stellt sich heraus, dass entgegen der ursprünglichen Planung ein innovatives und besonders aufwendiges Fundament erforderlich ist. Die entsprechende Neuplanung wird im Inland vorgenommen und anschließend von besonders qualifiziertem Personal der Betriebsstätte ausgeführt.

Lösung:

Grundsätzlich sind die mit der Gebäudeerrichtung zusammenhängenden Leistungsbündel nach § 32 Absatz 2 BsGaV einheitlich abzurechnen (einheitlicher durchschnittlicher Kostenaufschlagsatz). Im vorliegenden Fall ist die besonders hochwertige fiktive Dienstleistung „Erstellung des aufwendigen Fundaments“ (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 BsGaV) mit einem gesonderten Kostenaufschlagsatz abzurechnen, da sich diese besondere Leistung von den übrigen Leistungen von A in ihrer Wertigkeit deutlich unterscheidet und auch zwischen unabhängigen Dritten gesondert abzurechnen wäre.

2.32.3 Abrechnung der Bau- und Montagebetriebsstätte (§ 32 Absatz 3 BsGaV)

364 Fiktive Dienstleistungen, die eine Bau- und Montagebetriebsstätte gegenüber dem übrigen Unternehmen erbringt, sind nach § 32 Absatz 3 BsGaV zeitnah abzurechnen. Das gilt auch dann, wenn das Bau- und Montageunternehmen selbst den Gewinn aus der Erfüllung des Bau- oder Montageauftrags gegenüber seinem Auftraggeber erst mit der Abnahme oder Teilabnahme realisiert.

Fall – Zeitnahe Abrechnung:

Das inländische Bau- und Montageunternehmen X (X) errichtet während einer 3-jährigen Bauzeit im Staat A (DBA mit Freistellung) ein Bauwerk. Dadurch entsteht die Bau- und Montagebetriebsstätte A (A). A stellt ihre fiktiven Leistungen dem übrigen Unternehmen entsprechend § 32 Absatz 3 Satz 1 BsGaV jährlich in Rechnung.

Der Auftrag erbringt für X insgesamt einen Gewinn von 100. Für A werden die entstandenen verrechenbaren Kosten von 100 jährlich mit einem Aufschlag i. H. v. jeweils 5 % verrechnet. Daraus ergeben sich folgende steuerliche Auswirkungen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
01
02
03
Summe 01 – 03
steuerlicher Gewinn von X
0
0
100
100
Freistellung A
+ 5
+ 5
+ 5
15
 
 
 
 
 
Einkünfte übriges Unternehmen
– 5
– 5
+ 95
85
Einkünfte A
+ 5
+ 5
+ 5
15

Im Ergebnis wird für A in den Jahren 01 bis 03 ein kumulierter Gewinn von 15 und im übrigen Unternehmen (nach Freistellung) ein kumulierter Gewinn von 85 versteuert (Gesamtgewinn 100).

Abwandlung – Anrechnung:

Die Bau- und Montagebetriebsstätte B (B) von X befindet sich im Staat B (DBA mit Anrechnung) bzw. Bau- und Montagebetriebsstätte C (C) im Staat C, mit dem Deutschland kein DBA vereinbart hat.

Lösung:

Ausländische Steuer kann erst im Jahr der Abnahme (hier: 03) angerechnet werden. Eine frühere Anrechnung (hier: 01 und 02) ist mangels in Deutschland steuerpflichtiger ausländischer Einkünfte nicht möglich. Für die Bestimmung des Anrechnungshöchstbetrags nach § 34c Absatz 1 EStG bzw. § 26 KStG im Jahr 03 ist von 15 auszugehen. Die Steuern der Jahre 01 und 02 sind im Jahr 03 anrechenbar.

365 § 32 Absatz 3 Satz 2 BsGaV ermöglicht eine gegenüber Rn. 364 frühere oder spätere Abrechnung der fiktiven Dienstleistung, wenn dies dem Verhalten unabhängiger Unternehmen und damit dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht, z. B. Annahme einer fiktiven Teilabnahme wie bei der Einschaltung von unabhängigen Subunternehmen häufig üblich.

Fall – Gewinnrealisierung bei Fertigstellung:

Die Bau- und Montagebetriebsstätte A (A) in Staat A (DBA mit Freistellung) des inländischen Bau- und Montageunternehmens X errichtet über mehrere Jahre eine Staumauer. Es ist branchenüblich, für Subunternehmer mit entsprechenden Leistungen Abschlagszahlungen nach Baufortschritt und ohne Gewinnaufschlag zu vereinbaren und erst bei Abnahme eine Endabrechnung mit Gewinnaufschlag vorzunehmen.

Lösung:

Da die Tätigkeit von A so abgerechnet wird wie die eines fremden Subunternehmers, kann die Öffnungsklausel des § 32 Absatz 3 Satz 2 BsGaV angewendet werden, die eine entsprechende Gewinnermittlung für A zulässt.

2.32.4 Leistungen des übrigen Unternehmens (§ 32 Absatz 4 BsGaV)

366 Für Leistungsbeiträge, die im übrigen Unternehmen zur Erledigung des Bau- und Montagevertrags erbracht werden, ist nach § 32 Absatz 4 BsGaV nicht die Bau- und Montagebetriebsstätte der Leistungsempfänger. Derartige Leistungsbeiträge des übrigen Unternehmens werden im Regelfall im eigenen Interesse zur Erfüllung des Bau- und Montagevertrags, der dem übrigen Unternehmen zuzuordnen ist, erbracht. Für diese Leistungsbeiträge stehen dem übrigen Unternehmen die Zahlungen des Auftraggebers zu (abzüglich der Vergütung für die fiktive Dienstleistung der Bau- und Montagebetriebsstätte). Solche Leistungsbeiträge des übrigen Unternehmens gelten als unentgeltlich beigestellt, auch wenn sie in einem sachlichen Zusammenhang mit den Personalfunktionen der Bau- und Montagebetriebsstätte stehen.

Fall – Leistungsbeiträge von Nahestehenden:

Das inländische Bau- und Montageunternehmen X (X) hat im Ausland A eine Bau- und Montagebetriebsstätte A (A), deren Aufgabe es ist, ein Gebäude schlüsselfertig zu errichten (Fall des § 32 BsGaV). Auf der Baustelle wird Software einer anderen Konzerngesellschaft Z (Z) genutzt, um eine 3D-Darstellung des Gebäudes für die Arbeiten auf der Baustelle zu ermöglichen. Die Bereitstellung der Software wurde von Personal des übrigen Unternehmens veranlasst.

Lösung:

Die Nutzung der Software beruht auf einem Vertrag von X mit Z, der X die Nutzung erlaubt. Dieser Vertrag kann A mangels ausgeübter Personalfunktionen (§ 9 BsGaV) nicht zugeordnet werden. Die tatsächliche Nutzung durch A gilt als vom übrigen Unternehmen unentgeltlich beigestellt (§ 32 Absatz 4 BsGaV), d. h. nach § 32 Absatz 4 BsGaV liegt kein entgeltpflichtiger Leistungsbeitrag des übrigen Unternehmens gegenüber A vor (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 BsGaV).

367 Vorlaufkosten im Zusammenhang mit einem Bau- und Montagevertrag, d. h. die Kosten vor Auftragserteilung, insbesondere die Akquisitionskosten (z. B. Kosten für die Ausschreibung), die Planungskosten und die Kosten der Auftragskalkulation werden im Regelfall durch die Ausübung von Personalfunktionen im übrigen Unternehmen (meistens durch die Geschäftsleitungsbetriebsstätte) verursacht. Sie sind daher dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, denn eine Bau- und Montagebetriebsstätte entsteht im Regelfall erst nach Vereinbarung eines konkreten Auftrags (siehe Rn. 66). Die Akquisitionskosten dienen nicht der Erzielung von im Ansässigkeitsstaat des Bau- und Montageunternehmens abkommensrechtlich freigestellten Einkünften, sondern von dort steuerpflichtigen Einkünften des Bau- und Montageunternehmens. Denn die Akquisitionskosten werden dadurch kompensiert, dass dem übrigen Unternehmen die Vergütungen zugerechnet werden, die der Auftraggeber an das Bau- und Montageunternehmen zahlt und die im Ansässigkeitsstaat zu besteuern sind (abzüglich der Vergütung für die fiktive Dienstleistung der Bau- und Montagebetriebsstätte).

2.32.5 Hilfs- und Nebenrechnung für Bau- und Montagebetriebsstätten i. S. d. § 32 BsGaV (insbesondere Dotationskapital)

368 Für ausländische Bau- und Montagebetriebsstätten gilt die Mindestkapitalmethode nach § 13 BsGaV ohnehin. Ungeachtet der Regelungen des § 12 BsGaV ist es auch für eine inländische Bau- und Montagebetriebsstätte mit dem Funktions- und Risikoprofil entsprechend § 32 BsGaV nicht zu beanstanden, wenn für die Bestimmung des Dotationskapitals die Mindestkapitalausstattungsmethode des § 13 BsGaV angewandt wird. Voraussetzung hierfür ist, dass

  • einer inländischen Bau- und Montagebetriebsstätte keine Vermögenswerte und keine Geschäftsvorfälle (§ 9 BsGaV) des Bau- und Montageunternehmens zuzuordnen sind,

  • einer inländischen Bau- und Montagebetriebsstätte nur Risiken zuzuordnen sind, die denen eines Routineunternehmens mit geringen Risiken entsprechen (Tz.  .2 Buchstabe a VWG Verfahren), und

  • in der Hilfs- und Nebenrechnung für eine inländische Bau- und Montagebetriebsstätte keine Verbindlichkeiten ausgewiesen werden, die zu einer Zuordnung von Zinsaufwand des Bau- und Montageunternehmens zur Bau- und Montagebetriebsstätte führen.

369 In diesen Fällen kann für die Hilfs- und Nebenrechnung einer inländischen Bau- und Montagebetriebsstätte, ebenso wie für die Hilfs- und Nebenrechnung einer ausländischen Bau- und Montagebetriebsstätte, von der Kosten- und Leistungsrechnung für das Bau- und Montageprojekt ausgegangen werden. Aus den Unterlagen müssen sich aber in jedem Fall eindeutig die genaue Bemessungsgrundlage und der jeweils verwendete Gewinnaufschlag bzw. die verwendeten Gewinnaufschläge ergeben.

2.33 Anzunehmende schuldrechtliche Beziehung in besonderen Fällen (§ 33 BsGaV)

2.33.1 Anwendung von Gewinnaufteilungsmethoden (§ 33 Absatz 1 BsGaV)

370 Nach § 33 Absatz 1 BsGaV sind unter den dort alternativ genannten Voraussetzungen die Verrechnungspreise für die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen zwischen der Bau- und Montagebetriebsstätte und dem übrigen Unternehmen nicht nach einer kostenorientierten Verrechnungspreismethode, sondern nach einer geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode zu bestimmen. Die Voraussetzungen für die Anwendung von geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethoden müssen vorliegen (OECD-Leitlinien, Tz. 2.108 ff.).

371 Nach der ersten Alternative des § 33 Absatz 1 BsGaV müssen einer Bau- und Montagebetriebsstätte einerseits und dem übrigen Unternehmen andererseits aufgrund der jeweils ausgeübten maßgeblichen Personalfunktionen Chancen und Risiken zuzuordnen sein, die sowohl der Bau- und Montagebetriebsstätte als auch dem übrigen Unternehmen einen Entrepreneur-Status zuweisen (§ 33 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV, Tz.  .2 Buchstabe b VWG Verfahren).

Fall – Gleichwertige Funktionen:

Das inländische Bau- und Montageunternehmen X (X), das im Anlagenbau tätig ist, erhält den Auftrag, eine komplexe Fertigungsanlage A (Projekt) mit konkreten Leistungsanforderungen in Staat A zu errichten. Hierdurch entsteht in Staat A die Bau- und Montagebetriebsstätte A (A). Die Ausschreibung, das Basis-Engineering und ein Teil des Detail-Engineerings erfolgen im Inland. A übernimmt den restlichen Teil des Detail-Engineerings, sowie die Überwachung, die Koordination und die Inbetriebnahme. A stellt außerdem die Funktionsfähigkeit der Anlage (lt. Anforderungskatalog) sicher.

Lösung:

Aufgrund der Übernahme eines Teils des Detail-Engineerings, der Koordination, der Überwachung und der Inbetriebnahme durch eigenes Personal von A und wegen der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Fertigungsanlage durch A, handelt es sich nicht um eine bloße Routinetätigkeit von A. Wird durch die Dokumentation und die Hilfs- und Nebenrechnung nachgewiesen, dass die Chancen und Risiken von A mit denen des übrigen Unternehmens vergleichbar sind, so kann die Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode sachgerecht sein (§ 33 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV).

372 Nach der zweiten Alternative § 33 Absatz 1 BsGaV müssen sowohl von der Bau- und Montagebetriebsstätte als auch vom übrigen Unternehmen einzigartige immaterielle Werte verwendet werden, die jeweils für das konkrete Projekt selbst entwickelt oder erworben wurden (§ 33 Absatz 1 Nummer 2 BsGaV). Ein der Bau- und Montagebetriebsstätte zuzuordnender einzigartiger immaterieller Wert liegt nur dann vor, wenn das betreffende Know-how von der Bau- und Montagebetriebsstätte speziell für das konkrete Bau- und Montageprojekt geschaffen oder erworben wurde.

Fall – Schaffung von einzigartigen immateriellen Werten in der Bau- und Montagebetriebsstätte:

Das inländische Bau- und Montageunternehmen X (X), das im Anlagenbau tätig ist, erhält den Auftrag für die Errichtung einer neuartigen Fertigungsanlage in Staat A. Hierdurch entsteht die Bau- und Montagebetriebsstätte A (A). Diese Anlage unterscheidet sich von den bisher errichteten Anlagen sowohl bezüglich der Größe als auch bezüglich der Geeignetheit für die konkreten klimatischen Umstände im Staat A, die für die technische Funktionsfähigkeit der Anlage von Bedeutung sind. Für die Planung und Errichtung der Anlage ist deshalb eine intensive Zusammenarbeit zwischen dem Personal des übrigen Unternehmens und den von A eingesetzten Spezialisten erforderlich.

Lösung:

Die Entwicklung einer neuartigen Technologie durch das übrige Unternehmen und durch A führt zur Schaffung von einzigartigem und neuem Know-how. Die Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode (§ 33 Absatz 1 Nummer 2 BsGaV) ist dem Grunde nach sachgerecht. Die vom übrigen Unternehmen zur Verfügung gestellten immateriellen Werte gelten als dessen Beitrag, der nach § 33 Absatz 2 Satz 3 Nummer 1 BsGaV für die Berechnung des anzuwendenden Aufteilungsschlüssels zu berücksichtigen ist (siehe Rn. 375).

373 Ausgangspunkt für eine Aufteilung des Ergebnisses des Bau- und Montagevertrags (Projekt) zwischen der Bau- und Montagebetriebsstätte und dem übrigen Unternehmen ist zunächst die Ermittlung des Projektergebnisses auf der Grundlage der dafür zu erstellenden Kostenrechnung, in der sowohl die Kosten der Bau- und Montagebetriebsstätte als auch die Kosten des übrigen Unternehmens enthalten sind. Für diese Ermittlung sind alle Kosten, die mit dem Projekt in Zusammenhang stehen, unabhängig davon, wann sie entstanden sind, zu berücksichtigen (z. B. Akquisitionskosten, Ausschreibungskosten, Kosten für Pre-Engineering sowie für Forschung und Entwicklung).

Fall – Fehlmaßnahmen:

Zum inländischen Bau- und Montageunternehmen X (X) gehört eine Bau- und Montagebetriebsstätte A (A) in Staat A, die die Voraussetzungen des § 33 BsGaV erfüllt. In der Kostenrechnung für das Projekt sind u. a. auch Kosten für die Beseitigung einer Fehlmaßnahme enthalten.

Lösung:

Die Kosten für die Beseitigung der Fehlmaßnahme sind in die Ermittlung des Projektergebnisses mit einzubeziehen, mindern das Projektergebnis und sind im Regelfall nach dem allgemeinen Aufteilungsschlüssel aufzuteilen. Wird allerdings festgestellt, dass es aufgrund der Personalfunktionen von A zu der Fehlmaßnahme gekommen ist, sind A diese Kosten nach § 33 Absatz 2 Satz 4 BsGaV vorab gewinnmindernd zuzurechnen und werden nicht aufgeteilt.

HINWEIS:

Kam es umgekehrt aufgrund von Personalfunktionen des übrigen Unternehmens zu Fehlmaßnahmen, sind die dadurch verursachten zusätzlichen Kosten nach § 33 Absatz 2 Satz 4 BsGaV dem übrigen Unternehmen vorab gewinnmindernd zuzurechnen.

374 Das aufzuteilende Projektergebnis bestimmt sich nach den allgemein geltenden Grundsätzen über die steuerliche Gewinnermittlung in Deutschland, ausländische Gewinnermittlungsvorschriften oder -grundsätze sind für die Besteuerung in Deutschland unbeachtlich.

Fall – Abweichende Gewinnermittlung im Ausland:

Zum inländischen Bau- und Montageunternehmen X (X) gehört eine Bau- und Montagebetriebsstätte A (A) in Staat A (DBA mit Freistellung), die die Voraussetzungen des § 33 BsGaV erfüllt. In Staat A wird der Gewinn von A nach der PoC-Methode (Percentage of Completion) ermittelt.

Lösung:

Obwohl der Gewinn im Staat A nach der PoC-Methode ermittelt wird, ist der Gewinn von A für die deutsche Besteuerung nach deutschem Steuerrecht nach der CC-Methode (Completed Contract) zu ermitteln. Die Freistellung des Betriebsstättengewinns von X in Deutschland kann erst nach Realisation des Gewinns aus dem Bau- und Montageauftrag erfolgen.

HINWEIS:

Ist hinsichtlich des Betriebsstättenstaats die Anrechnungsmethode anzuwenden, so gilt für Zeitinkongruenzen Rn. 364 (siehe Abwandlung des Falls).

2.33.2 Anzuwendender Aufteilungsschlüssel (§ 33 Absatz 2 BsGaV)

375 Ausgangspunkt für den auf das Projektergebnis anzuwendenden Aufteilungsschlüssel sind nach § 33 Absatz 2 Satz 1 BsGaV die jeweils von der Bau- und Montagebetriebsstätte und dem übrigen Unternehmen erbrachten Leistungsbeiträge. Vor Entstehen der Bau- und Montagebetriebsstätte erbrachte Leistungsbeiträge (siehe Rn. 367) sind als Leistungsbeitrag des übrigen Unternehmens zu berücksichtigen.

376 Für den anzuwendenden Aufteilungsschlüssel kommt es nach § 33 Absatz 2 Satz 2 BsGaV auf die Kosten an, die für die maßgeblichen Personalfunktionen jeweils entstanden sind. Kosten für Personalfunktionen, die nicht maßgeblich sind (Hilfstätigkeiten wie z. B. Werkschutz, Kantine, Fahrdienste), die aber für die Ermittlung des Projektergebnisses zu berücksichtigen sind (siehe Rn. 48), scheiden für Zwecke der Aufteilung aus.

Fall – Für die Aufteilung zu berücksichtigende Kosten:

Das inländische Bau- und Montageunternehmen X (X), das im Anlagenbau tätig ist, erhält den Auftrag für die Errichtung einer neuartigen Fertigungsanlage in Staat A. Infolge der Errichtung entsteht eine Bau- und Montagebetriebsstätte A (A), auf die § 33 BsGaV anzuwenden ist. Es fallen Kosten für die Ausschreibung, für Basis- und Detail-Engineering, Montage, Überwachung und die Inbetriebnahme an (sowohl für A als auch für das übrige Unternehmen). Darüber hinaus entstehen sowohl A als auch dem übrigen Unternehmen Kosten für Hilfstätigkeiten.

Lösung:

Für die Berechnung des Aufteilungsschlüssels sind nach § 33 Absatz 2 Satz 2 BsGaV die Kosten für die maßgeblichen Personalfunktionen zu berücksichtigen (Teilnahme an der Ausschreibung, Basis- und Detail-Engineering, Montage, Überwachung und Inbetriebnahme). Daneben ist noch der angemessene Anteil der in § 33 Absatz 2 Satz 3 BsGaV genannten Kosten (Forschung und Entwicklung, vergebliche Akquisition) zu berücksichtigen. Die Kosten für Personalfunktionen, die nicht maßgeblich sind (Hilfstätigkeiten), sind zwar auszugleichen, bleiben aber für den Aufteilungsschlüssel unberücksichtigt.

377 Für den Aufteilungsschlüssel ist nach § 33 Absatz 2 Satz 3 Nummer 1 BsGaV ein angemessener Anteil an den Forschungs- und Entwicklungskosten der eingesetzten immateriellen Werte zu berücksichtigen. Zu den anzusetzenden Forschungs- und Entwicklungskosten gehören insbesondere Kosten für in Vorjahren geschaffene immaterielle Werte, die anteilig und pauschaliert zu berücksichtigen sind. Für den Aufteilungsschlüssel nach § 33 Absatz 2 Satz 3 Nummer 2 BsGaV ist daneben auch ein angemessener Anteil der vergeblichen Akquisitionskosten anderer gescheiterter Bau- und Montageaufträge zu berücksichtigen.

Fall (1) – Forschungs- und Entwicklungskosten und vergebliche Akquisitionskosten:

Das inländische Bau- und Montageunternehmen X (X), das im Anlagenbau tätig ist, ermittelt die Selbstkosten der in- und ausländischen Projekte (auch Bau- und Montagebetriebsstätten) mittels einer Vollkostenrechnung auf Plankostenbasis. Unterstellt werden eine normale Auslastung der Anlagen und eine Normalbeschäftigung unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte der Vergangenheit. Die auf die Projekte verrechneten Einzelkosten der Mitarbeiter, die den direkten Kosten entsprechen, werden erhöht um anteilige Unternehmensgemeinkosten (Overheadkosten: allgemeine Verwaltungskosten, z. B. Personalabteilung, Controlling usw., und Vertriebskosten, z. B. Kosten für Angebote, Marketing, Vertreter). Zu den Einzelkosten der Mitarbeiter gehören insbesondere die Lohnkosten und die Lohnnebenkosten. Es ergibt sich folgende vereinfachte Übersicht:


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Einzelkosten
Gemeinkosten
Stundensätze
100
 
+ FuE-Kosten aus Vorjahren (pauschal)
 
6
+ vergebliche Akquisitionskosten (pauschal)
 
5
+ Vertriebskosten
 
8
+ sonstige Verwaltungskosten
 
11
= Gesamt
100
30

Die Forschungs- und Entwicklungskosten der letzten fünf Jahre betrugen durchschnittlich 4. Für ein konkretes Projekt ist das Ergebnis einer Bau- und Montagebetriebsstätte A (A) im Staat A gem. § 33 BsGaV zu ermitteln und dazu die Berechnung der Parameter für den anzuwendenden Aufteilungsschlüssel vorzunehmen.

Lösung:

Für eine im Einzelfall zutreffende, pauschalisierte Ermittlung der Forschungs- und Entwicklungskosten sowie der vergeblichen Akquisitionskosten, die nach § 33 Absatz 2 Satz 3 BsGaV zur Berechnung des Aufteilungsschlüssels anzusetzen sind, müssen die Forschungs- und Entwicklungskosten der Vergangenheit mittels Vollkostenrechnung berücksichtigt werden. Aus Vereinfachungsgründen können im konkreten Fall die durchschnittlichen Forschungs- und Entwicklungskosten der vorhergehenden fünf Jahre herangezogen werden. Von diesen Kosten von 20 (5 × 4) kann nur ein angemessener Teil (im konkreten Fall aus Vereinfachungsgründen pauschal 50 % x 20 = 10) berücksichtigt werden. Der Zuschlagssatz für vergebliche Akquisitionskosten beträgt 5 %, der Zuschlagssatz für Forschungs- und Entwicklungskosten 10 %. Zur Ermittlung des für das konkrete Projekt anzuwendenden Aufteilungsschlüssels sind die unmittelbaren Kosten der maßgeblichen Personalfunktionen des übrigen Unternehmens um die vergeblichen Akquisitions- sowie die Forschungs- und Entwicklungskosten zu erhöhen (100 zuzüglich 15 % Aufschlag = 115), da A diese Kosten mangels insofern ausgeübter Personalfunktionen nicht zugeordnet werden können. Die Kosten der maßgeblichen Personalfunktionen von A können deshalb nicht erhöht werden, d. h. es gehen – anders als hinsichtlich der betreffenden maßgeblichen Personalfunktionen des übrigen Unternehmens (mit Aufschlag) – nur die direkten Kosten der maßgeblichen Personalfunktionen von A (ohne Aufschlag) in den Aufteilungsschlüssel ein.

HINWEIS:

Die konkreten Pauschalierungen sind im jeweiligen Einzelfall vom Bau- und Montageunternehmen zu dokumentieren und zu begründen. Das gilt auch für andere Aufteilungsschlüssel, die dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entsprechen sollen.

Fall (2) – Ermittlung des Aufteilungsschlüssels nach maßgeblichen Personalfunktionen:

Das inländische Bau- und Montageunternehmen X (X), das im Anlagenbau tätig ist, erhält den Auftrag für die Errichtung einer Fertigungsanlage in Staat A. Hierdurch entsteht in Staat A eine Bau- und Montagebetriebsstätte A (A), die die Voraussetzungen des § 33 Absatz 1 BsGaV erfüllt. Das Projektergebnis beträgt 100. Für die Aufteilung sind folgende Faktoren zu berücksichtigen:

  • Der Aufschlag für die vergeblichen Akquisitionskosten beträgt 5 %.

  • Der Aufschlag für Forschungs- und Entwicklungskosten beträgt laut Vollkostenrechnung 10 %.

  • Die Personalkosten des Projekts betragen 100 (übriges Unternehmen: 70, hierin sind Akquisitionskosten von 10 enthalten/A: 30).

  • Von den Personalkosten entfallen 15 auf nicht maßgebliche Personalfunktionen (übriges Unternehmen: 10/A: 5).

  • Die Materialkosten betragen 40 (übriges Unternehmen: 30/A: 10).

  • Die Kosten für Subunternehmer betragen 30 (übriges Unternehmen: 10/A: 20).

Lösung nach § 33 Absatz 2 Satz 2 BsGaV:


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Kosten
übriges Unternehmen
Bau- und Montagebetriebsstätte A
  Personal inklusive Akquisition
70
30
– nicht maßgebliche Personalfunktionen
10
5
= maßgebliche Personalfunktionen
60
25
+ Anteil vergebliche Akquisition (5 %)
3
 
+ Anteil F+E (10 %)
6
 
= Kostenanteil
69
25
Aufteilungsschlüssel
73 % (69/94)
27 % (25/94)

HINWEIS:

Die Anwendung eines anderen Aufteilungsschlüssels ist vom Bau- und Montageunternehmen zu dokumentieren und zu begründen (§ 33 Absatz 2 Satz 4 BsGaV).

378 Nach § 33 Absatz 2 Satz 4 BsGaV ist die Gewinnaufteilung nach alternativen Aufteilungsschlüsseln (nicht nach den Kosten der jeweils ausgeübten maßgeblichen Personalfunktionen) durchzuführen, wenn das Ergebnis dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht. Alternative Aufteilungsmethoden sind anzuwenden, wenn sie

  • dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entsprechen als eine Aufteilung nach den Kosten für die jeweils ausgeübten maßgeblichen Personalfunktionen (z. B. Aufteilung unter Berücksichtigung aller Kosten oder Aufteilung nach Wertschöpfungsbeiträgen, siehe auch OECD-Leitlinien, Tz. 2.135),

  • rechnerisch nachvollziehbar sind und

  • entsprechend der Systematik der zweiseitigen geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode betriebswirtschaftlich konsistente Ergebnisse erbringen.

379 Unter diesen Voraussetzungen sind alternative Aufteilungsmethoden auch dann anzuwenden, wenn einzelne Parameter der Aufteilung zu berichtigen sind.



Fall (1) – Modifizierte Aufteilungsmethode:

Sachverhalt, siehe Fall (2) Rn. 377

Lösung:

Alternative nach § 33 Absatz 2 Satz 4 BsGaV (Einbeziehung der Kosten aller Personalfunktionen):


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Kosten
übriges Unternehmen
Bau- und Montagebetriebsstätte A
  Personalkosten inkl. Akquisition
70
30
+ Anteil vergebliche Akquisition (5 %)
3,5
 
+ Anteil F+E (10 %)
7
 
+ Materialkosten
30
10
+ Kosten für Subunternehmer
10
20
= Kostenanteil
120,5
60
Aufteilungsschlüssel
67 %(120,5/180,5)
33 % (60/180,5)

Fall (2) – Gewinnaufteilung aufgrund einer Wertschöpfungsanalyse:

Das inländische Bau- und Montageunternehmen (X), das im Anlagenbau tätig ist, erhält den Auftrag für die Errichtung einer Fertigungsanlage in Staat A. Hierdurch entsteht die Bau- und Montagebetriebsstätte A (A), die die Voraussetzungen des § 33 Absatz 1 BsGaV erfüllt. X ermittelt die Leistungsbeiträge anhand einer Wertschöpfungsanalyse, die auf Basis der erbrachten Wertschöpfungsbeiträge erstellt wird (ausgeübte Funktionen unter besonderer Berücksichtigung des eingesetzten Know-hows, der entstandenen Kosten sowie der Chancen und Risiken). Aus dem Auftrag wird ein Projektergebnis von 200 erzielt.

Lösung:

Nach Korrekturen stimmt das zuständige Finanzamt folgender Aufteilung zu:

Wertschöpfungsanteil


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insgesamt
davon A
Vertrieb
5 %
0 %
Forschung und Entwicklung
10 %
0 %
Planung und Basis-Engineering
15 %
0 %
Detail-Engineering und Einkauf
50 %
15 %
Montage
15 %
15 %
Inbetriebnahme
5 %
5 %
= Summe
100 %
35 %

Summe Bau- und Montagebetriebsstätte: 35 % = 70 Gewinn

Summe übriges Unternehmen: 65 % = 130 Gewinn

380 Ist in den ersten Jahren eines mehrjährigen Bau- und Montagevorhabens aufgrund des Funktions- und Risikoprofils von einer Bau- und Montagebetriebsstätte mit Routinefunktionen ausgegangen worden und hat sich das Funktions- und Risikoprofil aufgrund der Tätigkeit der Bau- und Montagebetriebsstätte nachweislich in einem späteren Jahr so erheblich geändert, dass die Voraussetzungen für die Anwendung einer geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode vorliegen (z. B. wegen der Übernahme von entsprechend qualifizierten Tätigkeiten auf der Baustelle), so ist § 33 BsGaV für die gesamte Dauer der Bau- und Montagebetriebsstätte anzuwenden (siehe auch Rn. 356 Fall 2).

Fall – Korrektur eines unzutreffenden Teilergebnisses:

Das inländische Bau- und Montageunternehmen X (X) hat im Ausland A (DBA mit Freistellung) eine ausländische Bau- und Montagebetriebsstätte A (A). Das Ergebnis (Jahre 01 bis 03) von A ist in den Jahren 01 bis 03 durch die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode ermittelt worden (§ 32 Absatz 1 BsGaV). Bei der Erstellung der Steuererklärung für das Jahr 03 im Jahr 05 stellt sich nachträglich heraus, dass sich der Sachverhalt im Jahr 03 so verändert hat, dass für den Bau- und Montageauftrag § 33 Absatz 1 BsGaV anzuwenden ist (geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode). Im Ergebnis ist der Gewinn aus dem Auftrag von 100 zu je 50 % auf A und das übrige Unternehmen aufzuteilen.

Lösung:

Nach den Grundsätzen des § 33 BsGaV hat A den Gewinn entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz – wie X selbst – erst im Jahr 03 auszuweisen. Da dieses Funktions- und Risikoprofil aber erst im Jahr 03 entstanden ist und erst im Jahr 05 erkannt wurde, ist das Ergebnis von A aus den Jahren 01 und 02 (Anwendung Kostenaufschlagsmethode) nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zwar zunächst anzuerkennen, es ist aber durch den Ansatz eines entsprechend höheren Gewinns im Jahr 03 (ermittelt nach der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode) richtig zu stellen.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
01
02
03
Summe 01 – 03
steuerlicher Gewinn von X
0
0
100
100
Freistellung Betriebsstätte (cost plus)
+ 5
+ 5
 
 
Freistellung Betriebsstätte (profit split)
 
 
+ 50
 
– bereits in 01/02 freigestellt
 
 
– 10
 
verbleibende Freistellung 03
 
 
+ 40
 
Summe Freistellung Betriebsstätte
 
 
 
50
Einkünfte übriges Unternehmen
– 5
– 5
+ 60
50

HINWEIS:

Ergibt sich in vergleichbaren Fällen für ein Gesamtprojekt nachträglich ein Verlust und kann dieser Verlust nachweislich im Ausland nicht rückwirkend geltend gemacht werden, ist es zur Vermeidung von Doppelbesteuerung aus Billigkeitsgründen nicht zu beanstanden, dass die Einkünfte nach der Kostenaufschlagsmethode erklärt werden (§ 32 Absatz 1 BsGaV), wenn das Bau- und Montageunternehmen davon ausgehen konnte, dass es die ursprünglich gewählte Methode anwenden durfte.

381 War ursprünglich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 33 BsGaV für eine Bau- und Montagebetriebsstätte vorliegen, stellt sich aber nachträglich heraus, dass sie nur Routinefunktionen mit keinen bzw. geringen Risiken ausgeübt hat (§ 32 BsGaV), so gelten die Grundsätze der Rn. 380 entsprechend.

2.34 Übergangsregelung für Bau- und Montagebetriebsstätten (§ 34 BsGaV)

382 Es ist nicht zu beanstanden, wenn ein Bau- und Montageunternehmen das Ergebnis einer in- oder ausländischen Bau- und Montagebetriebsstätte nach den Regelungen des § 1 Absatz 5 AStG, der BsGaV und dieses BMF-Schreibens auch für Jahre ermittelt, die vor dem beginnen. Voraussetzung dafür ist, dass

  • die Regelungen insgesamt auf den gesamten Zeitraum des Bestehens der Bau- und Montagebetriebsstätte angewendet werden und

  • dadurch international weder eine Doppelbesteuerung noch eine Nichtbesteuerung von Einkünften der Bau- und Montagebetriebsstätte entsteht.

2.34.1 Begründung der Bau- und Montagebetriebsstätte vor dem (§ 34 Absatz 1 BsGaV)

383 § 34 Absatz 1 BsGaV lässt zu, das Ergebnis einer Bau- und Montagebetriebsstätte i. S. d. § 30 Satz 1 BsGaV bis zu ihrer Beendigung nach den bisher von der Finanzverwaltung anerkannten Grundsätzen zu ermitteln, wenn die Bau- und Montagebetriebsstätte schon vor dem bestand.

Fall (1) – Übergangsregelung und neuer Anschlussvertrag:

Für ein Bauvorhaben im Staat A schließt ein inländisches Bau- und Montageunternehmen X (X) im Jahr 2012 mit dem Kunden K den Vertrag über Erdarbeiten im ausländischen Staat ab. Die Bauarbeiten beginnen im Jahr 2012 und führen zur Bau- und Montagebetriebsstätte A (A). Im Jahr 2013 schließt X mit K einen neuen Vertrag über die Rohbauarbeiten für dasselbe Bauvorhaben ab. Zum zusätzlichen Vertragsabschluss über Rohbauarbeiten im Jahr 2013 ist es gekommen, weil K mit der Ausführung des Vertrags aus dem Jahr 2012 zufrieden ist.

Lösung:

Wegen des wirtschaftlichen und örtlichen Zusammenhangs handelt es sich bei dem Vertrag über den Rohbau um einen Anschlussvertrag (siehe Rn. 343). Deshalb führt die Durchführung beider Verträge (Erdarbeiten und Rohbau) zu einer einheitlichen Bau- und Montagebetriebsstätte (Gesamtprojekt). Diese Bau- und Montagebetriebsstätte A entstand vor dem . Die Übergangsregelung ist nach § 34 Absatz 1 BsGaV auf das Gesamtprojekt anwendbar.

Fall (2) – Unterschiedliche Behandlung derselben Bau- und Montagebetriebsstätte:

Für das inländische Bau- und Montageunternehmen X (X) entsteht im Jahr 2012 eine ausländische Bau- und Montagebetriebsstätte A (A) im Staat A. Sie hat voraussichtlich eine Laufzeit von 3 Jahren. Für A wird der Gewinn für die Jahre 2012 und 2013 entsprechend den VWG Betriebsstätten ermittelt. Für das Jahr 2014 möchte X die neue Regelung anwenden.

Lösung:

Da sich das Wahlrecht nach dem Wortlaut des § 34 BsGaV jeweils auf eine (einheitliche) Bau- und Montagebetriebsstätte bezieht, kann das Wahlrecht nur einheitlich und insgesamt für A ausgeübt werden. Es besteht kein unterschiedliches Wahlrecht für einzelne Jahre des Bestehens einer Bau- und Montagebetriebsstätte.

2.34.2 Anwendung auf später begründete Bau- und Montagebetriebsstätten (§ 34 Absatz 2 BsGaV)

384 Die bisher von der Finanzverwaltung anerkannten Grundsätze können trotz § 1 Absatz 5 AStG unter den kumulativen Voraussetzungen des § 34 Absatz 2 BsGaV auch für Bau- und Montagebetriebsstätten angewendet werden, die in den Jahren 2013 oder 2014 entstehen (§ 40 BsGaV). An die Glaubhaftmachung nach § 34 Absatz 2 Nummer 2 BsGaV sind keine hohen Anforderungen zu stellen, wenn der Bau- oder Montagevertrag – unabhängig vom Entstehen der Bau- und Montagebetriebsstätte – vor dem abgeschlossen wurde.

385 Entsteht eine Bau- und Montagebetriebsstätte zwar nach dem aber vor dem Ablauf des abweichenden Wirtschaftsjahrs des Bau- und Montageunternehmens 2014/2015, so können die bisher von der Finanzverwaltung anerkannten Grundsätze nach § 34 Absatz 2 BsGaV auch für dieses Wirtschaftsjahr angewendet werden.

Fall – Abweichendes Wirtschaftsjahr:

Das inländische Bau- und Montageunternehmen X (X) hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 01.10. bis zum 30.09. Im Jahr 2015 entsteht für X in Staat A vor dem 01.10. eine ausländische Bau- und Montagebetriebsstätte A (A).

Lösung:

Für A können die Einkünfte unter den in § 34 Absatz 2 BsGaV genannten Voraussetzungen nach den bisher von der Finanzverwaltung anerkannten Grundsätzen ermittelt werden. § 34 Absatz 2 BsGaV gilt für alle Bau- und Montagebetriebsstätten von X, die vor dem entstehen.

2.35 Allgemeines zu Förderbetriebsstätten (§ 35 BsGaV)

2.35.1 Definition Förderbetriebsstätte, Bergbauunternehmen, Erdöl- oder Erdgasunternehmen (§ 35 Absatz 1 BsGaV)

386 Abschnitt 5 der BsGaV (§§ 35 bis 38 BsGaV) ist speziell auf Förderbetriebsstätten anzuwenden. § 35 Absatz 1 Satz 1 BsGaV definiert den Begriff Förderbetriebsstätte: Darunter fallen Betriebsstätten, die zur Förderung von Bodenschätzen entstehen und nach Abschluss der Fördertätigkeit enden. Jedes Unternehmen, zu dem eine Förderbetriebsstätte gehört, ist ein Bergbau- bzw. ein Erdöl- oder Erdgasunternehmen i. S. d. § 35 Absatz 1 Satz 2 BsGaV, unabhängig davon, ob die Fördertätigkeit einen wesentlichen Teil oder den Hauptteil der Geschäftstätigkeit dieses Unternehmens ausmacht.

Fall – Kontraktor:

Das inländische Unternehmen Y (Y), das nicht auf eigenes Risiko in der Erdöl-/Erdgasförderung tätig ist, übernimmt vom inländischen Unternehmen X (X) den Auftrag, als Kontraktor (Auftragnehmer) seismologische Untersuchungen und das Abteufen einer Bohrung im Staat A durchzuführen. Die Ergebnisse von Y stehen X zu. X verwertet sie im Rahmen eines Explorationsrechts, das X vom Staat A durch einen Produktionsteilungsvertrag (Production Sharing Agreement – PSA) erhält.

Lösung:

Nur X ist Erdöl- oder Erdgasunternehmen i. S. d. § 35 Absatz 1 Satz 2 BsGaV, nicht Y. Denn Y wird lediglich als Dienstleister tätig. Führen die Arbeiten von Y zu einer Betriebsstätte in Staat A, sind darauf die allgemeinen Vorschriften der §§ 1 bis 17 BsGaV anzuwenden. Es handelt es sich nicht um eine Förderbetriebsstätte i. S. d. § 35 Absatz 1 Satz 1 BsGaV.

387 Ein Explorationsrecht (siehe Rn. 394) wird u. a. durch den Abschluss eines Production Sharing Agreement (PSA) begründet. Ein PSA, das verschiedentlich auch als Production Sharing Contract (PSC) oder Exploration and Production Sharing Agreement (EPSA) bezeichnet wird, ist ein zivilrechtlicher/öffentlich-rechtlicher Vertrag, in dem in erster Linie folgende Rechte und Pflichten vereinbart werden:

  • Ein Förderstaat, dem Bodenschätze (meist Kohlenwasserstoffe) rechtlich zuzuordnen sind, erteilt einem oder mehreren Erdöl- oder Erdgasunternehmen eine oder mehrere Erdöl- oder Erdgaskonzessionen.

  • Im Erfolgsfall verpflichtet sich das Erdöl- oder Erdgasunternehmen (bzw. verpflichten sich die beteiligten Erdöl- oder Erdgasunternehmen), die Erdöl- bzw. Erdgasproduktion nach einem festgelegten Schlüssel mit dem Förderstaat zu teilen.

Vertragspartner auf Seiten des Förderstaats sind im Regelfall dessen staatliche Organe und/oder seine staatliche Erdöl-/Erdgasgesellschaft. Anstelle der sonstigen allgemein gültigen Steuerregelungen des Förderstaats wendet dieser die speziellen (steuerlichen) Regelungen eines PSA an bzw. die PSA-Regelungen ergänzen die allgemein gültigen Steuerregelungen.

388 Die konkreten Voraussetzungen für das Entstehen oder die Beendigung einer Förderbetriebsstätte richten sich nach § 12 AO bzw. den anzuwendenden DBA (siehe Tz. 4.7 VWG Betriebsstätten). Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass eine Förderbetriebsstätte zu dem Zeitpunkt entsteht, zu dem die Fördertätigkeit aufgenommen wird (§ 36 Absatz 3 BsGaV). Die Fördertätigkeit wird mit Beginn des Aufbaus der Förderanlagen aufgenommen (siehe Tz. 4.7 Satz 5 und 6 VWG Betriebsstätten). Durch den Aufbau der Förderanlagen macht das Bergbau- bzw. Erdöl- oder Erdgasunternehmen deutlich, dass es von der wirtschaftlichen Fündigkeit (siehe Tz. 4.7.2 VWG Betriebsstätten) des betreffenden Explorationsrechts (siehe Rn. 394) ausgeht.

Fall – Entstehungszeitpunkt einer Förderbetriebsstätte:

Das inländische Erdölunternehmen X (X) besitzt ein Explorationsrecht für ein Gebiet im Staat A. Zur Durchführung der Förderung werden im Inland Planungstätigkeiten ausgeführt. Am beginnen Mitarbeiter von X im Staat A, die Förderanlage aufzubauen.

Lösung:

Der Förderbetrieb wird am aufgenommen, da der Beginn des Aufbaus der Förderanlagen nach § 36 Absatz 3 BsGaV als Zeitpunkt der Aufnahme der Fördertätigkeit und damit als Beginn der Förderbetriebsstätte F gilt.

389 Die vor dem Zeitpunkt des Beginns des Aufbaus der Förderanlagen im Förderstaat ausgeübte Geschäftstätigkeit ist vorbereitender Art (siehe Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe e OECD-MA) und führt im DBA-Fall weder zu einer Betriebsstätte noch zu einer Förderbetriebsstätte. In Fällen ohne DBA kann im Einzelfall vor Begründung einer Förderbetriebsstätte nach § 12 Satz 2 Nummer 7 AO eine Betriebsstätte nach § 12 Satz 2 Nummer 8 AO entstehen (Bau- und Montagebetriebsstätte, siehe Rn. 341 ff.), auf die unter den Voraussetzungen der Rn. 23 die entsprechenden Regelungen der BsGaV und dieses BMF-Schreibens anzuwenden sind.

390 Entfällt die wirtschaftliche Fündigkeit später wieder, weil sich herausstellt, dass das Explorationsrecht (siehe Rn. 394) nicht wirtschaftlich sinnvoll ausgebeutet werden kann, so wird die entstandene Förderbetriebsstätte zu diesem Zeitpunkt beendet. Eine zeitliche Verzögerung der bereits begonnenen Einrichtung der Förderbetriebsstätte (Beginn des Aufbaus der Förderanlagen, siehe Rn. 388) hat dagegen keinen Einfluss auf das Bestehen der Förderbetriebsstätte. Soweit in derartigen Fällen das Explorationsrecht der Förderbetriebsstätte zuzurechnen ist, sind die Konsequenzen des § 37 Absatz 2 und 3 BsGaV zu ziehen.

391 Auf Förderbetriebsstätten sind die allgemeinen Vorschriften des Abschnitts 1 der BsGaV anzuwenden, es sei denn, Abschnitt 5 der BsGaV enthält besondere Regelungen. Wird in einer Förderbetriebsstätte auch eine andere Geschäftstätigkeit ausgeübt, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Fördertätigkeit steht, so sind ihre Einkünfte aus der anderen Geschäftstätigkeit nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 1 bis 17 BsGaV zu ermitteln.

Fall – Andere Geschäftstätigkeit:

Das inländische Bergbauunternehmen X (X) fördert im Staat A in der Förderbetriebsstätte F (F) im Jahr 01 Bodenschätze auf Grundlage eines PSA. Im Jahr 02 führt Personal von F vor Ort eine Schulung von Personal des übrigen Unternehmens hinsichtlich bohrtechnischer Fragen durch.

Lösung:

Das bereits bestehende Explorationsrecht ist unter den Voraussetzungen des § 36 Absatz 3 BsGaV mit Beginn der Errichtung der Produktionsanlagen F zuzurechnen. Die Schulung für das Personal des übrigen Unternehmens stellt daneben eine (risikoarme) fiktive Dienstleistung von F i. S. d. § 16 Absatz 1 Nummer 2 BsGaV dar, für die die Kostenaufschlagsmethode anzuwenden ist.

Hinzuweisen ist auf die Rn. 63 (Aufzeichnungspflichten), die u. a. den Zweck verfolgt, internationale Besteuerungskonflikte (Doppelbesteuerung bzw. Nichtbesteuerung) zu erkennen und nach Möglichkeit zu vermeiden.

392 Beteiligen sich zwei oder mehr Bergbau- bzw. Erdöl- oder Erdgasunternehmen gemeinsam an einem Explorationsrecht (siehe Rn. 394), so bilden diese im Regelfall ein Konsortium (siehe auch Konsortien von Bau- und Montageunternehmen, die im Regelfall keine Mitunternehmerschaft begründen, siehe Rn. 346). Folge ist, dass die Förderbetriebsstätte der Konsorten keine gemeinsame Förderbetriebsstätte ist, sondern dass es sich im Regelfall steuerrechtlich um jeweils eine (anteilige) Förderbetriebsstätte jedes einzelnen Konsorten handelt. Ein Konsortium ist nur dann eine Mitunternehmerschaft, wenn die Konsorten die geförderten Rohstoffe gemeinsam vermarkten.

Fall (1) – Konsortial-Förderbetriebsstätten:

Zwei inländische Erdölunternehmen X (X) und Y (Y) schließen einen Explorationsvertrag mit einer staatlichen Gesellschaft in Staat A (DBA entsprechend OECD-MA) über ein dortiges Explorationsgebiet ab. Mit Abschluss dieses Vertrags gründen X und Y ein Konsortium. X übernimmt die Betriebsführerschaft (Operatorship; Operator ist, wer die Explorations- und Förderarbeiten durchführt), Y leistet finanzielle Beiträge (Kostenbeteiligung), schickt aber kein eigenes Personal zum Zwecke der Exploration (oder auch der späteren Förderung) in den Staat A. Den jeweiligen Anteil an den ggf. geförderten Rohstoffen vermarkten X und Y selbständig. Nach 14 Monaten Explorationstätigkeit durch Personal des Operators X im Staat A beginnt das Konsortium (der Operator) mit der Aufstellung der Förderanlagen.

Lösung:

Mangels gemeinsamer Vermarktung der geförderten Rohstoffe ist das Konsortium-X/Y keine Mitunternehmerschaft. In Staat A bestehen bis zum Beginn der Aufstellung der Förderanlagen im Regelfall weder eine Betriebsstätte von X noch von Y, da X lediglich Tätigkeiten vorbereitender Art (Exploration) durchführt, die keine DBA-Betriebsstätte begründen (siehe Artikel 5 Absatz 4 OECD-MA) und Y keinerlei physische Präsenz in Staat A hat. Die entstehenden anteiligen Aufwendungen von X und Y sind entsprechend dem abgeschlossenen Konsortialvertrag aufzuteilen und im Inland jeweils abzugsfähige Betriebsausgaben. Erst mit Beginn der Aufstellung der Förderanlagen entsteht in Staat A die Förderbetriebsstätte F des Konsortiums, die steuerrechtlich aus zwei Förderbetriebsstätten der einzelnen Konsorten besteht. Das Personal von X, das Personalfunktionen für die beiden Förderbetriebsstätten ausübt (d. h. anteilig auch für die Förderbetriebsstätte F von Y), gilt i. S. d. § 2 Absatz 4 Satz 2 BsGaV als von X an die Förderbetriebsstätte F von Y überlassen.

Fall (2) – Konsortial-Förderbetriebsstätten, vorher eigenständige Geschäftstätigkeit der Konsorten:

Im Jahr 01 erwirbt das inländische Bergbauunternehmen X (X) 30 % eines Explorationsrechts im Staat A (DBA entsprechend OECD-MA), das bisher zu 100 % vom ausländischen Unternehmen Z (Z) aus Staat B gehalten wird. X und Z bilden ein Konsortium mit getrennter Verwertung der geförderten Rohstoffe. Z bleibt Betriebsführer (Operator). Non-Operator X mietet Büroräume im Staat A an, in denen mehrere Mitarbeiter arbeiten, die sich während der Explorationsphase vor Ort mit dem Personal von Z abstimmen bzw. laufende Überwachungsarbeiten für X durchführen. Im Jahr 05 werden die Explorationsarbeiten erfolgreich abgeschlossen und ab dem Jahr 06 die Produktionsanlagen errichtet. Zu Beginn des Jahrs 08 beginnt die auf Dauer angelegte Förderung.

Lösung:

Mangels gemeinsamer Vermarktung der geförderten Rohstoffe ist das Konsortium-X/Z keine Mitunternehmerschaft, die selbst eine Betriebsstätte haben könnte. Die Aktivitäten von X und Z bis zum Jahr 05 führen als Tätigkeiten vorbereitender Art i. S. d. Artikels 5 Absatz 4 Buchstabe e OECD-MA im Staat A zu keiner Betriebsstätte (erst recht zu keiner Förderbetriebsstätte). Mit Beginn der Errichtung der Produktionsanlagen im Jahr 06 entstehen gem. Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe f OECD-MA jeweils die Förderbetriebsstätten F 1 und F 2 der Konsorten X und Z.

Abwandlung (1) – Nicht-DBA-Staat:

Im Unterschied zu Fall 2 erwirbt X das 30 %ige Explorationsrecht von Z, der im Nicht-DBA-Staat C unbeschränkt steuerpflichtig ist. Als Non-Operator benötigt X im Staat C weder Geschäftsräume noch Personal.

Lösung:

Mangels geplanter gemeinsamer Vermarktung der geförderten Rohstoffe ist das Konsortium-X/Z keine Mitunternehmerschaft, die eine Bau- und Montagebetriebsstätte entsprechend § 12 Satz 2 Nummer 8 AO oder eine Förderbetriebsstätte entsprechend § 12 Satz 2 Nummer 7 AO haben könnte. Führen die Aktivitäten von Z in den Jahren bis einschließlich 05 zu einer Bau- und Montagebetriebsstätte (entsprechend § 12 Satz 2 Nummer 8 AO), gilt dies nicht für X. Für X als Non-Operator ist grundsätzlich gesondert zu prüfen, ob er ebenfalls aufgrund seiner eigenen unternehmerischen Tätigkeit vor Ort die Voraussetzungen für das Entstehen einer Bau- und Montagebetriebsstätte erfüllt (siehe Rn. 346). Wird allerdings das Personal von Z später so behandelt, dass dieses Personal i. S. d. § 2 Absatz 4 Satz 2 BsGaV als von Z an die spätere Förderbetriebsstätte von X überlassen gilt (siehe Lösung Fall 1), sind konsequenterweise auch zwei Bau- und Montagebetriebsstätten von Z und X anzunehmen. Z überlässt X dann entsprechend Personal für dessen Bau- und Montagebetriebsstätte.

Abwandlung (2):

X mietet im Nicht-DBA-Staat C für die Explorationszeit Büroräume an, in denen mehrere Mitarbeiter arbeiten, die hauptsächlich Repräsentationsaufgaben und Überwachungstätigkeiten wahrnehmen und sich außerdem vor Ort mit Personal des Operators Z abstimmen.

Lösung:

X begründet im Staat C die Betriebsstätte C (§ 12 Satz 2 Nummer 3 AO), die fiktive Dienstleistungen für das übrige Unternehmen i. S. d. § 16 Absatz 1 Nummer 2 BsGaV erbringt. Diese fiktiven Dienstleistungen sind mit Preisen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen, zu verrechnen (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

393 Derjenige, der das Explorationsrecht (siehe Rn. 394) gewährt (im Regelfall der ausländische Staat bzw. eine seiner Untergliederungen oder Organe), gehört weder zu einem Konsortium noch bildet er mit einem oder mehreren Bergbau- bzw. Erdöl- oder Erdgasunternehmen eine Mitunternehmerschaft.

2.35.2 Definition Explorationsrecht (§ 35 Absatz 2 BsGaV)

394 Das Explorationsrecht umfasst nach § 35 Absatz 2 BsGaV sowohl Rechte zur Suche von Bodenschätzen als auch Rechte zur Förderung von Bodenschätzen. Ein Explorationsrecht wird von einem Bergbau- bzw. von einem Erdöl- oder Erdgasunternehmen im Regelfall entgeltlich erworben. Es ist möglich, dass mehrere Explorationsrechte, die örtlich voneinander zu unterscheidende Rechte zur Suche oder Förderung von Bodenschätzen gewähren, in einem PSA, einem PSC oder einem EPSA (siehe Rn. 387) enthalten sind.

2.36 Besondere Zuordnungsregelungen für Förderbetriebsstätten (§ 36 BsGaV)

2.36.1 Grundsatz (§ 36 Absatz 1 BsGaV)

395 § 36 Absatz 1 Satz 1 BsGaV geht davon aus, dass im Regelfall ein Explorationsrecht, das Gegenstand der Geschäftstätigkeit der Förderbetriebsstätte ist, zum Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung nicht der Förderbetriebsstätte zugeordnet werden kann, denn das Explorationsrecht wird von einem Bergbau- bzw. von einem Erdöl- oder Erdgasunternehmen zu einem Zeitpunkt angeschafft, zu dem die Förderbetriebsstätte noch nicht besteht. Die Förderbetriebsstätte entsteht erst mit dem Beginn des Aufbaus der Förderanlagen (siehe Rn. 388). Die vorhergehenden Arbeiten sind lediglich vorbereitender Natur.

396 Beschränken sich die späteren Aktivitäten der Förderbetriebsstätte darauf, aufgrund des Explorationsrechts lediglich Bodenschätze zu fördern, ohne den Vertrieb der gewonnenen Bodenschätze oder deren Verwertung durch eine eigene maßgebliche Personalfunktion durchzuführen, so stellt eine solche Nutzung des Explorationsrechts allein nicht die maßgebliche Personalfunktion für die Zuordnung des Explorationsrechts dar. Deshalb ist grundsätzlich eine der Voraussetzungen dafür, der Förderbetriebsstätte das Explorationsrecht zuzuordnen, dass die Förderbetriebsstätte die in § 36 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder 2 BsGaV genannten Personalfunktionen der Anschaffung des Explorationsrechts ausübt (siehe aber § 36 Absatz 3 BsGaV).

397 Von der Herstellung eines Explorationsrechts durch das Bergbau- bzw. das Erdöl- oder Erdgasunternehmen ist nur auszugehen, wenn das Explorationsrecht ohne Gegenleistung entsteht, z. B. ausschließlich durch Registrierung. Eine Gegenleistung – und damit eine Anschaffung des Explorationsrechts – liegt dagegen insbesondere dann vor, wenn eine Zahlung für die Übertragung bzw. Einräumung des Explorationsrechts geleistet wird, aber auch, wenn bewertbare Gegenleistungen vereinbart werden. Die Regelungen in Tz. 4.7.3 der VWG Betriebsstätten zur steuerlichen Behandlung der Explorationsaufwendungen im Anschaffungs- bzw. Herstellungsfall sind unverändert anzuwenden.

398 § 36 Absatz 1 Satz 2 BsGaV macht die Zuordnung des Explorationsrechts zur Förderbetriebsstätte zusätzlich davon abhängig, dass die Bedeutung der in § 36 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder 2 BsGaV genannten Personalfunktionen, die in der Förderbetriebsstätte ausgeübt werden, gegenüber der Bedeutung der betreffenden Personalfunktionen, die im übrigen Unternehmen ausgeübt werden, eindeutig überwiegt. Damit kommt der Nutzung des Explorationsrechts durch die Förderbetriebsstätte für die Zuordnung letztlich keine entscheidende Bedeutung zu, da diese Nutzung im Regelfall nur der Erfüllung ihrer fiktiven Dienstleistung gegenüber dem übrigen Unternehmen dient.

Fall – Zuerwerb eines Explorationsrechts mit Hilfe von Personal einer bestehenden Förderbetriebsstätte:

Das inländische Bergbauunternehmen X (X) fördert in Staat A Erdöl. In der deswegen entstehenden Förderbetriebsstätte F (F) sind zahlreiche Mitarbeiter beschäftigt. X erwirbt zusätzlich 40 % der Anteile an einem weiteren Explorationsrecht im gleichen Staat. Der Erwerbsvorgang wird von den Fachabteilungen des übrigen Unternehmens verhandelt. Sporadisch hilft Personal, das sonst F zuzuordnen ist, mit logistischer Hilfe aus. Der Erwerbsvertrag wird von Personal des übrigen Unternehmens im Inland unterzeichnet (hier: inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte).

Lösung:

Die maßgeblichen Personalfunktionen im Zusammenhang mit dem Erwerb des neuen Explorationsrechts werden durch das Personal des übrigen Unternehmens ausgeübt, so dass das Explorationsrecht gem. § 36 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 BsGaV bis zum späteren Entstehen einer Förderbetriebsstätte dem übrigen Unternehmen zuzurechnen ist. Die sporadische Inanspruchnahme von Personal, das sonst F zuzuordnen ist, ist eindeutig nicht maßgeblich für den Erwerb, da die Bedeutung der vom übrigen Unternehmen in Bezug auf den Anschaffungsvorgang ausgeübten Personalfunktionen eindeutig überwiegt. Die Kosten, die für die Hilfe des Personals, das sonst F zuzuordnen ist, anfallen, sind gesondert zu ermitteln, denn diese Kosten sind keine Kosten von F, sondern Kosten für Personalfunktionen von X.

Fallvariante 1 – Formale Unterschrift von Personal einer bestehenden Förderbetriebsstätte:

Der Erwerbsvertrag wird vom Geschäftsführer der ausländischen Förderbetriebsstätte F unterzeichnet.

Lösung:

Da es auf den rein formellen Akt der Vertragsunterzeichnung für die Frage, welche Personalfunktionen für die Anschaffung des Explorationsrechts maßgeblich sind, nicht ankommt (siehe Rn. 40), bleibt es dabei, dass das Explorationsrecht dem übrigen Unternehmen zuzuordnen ist. Die im Rahmen des Anschaffungsvorgangs für den Geschäftsführer von F entstandenen Kosten sind keine Kosten von F, sondern Kosten für Personalfunktionen von X.

Fallvariante 2:

Im Jahr 03 nimmt der Geschäftsführer von F im Rahmen eines Bieterkonsortiums, in enger Absprache mit Personal des übrigen Unternehmens, an einer Ausschreibung von Explorationsrechten im gleichen Staat teil und erhält den Zuschlag i. H. v. 60 % für ein neues Explorationsrecht. Die für dieses Explorationsrecht erforderlichen Operatortätigkeiten werden durch das Personal wahrgenommen, das bislang für F tätig ist.

Lösung:

Das neue Explorationsrecht ist gem. § 36 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV dem übrigen Unternehmen zuzuordnen (hier: der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte), da dessen Personal die maßgeblichen Personalfunktionen ausgeübt hat. Die Tätigkeit für das neue Explorationsrecht, die von Personal durchgeführt wird, das bislang für F tätig war, ist als Hilfstätigkeit anzusehen, die weder zur Begründung einer Betriebsstätte noch einer Förderbetriebsstätte führt. Da diese Tätigkeit keine Geschäftstätigkeit von F ist, kann sie F auch nicht zugeordnet werden. An der Zuordnung des neuen Explorationsrechts zum übrigen Unternehmen ändert sich nichts. Kosten der Operatortätigkeit für das neue Explorationsrecht, die durch Personal verursacht werden, das bisher F zugeordnet war, sind dem übrigen Unternehmen und nicht F zuzuordnen.

2.36.2 Zuordnung zum übrigen Unternehmen (§ 36 Absatz 2 BsGaV)

399 Nach § 36 Absatz 2 BsGaV ist das Explorationsrecht dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, wenn es der ausländischen Förderbetriebsstätte nicht nach § 36 Absatz 1 BsGaV zugeordnet werden kann. Das Explorationsrecht gilt als vom übrigen Unternehmen für die Dienstleistung der ausländischen Förderbetriebsstätte unentgeltlich zur Verfügung gestellt (Beistellung). Da in den Fällen der Beistellung die ursprüngliche Zuordnung des Explorationsrechts zum Bergbau- bzw. zum Erdöl- oder Erdgasunternehmen, in dem die maßgebliche Personalfunktion für den Erwerb ausgeübt wurde, nicht geändert wird, findet keine Entstrickung i. S. d. § 4 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG statt. Es liegt auch keine Nutzungsentnahme nach § 4 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG vor, denn die Nutzung als solche erfolgt nicht für betriebsfremde Zwecke (für Zwecke der ausländischen Förderbetriebsstätte), sie dient vielmehr unmittelbar den betrieblichen Zwecken des übrigen Unternehmens und kommt ihm zugute.

2.36.3 Sonderregelung: Verknüpfung der Zuordnung mit der Behandlung im Staat, in dem die Förderbetriebsstätte liegt (§ 36 Absatz 3 BsGaV)

400 Das Explorationsrecht ist nach § 36 Absatz 3 BsGaV abweichend von § 36 Absatz 2 BsGaV zum Zeitpunkt des Beginns der Errichtung der Produktionsanlagen (siehe Rn. 388) der Förderbetriebsstätte zuzuordnen, wenn das Unternehmen nachweist, dass der Staat, in dem die Förderbetriebsstätte liegt, ebenfalls von dieser Zuordnung ausgeht. Der Nachweis kann z. B. durch Vorlage eines PSA (siehe Rn. 387) zwischen dem Unternehmen und diesem Staat erbracht werden.

401 Die Zuordnung nach § 36 Absatz 3 BsGaV ist in den Folgejahren – unabhängig von den sonstigen Zuordnungsregeln – beizubehalten, solange der Staat, in dem die Förderbetriebsstätte liegt, von der Zuordnung des Explorationsrechts zur Förderbetriebsstätte ausgeht.

Fall (1) – Nachweis der Besteuerung durch Vorlage des PSA:

Das inländische Bergbauunternehmen X (X) nimmt die auf Dauer angelegte Förderung im Nicht-DBA-Staat A auf der Grundlage eines PSA auf. Dadurch entsteht die Förderbetriebsstätte F (F).

Lösung:

Staat A nimmt für F sein Besteuerungsrecht wahr. Dies auch dann, wenn keine Besteuerung i. S. d. deutschen Steuerrechts durchgeführt wird, sondern z. B. entsprechend dem konkret abgeschlossenen PSA ein Anteil der Förderung abgeführt werden muss. Gem. § 36 Absatz 3 Satz 1 BsGaV ist das Explorationsrecht ab dem Zeitpunkt des Beginns des Aufbaus der Förderanlagen und der gleichzeitig gem. § 12 Satz 2 Nummer 7 AO begründeten Förderbetriebsstätte F dem Staat A zuzurechnen. Als Nachweis i. S. d. § 36 Absatz 3 Satz 1 BsGaV ist die Vorlage einer Kopie des ggf. auszugsweise zu übersetzenden PSA vorzulegen (siehe Tz. 3.2.5 VWG Verfahren).

Fall (2) – Nachweis der Zuordnung des Explorationsrechts durch einen Wirtschaftsprüfer:

Das Bergbauunternehmen X (X) beginnt im Jahr 01 mit dem Aufbau der Förderanlagen im Staat A (DBA entsprechend OECD-MA) auf Grundlage eines Explorationsrechts. Dadurch entsteht die Förderbetriebsstätte F (F). X legt die Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers vor, der die im Inland gestellten Anforderungen an einen Wirtschaftsprüfer erfüllt, dass Staat A von einer Zuordnung des Explorationsrechts zu F ausgeht.

Lösung:

Als Nachweis i. S. d. § 36 Absatz 3 Satz 1 BsGaV genügt die Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers, der die im Inland gestellten Anforderungen an einen Wirtschaftsprüfer erfüllt.

2.36.4 Entsprechende Anwendung des § 31 Absatz 1 bis 3 BsGaV (§ 36 Absatz 4 BsGaV)

402 Nach § 36 Absatz 4 Satz 1 BsGaV ist im Regelfall des § 36 Absatz 2 BsGaV für die Zuordnung aller anderen Vermögenswerte § 31 Absatz 1 bis 3 BsGaV sinngemäß anzuwenden. Die Geschäftstätigkeit einer Förderbetriebsstätte ist als risikoarme fiktive Dienstleistung für das übrige Unternehmen anzusehen, vor allem wenn der Förderbetriebsstätte wegen der Beistellung des Explorationsrechts durch das übrige Unternehmen nach § 36 Absatz 2 BsGaV keine besonders werthaltigen Vermögenswerte zuzuordnen sind.

403 Ist das Explorationsrecht zum Zeitpunkt der Aufnahme der Fördertätigkeit nach § 36 Absatz 3 BsGaV der Förderbetriebsstätte zuzuordnen, so sind für die Zuordnung der Vermögenswerte nach § 36 Absatz 4 Satz 2 BsGaV die allgemeinen Zuordnungsvorschriften anzuwenden (§§ 5 bis 8 BsGaV). § 35 Absatz 1 Satz 1 BsGaV bleibt im Übrigen unberührt.

Fall – Fremdfinanzierung einer Förderanlage:

Das inländische Erdöl-/Erdgasunternehmen X (X) beginnt am mit dem Aufbau der Förderanlagen im Nicht-DBA-Staat A auf Grundlage eines PSA. Infolge dessen entsteht im Staat A die Förderbetriebsstätte F (F) mit umfangreichen Produktionsanlagen (Anschaffungs- und Herstellungskosten von 2.000). X weist nach, dass für diese Investition eine Bankfinanzierung von 1.500 in Anspruch genommen wurde. Dafür fallen im Jahr 10 Zinsen von 60 an. Der Betrieb der Förderanlagen im Staat A erfolgt ausschließlich durch Personal von F.

Lösung:

Das der Förderung zugrunde liegende Explorationsrecht ist mit Beginn der auf Dauer angelegten Förderung am gem. § 36 Absatz 3 Satz 1 BsGaV F zuzurechnen. Die Produktionsanlagen sind ebenfalls gem. § 36 Absatz 4 Satz 2 i. V. m. § 5 Absatz 1 BsGaV mit dem Anschaffungs- bzw. Herstellungswert von 2.000 in der Hilfs- und Nebenrechnung von F zu erfassen. Die unmittelbar zum Aufbau der Produktionsanlagen eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten i. H. v. 1.500 sind F gem. § 35 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. § 14 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen. Diese Zuordnung bedingt gem. § 35 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. § 15 Absatz 1 BsGaV im Regelfall auch die Zuordnung der hiermit zusammenhängenden Zinsen von 60 zu F.

2.37 Anzunehmende schuldrechtliche Beziehung bei Förderbetriebsstätten (§ 37 BsGaV)

2.37.1 Grundsatz (§ 37 Absatz 1 BsGaV)

404 Nach § 37 Absatz 1 Satz 1 BsGaV gilt die Mitwirkung einer Förderbetriebsstätte an der Nutzung des vom Bergbau- bzw. vom Erdöl- oder Erdgasunternehmen erworbenen Explorationsrechts im Regelfall als fiktive Dienstleistung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 BsGaV) gegenüber dem übrigen Unternehmen (Ausnahme: siehe § 36 Absatz 3 und § 37 Absatz 2 BsGaV), für die der Verrechnungspreis nach § 37 Absatz 1 Satz 2 BsGaV im Regelfall durch Anwendung der Kostenaufschlagsmethode zu bestimmen ist, wenn die von der Förderbetriebsstätte erbrachte fiktive Dienstleistung eine Routinetätigkeit ist. Von einer Routinetätigkeit ist auszugehen, wenn die Förderbetriebsstätte lediglich die eigentlichen Förderarbeiten erbringt, auch wenn diese technisch schwierig und anspruchsvoll sind, während die eigentliche Wertschöpfung im übrigen Unternehmen erfolgt.

405 Für die Anwendung einer kostenorientierten Verrechnungspreismethode nach § 37 Absatz 1 Satz 2 BsGaV gehören zur Kostenbasis der Förderbetriebsstätte vor allem die Personalkosten, die unmittelbar durch ihre eigenen Personalfunktionen verursacht werden. Als unmittelbare Kosten gelten alle direkten Kosten der Personalfunktionen die der Förderbetriebsstätte nach § 4 BsGaV zuzuordnen sind (z. B. Bruttolöhne, Sozialabgaben, Zuführungen zu Pensionsrückstellungen, Reisekosten).

406 Soweit darüber hinaus durch die Ausübung von Personalfunktionen einer Förderbetriebsstätte selbst weitere Kosten verursacht werden (z. B. Materialbeschaffung), gehören diese Kosten dann zur maßgeblichen Kostenbasis, wenn der jeweilige Vertrag der Förderbetriebsstätte nach § 9 BsGaV zuzuordnen ist.

407 Fehlmaßnahmen, die durch Personalfunktionen einer Förderbetriebsstätte verursacht werden, sind von ihr zu tragen (ohne Vergütung der entstehenden Kosten). Das Risiko der Förderbetriebsstätte ist durch ihren Gewinnaufschlag abgegolten. Daher gehören Kosten, die dadurch entstehen, dass es aufgrund von eigenen Personalfunktionen der Förderbetriebsstätte zu Fehlmaßnahmen kommt oder dass die Förderbetriebsstätte eigene Fehler beseitigt, nicht zur Kostenbasis der Förderbetriebsstätte. In solchen Fällen kann eine Förderbetriebsstätte, die Routinetätigkeiten ausübt, auch Verluste erzielen.

408 Fehlmaßnahmen, die durch Personalfunktionen des übrigen Unternehmens verursacht werden, dürfen den Gewinn einer Förderbetriebsstätte nicht beeinflussen. Entstehen einer Förderbetriebsstätte Kosten aufgrund von Fehlmaßnahmen, die durch Personalfunktionen des übrigen Unternehmens verursacht werden, sind diese Kosten in die Kostenbasis einzubeziehen.

409 Zur Kostenbasis einer Förderbetriebsstätte gehören in den Fällen des § 37 Absatz 1 BsGaV keine mittelbaren Kosten, wie z. B. die allgemeinen Verwaltungs- oder Geschäftskosten, die aufgrund von Personalfunktionen des übrigen Unternehmens entstehen.

2.37.2 Änderung der Zuordnung des Förderrechts als anzunehmende schuldrechtliche Beziehung (§ 37 Absatz 2 BsGaV)

410 Ändert sich die Zuordnung des Explorationsrechts nach § 36 Absatz 3 BsGaV, so liegt eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung i. S. d. § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV vor (fiktive Veräußerung), für die grundsätzlich ein Verrechnungspreis anzusetzen ist, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (§ 16 Absatz 2 BsGaV). Ist für die fiktive Veräußerung des Explorationsrechts – wie im Regelfall – der hypothetische Fremdvergleich anzuwenden (§ 1 Absatz 3 Satz 5 ff. AStG), sind die Ertragsaussichten aus der Ausbeutung des Explorationsrechts jeweils aus Sicht der Förderbetriebsstätte und aus Sicht des übrigen Unternehmens entscheidend (fiktive Vertragspartner).

Fall – Unterschiedliche Entwicklung von Explorationsrechten:

Das inländische Erdöl-/Erdgasunternehmen X (X) unterhält im Staat A auf Grundlage jeweils rechtswirksam abgeschlossener PSA zwei Explorationsrechte: das Explorationsrecht (ER-1) und das Explorationsrecht (ER-2). Für das ER-1 ist die Explorations-/Entwicklungsphase abgeschlossen. Es wird bereits eine nachhaltige Förderung von Erdöl/Erdgas aufgenommen, so dass die Förderbetriebsstätte F (F) entsteht. Die Explorations-/Entwicklungsphase für das ER-2 dauert noch an.

Lösung:

Gem. § 37 Absatz 2 Satz 1 BsGaV liegt zum Zeitpunkt des Beginns des Aufbaus der Förderanlagen eine fiktive Veräußerung des ER-1 vom übrigen Unternehmen an F vor (§ 36 Absatz 3 Satz 1 BsGaV). Für die fiktive Veräußerung ist nach § 36 Absatz 2 BsGaV grundsätzlich ein Preis anzusetzen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (§ 16 Absatz 2 BsGaV). Der Verrechnungspreis ist im Regelfall nach dem hypothetischen Fremdvergleich zu ermitteln (§ 1 Absatz 3 Satz 5 ff. AStG). Das ER-2 ist unverändert dem übrigen Unternehmen zuzurechnen.

411 Erbringt das übrige Unternehmen nach Zuordnung des Explorationsrechts zur Förderbetriebsstätte ihr gegenüber fiktive Leistungen jeder Art (z. B. Geschäftsführung, Personalverwaltung usw.), sind diese zu Preisen zu verrechnen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen (siehe § 16 Absatz 2 BsGaV).

Fall – Dienstleistung durch das übrige Unternehmen:

Das inländische Erdöl-/Erdgasunternehmen X (X) hat zu 100 % ein Explorationsrecht im Staat A. Die Explorations-/Entwicklungsphase ist abgeschlossen. Es wird bereits mit dem Aufbau der Förderanlagen begonnen, so dass die Förderbetriebsstätte F (F) entsteht, der das Explorationsrecht unter den Voraussetzungen des § 36 Absatz 3 und 4 BsGaV zuzuordnen ist. Das übrige Unternehmen führt für das Personal von F im Inland Ausbildungs- und Schulungsmaßnahmen durch.

Lösung:

Die Ausbildungstätigkeit des übrigen Unternehmens ist eine fiktive Dienstleistung i. S. d. § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV für F. Diese fiktive Dienstleistung ist nach § 16 Absatz 2 BsGaV dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend zu verrechnen (Anwendung der Kostenaufschlagsmethode auf Basis der vom übrigen Unternehmen für die Schulungsmaßnahmen aufgewendeten Personalkosten).

2.37.3 Voraussetzungen für die Anerkennung eines niedrigeren Verrechnungspreises (§ 37 Absatz 3 BsGaV)

412 § 37 Absatz 3 Satz 1 BsGaV ermöglicht den Ansatz eines Verrechnungspreises für die fiktive Veräußerung des Explorationsrechts, der von dem nach § 37 Absatz 2 Satz 2 i. V. m. § 16 Absatz 2 Satz 1 BsGaV anzusetzenden Betrag abweicht. Voraussetzung hierfür ist, dass das Bergbau- bzw. das Erdöl- oder Erdgasunternehmen

  • nachweist, dass durch den niedrigeren Ansatz nach Satz 1 eine Doppelbesteuerung vermieden wird, und

  • mindestens einen Verrechnungspreis in Höhe der Aufwendungen ansetzt, die im Hinblick auf das Explorationsrecht bis zur Aufnahme der Fördertätigkeit entstanden sind.

Fall – Verrechnungspreis nach § 37 Absatz 3 BsGaV:

Das inländische Erdölunternehmen X (X) verfügt über ein Explorationsrecht für ein Gebiet im Staat A. Mit der Aufstellung der Förderanlagen wird am begonnen, wodurch die Förderbetriebsstätte F (F) entsteht. Der Wert des an F fiktiv veräußerten Explorationsrechts am , der sich aus den Ertragsaussichten aus der Ausbeutung des Explorationsrechts ableitet (§ 1 Absatz 3 Satz 5 ff. AStG), beträgt 3.000 (§ 16 Absatz 2 BsGaV). Die bis zur Aufnahme der Fördertätigkeit angefallenen Aufwendungen von X betragen 200. Staat A misst nach eigenem Recht dem Explorationsrecht zum einen von den angefallenen Aufwendungen abhängigen Wert von 200 bei.

Lösung:

Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung ist die Bewertung durch Staat A für die inländische Besteuerung anzuerkennen, wenn sie von X nachgewiesen wird (§ 37 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 BsGaV) und wenn zumindest die angefallenen Aufwendungen von 200 als Ausgleich angesetzt werden (§ 37 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 BsGaV).

Abwandlung 1 – Besteuerungskonflikt:

Staat A misst dem Explorationsrecht einen Wert von 150 bei.

Lösung:

Nach § 37 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 BsGaV ist mindestens ein Betrag in der Höhe der angefallenen Aufwendungen von 200 anzusetzen, auch wenn dadurch Doppelbesteuerung eintritt. Ggf. ist ein Verständigungsverfahren mit Staat A entsprechend Artikel 25 Absatz 1 OECD-MA durchzuführen, sonst bleibt es bei der Doppelbesteuerung.

Abwandlung 2 – Höherer Wert des Explorationsrechts im Förderstaat:

Staat A misst dem Explorationsrecht einen Wert von 500 bei.

Lösung:

Der nach § 37 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 BsGaV anzusetzende Wert beträgt 500, da dieser Wert zwar über dem Betrag der Aufwendungen bis zur Aufnahme der Fördertätigkeit liegt, aber immer noch niedriger ist als 3.000.

413 Der Betrag, der sich nach § 37 Absatz 2 Satz 2 BsGaV ergibt, ist der Betrag, der höchstens anzusetzen ist, auch wenn der Betrag, der sich rechnerisch nach § 37 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 BsGaV ergibt, ausnahmsweise höher sein sollte.

Fallabwandlung zu Fall Rn. 411:

Das Explorationsrecht hat einen Wert von 400; ermittelt entsprechend dem hypothetischen Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 Absatz 3 Satz 5 ff. AStG (§ 37 Absatz 2 Satz 2 BsGaV). Der Wert, der sich nach § 37 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 ergibt, beträgt 500.

Lösung:

Es ist höchstens der Preis, der sich nach den allgemeinen Regeln des Fremdvergleichsgrundsatzes ergibt, anzusetzen, d. h. 400. Auf die Beschränkung der Änderungsmöglichkeiten des § 1 AStG durch die Finanzverwaltung wird hingewiesen.

414 Zum Nachweis sind die entsprechende Besteuerung bzw. die entsprechende Belastung und die Zuordnung des Explorationsrechts durch den Staat, in dem die Förderbetriebsstätte liegt, anhand entsprechender Dokumente und Aufzeichnungen nachzuweisen (siehe Rn. 63). Dazu kann u. a. auch die Vorlage des Vertrags (z. B. PSA, EPSA oder PSC, siehe Rn. 387) dienen, der zwischen dem Staat, in dem die Förderbetriebsstätte liegt, und dem Bergbau- bzw. dem Erdöl- oder dem Erdgasunternehmen abgeschlossen wurde.

Fall – Nachweis der Vorkosten:

Das inländische Bergbauunternehmen X (X) erbringt nach Entstehen der Förderbetriebsstätte F (F) auf Grundlage der Regelungen des PSA für ein Explorationsrecht den Nachweis, dass Staat A die geförderten Erdgas- bzw. Erdölmengen besteuert und lediglich die in der Explorations- und Entwicklungsphase angefallenen Aufwendungen (Vorkosten) steuerlich zum Abzug zulässt. Deshalb erfasst X die angefallenen, steuerlich geltend gemachten Aufwendungen separat in der Buchführung für das Explorationsrecht von F (z. B. in einem separaten Buchungskreis oder unter einer bestimmten Projektnummer).

Lösung:

Gem. § 37 Absatz 3 Satz 2 BsGaV ist Voraussetzung für den Ansatz eines von § 16 Absatz 2 BsGaV abweichenden, niedrigeren Verrechnungspreises für den Übergang des Explorationsrechts auf F, dass X den Nachweis führt, dass durch die Anwendung des § 37 Absatz 3 Satz 2 BsGaV eine Doppelbesteuerung vermieden wird. Weitere Voraussetzung ist, dass der angesetzte Betrag mindestens den Vorkosten entspricht. Die erforderlichen Nachweise kann X durch verschiedene Unterlagen erbringen:

  • Vorlage des PSA,

  • Kopie der in Staat A eingereichten Steuererklärung,

  • Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers, der die im Inland gestellten Anforderungen erfüllt, dass Staat A von einer Zuordnung des Explorationsrechts zu F ausgeht und welcher Wert in Staat A angesetzt wurde,

  • Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass Staat A bei seiner Besteuerung lediglich die bis zur Aufnahme der Förderung entstandenen tatsächlichen Aufwendungen als Betriebsausgaben von F anerkennt.

2.37.4 Folgewirkung der Zuordnung nach § 36 Absatz 3 BsGaV (§ 37 Absatz 4 BsGaV)

415 In den Fällen des § 36 Absatz 3 BsGaV ist im Hinblick auf die Funktions- und Risikoanalyse für die Ermittlung der Verrechnungspreise und des Ergebnisses der Geschäftstätigkeit der Förderbetriebsstätte zu beachten, dass das Explorationsrecht der Förderbetriebsstätte zuzuordnen ist. Die Förderbetriebsstätte gilt in diesen Fällen entgegen § 37 Absatz 1 BsGaV nicht als bloßer fiktiver Dienstleistungserbringer für das übrige Unternehmen, sondern als Eigentümer des Explorationsrechts, der fiktiv wesentliche Unternehmensfunktionen ausübt. Die Einkünfteermittlung für die Förderbetriebsstätte nach Satz 1 und 2 ist beizubehalten, solange der Staat, in dem die Förderbetriebsstätte liegt, von der Zuordnung des Explorationsrechts zur Förderbetriebsstätte ausgeht und dies bei der Ermittlung der Einkünfte der Förderbetriebsstätte entsprechend berücksichtigt wird (§ 37 Absatz 4 Satz 2 BsGaV).

2.38 Übergangsregelung für Förderbetriebsstätten (§ 38 BsGaV)

2.38.1 Begründung der Förderbetriebsstätte vor dem (§ 38 Absatz 1 BsGaV)

416 § 38 Absatz 1 BsGaV lässt die Ermittlung der Einkünfte einer Förderbetriebsstätte i. S. d. § 34 BsGaV bis zur Beendigung der Förderbetriebsstätte nach den bisher von der Finanzverwaltung anerkannten Grundsätzen zu (Tz. 4.7 VWG Betriebsstätten), wenn die Förderbetriebsstätte schon vor dem bestand. Die Begründung einer Förderbetriebsstätte hängt vom Zeitpunkt des Eintritts ihrer wirtschaftlichen Fündigkeit ab (Tz. 4.7.2 VWG Betriebsstätten und Rn. 388). Die Übergangsregelung nach § 38 Absatz 1 BsGaV ist auch auf Fälle anzuwenden, in denen das Explorationsrecht vor dem angeschafft oder hergestellt, eine Förderbetriebsstätte nach den bisher von der Finanzverwaltung anerkannten Grundsätzen jedoch bis zum noch nicht begründet wurde. Durch die Übergangsregelung des § 38 Absatz 1 BsGaV wird es den Unternehmen ermöglicht, die bisherige Besteuerung beizubehalten und Umstellungsschwierigkeiten zu vermeiden.

Fall – Altfall und Fall des § 38 Absatz 2 BsGaV:

Das inländische Erdöl-/Erdgasunternehmen X (X) erwirbt im Jahr 2005 im Staat A (DBA entsprechend OECDMA) das Explorationsrecht (ER-1) und im Jahr 2014 ein weiteres Explorationsrecht (ER-2). Die wirtschaftliche Fündigkeit des ER-1 (siehe Tz. 4.7.2 VWG Betriebsstätten) trat im Jahr 2012 ein. Das erworbene ER-2 befindet sich unverändert noch in der Explorations-/Entwicklungsphase. Ein Beginn der Fördertätigkeit (Aufstellung der Förderanlagen) ist nicht absehbar.

Lösung:

ER-1 ist in der Explorationsphase (2005 – 2012) bis zum Zeitpunkt des Eintritts der wirtschaftlichen Fündigkeit im Jahr 2012 gem. Tz. 4.7.2 VWG Betriebsstätten i. V. m. der Übergangsregelung des § 38 Absatz 1 BsGaV dem übrigen Unternehmen zuzurechnen (hier: der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte von X). Für die Abgrenzung der Einkünfte zwischen F und dem übrigen Unternehmen in der Zeit nach Eintritt der wirtschaftlichen Fündigkeit gelten für eine Förderbetriebsstätte, die nach damaliger Rechtslage (siehe Tz. 4.7.2 VWG Betriebsstätten) mit Eintritt der wirtschaftlichen Fündigkeit, d. h. vor dem , entsteht, gem. der Übergangsregelung des § 34 Absatz 1 BsGaV die nach Tz. 4.3. der VWG Betriebsstätten anzuwendenden Grundsätze. In Hinblick auf die steuerliche Behandlung des im Jahr 2014 hinzuerworbenen ER-2 kommt die Übergangsregelung gem. § 38 Absatz 2 Satz 2 BsGaV nach Eintritt der „wirtschaftlichen Fündigkeit“ nur zur Anwendung, wenn die Grundsätze der BsGaV der Wirtschaftlichkeitsrechnung von X in Bezug auf ER-2 die Grundlage entziehen. Das bedeutet, dass die Regelungen der BsGaV und dieses BMF-Schreibens im Regelfall in vollem Umfang anzuwenden sind.

HINWEIS:

Das gilt erst recht und ohne die Einschränkung des § 38 Absatz 2 Satz 2 BsGaV für alle nach dem erworbenen Explorationsrechte.

Abwandlung – Wirtschaftliche Fündigkeit vor dem :

Im Unterschied zum Grundfall entsteht für das ER-1 die Förderbetriebsstätte F (wirtschaftliche Fündigkeit i. S. d. VWG Betriebsstätten) erst im Jahr 2014.

Lösung:

Der Fall ist wegen des schon länger zurückliegenden Erwerbs des ER-1 (2005) entsprechend den Regelungen in den VWG Betriebsstätten zu lösen.

HINWEIS:

Das gilt bei Erwerb eines Explorationsrechts vor dem auch für Fälle, in denen die Förderbetriebsstätte nach dem entsteht (siehe Rn. 388).

2.38.2 Anwendung der bisher anerkannten Grundsätze auf später begründete Förderbetriebsstätten (§ 38 Absatz 2 BsGaV)

417 Die bisher von der Finanzverwaltung anerkannten Grundsätze können nach § 38 Absatz 2 BsGaV auch auf Förderbetriebsstätten angewendet werden, für die das Explorationsrecht im Jahr 2013 oder 2014 angeschafft oder hergestellt wurde, wenn:

  • das Bergbau- bzw. das Erdöl- oder Erdgasunternehmen nachweist, dass es für seine Kalkulation von den Grundsätzen ausgegangen ist, die die Finanzverwaltung bisher anerkannt hat, und

  • das Bergbau- bzw. das Erdöl- oder Erdgasunternehmen glaubhaft macht, dass die neuen Regelungen seiner bisherigen Kalkulation die Grundlage entziehen.



Fall – Wegfallende Wirtschaftlichkeitsrechnung aufgrund der BsGaV:

Gleicher Sachverhalt wie Grundsachverhalt Rn. 416 mit der Abweichung, dass X nachweist, dass die Anwendung der Grundsätze der BsGaV zum Zeitpunkt des Entstehens der Förderbetriebsstätte F der Wirtschaftlichkeitsrechnung für das ER-2 die Grundlage entziehen.

Lösung:

Für die Behandlung von ER-1 gelten die Ausführungen zum Grundfall Rn. 416 entsprechend. Im Hinblick auf die steuerliche Behandlung des in 2014 hinzuerworbenen ER-2 kann die Übergangsregelung gem. § 38 Absatz 2 Nummer 2 BsGaV angewendet werden, da die Grundsätze der BsGaV der Wirtschaftlichkeitsrechnung von X für das ER-2 die Grundlage entziehen. Den erforderlichen Nachweis hierfür hat X durch Vorlage entsprechender Wirtschaftlichkeitsrechnungen oder interner Kalkulationsunterlagen zu erbringen.

2.39 Ständige Vertreter

2.39.1 Ständige Vertreter (§ 39 Absatz 1 BsGaV)

418 Nach § 39 Absatz 1 BsGaV ist die BsGaV sinngemäß auch auf ständige Vertreter i. S. d. § 13 AO anzuwenden (siehe § 1 Absatz 5 Satz 5 AStG). Dies ist sachgerecht, da der ständige Vertreter zwar in § 13 AO gesondert geregelt wird, jedoch auch in den Anwendungsbereich der DBA fällt, da ein ständiger Vertreter i. S. d. § 13 AO im Regelfall als abhängiger Vertreter eine Betriebsstätte begründet (Vertreterbetriebsstätte, siehe Artikel 5 Absatz 5 OECD-MA). Die Regelung des § 39 trägt für den internationalen Bereich zu einer Gleichbehandlung von Betriebsstätten i. S. d. § 12 AO und ständigen Vertretern i. S. d. § 13 AO bei.

419 Wird eine natürliche Person als Vertreter für ein Unternehmen tätig, so kann daraus für das Unternehmen ein abgrenzbarer Betriebsstättengewinn/-verlust eines ständigen Vertreters/einer Vertreterbetriebsstätte entstehen, wenn die Aufwendungen für den Vertreter selbst höher oder niedriger sind, als das Ergebnis, das dem ständigen Vertreter/der Vertreterbetriebsstätte als fiktiv selbständigem Unternehmen nach den Grundsätzen dieses BMF-Schreibens zuzurechnen ist. Ein abzugrenzender Betriebsstättengewinn/-verlust des ständigen Vertreters/der Vertreterbetriebsstätte kann insbesondere dann eintreten, wenn der Vertreter ein Arbeitnehmer des Unternehmens ist.

Fall – Natürliche Person als ständiger Vertreter:

Das Unternehmen X (X) in Staat A hat einen Arbeitnehmer (AN) als Vertreter im Staat B, der auch die Voraussetzungen für einen ständigen Vertreter (§ 13 AO) und für eine DBA-Vertreterbetriebsstätte entsprechend Artikel 5 Absatz 5 OECD-MA erfüllt. Für seine (Routine-)Tätigkeit in Staat B erhält AN im Jahr 01 eine Vergütung von 100. Ein selbständiger Vertreter entsprechend Artikel 5 Absatz 5 OECD-MA hätte eine Vergütung von 110 erhalten.

Lösung:

Die Einnahmen der Vertreterbetriebsstätte hätten entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz 110 betragen. Davon hätte der Vertreter AN bezahlt werden müssen (100), so dass dem ständigen Vertreter i. S. d. § 13 AO bzw. der Vertreterbetriebsstätte i. S. d. Artikels 5 Absatz 5 OECD-MA ein Gewinn von 10 verbleibt, der in Staat B zu versteuern ist.

420 Ist eine natürliche Person selbstständig unternehmerisch als ständiger Vertreter tätig, gelten die Grundsätze der Rn. 421 ff.

2.39.2 Besonderheiten bei der Anwendung auf einen ständigen Vertreter, der ein rechtlich eigenständiges Unternehmen ist (§ 39 Absatz 2 BsGaV)

421 Wird ein rechtlich eigenständiges Unternehmen für eine nahe stehende Person als Vertreter in einem anderen Staat tätig und entsteht dadurch ein ständiger Vertreter bzw. eine Vertreterbetriebsstätte, so werden im Regelfall im Staat der Vertreterbetriebsstätte entsprechend Artikel 5 Absatz 5 OECD-MA Personalfunktionen vom Personal des Vertreters für den Vertretenen ausgeübt. In diesen Fällen ist es nicht notwendig, dass eigenes Personal des Vertretenen i. S. d. § 2 Absatz 3 BsGaV im anderen Staat in der Vertreterbetriebsstätte tätig ist. Deshalb muss nach Absatz 2 die Ausübung von Personalfunktionen durch das Personal des Vertreters dem vertretenen Unternehmen abweichend von § 2 Absatz 3 BsGaV zugerechnet werden. Sonst könnten in diesen Fällen dem vertretenen Unternehmen mangels Ausübung von Personalfunktionen durch eigenes Personal im Ausland nach den §§ 5 ff. BsGaV grundsätzlich weder Vermögenswerte noch Chancen und Risiken noch Geschäftsvorfälle zugeordnet werden, noch könnten für das vertretene Unternehmen Einkünfte entstehen, die durch einen ständigen Vertreter erzielt werden (§ 34d Nummer 2 Buchstabe a EStG) oder für die ein ständiger Vertreter bestellt ist (§ 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a EStG).

Fall – Kapitalgesellschaft als ständiger Vertreter/Vertreterbetriebsstätte:

Unternehmen X (X) in Staat A beauftragt eine nahe stehende Person, die Kapitalgesellschaft Y (Y) mit Sitz und Geschäftsleitung in Staat B dort Waren, die X produziert hat, namens und im Auftrag von X zu verkaufen. Eigenes Personal von X ist nicht im Staat B tätig.

Lösung:

Y ist ständiger Vertreter (§ 13 AO) von X und gleichzeitig Grundlage für die Annahme einer Vertreterbetriebsstätte von X in B. Da in dieser Vertreterbetriebsstätte mangels dort tätigem eigenen Personal von X keine Personalfunktionen von X ausgeübt werden, kann X nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 5 ff. BsGaV) nichts zugeordnet werden. Nach § 39 Absatz 2 BsGaV sind aber alle Personalfunktionen, die von Personal des ständigen Vertreters (hier: Y) für den Vertretenen (hier: X) ausgeübt werden, als eigene Personalfunktionen des Vertretenen zu behandeln.

422 In vielen Fällen wird es trotz der Zurechnung der Personalfunktionen des Vertreters zum ständigen Vertreter bzw. zur Vertreterbetriebsstätte des Vertretenen zu keinem Ergebnis des ständigen Vertreters bzw. der Vertreterbetriebsstätte kommen, das über das Ergebnis des Vertreters selbst hinausgeht. Denn der für den ständigen Vertreter bzw. die Vertreterbetriebsstätte entstehende Ertrag muss im Regelfall vollständig an den Vertreter weitergegeben werden (Null-Summen-Theorie).

Fortsetzung der Lösung des Falls in Rn. 421 – Lösung nach der Null-Summen-Theorie:

Aufgrund von § 39 Absatz 2 BsGaV sind alle Vermögenswerte und Passivposten, Chancen und Risiken, die Y für seine Vertretertätigkeit braucht und die X oder Y gehören, zunächst der Vertreterbetriebsstätte/dem ständigen Vertreter (X) zuzuordnen. Das in der Hilfs- und Nebenrechnung der Vertreterbetriebsstätte/des ständigen Vertreters errechnete Ergebnis steht im Regelfall in vollem Umfang dem Vertreter Y zu (unbeschränkte Steuerpflicht in B), so dass für den ständigen Vertreter/die Vertreterbetriebsstätte kein Gewinn verbleibt (beschränkte Steuerpflicht von X in B).

423 Etwas anderes gilt aber insbesondere dann, wenn der Vertreter Risiken verwaltet, die rechtlich allein das vertretene Unternehmen, d. h. die Vertreterbetriebsstätte, zu tragen hat, d. h., die für die Risiken maßgeblichen Personalfunktionen werden von Personal des ständigen Vertreters ausgeübt, nicht von eigenem Personal des vertretenen Unternehmens, das aber allein das Risiko trägt. In diesen Fällen ist die entsprechende Risikoprämie wegen der ausgeübten Personalfunktionen der Vertreterbetriebsstätte zuzuordnen (das sind gleichzeitig die Personalfunktionen des Vertreters). Diese Risikoprämie kann entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht dem ständigen Vertreter selbst, der das Risiko zivilrechtlich nicht trägt, zugutekommen. Dem Vertreter steht nur ein Dienstleistungsentgelt für die Verwaltung der Risiken zu. In diesen Fällen entsteht ein Ergebnis der Vertreterbetriebsstätte, das von dem des Vertreters abweicht (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 230 ff.).

Fortsetzung Fall Rn. 421:

Für die Verkaufstätigkeit unterhält X im Staat B bei Y ein eigenes Lager für die Waren, die bis zur Veräußerung im Eigentum von X bleiben. Personal von Y kümmert sich um das Lagergebäude, fordert die Waren bei X an, lagert sie im Lager ein, und liefert die Waren aus. Eigenes Personal von X übt keine Personalfunktionen hinsichtlich des Lagers aus. Im Jahr 03 entsteht wegen eines Unwetters ein Schaden von 1.000 am Gebäude und von 500 an den eingelagerten Waren (nach Verrechnung mit Versicherungsleistungen wegen des Schadens). Y erzielt aus der Vertriebstätigkeit einen Gewinn von 200.

Lösung:

Y versteuert ihren Gewinn von 200 im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht. X erzielt aus der Tätigkeit der Vertreterbetriebsstätte einen Verlust von 1.500 (verbleibender Schaden wegen des Unwetters), den X im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht in B erzielt (nach Ermittlung des Gewinns aus der Vertriebstätigkeit). Der Schaden betrifft Y nicht, da Y weder Eigentum an dem Lagergebäude noch an den eingelagerten Waren hat. Y trifft auch kein Verschulden am eingetretenen Schaden. Sowohl das Gebäude als auch die Waren sind aber wegen der Personalfunktionen von Y, die der Vertreterbetriebsstätte nach § 39 Absatz 2 BsGaV zuzuordnen sind, im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht von X in B anzusetzen.

3. Auswirkungen des § 1 Absatz 5 Satz 8 AStG für die Anwendung von DBA und Auswirkungen des AOA auf Zeiträume vor dem

424 Für die Beantwortung der Frage, ob und mit welcher Wirkung § 1 Absatz 5 AStG international anzuwenden ist, sind die verschiedenen Konstellationen zu beachten.

3.1 DBA, die eine Regelung enthalten, die Artikel 7 OECD-MA entspricht

425 In Fällen, in denen die anzuwendende Regelung im konkret geltenden DBA dem Wortlaut von Artikel 7 OECD-MA entspricht (z. B. DBA-Liechtenstein, DBA-Luxemburg, DBA-Norwegen) oder in denen der andere Staat hat erkennen lassen, dass er die Grundätze des AOA in seinem DBA mit Deutschland für anwendbar hält (z. B. USA), ist davon auszugehen, dass der andere Staat der Handhabung nach § 1 Absatz 5 AStG, nach der BsGaV und nach diesem BMF-Schreiben folgt. Das Unternehmen hat deshalb seine Betriebsstätteneinkünfte entsprechend § 1 Absatz 5 AStG und der BsGaV zu ermitteln. § 1 Absatz 5 Satz 8 AStG ist nicht anzuwenden.

426 Entsteht trotz eines DBA, dessen Regelung Artikel 7 OECD-MA entspricht, hinsichtlich der Betriebsstättengewinnermittlung ein Doppelbesteuerungskonflikt, ist dieser in einem Verständigungsverfahren auf der Grundlage des OECD-Betriebsstättenberichts zu lösen.

3.2 DBA mit OECD-Mitgliedstaaten, die eine Regelung enthalten, die Artikel 7 OECD-MA 2008 entspricht (alte Abkommen)

427 In Fällen, in denen die anzuwendende Regelung im konkret geltenden DBA dem Wortlaut des Artikels 7 OECD-MA 2008 entspricht, ist davon auszugehen, dass der andere Staat (OECD-Mitgliedstaat) der Handhabung nach § 1 Absatz 5 AStG, nach der BsGaV und nach diesem BMF-Schreiben auf der Grundlage der Regelung zu den Unternehmensgewinnen im konkreten DBA folgt. Denn unter den OECD-Mitgliedstaaten ist weithin anerkannt, dass eine Interpretation der betreffenden Regelung in dem von diesen Staaten abgeschlossenen DBA entsprechend dem OECD-Betriebsstättenbericht zu erfolgen hat, weil eine solche Interpretation deren Sinn und Zweck besser entspricht als der damalige OECD-Musterkommentar. Das Unternehmen hat deshalb in Fällen mit OECD-Mitgliedstaaten mit altem Abkommen seine Betriebsstätteneinkünfte entsprechend § 1 Absatz 5 AStG und der BsGaV zu erklären. Eine dementsprechende Erklärung im anderen Staat wird im Regelfall nicht zur Doppelbesteuerung führen.

Fall – Dienstleistung mit Kostenaufschlag:

Das inländische Unternehmen X (X) hat im Staat A (DBA entsprechend dem OECD-MA 2008) eine Betriebsstätte A (A). Für eine Dienstleistung, die A dem übrigen Unternehmen (hier: der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte X) im Jahr 2008 (Alternative: 2016) erbringt, entstehen A Kosten von 100, die mit einem Aufschlag von 10 % (110) dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend gegenüber X verrechnet werden.

Lösung:

Obwohl nach innerstaatlichem Steuerrecht (§ 4 Absatz 4 EStG) für die Dienstleistung nur die Kosten anzusetzen wären, ist keine Einkünftekorrektur durch die Finanzverwaltung hinsichtlich der Dienstleistung von 110 auf 100 durchzuführen. Die OECD-Staaten haben sich darauf verständigt, den AOA in Fällen wie dem vorliegenden auch für Artikel 7 OECD-MA 2008 anzuwenden. Zur Verhinderung weißer Einkünfte ist der ausländische Steuerbescheid vorzulegen. Alternative: Für das Jahr 2016 ergeben sich keine Abweichungen.

Abwandlung – Zu geringer Kostenaufschlag:

Das inländische Unternehmen X (X), das im Staat A eine Betriebsstätte A (A) hat (DBA entsprechend dem OECD-MA 2008), setzt für eine Dienstleistung, die A dem übrigen Unternehmen gegenüber erbringt, einen Kostenaufschlag von 5 % an. 10 % wären angemessen gewesen. Staat A nimmt eine entsprechende Korrektur unter Berufung auf Artikel 7 Absatz 2 OECD-MA 2008 vor, die zur Doppelbesteuerung führt.

Lösung:

Die entstandene Doppelbesteuerung ist nach den Änderungsvorschriften der AO – ggf. nach § 175a AO – durch eine Gegenkorrektur Deutschlands zu beseitigen. Für die Alternative (siehe Grundfall: 2016) ergeben sich keine Abweichungen.

428 Kommt es in Betriebsstättensachverhalten mit OECD-Mitgliedstaaten mit einem dem OECDMA 2008 entsprechenden Abkommen zu einer Doppelbesteuerung, ist § 1 Absatz 5 Satz 8 AStG im Regelfall nicht anzuwenden, da der andere Staat den AOA mitgetragen hat. Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist ein Verständigungsverfahren zu eröffnen, in dem eine Lösung des entstandenen Besteuerungskonflikts auf der Grundlage OECD-Betriebsstättenbericht anzustreben ist.

429 Wird ein immaterieller Wert fiktiv zur Nutzung überlassen, so gelten für DBA, die dem OECD-MA 2008 entsprechen, Grundsätze, die von den nach dem AOA allgemein geltenden Grundsätzen abweichen (siehe Verweis in Rn. 425). Denn – anders als nach dem AOA – enthält der OECD-Kommentar 2008, Tz. 34 für immaterielle Werte, die (auch) in einer Betriebsstätte genutzt werden, die ausdrückliche Aussage, dass

  • lediglich die entstandenen Kosten – ggf. anteilig – abzuziehen sind und

  • die Verrechnung einer fiktiven Lizenzgebühr nicht in Betracht kommt.

In diesem Fall hat das Unternehmen seine Betriebsstätteneinkünfte entsprechend dem damaligen Abkommensverständnis (deutsche Auffassung: siehe VWG Betriebsstätten) – ggf. unter Vorlage der Steuererklärung, die er im anderen Staat abgegeben hat, und des betreffenden Steuerbescheids – zu erklären (siehe Rn. 430). Er muss in seiner Erklärung auf die Abweichung hinweisen und diese quantifizieren (§ 1 Absatz 5 Satz 8 AStG). Das zuständige Finanzamt klärt, ob der andere Staat ebenfalls eine Besteuerung entsprechend dem OECD-Betriebsstättenbericht vorsieht (offizielle öffentliche Äußerungen), oder es stellt eine entsprechende Anfrage an das für Verständigungsverfahren zuständige Referat des BZSt (Competent Authority).

Fall – Fiktive Lizenzierung ins Inland:

Das inländische Unternehmen X (X) hat in Staat A (DBA entsprechend dem OECD-MA 2008) eine Betriebsstätte A (A). A schafft eigenständig einen immateriellen Wert (Kosten in den Jahren 2000 bis 2006: 400), den A auch nach Schaffung weiter entwickelt. Der immaterielle Wert wird ausschließlich vom übrigen Unternehmen (hier: Geschäftsleitungsbetriebsstätte X) im Jahr 2009 genutzt. X erzielt im Jahr 2009 aus der Nutzung des immateriellen Werts einen Gewinn von 100 (ohne Verrechnung gegenüber A). Eine fiktive Lizenzierung hätte für das übrige Unternehmen eine an A zu zahlende fiktive Lizenzgebühr von 20 ergeben. Die A für den immateriellen Wert im Jahr 2009 entstandenen Kosten für den immateriellen Wert (Weiterentwicklung) betragen 5. X berücksichtigt die Kosten von 5 bei A. Die von X für A unter Berufung auf den OECD-Betriebsstättenbericht 2008 beantragte Freistellung umfasst die Differenz zwischen der fiktiven Lizenzgebühr von 20 und den entstandenen Kosten von 5 = freizustellender Gewinn von A von 15.

Lösung:

Nach Tz. 2.7 VWG Betriebsstätten sind nur die X im Jahr 2009 entstandenen Kosten von 5, die – wie die Entwicklungskosten der Jahre 2000 bis 2006 – tatsächlich bei A angefallen sind, abzuziehen. Diese Kosten von 5 sind im Jahr 2009 zugunsten von A gegenüber dem übrigen Unternehmen zu verrechnen, so dass sich für X ein Gewinn aus der Nutzung im Jahr 2009 (nach Verrechnung gegenüber A) von 100 – 5 = 95 ergibt. Ein fiktiver Gewinn von A aus einer fiktiven Lizenzgebühr (20 – 5 = 15) ist nicht freizustellen. Das gemeinsame Verständnis des DBA, das Deutschland damals mit Staat A abgeschlossen hat (entsprechend Artikel 7 OECD-MA 2008/OECD-MK 2008) lässt keine weitere Freistellung zu, da es keinen fiktiven Gewinn aus einer fiktiven Lizenzierung kennt und nur eine Kostenverrechnung vorsieht. Die Finanzverwaltung hat eine entsprechende Korrektur durchzuführen.

Abwandlung – Fiktive Lizenzierung ins Ausland:

Wie Grundfall, aber die inländische Betriebsstätte D, die Teil des ausländischen Unternehmens Y in Staat B ist, überlässt den immateriellen Wert im Jahr 2009 dem übrigen Unternehmen.

Lösung:

Nach § 4 Absatz 1 Satz 3 EStG liegt eine Nutzungsentstrickung vor, die nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 1 Halbsatz 2 EStG mit dem gemeinen Wert, der dem Fremdvergleichspreis entspricht, anzusetzen ist. Im Ergebnis wäre wegen der Nutzungsüberlassung an das übrige Unternehmen ein Betriebsstättengewinn von 15 anzusetzen. Das Verständnis des DBA mit Staat Y (entsprechend Artikel 7 OECD-MA 2008 und OECD-MK 2008) lässt jedoch keinen entsprechenden Ansatz zu, da es nur eine Kostenverrechnung vorsieht (s. o.).

HINWEIS:

Ab 2013 ist zwar eine Geschäftsbeziehung i. S. d. § 1 Absatz 4 und 5 AStG (§ 16 BsGaV) anzunehmen, allerdings ist nach § 1 Absatz 5 Satz 8 AStG das gemeinsame Abkommensverständnis der betreffenden Staaten ausschlaggebend. § 1 Absatz 5 AStG und die BsGaV treten ggf. zurück. Erst wenn ein DBA anzuwenden ist, das dem OECD-MA entspricht (oder wenn beide Vertragsstaaten ihr altes DBA einvernehmlich entsprechend auslegen), kommt der Ansatz eines Gewinns von D i. H. v. 15 in Betracht.

3.3 DBA mit Nicht-Mitgliedstaaten der OECD, die eine Regelung enthalten, die Artikel 7 OECD-MA 2008 bzw. Artikel 7 UN-MA entspricht

430 In Fällen, in denen die anzuwendende Regelung im konkret geltenden DBA mit einem Nicht-Mitgliedstaat der OECD dem Wortlaut des Artikels 7 OECD-MA 2008 bzw. des Artikels 7 UN-MA entspricht, ist im Regelfall davon auszugehen, dass der andere Staat der Handhabung nach § 1 Absatz 5 AStG, nach der BsGaV und nach diesem BMF-Schreiben auf der Grundlage der betreffenden Regelung im konkreten DBA nicht folgt. Das Unternehmen kann in diesem Fall seine Betriebsstätteneinkünfte entsprechend dem damaligen Abkommensverständnis (unabhängig vom OECD-Betriebsstättenbericht) erklären. Das damalige deutsche Abkommensverständnis ergibt sich aus den VWG Betriebsstätten. Mit der Abgabe der Steuererklärung in Deutschland sind auch die Steuererklärung, die das Unternehmen im anderen Staat abgegeben hat, und der Steuerbescheid des anderen Staats vorzulegen, soweit diese vorliegen. Liegen die ausländische Steuererklärung oder der ausländische Steuerbescheid noch nicht vor, sind sie unverzüglich nachzureichen. Das Unternehmen muss in seiner Erklärung unter Hinweis auf das dem Artikel 7 OECD-MA 2008 bzw. Artikel 7 UN-MA entsprechende Abkommen auf die Abweichung von § 1 Absatz 5 AStG hinweisen und die Höhe der Abweichung quantifizieren.

431 Das zuständige Finanzamt klärt, ob der andere Staat eine Besteuerung entsprechend dem OECD-Betriebsstättenbericht vorsieht (offizielle öffentliche Äußerungen), oder es stellt eine entsprechende Anfrage an das BZSt (Competent Authority). Über das Ergebnis wird das Unternehmen informiert.

432 Die Veranlagung erfolgt entsprechend dem damaligen Abkommensverständnis, d. h. § 1 Absatz 5 Satz 1 bis 7 AStG tritt nach § 1 Absatz 5 Satz 8 AStG gegenüber dem damaligen Abkommensverständnis zurück. Ein Verständigungsverfahren mit dem anderen Staat ist nicht erforderlich, wenn

  • der andere Staat der Betriebsstättenbesteuerung eine Auffassung zugrunde legt, die vom OECD-Betriebsstättenbericht abweicht,

  • diese Auffassung mit der deutschen Auffassung, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des DBA bestand, übereinstimmt und

  • die steuerliche Behandlung in beiden Staaten im konkreten Fall zu keiner Doppelbesteuerung führt.

3.4 Hinweis: Vorlagepflichten nach § 90 Absatz 2 AO, wenn von § 1 Absatz 5 AStG abgewichen wird

433 Für eine Abweichung von § 1 Absatz 5 AStG hat das Unternehmen in jedem Fall die Steuererklärung, die es im anderen Staat abgegeben hat und in der die betreffenden Betriebsstätteneinkünfte enthalten sind, und den betreffenden Steuerbescheid des anderen Staats vorzulegen bzw. unverzüglich nachzureichen. Auf Anfrage hat es anhand von Unterlagen und Aufzeichnungen zu erläutern (siehe Rn. 63), nach welchen Grundsätzen, ausgehend von seiner Steuererklärung, die Besteuerung dieser Einkünfte im anderen Staat erfolgt ist.

4. Regelungen des § 1 Absatz 4 und 5 AStG und der BsGaV in Wirtschaftsjahren, die nach dem bzw. schon vor dem anzuwenden sind

434 § 1 Absatz 4 und 5 AStG ist nach § 21 Absatz 20 AStG erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem beginnen. Die BsGaV ist nach § 40 BsGaV erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem beginnen. Das bedeutet, dass für Wirtschaftsjahre, die nach dem , aber vor dem , beginnen, zwar § 1 Absatz 4 und 5 AStG anzuwenden ist, nicht aber die BsGaV, die in diesen Jahren allerdings für die Auslegung des § 1 Absatz 4 und 5 AStG herangezogen werden kann. Für diese Jahre gilt für die Wirksamkeit der Regelungen des § 1 Absatz 4 und 5 AStG und der BsGaV Folgendes:

4.1 Inhaltliche Regelungen in § 1 Absatz 4 AStG, die in Wirtschaftsjahren gelten, die nach dem beginnen

435 In § 1 Absatz 4 Satz 1 AStG ist definiert, dass eine Geschäftsbeziehung i. S. d. Vorschrift einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge (Geschäftsvorfälle) beinhaltet. Auf das Vorliegen einer schuldrechtlichen Beziehung (§ 1 Absatz 5 AStG a. F.) wird nicht mehr abgestellt, insbesondere auch weil schuldrechtliche Beziehungen zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen rechtlich nicht bestehen können. Das bedeutet, dass in allen Wirtschaftsjahren, die nach dem beginnen, unter den Voraussetzungen des § 1 Absatz 4 Satz 2 AStG grundsätzlich anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen jeder Art vorkommen können (siehe aber auch Rn. 5).

4.2 Inhaltliche Regelungen in § 1 Absatz 5 AStG, die in Wirtschaftsjahren gelten, die nach dem beginnen

4.2.1 Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstättensachverhalte

436 In § 1 Absatz 5 Satz 1 AStG ist erstmalig ausdrücklich und allgemein verbindlich im innerstaatlichen Recht geregelt, dass der Fremdvergleichsgrundsatz in Fällen von Unternehmen eines Staates mit Betriebsstätten in einem anderen Staat zur Berichtigung von Einkünften im Rahmen des § 1 AStG anzuwenden ist. Für Wirtschaftsjahre, die vor dem beginnen, sind weiterhin die VWG Betriebsstätten von Bedeutung, die das bis zur Regelung in § 1 Absatz 5 AStG geltende Verständnis der Finanzverwaltung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes enthalten.

437 Allerdings ist nicht zu beanstanden, wenn ein Unternehmen die Grundsätze des § 1 Absatz 5 AStG schon für vor dem beginnende Wirtschaftsjahre anwendet, wenn

  • die Regelungen für den ganzen Zeitraum ab dem früheren Zeitpunkt auf die Betriebsstätte angewendet werden und

  • dadurch international weder eine Doppelbesteuerung noch eine Nichtbesteuerung von Einkünften der Betriebsstätte entsteht.

4.2.2 Fiktion eines eigenständigen und unabhängigen Unternehmens

438 Nach § 1 Absatz 5 Satz 2 und 3 AStG ist eine in einem anderen Staat gelegene Betriebsstätte grundsätzlich wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln (zu Einschränkungen, siehe z. B. Rn. 3 ff. insbesondere Rn. 6 f.). Das bedeutet, dass eine Zuordnung und Aufteilung von Aufwendungen und Erträgen – entsprechend Artikel 7 Absatz 3 OECDMA 2008 – in Wirtschaftsjahren, die nach dem beginnen, grundsätzlich nicht mehr möglich ist (siehe aber § 1 Absatz 5 Satz 8 AStG und insbesondere Rn. 430 ff. für dem OECD-MA entsprechende DBA mit Nicht-OECD-Mitgliedstaaten).

4.2.3 Geschäftsbeziehungen der Betriebsstätte als fiktiv eigenständiges und unabhängiges Unternehmen

439 Nach § 1 Absatz 5 Satz 3 Nummer 3 AStG sind der Betriebsstätte die Chancen und Risiken des Unternehmens, dessen Teil sie ist, zuzuordnen, die sie aufgrund der von ihr ausgeübten Funktionen und zuzuordnenden Vermögenswerte übernimmt. Damit sind in erster Linie die Geschäftsvorfälle des Unternehmens angesprochen, die der Betriebsstätte zu Beginn des Wirtschaftsjahrs, das nach dem beginnt, zuzuordnen sind. Es liegt nahe, dass die Zuordnung der Geschäftsvorfälle entsprechend den ausgeübten Personalfunktionen (siehe §§ 9 und 10 BsGaV) der Zuordnung entspricht, die schon vorher nach funktionalen Grundsätzen erforderlich gewesen ist.

440 Nach § 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 AStG sind Geschäftsvorfälle jeder Art zwischen dem übrigen Unternehmen und seiner Betriebsstätte möglich und als anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen zu werten, wenn zwischen voneinander unabhängigen Dritten schuldrechtliche Beziehungen entstanden wären (siehe auch Rn. 164 ff.). Das Unternehmen hat glaubhaft zu machen, dass voneinander unabhängige Dritte keine schuldrechtlichen Beziehungen vereinbart hätten, wenn es davon absehen will, solche Beziehungen anzunehmen.

4.3 Regelungen der BsGaV, die erst in Wirtschaftsjahren, die nach dem beginnen, wirken

441 Die BsGaV ist erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem beginnen. Eine Anwendung der Grundsätze auf vorhergehende Wirtschaftsjahre ist nicht zu beanstanden. Soweit § 1 Absatz 5 AStG auslegungsfähige Begriffe enthält, ist auch der OECD-Betriebsstättenbericht zu berücksichtigen, denn es war ausdrückliche Vorstellung des Gesetzgebers (siehe BT-Drs. 17/10000, S. 61), mit § 1 Absatz 5 AStG und anschließend mit der BsGaV die Grundlage dafür zu schaffen, den AOA innerstaatlich umzusetzen.

4.3.1 Definitionen (§ 2 BsGaV)

442 Soweit sich die Definitionen für bestimmte Begriffe in § 2 BsGaV nicht unmittelbar aus dem Wortlaut von § 1 Absatz 5 AStG ergeben, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage, diese Definitionen zu verwenden. Diese Begriffe sind für die Jahre 2013 und 2014 entsprechend den Aussagen im OECD-Betriebsstättenbericht auszulegen.

4.3.2 Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 BsGaV)

443 § 1 Absatz 5 AStG enthält keine ausdrückliche Rechtsgrundlage, für Wirtschaftsjahre, die vor dem beginnen, eine Hilfs- und Nebenrechnung nach den Regeln des § 3 BsGaV zu erstellen. Davon unabhängig besteht die allgemeine Verpflichtung, eine wahrheitsgemäße Steuerklärung abzugeben (§ 150 Absatz 2 AO), in der die betreffenden Betriebsstätteneinkünfte enthalten sind (z. B. steuerpflichtige inländische Einkünfte nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a EStG oder nach DBA freizustellende Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte). Die konkrete Einkünfteermittlung kann für die betreffende Betriebsstätte in jeder Form geschehen. Die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen nach § 90 AO, insbesondere die Aufzeichnungspflichten des § 90 Absatz 3 Satz 4 AO und der GAufzV (siehe Rn. 63), sind zu beachten.

4.3.3 Zuordnungsregeln (§§ 4 bis 11 BsGaV)

444 § 1 Absatz 5 AStG enthält keine ausdrückliche Rechtsgrundlage dafür, wie einer Betriebsstätte konkret Personalfunktionen, Vermögenswerte usw. zuzuordnen sind. Die Vorschrift ordnet jedoch an,

  • ausgehend von den ausgeübten Funktionen des Unternehmens festzustellen, welche Personalfunktionen von der Betriebsstätte ausgeübt werden,

  • davon ausgehend die Vermögenswerte des Unternehmens zu bestimmen, die der Betriebsstätte zuzuordnen sind,

  • ausgehend von den zuzuordnenden Personalfunktionen und Vermögenswerten die Chancen und Risiken des Unternehmens zu bestimmen, die der Betriebsstätte zuzuordnen sind und

  • ausgehend von den der Betriebsstätte zuzuordnenden Personalfunktionen, Vermögenswerten und Chancen und Risiken einen angemessenen Anteil des Eigenkapitals des Unternehmens für die Betriebsstätte zu bestimmen (Dotationskapital).

445 Zur Technik der Zuordnung enthält § 1 Absatz 5 AStG erste Hinweise, die für die Anwendung der Vorschrift in den Jahren 2013 und 2014 unter Berücksichtigung des OECD-Betriebsstättenberichts zu beachten sind. Ergänzend kommen auch die Vorschriften der VWG Betriebsstätten in Betracht, soweit der Wortlaut des § 1 Absatz 5 AStG und die Aussagen des OECD-Betriebsstättenberichts dem nicht entgegenstehen.

4.3.4 Dotationskapital (§§ 12 und 13 BsGaV)

446 § 1 Absatz 5 AStG enthält keine ausdrückliche Rechtsgrundlage dafür, wie Betriebsstätten Dotationskapital zuzuordnen ist. Insoweit bleibt es bis zur Wirksamkeit der BsGaV bei den Regelungen in Tz. 2.5.1. der VWG Betriebsstätten.

4.3.5 Zuordnung von Passivposten und Finanzierungsaufwendungen (§§ 14 und 15 BsGaV)

447 § 1 Absatz 5 AStG enthält keine ausdrückliche Rechtsgrundlage dafür, wie Betriebsstätten ein Anteil an den Passivposten des Unternehmens, dessen Teil sie sind, zuzuordnen ist. Der zuzuordnende Anteil ist abhängig vom zugeordneten Dotationskapital. Die zu berücksichtigenden Finanzierungsaufwendungen hängen davon ab, in welchem Umfang der Betriebsstätte Passivposten des Unternehmens (insbesondere Verbindlichkeiten) zugeordnet werden. Insoweit bleibt es bis zur Wirksamkeit der BsGaV bei den Regelungen in Tz. 2.5.1 der VWG Betriebsstätten.

4.3.6 Anzunehmende schuldrechtliche Beziehung (§ 16 BsGaV)

448 In § 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 AStG werden die Geschäftsvorfälle zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen i. S. d. § 16 BsGaV ausdrücklich angesprochen (anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen). Offen bleibt allerdings, unter welchen tatsächlichen Umständen welche schuldrechtliche Beziehung konkret zu fingieren ist. Insofern kommt es darauf an, festzustellen, welche funktionalen Umstände zwischen der Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen tatsächlich vorliegen, und daraus abzuleiten, welche schuldrechtliche Beziehung zwischen voneinander unabhängigen Dritten abgeschlossen worden wäre.

4.3.7 Finanzierungsfunktion (§ 17 BsGaV)

449 § 1 Absatz 5 AStG enthält keine ausdrückliche Rechtsgrundlage dafür, wie Finanzierungsfunktionen zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen steuerlich zu behandeln sind.

5. Übergangsregelung für Fälle, in denen zu Beginn des Wirtschaftsjahrs, das nach dem beginnt, Zuordnungsgegenstände des § 5 ff. BsGaV anders zuzuordnen sind, als sie bisher zugeordnet waren, ohne dass zu diesem Zeitpunkt ein wirtschaftlicher Vorgang (§ 1 Absatz 4 Satz 1 AStG) i. S. d. § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV vorliegt

450 Soweit bis zum Inkrafttreten der BsGaV keine verbindlichen Zuordnungsregeln bestanden (siehe Rn. 444), ist widerleglich davon auszugehen, dass die bisher vom Unternehmen vorgenommene und von der Finanzverwaltung nicht beanstandete Zuordnung zutreffend war, so dass wegen der BsGaV für die Zeit vor deren Inkrafttreten keine Zuordnungsänderungen durchgeführt werden müssen.

451 Aufgrund der Regelungen dieses BMF-Schreibens kann es ungeachtet Rn. 450 erforderlich sein, zu Beginn des ersten, nach dem beginnenden Wirtschaftsjahrs Zuordnungsgegenstände anders zuzuordnen, als es bis zum Ende des vorhergehenden Wirtschaftsjahrs geschehen ist. Das gilt, obwohl zu Beginn des ersten, nach dem beginnenden Wirtschaftsjahrs im Regelfall keine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung i. S. d. § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV vorliegt. Denn die Änderung der Zuordnungsregelungen durch die BsGaV ist kein wirtschaftlicher Vorgang i. S. d. § 1 Absatz 4 AStG. Eine solche Zuordnungsänderung kann aber ggf. eine Entstrickung bzw. eine Verstrickung auslösen. Sie gilt als

5.1 Zuordnungsänderung vom Inland ins Ausland

5.1.1 Zuordnungsänderung zu einer ausländischen Betriebsstätte eines inländischen Unternehmens

452 Sind Zuordnungsgegenstände i. S. d. §§ 5 ff. BsGaV zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung der BsGaV vom übrigen inländischen Unternehmen dessen ausländischer Betriebsstätte zuzuordnen, liegt eine fiktive Entnahme i. S. d. § 4 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG bzw. eine fiktive Veräußerung nach § 12 Absatz 1 KStG vor. Zum Entnahme- bzw. Veräußerungszeitpunkt ist der Zuordnungsgegenstand nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 EStG bzw. § 12 Absatz 1 Satz 1 KStG grundsätzlich mit seinem gemeinen Wert anzusetzen.

Fall – Entstrickung wegen Rechtsänderung:

Die inländische X-GmbH (X) hat eine ausländische Betriebsstätte A (A) in einem EU-Mitgliedstaat A. X ist Eigentümer eines Vermögenswerts (Buchwert 100, gemeiner Wert/Fremdvergleichspreis 150), der keiner ausländischen Betriebsstätte zugeordnet ist. Die Zuordnung war bisher nicht zu beanstanden. Aufgrund des Inkrafttretens der BsGaV ist der Vermögenswert zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung A zuzuordnen.

Lösung:

Aufgrund der bisherigen Zuordnung des Vermögenswerts ist wegen der Zuordnungsänderung zu A gem. § 12 Absatz 1 KStG eine fiktive Veräußerung des Vermögenswerts zum gemeinen Wert (Fremdvergleichspreis) von 150 anzunehmen. Im Zeitpunkt dieser fiktiven Veräußerung entsteht für das übrige Unternehmen ein Gewinn von 50. Da Staat A ein EU-Mitgliedstaat ist, ist § 4g EStG anwendbar.

HINWEIS:

Mangels eines tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgangs liegt keine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV vor.

5.1.2 Zuordnungsänderung von einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens zum übrigen Unternehmen

453 Sind Zuordnungsgegenstände i. S. d. §§ 5 ff. BsGaV zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung der BsGaV von einer inländischen Betriebsstätte dem übrigen ausländischen Unternehmen, zu dem die Betriebsstätte gehört, zuzuordnen, liegt eine fiktive Entnahme i. S. d. § 4 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG bzw. eine fiktive Veräußerung nach § 12 Absatz 1 KStG vor, auch wenn zu diesem Zeitpunkt kein wirtschaftlicher Vorgang i. S. d. § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV feststellbar ist. Zum Entnahme- bzw. Veräußerungszeitpunkt ist der Zuordnungsgegenstand nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 EStG bzw. § 12 Absatz 1 Satz 1 KStG grundsätzlich mit seinem gemeinen Wert anzusetzen.

Fall – Entstrickung wegen Rechtsänderung:

Die Y Ltd. (Y, einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbar) mit Sitz und Geschäftsleitung in einem EU-Mitgliedstaat hat die inländische Betriebsstätte B (B), der bisher ein Vermögenswert (Buchwert 100, gemeiner Wert/Fremdvergleichspreis 150) zuzuordnen ist. Aufgrund der erstmaligen Anwendung der BsGaV ist dieser Vermögenswert dem übrigen ausländischen Unternehmen zuzuordnen.

Lösung:

Aufgrund der erstmaligen Zuordnung des Vermögenswerts zum übrigen Unternehmen ist gem. § 12 Absatz 1 KStG eine fiktive Veräußerung des Vermögenswerts zum gemeinen Wert (Fremdvergleichspreis) von 150 anzunehmen. Im Zeitpunkt dieser fiktiven Veräußerung entsteht für B ein Gewinn von 50. Ein Ausgleichsposten gem. § 12 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 KStG i. V. m. § 4g Absatz 1 EStG kann nach dem Gesetzeswortlaut nicht gebildet werden, da die Y Ltd. nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist. Aus Billigkeitsgründen ist die Bildung eines solchen Ausgleichspostens jedoch zuzulassen (siehe Rn. 457).

HINWEIS:

Mangels eines tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgangs liegt keine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV vor.

5.2 Zuordnungsänderung vom Ausland ins Inland

454 Fallkonstellationen, die mit denen der Rn. 453 vergleichbar sind, können vorliegen, wenn ein bisher einer ausländischen Betriebsstätte (z. B. auch der ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte) zugeordneter Zuordnungsgegenstand zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung der BsGaV einer inländischen Betriebsstätte (z. B. auch der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte) desselben Unternehmens zuzuordnen ist. Es liegt eine Verstrickung i. S. d. § 4 Absatz 1 Satz 8 Halbsatz 2 EStG vor. Zum Verstrickungszeitpunkt ist der Zuordnungsgegenstand nach § 6 Absatz 1 Nummer 5a EStG grundsätzlich mit seinem gemeinen Wert anzusetzen. Die Regelungen gelten nach § 8 Absatz 1 Satz 1 KStG in gleicher Weise für Körperschaftsteuerpflichtige. Auf Rn. 20 (siehe Hinweis zu Fall 4 zum Auskunftsaustausch) wird hingewiesen.

5.3 Billigkeitsmaßnahmen zur Milderung von Liquiditätsbelastungen für die Unternehmen bei Entstrickung sowie besondere Maßnahmen zur Vermeidung internationaler Besteuerungskonflikte

455 Sind Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO in Betracht zu ziehen, weil wegen des Inkrafttretens der BsGaV erstmals ein Zuordnungsgegenstand einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist (Entstrickung), so ist für eine Billigkeitsmaßnahme in jedem Fall Voraussetzung, dass die grundsätzlich aufzudeckenden stillen Reserven festgestellt werden.

456 Ist der ausländischen Betriebsstätte eines inländischen Unternehmens wegen des Inkrafttretens der BsGaV erstmals ein Zuordnungsgegenstand zuzuordnen und gehört diese Betriebsstätte nicht zu einem anderen EU-Mitgliedstaat, so ist der Tatbestand des § 4g Absatz 1 Satz 1 EStG nicht erfüllt. Aus Billigkeitsgründen wird jedoch zugelassen, dass auch in diesen Fällen ein Ausgleichsposten entsprechend § 4g EStG gebildet wird.

457 Ein beschränkt Steuerpflichtiger kann grundsätzlich keinen Ausgleichsposten i. S. d. § 4g EStG bilden, wenn ein Vermögenswert, der bisher einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet war, infolge einer Zuordnungsänderung wegen des Inkrafttretens der BsGaV einer ausländischen Betriebsstätte desselben Unternehmens zuzuordnen ist (z. B. auch der Geschäftsleitungsbetriebsstätte). Auch in diesen Fällen wird die Bildung eines Ausgleichspostens entsprechend § 4g EStG aus Billigkeitsgründen zugelassen.

458 Zieht ein Unternehmen in den Fällen der erstmaligen Anwendung der BsGaV entgegen Rn. 451 ff. keine steuerlichen Konsequenzen aus einer erfolgten Entstrickung, so ist dies aus Billigkeitsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Unternehmen einen entsprechenden ausdrücklichen Antrag stellt und nachträglich tatsächliche Verhältnisse herstellt, die die Zuordnung, die bis zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung der BsGaV zu Recht bestand, rechtfertigen (z. B. durch die Schaffung neuer Personalfunktionen). Entsprechende tatsächliche Veränderungen müssen bis zum Ende des Wirtschaftsjahrs durchgeführt werden, in dem der Sachverhalt, der eine Zuordnungsänderung wegen der erstmaligen Anwendung der BsGaV notwendig macht, erkannt wurde oder hätte erkannt werden müssen. Dadurch kann eine Aufdeckung und Versteuerung von stillen Reserven wegen der erstmaligen Anwendung der BsGaV vermieden werden. Es ist zu prüfen, ob der Steuerbescheid, der dem Antrag des Steuerpflichtigen entspricht, insoweit nach § 165 Absatz 1 AO vorläufig erlassen wird. Er ist ggf. nach § 165 Absatz 2 AO zu ändern, wenn dadurch, dass dem Antrag entsprochen wird, internationale Besteuerungskonflikte mit anderen Staaten (Doppelbesteuerung bzw. Nichtbesteuerung) entstehen.

459 Auch wenn die ursprüngliche Zuordnungsentscheidung, die vor Inkrafttreten der BsGaV getroffen wurde und die nach der in dieser Zeit maßgeblichen Rechtslage zutreffend ist oder von der Finanzverwaltung nicht beanstandet wurde, nicht den Regelungen der BsGaV entspricht und nach Rn. 451 eine Änderung der Zuordnung durchzuführen wäre, kann es auf ausdrücklichen Antrag des Unternehmens auch über Rn. 458 hinaus für die Zeit nach Inkrafttreten der BsGaV aus Billigkeitsgründen bei der ursprünglichen Zuordnungsentscheidung bleiben. Dies gilt insbesondere auch für Fälle, in denen es sonst zur Entstrickung bisher anders zugeordneter Vermögenswerte kommt. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen glaubhaft macht, dass dadurch, dass dem Antrag entsprochen wird, voraussichtlich internationale Besteuerungskonflikte wegen der erstmaligen Anwendung der BsGaV (Entstrickung bzw. Verstrickung) vermieden werden. Für den Steuerbescheid, der dem Antrag des Unternehmens entspricht, ist Rn. 458 zu beachten.

6. Weitgehende Überlagerung der VWG Betriebsstätten und der VWG Dotationskapital durch § 1 Absatz 5 AStG, durch die BsGaV und durch dieses BMF-Schreiben

460 Die VWG Betriebsstätten sind nicht mehr anzuwenden, soweit sie von § 1 Absatz 5 AStG, den Regelungen der BsGaV, diesem BMF-Schreiben (Erhöhung der steuerlichen Bemessungsgrundlage durch § 1 Absatz 5 AStG bzw. niedrigerer Anrechnungshöchstbetrag, § 34c EStG) und den Regelungen der DBA (Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage in Deutschland, siehe Artikel 7 OECD-MA) überlagert werden.

461 In Fällen, in denen weder § 1 Absatz 5 AStG noch die Regelungen der BsGaV anzuwenden sind (z. B. weil deren Anwendung zu keiner höheren Bemessungsgrundlage in Deutschland führt), sind die VWG Betriebsstätten weiterhin anzuwenden, weil sie die bis zur Neuregelung geltende, vor allem auch auf der Rechtsprechung beruhende Auffassung der Finanzverwaltung darstellen.

462 Die VWG Betriebsstätten sind auch nach Inkrafttreten des § 1 Absatz 5 AStG und vor Inkrafttreten der BsGaV anzuwenden, soweit eine Anwendung der VWG Betriebsstätten nicht im Widerspruch zu § 1 Absatz 5 AStG steht.

463 Die Regelungen der VWG Betriebsstätten gelten vor allem weiter für die Frage, wann nach deutschem Rechtsverständnis eine Betriebsstätte vorliegt.

464 Die VWG Dotationskapital sind für Wirtschaftsjahre, die nach dem beginnen, nicht mehr anzuwenden.

Entwurf des BMF-Schreibens:

Datei öffnen

BMF v. - IV B 5 - S 1341/12/10001-03


Fundstelle(n):
BStBl 2017 I Seite 182
DStR 2017 S. 6 Nr. 1
GmbH-StB 2017 S. 83 Nr. 3
KÖSDI 2017 S. 20124 Nr. 1
DAAAF-70144