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OFD Frankfurt/M. - S 7104 A - 083 - St 110

Umsatzsteuerrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV)

1. Allgemeines

Aufgabenträger des ÖPNV in Hessen sind die Landkreise, kreisfreien Städte und Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern (§ 5 Abs. 1 des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Hessen, ÖPNVG). Die Aufgabenträger können für die Belange des lokalen Verkehrs in ihrem Gebiet lokale Nahverkehrsorganisationen einrichten (sog. Aufgabenträgerorganisationen, § 6 Abs. 1 ÖPNVG).

Die Belange des regionalen Verkehrs nehmen die Aufgabenträger gemeinsam in Verkehrsverbünden wahr (§ 6 Abs. 2 ÖPNVG). Verkehrsverbünde sind in Hessen

  • der Rhein-Main Verkehrsverbund (RMV),

  • der Nordhessische Verkehrsverbund (NVV) und

  • der Verkehrsverbund Rhein-Neckar für den Kreis Bergstraße.

Die Erbringung von Verkehrsleistungen obliegt den Verkehrsunternehmen nach dem Eisenbahngesetz und dem Personenbeförderungsgesetz (§ 8 Abs. 3 ÖPNVG). Eine Aufgabenträgerorganisation darf grundsätzlich kein Verkehrsunternehmer in diesem Sinne sein. Im Verhältnis Aufgabenträgerorganisation (Besteller) und Verkehrsunternehmen (Ersteller) gilt das sog. Besteller-Ersteller-Prinzip (§ 9 ÖPNVG).

Wie in dem folgenden Organisationsmodell dargestellt, erfolgt eine Trennung der politischen und unternehmerischen Ebene. Diese wurde aufgrund veränderter Rahmenbedingungen durch die Verordnung (EG) Nr. 1370/2000 des Europäischen Parlaments und Rates vom notwendig.

Die Organisationstruktur des ÖPNV in Hessen lässt sich wie folgt zusammenfassen:


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Ebene
Politik
Aufgabenträger
 
 
 
Land Hessen
Landkreise
Kreisfreie Städte
Städte > 50.000
 
Ebene
Besteller
Aufgabenträgerorganisationen
 
 
 
regional: RMV, NVV und VRN
 
 
 
 
lokal: lokale Nahverkehrsorganisationen
 
 
 
 
Ebene
Ersteller
Verkehrsunternehmen
 
 
 
Busunternehmen, Verkehrsgesellschaften usw.
 
 
 
 

2. Zahlungen der Aufgabenträger

2.1 Allgemeine Zahlungen für Verkehrsleistungen

Zahlungen der für die öffentliche Nahverkehrsbedienung zuständigen Aufgabenträger an die Verkehrsunternehmen sind echte nicht steuerbare Zuschüsse im Sinne des Abschn. 10.2 Abs. 7 UStAE, wenn sie dazu bestimmt sind, allgemein eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV zu gewährleisten.

Werden allerdings Einzelleistungen konkret vereinbart, liegt ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch vor. Zahlungen für fahrplanmäßig festgelegte Verkehrsangebote zur Bedienung der Allgemeinheit im ÖPNV sind nicht als Gegenstand einer konkreten Bestellung einzelner Nahverkehrsleistungen anzusehen und unterliegen daher unabhängig von etwaig getroffenen Vereinbarungen nicht der Umsatzsteuer

Die Zahlungen stellen keine preisauffüllende Entgelte von dritter Seite zu den Fahrgeldeinnahmen dar, wenn durch die Zahlungen lediglich nicht gedeckte Kosten oder Verluste ausgeglichen werden sollen. Die Bemessung der Zahlungen wird in diesen Fällen regelmäßig im Rahmen eines Preis-Kosten-Vergleichs erfolgen, und nicht in einem für eine Preisauffüllung sprechenden Preis-Preis-Vergleich.

Die Durchleitung von Zahlungen der Aufgabenträger über die Aufgabenträgerorganisationen führt auf allen Ebenen zur gleichen Beurteilung.

2.2 Zahlungen für andere Leistungen

Neben den vorstehend genannten Zahlungen erhalten die Aufgabenträgerorganisationen regelmäßig weitere Mittel für die Erfüllung von Aufgaben, die den Aufgabeträgern nach § 7 ÖPNVG gesetzlich zugewiesenen sind. Diese Zahlungen der Aufgabenträger sind geeignet ein Leistungsaustauschverhältnis zu begründen. Davon zu unterscheiden sind nicht umsatzsteuerbare Gesellschafterbeiträge (vgl. Abschn. 1.6 Abs. 1 UStAE).

Die Zuwendungen der Aufgabenträger werden regelmäßig sowohl den steuerbaren als auch den nicht steuerbaren Zuschussbereich betreffen, ohne dass in den zugrunde liegenden Vereinbarungen (z. B. Betrauungsakten) oder Beschlüssen eine Aufteilung vorgenommen wurde. In diesen Fällen sind die Zahlungen auf die beiden Bereiche aufzuteilen. Eine Aufteilung kann z. B. aus dem Verhältnis der auf die beiden Bereiche entfallenden Kosten zu den Gesamtkosten der Aufgabenträgerorganisation erfolgen.

Kostenbereich, die z. B. auf

  • die Sicherstellung der Erfüllung der allgemeinen Anforderungen nach § 4 ÖPNVG (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 ÖPNVG),

  • die Planung, Finanzierung, Errichtung, Instandhaltung und Verbesserung der Infrastruktur des ÖPNV,

  • Marketing, Vertrieb und Kundenbetreuung im Rahmen des ÖPNV,

  • die Erstellung von Nahverkehrsplänen

entfallen, sind zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage des steuerbaren Leistungsaustausch heranzuziehen.

2.3 Infrastrukturkostenhilfe

Bei der Infrastrukturkostenhilfe handelt es sich um öffentliche Mittel zur Sicherstellung des ÖPNV, die über die Verkehrsverbünde ausgezahlt werden. Sie dienen der Verbesserung des lokalen ÖPNV-Angebotes. Umsatzsteuerlich sind sie als nicht steuerbare Zuschüsse zu beurteilen.

2.4 Infrastrukturkostenausgleich

Der Infrastrukturkostenausgleich (IKA) wird von Gebietskörperschaften zur Finanzierung der Infrastruktur der sie bedienenden Verkehrsunternehmen aus einer anderen Gebietskörperschaft gezahlt. Er ist ein Kostenausgleich auf Ebene der kommunalen Gebietskörperschaften zum Zwecke der Zuordnung von Vorhaltekosten der Infrastruktur von Verkehrsunternehmen, die auf dem Gebiet einer anderen Gebietskörperschaft Beförderungsleistungen erbringen. Er ist weder Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs zwischen den Gebietskörperschaften, noch Entgelt von dritter Seite.

Zur Vereinfachung der Zahlungsflüsse können die IKA-Zahlungen über die Verkehrsverbünde abgewickelt und direkt von den lokalen Nahverkehrsorganisationen angefordert bzw. an diese weitergeleitet werden.

3. Zahlungen anderer Einrichtungen

Finanzielle Leistungen von anderen Einrichtungen an die Verkehrsunternehmen beruhen auf einem steuerpflichtigen Leistungsaustausch, wenn die Zahlungen nicht die allgemeine Verkehrsbedienung der Bevölkerung fördern sollen, sondern mit speziellen Interessen des Zuschussgebers zusammenhängen und diesem dienen. Bei Zahlungen von Privaten dürfte vorwiegend die Förderung von Eigeninteressen, und nicht die Förderung der allgemeinen Verkehrsbedienung im Vordergrund stehen.

4. Vorsteuerabzug (Regie-Ebene bzw. Besteller)

Für den Vorsteuerabzug auf der Regie-Ebene gelten die allgemeinen umsatzsteuerrechtlichen Grundsätze.

Die Rundverfügung vom wurde in diese Rundverfügung integriert und wird aufgehoben.

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Fundstelle(n):
EAAAF-68558