BGH Urteil v. - AnwZ (Brfg) 49/14

Fachanwaltsbezeichnung: Neuverleihung nach Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft

Gesetze: § 43c Abs 1 S 1 BRAO, § 43c Abs 4 S 2 BRAO, § 3 FAO, § 5 Abs 1 FAO, § 15 Abs 1 S 1 FAO

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Hamm Az: 1 AGH 22/11 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin war seit 2006 als Rechtsanwältin zugelassen und seit dem zum Führen der Bezeichnung " Fachanwältin für Verwaltungsrecht" berechtigt. Nachdem sie ein zwischenzeitlich eingegangenes befristetes Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst in ein unbefristetes umgewandelt hatte, bat sie die Beklagte mit Schreiben vom um Widerruf der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO. Zugleich beantragte sie die Zusicherung, bei Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft auch die Fachanwaltsbezeichnung wieder führen zu dürfen, sofern sie weiterhin ihrer Fortbildungspflicht nach § 15 FAO genüge. Die Beklagte widerrief die Rechtsanwaltszulassung mit Bescheid vom . Mit Bescheid vom lehnte sie es ab, die begehrte Zusicherung zu erteilen. Die Klägerin müsse im Fall ihrer Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung neu beantragen.

2Die hiergegen erhobene Klage, mit der die Klägerin zuletzt die Feststellung beantragte, dass sie im Fall erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerruflich berechtigt sei, die Bezeichnung "Fachanwältin für Verwaltungsrecht" zu führen, soweit sie in der Zwischenzeit ihrer Fortbildungspflicht gemäß § 15 FAO genügt habe, hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung hat der Senat mit Urteil vom (AnwZ (Brfg) 57/11, BRAK-Mitt. 2012, 242) zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat die 2. Kammer des Ersten Senats des (NJW 2015, 394) aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

Gründe

31. Die Berufung ist zulässig. Statthafte Klageart ist die Feststellungsklage nach § 43 VwGO (vgl. BVerfG, NVwZ-RR 2000, 473; Eyermann/Happ, VwGO, 14. Aufl., § 43 Rn. 9).

42. Das Rechtsmittel hat mit dem von der Klägerin hilfsweise gestellten Feststellungsantrag in der Sache im Wesentlichen Erfolg.

5a) Der Senat hält an seiner - von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden (vgl. BVerfG, NJW 2015, 394 Rn. 25, 26) - Auffassung fest, dass die der Klägerin erteilte Befugnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung mit der Bestandskraft des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ihre Wirksamkeit verloren hat und nach etwaiger erneuter Zulassung nicht wieder aufleben kann (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom - AnwZ (Brfg) 57/11, aaO Rn. 4 ff.). Demgemäß müsste die Klägerin im Fall ihrer Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung neu beantragen, worüber die Beklagte dann zu entscheiden hätte (a.M. wohl Offermann-Burckart, NJW 2015, 380, 381).

6b) Die Beklagte wäre auf der Grundlage des derzeit geltenden Satzungsrechts verpflichtet, die Fachanwaltsbezeichnung auf Antrag der Klägerin abermals zu verleihen.

7aa) Die Fachanwaltsordnung enthält zwar gegenwärtig keine spezifischen Regelungen betreffend die Neuverleihung einer Fachanwaltsbezeichnung nach erloschener und dann wieder erfolgter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Gemäß bindender Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstößt jedoch eine Auslegung des maßgebenden Berufsrechts, nach der die Klägerin deswegen das in den §§ 2 ff. FAO normierte Verfahren zur (erstmaligen) Befugniserteilung nochmals vollständig zu durchlaufen hätte, gegen den Vorbehalt des Gesetzes (BVerfG, NJW 2015, 394 Rn. 15). Dies gilt ungeachtet der Frage, für welche Zeit die Klägerin aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschieden und mit welchen beruflichen Aufgaben sie zwischenzeitlich befasst gewesen ist; denn das Berufsrecht enthält derzeit keine Bestimmung, nach der die einmal erworbene berufspraktische Qualifikation allgemein (vgl. § 3 FAO) oder hinsichtlich des Fachgebiets (vgl. § 5 FAO) allein durch Ausscheiden aus dem Anwaltsberuf oder durch Zeiten beruflicher Untätigkeit erlischt (BVerfG, aaO Rn. 30).

8Deshalb dürfte die Beklagte die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung nicht mit der Begründung ablehnen, dass die Klägerin nicht - wie von § 3 FAO gefordert - über eine dreijährige Zulassung und Tätigkeit innerhalb der letzten sechs Jahre vor (erneuter) Antragstellung verfüge oder dass der praktische Nachweis nicht erbracht sei, weil die Klägerin innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung keine Fälle im Fachgebiet bearbeitet habe (vgl. § 5 Abs. 1 FAO). Eine solche Entscheidung könnte vor der Verfassung keinen Bestand haben. Der Anspruch auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung ergäbe sich dabei unmittelbar aus § 43c Abs. 1 Satz 1 BRAO, weil die Klägerin die von ihr einmal erworbene berufspraktische Qualifikation auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts während des Nichtbestehens der Rechtsanwaltszulassung nicht wieder verloren hat (vgl. hierzu BVerfG, aaO Rn. 26, 30).

9bb) Der Senat kann die diesbezügliche Feststellung trotz entgegenstehenden zwingenden Satzungsrechts (§§ 3, 5 FAO) selbst treffen.

10(1) Allerdings ist eine verfassungskonforme Auslegung namentlich der §§ 3, 5 Abs. 1 FAO mit dem vorgenannten Inhalt schon im Blick auf die Eindeutigkeit der bezeichneten Bestimmungen nicht möglich (vgl. zusammenfassend , NVwZ 2015, 510 Rn. 89 ff. mwN). Ferner darf der normative Regelungsinhalt nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung erst geschaffen oder neu bestimmt werden (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 8, 28, 34 f.; 9, 83, 87; 34, 165, 200; 48, 40, 46 f.).

11(2) Jedoch stehen hier Normen im Rang unter dem förmlichen Gesetz in Frage, für die das so genannte Normverwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts nicht gilt (vgl. BVerfG, NVwZ-RR 2000, 473, 474 mwN). Deren verfassungsrechtliche Nachprüfung obliegt in Fällen ihrer Entscheidungserheblichkeit vielmehr jedem Richter (vgl. BVerfGE 48, 40, 45; BVerfG, NVwZ-RR 2000, 473, 474, jeweils mwN). Gegebenenfalls wird die Verfassungswidrigkeit solcher Rechtsnormen in den Gründen der Entscheidung festgestellt (vgl. BVerfG, NVwZ-RR 2000, 473; BVerwGE 80, 355, 358 f.). Dementsprechend ist hier festzustellen, dass die §§ 3, 5 FAO in ihrer derzeitigen Fassung keine Anwendung finden, soweit sie nach ihrem keiner anderen Interpretation zugänglichen Wortlaut einer Neuverleihung der Fachanwaltsbezeichnung an die Klägerin entgegenstehen könnten.

12c) Die Feststellung kann indessen nicht ohne Einschränkung getroffen werden.

13aa) Was die Erfüllung der nach § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO, § 15 FAO kontinuierlich zu erbringenden Fortbildungspflicht anbelangt, hat die Klägerin eine dahin zielende Bedingung bereits in ihren Antrag aufgenommen. Der Senat muss deshalb nicht entscheiden, ob sich eine Obliegenheit zur laufenden Fortbildung auch nach dem Erlöschen der Rechtsanwaltszulassung aus dem Berufsrecht ableiten lässt (vgl. BVerfG, NJW 2015, 394 Rn. 27). Hieran könnten Zweifel bestehen, weil § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO wie auch § 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 FAO ersichtlich an den Bestand der Fachanwaltsbezeichnung und eine Mitgliedschaft des Betroffenen in der jeweiligen Rechtsanwaltskammer anknüpfen. Beides ist hier aber nach dem Erlöschen der Rechtsanwaltszulassung nicht gegeben. Ungeachtet dessen weist die Beklagte mit Recht darauf hin, dass der Nachweis beim Ersuchen um abermalige Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung antragsgemäß zu erbringen sein wird.

14bb) Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber bis zu einer Entscheidung über eine Wiederzulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft und einem erneuten Antrag auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung spezifische Regelungen zu der inmitten stehenden Problematik schafft. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu Hinweise gegeben (BVerfG, aaO Rn. 31). Für diesen Fall wird ein etwaiger Antrag auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung an den dann geltenden Satzungsbestimmungen zu messen sein. Die Klägerin genießt keinen verfassungsrechtlichen Schutz gegen eine zukünftige Änderung des geltenden Rechts (vgl. BVerfG, NJW 2010, 3629 Rn. 57). Namentlich hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass es der Gesetzgeber bei dem derzeit ungeregelten Rechtszustand belässt (vgl. BVerfG, NJW 2015, 394 Rn. 20, 31).

153. Die Kosten des Verfahrens waren gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO der Beklagten aufzuerlegen. Denn die Klägerin ist nur zu einem geringen Teil unterlegen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 1 BRAO. Sie entspricht hinsichtlich der Höhe der ständigen Rechtsprechung des Senats, von der abzuweichen kein Anlass besteht.

Kayser                         König                        Remmert

                Braeuer                         Kau

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:110116UANWZBRFG49.14.0

Fundstelle(n):
DStR 2016 S. 15 Nr. 31
DStR 2016 S. 2878 Nr. 49
DStRE 2017 S. 766 Nr. 12
UAAAF-68330