BGH Beschluss v. - 4 StR 484/15

Strafurteil: Anforderungen an die Darstellung des Ergebnisses eines molekulargenetischen Sachverständigengutachtens

Gesetze: § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Essen Az: 22 Ks 4/15

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

21. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils tötete der Angeklagte am zwischen 21.30 Uhr und 22.00 Uhr     S.   , als diese nichts ahnend an ihrem Schreibtisch saß. Der Angeklagte trat hinter sie und schlug ihr mit Wucht mit einem Hammer auf den Kopf und stach insgesamt 29 Mal in rascher Folge mit zwei großen Kochmessern auf Kopf-, Nacken- und Rückenbereich ein.     S.    verstarb binnen kürzester Zeit durch Verbluten nach innen und außen.

3Seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten stützt das Landgericht auf folgende Umstände: Der Angeklagte war in der Zeit von 17.30 Uhr bis 2.35 Uhr in der Wohnung der Geschädigten bzw. im Bereich der Wohnung. Nach seinen Angaben bei der Polizei hatte er die Wohnung um 23.45 Uhr verlassen; zu diesem Zeitpunkt war die Geschädigte mit Sicherheit tot. Zwei um 2.31 Uhr und 2.35 Uhr vom Mobiltelefon der Geschädigten versandte SMS konnte diese nicht selbst verschickt haben; wegen des spezifischen Inhalts der Nachrichten kam nur der Angeklagte als Urheber in Betracht. Am verhielt sich der Angeklagte verdächtig, indem er bei Anrufen, in SMS und beim Zusammentreffen mit verschiedenen Personen angab, nicht zu wissen, was mit     S.    sei und dass er sich Sorgen mache, aber nicht zu ihrer Wohnung fuhr. In dem vom Angeklagten gefahrenen Pkw Smart und an dessen Kleidung wurden DNA-Spuren der Geschädigten an ungewöhnlichen Stellen und in Kombination mit allerdings nicht eindeutig klassifizierbaren Blutantragungen gefunden. Weiter heißt es im Urteil: „Die Kammer ist jedenfalls aufgrund einer Gesamtschau der oben dargestellten Indizien, die – den Angeklagten bereits jedes für sich erheblich belastend – sich ohne weiteres ineinanderfügen und ein Bild des Täters zeichnen, das eindeutig und alternativlos auf den Angeklagten weist. Zwar mögen einzelne Indizien isoliert betrachtet noch durch alternativ (teilweise freilich nur theoretisch) denkbare Geschehensabläufe erklärt werden können. Jedenfalls in ihrer Gesamtheit begründen sie aber die zweifelsfreie Überzeugung der Kammer von der Täterschaft des Angeklagten.“

42. Die Revision des Angeklagten rügt zu Recht, dass sich die Beweiswürdigung des Landgerichts auf das in den Urteilsgründen nicht hinreichend dargestellte DNA-Gutachten stützt.

5a) Das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist danach erforderlich, dass der Tatrichter mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. , NJW 2014, 2454; vom – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 217; Beschlüsse vom – 4 StR 39/15 und vom – 1 StR 364/14, NStZ-RR 2015, 87, 88).

6b) Diesen Anforderungen genügt das Urteil nicht. Die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geforderte Darstellung fehlt vollständig, das Urteil enthält lediglich die Ergebnisse der biostatistischen Berechnungen für verschiedene untersuchte Spuren, die aber ohne Mitteilung der Grundlagen der Berechnung nicht nachvollziehbar sind. Dabei ist den Ausführungen, beispielsweise „So fanden sich an der Unterhose des Angeklagten DNA-Antragungen, für die es 1,5 Milliarden mal wahrscheinlicher ist, dass sie von dem Angeklagten, der Geschädigten und unbekannten Personen, als dass sie von dem Angeklagten und ausschließlich unbekannten Personen verursacht worden ist ('höchstwahrscheinlich')“, zu entnehmen, dass es sich offenbar um Mischspuren handelt, für die über die oben genannten Darlegungsanforderungen in „Normalfällen“ hinaus Besonderheiten gelten können (vgl. , NJW 2014, 2454, 2455).

7c) Das Urteil kann danach keinen Bestand haben. Die Strafkammer hat ihre Beweiswürdigung ausdrücklich auf die Gesamtschau aller Indizien gestützt. Das Revisionsgericht ist nicht befugt, eine eigene Beweiswürdigung vorzunehmen und aufgrund der weiteren – sehr gewichtigen – belastenden Indizien den DNA-Spuren ihre Bedeutung für die Überzeugungsbildung des Tatrichters abzusprechen.

Sost-Scheible                             Roggenbuck                            Franke

                         Mutzbauer                                 Quentin

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:190116B4STR484.15.0

Fundstelle(n):
HAAAF-67614