Instanzenzug: S 13 U 424/07
Gründe:
1Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG). Die Klägerin hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
21. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bundesrechtliche Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums anzugeben, welche rechtlichen Fragen sich zu einer bestimmten Vorschrift des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellen. Sodann ist darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig ist ( -B2U 348/11 B - juris RdNr 20 mit zahlreichen Nachweisen). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin macht den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache geltend, ohne eine abstrakte klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage hinreichend klar zu formulieren.
32. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und vom - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Mit der Beschwerde ist indes nicht dargelegt worden, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch in Frage gestellt hätte.
43. Im Übrigen ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Insoweit ist darzulegen, dass ein Beweisantrag bis zuletzt aufrechterhalten oder gestellt worden ist, mit dem sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt wurde, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden sollte (vgl B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 6, vom - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 und vom - 9 BV 194/96 - SozR 3-1500 § 160 Nr 20). Da sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus gedrängt fühlen muss, den beantragten Beweis zu erheben ( - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 9), ist außerdem aufzuzeigen, inwiefern nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt aus der rechtlichen Sicht des LSG erkennbar offengeblieben sind, damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat und die so zu ermittelnden Tatsachen nach der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich sind ( - mwN). Diesen Anforderungen hat die Klägerin nicht Rechnung getragen.
5a) Mit dem Beweisantrag, wie eine Äußerung von Prof. Dr. H. "hinsichtlich des Einzelfalls der Klägerin" zu bewerten ist, wird schon nicht die Feststellung einer bestimmten Tatsache bezweckt. Sie zielt vielmehr auf die Klärung einer aus der Sicht der Klägerin erläuterungsbedürftigen sachverständigen Aussage. Unabhängig davon ist nicht aufgezeigt worden, weshalb der Beweisantrag entscheidungserheblich sein soll, obwohl sich das LSG nach dem Beschwerdevorbringen nicht auf das Gutachten von Prof. Dr. H. gestützt hat.
6b) Auch die Erforderlichkeit einer Beweiserhebung dazu, inwieweit Hepatitis-B-Impfungen geeignet sind, eine Multiple Sklerose (MS) auszulösen, ist nicht hinreichend dargetan. Bei einer Frage nach einer generellen Rechtstatsache ist der allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisstand aufzuzeigen und anzugeben, weshalb gleichwohl Klärungsbedarf besteht (vgl ). Dem ist nicht allein durch den Hinweis auf die Studie von Le Houezec genüge getan. Ein medizinischer Wirkungszusammenhang bestimmt sich regelmäßig nach dem aktuellen Stand des anerkannten medizinischen Erfahrungswissens der Mehrheit der veröffentlichenden Wissenschaftler und Fachkundigen des jeweiligen Fachgebiets ( - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 61). Dass die Studie von Le Houezec nicht nur eine Einzelmeinung darstellt, sondern den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand widerspiegelt, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
7c) Es kann dahinstehen, ob die Aufklärungsrüge auch im Hinblick auf die Beweisfrage zu den Antikörper-Titer aus den unter b) genannten Gründen nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist. Jedenfalls ist insoweit nicht aufgezeigt worden, dass das LSG dem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die Klägerin hat nicht dargelegt, weshalb aus der rechtlichen Sicht des LSG zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat.
8d) Hinsichtlich der beantragten Einholung sowohl eines medizinstatistischen als auch eines Gutachtens zur Notwendigkeit einer individuellen Begutachtung ist jedenfalls nicht dargetan, inwieweit die angefochtene Entscheidung auf der unterbliebenen Beweiserhebung beruhen kann. So geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor, zu welchen entscheidungserheblichen Erkenntnissen diese Gutachten geführt hätten, weshalb entweder die Feststellung einer unzureichenden Studienlage oder das Bedürfnis nach einer individuellen Begutachtung den Ursachenzusammenhang zwischen Impfung und MS begründen soll.
94. Auch die Rüge der Klägerin, das LSG habe ihr Vorbringen nicht berücksichtigt und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 101 GG, § 62 SGG) verletzt, ist nicht schlüssig dargetan. Er soll zwar ua sicherstellen, dass die Ausführungen der Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen werden. Das Gericht muss jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten bescheiden. Vielmehr verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs nur, deren Darlegungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist ( - BVerfGE 96, 205, 216). Solche Umstände sind nicht aufgezeigt worden.
105. Soweit die Klägerin eine Verletzung des § 411 Abs 3 ZPO iVm § 118 Abs 1 Satz 1 SGG wegen Versagung des Fragerechts gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. K. rügt, ist diese ebenfalls nicht hinreichend dargetan. Das Übergehen des Antrags eines Beteiligten auf ergänzende Befragung eines Sachverständigen als Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist dann ein wesentlicher Verfahrensmangel, wenn der Beteiligte alles getan hat, um eine Anhörung des Sachverständigen zu erreichen. Entscheidend ist, dass die nach seiner Ansicht erläuterungsbedürftigen Punkte dem Gericht rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung schriftlich mitgeteilt werden und aufgezeigt wird, inwiefern die aufgeworfenen Fragen sachdienlich gewesen sind ( B 5a/5 R 60/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7 und vom - B 2 U 222/04 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 4 RdNr 6). Dass diese Voraussetzungen gegeben waren und das LSG folglich den Sachverständigen hätte anhören müssen (vgl ), ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
11Im Übrigen sieht der Senat von einer weiteren Begründung ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise vgl - NJW 2011, 1497 ff).
12Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstelle(n):
AAAAF-68931