Instanzenzug: S 26 RS 1346/11
Gründe:
1Mit Urteil vom hat es das Sächsische LSG im Überprüfungsverfahren abgelehnt, die bisherige Höchstwertfestsetzung von Arbeitsentgelten, die der Kläger während seiner Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Angehörigen der Zollverwaltung der DDR (Sonderversorgungssystem Nr 3 der Anl 2 zum AAÜG) tatsächlich erzielt hat, im sog Überführungsbescheid zurückzunehmen und zusätzlich Verpflegungsgeld bzw den Sachbezug kostenfreier Verpflegung sowie Reinigungszuschläge bzw -zuschüsse als weiteres Arbeitsentgelt festzustellen.
2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wurde Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung werden eine Rechtsprechungsabweichung (I.) sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (II.) geltend gemacht.
3Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
4Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
5Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
6Die Beschwerdebegründung lässt bereits offen, an welcher Stelle das LSG welche Tatsachen für das Revisionsgericht verbindlich (§ 163 SGG) festgestellt hat. Dabei verschweigt sie insbesondere, inwieweit der Sachverhalt, den sie (unter "II. Verfahrensgang" auf den Seiten 2/6) schildert, dem Berufungsgericht überhaupt zuzurechnen ist und ob die dort geschilderten Tatumstände ganz oder teilweise mit dem Sachverhalt übereinstimmen, den das LSG im angefochtenen Urteil festgestellt hat. Da jedenfalls die bloße Mitteilung eines ohne Herkunftsangabe in der Beschwerdebegründung selbst formulierten Sachverhalts nicht geeignet ist, die mangelnde Bezeichnung des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts zu kompensieren und es andererseits nicht dem Beschwerdegericht obliegt, die angegriffene Entscheidung selbst nach einschlägigen Feststellungen zu durchsuchen, fehlen bereits die Mindestvoraussetzungen, um die Entscheidungserheblichkeit sowohl der Grundsatz- als auch der Divergenzrüge zu prüfen.
7I. Ungeachtet dessen setzt Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG voraus, dass die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG oder das BVerfG aufgestellt haben, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN).
8Nach Auffassung des Klägers liegt die Divergenz des angefochtenen Berufungsurteils zur herangezogenen BSG-Entscheidung vom (B 12 R 8/08 R - BSGE 105, 66 = SozR 4-2400 § 14 Nr 11) "darin begründet, dass das LSG ohne eine darüber hinausgehende Prüfung oder Ermittlungen hierzu die notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung annimmt", wobei es "aber eine eindeutige Stellungnahme gegen die Rechtsprechung des BSG" vermeide. Mit dieser Vorgehensweise lasse das LSG "erkennen, dass es die Rechtsprechung nur modifiziert übernehmen" wolle. Damit räumt die Beschwerdebegründung indes schon selbst ein, dass das Berufungsgericht selbst keinen abweichenden Rechtssatz formuliert hat, sondern schlussfolgert lediglich aus der konkreten Rechtsanwendung des LSG im Einzelfall, dass dessen Urteil auf einem (welchem?) abweichenden Rechtssatz beruhe. Sie versäumt es jedoch, ihre Schlussfolgerung zu begründen, also die Gesichtspunkte und Schlussregeln für ihre Ableitung ("Deduktion") des angeblich verdeckten Rechtssatzes aus den einzelfallbezogenen Ausführungen des LSG aufzuzeigen (BAG Beschlüsse vom - 5 AZN 1958/12 - NJW 2013, 413, 414 RdNr 10 und vom - 4 AZN 529/06 - NJW 2007, 1164) und anzugeben, welche näheren Darlegungen des LSG erkennen lassen (dazu - SozR 1500 § 160 Nr 28), dass es die höchstrichterliche Rechtsprechung nur modifiziert übernehmen wolle. Keinesfalls kann aus einer abweichenden Rechtsanwendung und einer fehlenden Positionierung gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung gefolgert werden, das LSG habe einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Ansonsten müsste jede fehlerhaft unterlassene Berücksichtigung eines rechtlichen Gesichtspunkts stets als Aufstellen eines eigenständigen Rechtssatzes gewertet werden. Vielmehr setzt die Bezeichnung einer Abweichung iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG die Darlegung voraus, dass das LSG die höchstrichterliche Rechtsprechung im angefochtenen Urteil infrage stellt, was gerade nicht der Fall ist, wenn es eine höchstrichterliche Entscheidung in ihrer Tragweite für den entschiedenen Fall verkannt haben sollte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 73 mwN). Unter diesen Umständen hätte der Kläger vertieft darauf eingehen müssen, warum es sich bei der behaupteten Abweichung des Berufungsgerichts nicht lediglich um eine falsche Rechtsanwendung im Einzelfall handelt, in der ein eigener Rechtssatz des Berufungsgerichts gerade nicht zum Ausdruck kommt (vgl im Einzelnen BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 25 S 45).
9II. Auch die Grundsatzrüge hat keinen Erfolg. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 42).
10Nach Auffassung des Klägers wirft der Rechtsstreit folgende Frage auf:
"Sind das während der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Zollverwaltung der DDR gezahlte Verpflegungsgeld, der Sachbezug für die kostenlose Verpflegung sowie der gezahlte Reinigungszuschuss nach dem Anspruch und Anwartschaftsüberführungsgesetz als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt zu berücksichtigen"?
11Damit hat er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Denn die Frage lässt schon völlig offen, welche gesetzlichen Tatbestandsmerkmale welcher Norm(en) des AAÜG oder anderer Vorschriften des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit Blick auf gezahlte Verpflegungsgelder, Reinigungszuschüsse und den Sachbezug kostenloser Verpflegung ausgelegt werden sollen, um die Rechtseinheit zu wahren oder das Recht fortzubilden.
12Darüber hinaus ist auch die Klärungsbedürftigkeit der angesprochenen Problematik nicht schlüssig dargetan. Die Beschwerdebegründung weist selbst auf das Senatsurteil vom (B 5 RS 2/13 R - Juris; ferner Senatsurteile vom selben Tage: B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr 6; B 5 RS 1/14 R - Juris, B 5 RS 2/14 R - Juris und B 5 RS 3/14 R - Juris) hin, wonach bei der nach Bundesrecht vorzunehmenden Qualifizierung des Rechtscharakters von Verpflegungsgeldzahlungen als Arbeitsentgelt in tatsächlicher Hinsicht an die jeweils einschlägigen abstrakt-generellen Regelungen des DDR-Rechts und in rechtlicher Hinsicht an § 14 SGB IV anzuknüpfen ist. Soweit der Kläger den Inhalt desjenigen DDR-Rechts geklärt wissen möchte, aus dem sich der Sinn der in Frage stehenden Zuflüsse jeweils ergibt, übersieht er, dass dessen abstrakt-generelle Regelungen im vorliegenden Zusammenhang - nicht anders als bei der Bestimmung von Zeiten der Zugehörigkeit nach § 5 AAÜG (dazu - SozR 4-8570 § 5 Nr 10) - als "generelle Anknüpfungstatsachen" dienen ( aaO) und Angriffe gegen die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde generell ausgeschlossen sind (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Soweit es um die Anwendung von Bundesrecht geht, legt die Beschwerdebegründung weder dar, dass sich die aufgeworfene Frage mit den Rechtsgrundsätzen, die der Senat in seinen Urteilen vom (aaO) aufgestellt hat, nicht beantworten lässt noch zeigt sie auf, inwiefern diese Rechtsgrundsätze für die Entscheidung des Rechtsstreits erweitert, geändert oder ausgestaltet werden müssen (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 65 f). Der Kläger verkennt, dass eine Rechtsfrage auch dann als geklärt anzusehen ist, wenn das Revisionsgericht zwar über bestimmte Fallkonstellationen (hier: Arbeitsentgelteigenschaft gezahlter Verpflegungsgelder, Reinigungszuschüsse und Sachbezüge) noch nicht tragend zu befinden hatte, höchstrichterliche Entscheidungen oder das Gesetz selbst aber klare oder ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. Dann kommt es lediglich auf die Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt an; eine weitere Klärung oder Fortentwicklung des Rechts ist nicht mehr zu erwarten (vgl BSG Beschlüsse vom - B 11 AL 137/12 B - Juris RdNr 11, vom - B 12 R 4/12 B - Juris RdNr 8 und vom - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Um darzulegen, dass die aufgeworfene Frage dennoch grundsätzliche Bedeutung hat, hätte der Kläger aufzeigen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen wird bzw inwiefern die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51) oder welche neuen erheblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die zu einer Neubetrachtung der bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und eine anderweitige Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 mwN; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 8b). Diese Umstände müssen substantiiert dargelegt werden, was nur auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung und in Auseinandersetzung mit ihr möglich ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 71). Entsprechende Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Soweit sie auf Entscheidungen verschiedener Senate des LSG Berlin-Brandenburg hinweist und in der Anlage daraus zentrale Textpassagen zitiert, handelt es sich - mit einer Ausnahme - um Judikate, die vor den Senatsurteilen vom ergangen sind und ihnen daher weder zeitlich noch logisch "widersprechen" können. Soweit die Beschwerdebegründung auf die verkündeten, im Zeitpunkt der Beschwerdebegründung aber noch nicht zugestellten Urteile des Thüringer LSG vom 28.10. und sowie des in dem Berufungsverfahren L 22 R 702/12 eingeht, ist dies nicht geeignet, das "Herausbilden" einer im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG stehenden obergerichtlichen Rechtsprechung zu belegen. Stattdessen räumt der Kläger selbst ein, dass der 3. Senat des Thüringer LSG "den Vorgaben und Prüfungsschritten aus diesen Urteilen des konsequent folgt" und der 22. Senat des LSG Berlin-Brandenburg "seine bisherige Rechtsprechung durch die Entscheidungen des BSG bestätigt" sieht.
13Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
14Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstelle(n):
VAAAF-69478