Höhe einer Sozialplanabfindung - Einzelfallentscheidung
Gesetze: § 77 Abs 4 S 1 BetrVG, § 112 Abs 1 S 3 BetrVG
Instanzenzug: Az: 4 Ca 6598/13 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 9 Sa 326/14 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Berechnung einer Sozialplanleistung.
2Der am geborene und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten - unter Anrechnung seiner Betriebszugehörigkeit zu der Nokia GmbH - seit dem beschäftigt und zuletzt in deren Betriebsstätte in Düsseldorf tätig. Ihm war ein Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen. Die Beklagte bringt eine Firmenwagenrichtlinie zur Anwendung, die Company Benefit Car Policy (Car Policy). Diese legt in ihrer Fassung vom Februar 2012 unter „2. Company Car Eligibility“ ua. fest, dass die Anspruchsberechtigung auf einen Firmenwagen auf dem „Job Grade“ - dem Grad der Verantwortung der Tätigkeit - basiert. Außerdem ist in ihrem Prefix bei Rückgabe des Firmenwagens unter näher geregelten Voraussetzungen eine monatliche Barzulage (monthly cash allowance) in Höhe von 750,00 Euro brutto vorgesehen.
3Bei der Beklagten ist der für den Betrieb Düsseldorf zuständige Betriebsrat Region West gebildet. Mit diesem vereinbarte die Beklagte, welche bis zum unter Nokia Siemens Networks GmbH & Co. KG (NSN) firmierte, am anlässlich einer Restrukturierungsmaßnahme einen Sozialplan (SP 2012). Dieser sieht den Übergang der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer in die NSN Transfergesellschaft mbH (NSN TG) vor und lautet im Übrigen:
4Unter den Daten 16./ vereinbarten die Parteien und die NSN TG einen „dreiseitigen Vertrag“, nach dem das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Ablauf des endete und er zum in die NSN TG eintrat. Der Kläger gab den Firmenwagen an seinem letzten Arbeitstag bei der Beklagten zurück.
5Die Beklagte ermittelte die Sozialplanleistung nach der Rechenoperation:
6Bei der Höhe des in die Rechnung eingestellten Bruttomonatseinkommens berücksichtigte sie weder die monatliche Barzulage anstelle eines Firmenwagens nach der Car Policy noch die (steuerpflichtigen) geldwerten Vorteile des zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagens. Auch die monatlich abgerechnete und gezahlte Kontoführungsgebühr sowie die von ihr monatlich gewährten Zuschüsse zur Vermögensbildung (vermögenswirksame Leistungen) brachte sie nicht in Ansatz.
7Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung mit Schreiben vom unter Fristsetzung für eine Nachzahlung bis zum hat der Kläger mit seiner Klage die Zahlung der Differenz geltend gemacht, die sich ergibt, wenn bei der Bemessung der Abfindung von einem höheren Bruttomonatseinkommen - unter Berücksichtigung der Kontoführungsgebühr und der vermögenswirksamen Leistungen sowie der monatlichen Barzulage nach der Car Policy, jedenfalls aber der geldwerten Vorteile für die Privatnutzung des Firmenwagens - ausgegangen wird, und entgegen der Berechnung der Beklagten die Zuschläge des § 7 (2.2) bis (2.4) SP 2012 nicht mit dem Faktor 0,7 multipliziert werden. Des Weiteren hat der Kläger gemeint, die Abfindungszahlung sei am fällig gewesen. Entsprechend hat er unter Berücksichtigung der von der Beklagten gezahlten Beträge Verzugszinsen in gestaffelter Höhe beansprucht.
8Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen
9Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, ihre Berechnung der Sozialplanleistung folge zwingend aus der Regelungssystematik des Sozialplans.
10Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und dem Kläger einen Betrag von 5.701,66 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 69.995,33 Euro seit dem bis zum , aus 7.801,66 Euro seit dem bis zum sowie aus 5.701,66 Euro seit dem zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 5.537,87 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem sowie weitere Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.637,87 Euro vom bis zum zu zahlen. Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit ihren Revisionen verfolgen beide Parteien ihre bisherigen Anträge weiter.
Gründe
11Die Revisionen beider Parteien haben nur zum Teil Erfolg. Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit sie zur Zahlung eines 4.049,98 Euro brutto übersteigenden Betrags nebst Zinsen an den Kläger verurteilt worden ist. Die Revision des Klägers ist hinsichtlich eines Teils der mit dem Klageantrag zu 2. eigenständig erhobenen Zinsforderung begründet. Insoweit war bereits die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts unzulässig. Im Übrigen sind die Revisionen der Parteien unbegründet.
12I. Die Revision der Beklagten ist teilweise begründet. Der Klageantrag zu 1. ist nicht in der vom Landesarbeitsgericht zuerkannten Höhe begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Zahlung einer weiteren Sozialplanabfindung, jedoch nur iHv. 4.049.98 Euro brutto. Das folgt daraus, dass die Beklagte zwar den in die Höhe der Sozialplanabfindung einzustellenden Faktor des Bruttomonatseinkommens zutreffend ermittelt hat. Entgegen ihrer Berechnungsweise unterliegen aber die Sozialzuschläge des § 7 (2.2) bis (2.4) SP 2012 nicht der Multiplikation mit dem Faktor 0,7. Die Nebenforderung besteht erst seit dem .
131. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für eine aus dem individuellen Bruttomonatsentgelt errechnete Abfindung nach § 7 (1) SP 2012. Darüber streiten die Parteien ebenso wenig wie über die bei der Berechnung der zu zahlenden Leistung nach § 7 (2) SP 2012 zugrunde zu legenden Sozialdaten des Klägers.
142. Anders als der Kläger meint, sind bei der Höhe des für den Abfindungsbetrag maßgebenden Bruttomonatseinkommens die monatliche Barzulage nach der Car Policy - oder die geldwerten Vorteile für die Privatnutzung eines Firmenwagens - sowie die Kontoführungsgebühr und die vermögenswirksamen Leistungen nicht zu berücksichtigen. Dies folgt aus den Festlegungen zu dem abfindungsrelevanten Begriff „Bruttomonatseinkommen“ im Sozialplan.
15a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen eigener Art wegen ihrer normativen Wirkungen (§ 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG) wie Tarifverträge auszulegen ( - Rn. 18 mwN). Auszugehen ist dementsprechend zunächst vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Der Sozialplanzweck ist aus Wortlaut und Gesamtzusammenhang der Regelung zu erschließen und bestimmt sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen einer Betriebspartei. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist nur zu berücksichtigen, soweit er im Sozialplan seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. - Rn. 11; - 1 AZR 988/08 - Rn. 14 mwN). Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. - Rn. 14; - 1 AZR 544/12 - Rn. 12 mwN).
16b) Hiernach ergibt sich, dass zu dem Bruttomonatseinkommen im Sinn des § 7 (2) und (2.1) SP 2012 das Gehalt und das auf einen Monat umgerechnete Incentive zählen. Nicht zu berücksichtigen sind die Kontoführungsgebühr, ein ggf. nach der Car Policy zustehender monatlicher Barbetrag von 750,00 Euro - oder statt diesem die geldwerten Vorteile für die Privatnutzung des Dienstwagens - und die vermögenswirksamen Leistungen.
17aa) Die Betriebsparteien haben das in die nach § 7 (2) SP 2012 in die Formelberechnung des Abfindungsbetrags einzustellende Bruttomonatseinkommen in § 7 (2.1) Unterabs. 3 SP 2012 näher definiert. Der Begriff „Bruttomonatseinkommen“ bezieht sich - im allgemeinen Sprachgebrauch - auf die Zahlungsweise und den Abrechnungszeitraum. Nach dem Wortlaut von Satz 1 des § 7 (2.1) Unterabs. 3 SP 2012 fallen darunter „feste regelmäßige monatliche Einkommensbestandteile auf Basis der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit“. Die Wendung „feste“ nimmt „schwankende“ - variable oder unregelmäßige - Bestandteile des Einkommens von vornherein aus. Das Adjektiv „monatliche“ bestimmt die Abstände der regelmäßigen Wiederkehr in zeitlicher Hinsicht näher. Nicht in jedem Monat zu beanspruchende Einkommensbestandteile zählen nicht zum Bruttomonatseinkommen, was durch die Sonderbestimmung des § 7 (2.1) Unterabs. 4 SP 2012 für Mitarbeiter, die „Anspruch auf ein Incentive“ haben, unterstrichen ist. Schließlich sollen nur die Einkommensbestandteile Berücksichtigung finden, die auf der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit beruhen. Nach dem Wort- und Textsinn ist die ausschlaggebende Bezugsgröße für die „festen“ Einkommensbestandteile allein die „vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit“.
18bb) Systematische Erwägungen widersprechen diesem Wortlautverständnis nicht. Zwar erscheint Satz 2 von § 7 (2.1) Unterabs. 3 SP 2012 redundant, wenn die nach ihm ausdrücklich ausgenommenen „Teile“ schon keine Einkommensbestandteile nach Satz 1 von § 7 (2.1) Unterabs. 3 SP 2012 sind. Der Vorschrift kann insofern aber auch eine bloße klarstellende Bedeutung zukommen. Das gilt umso mehr, als die Betriebsparteien bei den Festlegungen zur Abfindungshöhe ohnehin keinen einheitlichen Begriff des Bruttomonatseinkommens gebrauchen. So definieren sie in § 7 (2.1) Unterabs. 3 SP 2012 das Bruttomonatseinkommen, verwenden jedoch - offensichtlich ohne anderen Bedeutungsgehalt - in § 7 (1) und (2.1) SP 2012 zum Teil auch andere sprachlichen Ausdrücke („Bruttomonatsentgelt“ und „Bruttomonatsverdienst“). Immerhin unterscheiden sie aber gemäß einerseits § 5 (3) Satz 2 und Satz 3 SP 2012 und andererseits § 7 (2) SP 2012 nach dem für das Transferarbeitsverhältnis und nach dem für die Abfindungsberechnung maßgeblichen Begriff des Bruttomonatseinkommens. Der methodische Vergleich der unterschiedlichen Festlegungen hierzu spricht deutlich dafür, dass bei dem für die Abfindung maßgeblichen Bruttomonatseinkommen nur die unmittelbar auf die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit bezogenen Einkommensbestandteile berücksichtigungsfähig sein sollen. Auf eine solche Interpretation deutet unter systematischen Gesichtspunkten ferner der Umstand, dass die vermögenswirksamen Leistungen bei den Regelungen zum Transferarbeitsverhältnis explizit ausgewiesen sind, vgl. § 5 (8) SP 2012.
19cc) Der Zweck des Sozialplans, konkret absehbare oder eingetretene betriebsänderungsbedingte Nachteile auszugleichen (vgl. zB - Rn. 17 mwN), gibt für ein bestimmtes Verständnis des Begriffs „Bruttomonatseinkommen“ nichts her. Jedenfalls verbietet er es den Betriebsparteien aber auch nicht, bei der Berechnung von künftigen Nachteilsausgleichen (nur) an die bisherigen stetigen Einkünfte anzuknüpfen, welche die Einkommenssituation arbeitszeitbezogen und dauerhaft geprägt haben.
20dd) Im Übrigen ist den Sozialplanbestimmungen zu entnehmen, dass es bei der Ermittlung des für den Abfindungsbetrag maßgeblichen Bruttomonatseinkommens auf den Zeitpunkt des Abschluss des dreiseitigen Vertrags ankommt. Das ist zwar nicht explizit geregelt, ergibt sich aber zwingend aus § 7 (1) SP 2012. Danach haben alle vom Geltungsbereich des Sozialplans erfassten Beschäftigten „mit Unterzeichnung des dreiseitigen Vertrages …“ einen Anspruch auf eine aus dem individuellen Bruttomonatsentgelt errechnete Abfindung. Würden nach dem Abschluss des dreiseitigen Vertrags eintretende - ggf. auch unvorhersehbare - Änderungen der monatlichen Bezüge bei der Ermittlung des maßgeblichen Bruttomonatseinkommens Berücksichtigung finden, wäre ein bereits entstandener Abfindungsanspruch in seiner Höhe Schwankungen ausgesetzt. Anhaltspunkte für einen dahin gehenden Regelungswillen der Betriebsparteien lassen sich dem Sozialplan nicht entnehmen. Insofern ist nach § 7 (2.1) Unterabs. 2 SP 2012 auch nur für die Ermittlung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit ein bestimmter späterer Zeitpunkt - „das Austrittsdatum aus NSN“ - festgelegt.
21ee) Danach zählt die dem Kläger ggf. nach der Car Policy zustehende cash allowance iHv. monatlich 750,00 Euro wegen der Rückgabe des Dienstfahrzeugs nicht zu dem Bruttomonatseinkommen. Ungeachtet des Umstands, dass der Kläger hierauf in dem für die Ermittlung der Abfindungshöhe maßgeblichen Zeitpunkt - des Abschlusses des dreiseitigen Vertrags - schon nach seinem eigenen Vortrag (noch) keinen Anspruch haben konnte, erfüllt die monatliche Barzulage nicht die Voraussetzungen des § 7 (2.1) Unterabs. 3 Satz 1 SP 2012. Sie hat nach der Car Policy ihren Grund nicht in der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit. Die Anspruchsberechtigung auf einen Firmenwagen basiert unmittelbar nur auf dem Job Grade.
22Die Positionen „PKW-Wert gw. Vorteil“ und „PKW-KM gw. Vorteil“ sind bei der Ermittlung des Bruttomonatseinkommens gleichfalls nicht anzusetzen. Bei ihnen handelt es sich um steuerlich zu berücksichtigende Vorteile im Zusammenhang mit der Überlassung des Dienstfahrzeugs. Nicht diese sind Einkommensbestandteil, sondern allenfalls die Überlassung des Firmenwagens zur privaten Nutzung, deren Wert gegebenenfalls anhand der vorgenannten Parameter ermittelt werden kann. Die Überlassung des Firmenwagens zur privaten Nutzung ist aber kein Einkommensbestandteil iSd. § 7 (2.1) Unterabs. 3 Satz 1 SP 2012. Sie erfolgt zwar regelmäßig monatlich und hat einen festen Wert in Höhe der abgerechneten Vorteile. Sie ist aber nach der Car Policy allein vom Job Grade des Mitarbeiters abhängig. Damit fehlt es an einem unmittelbaren Bezug zu der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit (ähnlich - im Zusammenhang mit der Auslegung von Versorgungsordnungen - - Rn. 29 f. und - 3 AZR 362/11 - Rn. 43 f.).
23Auch die Position „Kontoführungsg. mtl. lfd.“ ist für die Berechnung des Bruttomonatseinkommens nicht relevant. Sie erfüllt ebenfalls nicht die Voraussetzungen des § 7 (2.1) Unterabs. 3 Satz 1 SP 2012. Ungeachtet der Rechtsgrundlage ihrer Zahlung handelt es sich bei ihr um einen pauschalierten Aufwendungsersatz und nicht um Einkommen „auf Basis der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit“.
24Ähnlich verhält es sich schließlich mit dem von der Beklagten gewährten Zuschuss zur Vermögensbildung. Zwar werden vermögenswirksame Leistungen typischerweise monatlich ausgezahlt. Auch sie haben ihren Grund aber nicht in der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit. Vielmehr handelt es sich um einen Vergütungsbestandteil, der durch das Fünfte Vermögensbildungsgesetz Einschränkungen in seiner konkreten Verwendung unterliegt; insbesondere muss die Anlage der Beträge durch den Arbeitgeber erfolgen (vgl. § 2 Fünftes Vermögensbildungsgesetz).
253. Anders als die Beklagte meint, fließen in die Ermittlung der Sozialplanleistung aber die Zuschläge nach § 7 (2.2) bis (2.4) SP 2012 ungekürzt ein und sind nicht mit dem Faktor von 0,7 zu multiplizieren.
26a) Nach den einschlägigen Sozialplanbestimmungen scheidet die von der Beklagten gewählte Berechnungsmethode der Sozialplanleistung schon unter sprachlichen Gesichtspunkten aus.
27aa) Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut unterstellt die Formel des § 7 (2) Satz 1 SP 2012 - in Fett- und Kursivschrift - die „Abfindung“ einer Multiplikation des „Abfindungsbetrags“ mit dem Faktor „0,7“. Was „Abfindungsbetrag“ ist, wird in der sich dem Satz 1 von § 7 (2) anschließenden Formel - in Kursivschrift - definiert. Danach berechnet sich der „Abfindungsbetrag“ aus den Operanden „Anzahl der Beschäftigungsjahre (Dienstjahre)“, „Bruttomonatseinkommen“ und einem weiteren „Faktor“, der in § 7 (2.1) SP 2012 im Sinn einer Matrix näher ausgewiesen ist. Bezieht sich aber der Faktor von 0,7 auf den „Abfindungsbetrag“ und ist letzterer nur anhand der beschriebenen Operanden zu ermitteln, spricht das textliche Verständnis des Sozialplans deutlich dafür, dass der Faktor sich nicht (auch) auf andere Sozialplanleistungen bezieht.
28bb) § 7 (2.2) bis (2.4) SP 2012 regeln einen Kinder-, Schwerbehinderten- und Lebensalterszuschlag. Dabei ist in § 7 (2.2) Satz 1 SP 2012 buchstäblich ausgedrückt, dass Mitarbeiter mit unterhaltsberechtigten Kindern „zusätzlich zu der Abfindung“ einen näher festgelegten Betrag „erhalten“. In den anderen Zuschlagsbestimmungen findet sich zwar keine wortgleiche Formulierung. Allerdings sprechen auch § 7 (2.2) Satz 3 SP 2012 sowie § 7 (2.3) und (2.4) SP 2012 wörtlich von einem „zusätzlichen Betrag“, von einem „Zuschlag“ und davon, „zusätzlich einen Zuschlag“ zu „erhalten“. Diese sprachliche Ausdrucksweise bedingt ein Verständnis dahingehend, dass die jeweiligen Zuschläge zu dem nach der Formel des § 7 (2) Satz 1 SP 2012 zu ermittelnden Abfindungsbetrag als Festbeträge in voller Höhe hinzukommen. Auch sind sie in ihren Voraussetzungen näher ausgestaltet, ohne dass sich im Wortlaut Anhaltspunkte dafür finden, sie der Kürzung mit dem Faktor 0,7 zu unterwerfen. Gegen eine solche Sichtweise spricht zudem, dass sie als Bruttobeträge ausgewiesen sind, was nicht erforderlich wäre, wenn sie einen Operanden der Formelberechnung darstellen sollen. Bei dem Lebensalterszuschlag nach § 7 (2.4) SP 2012 kommt hinzu, dass seine Teilnahme an der Faktorenkürzung eher redundant erschiene, weil das Lebensalter zumindest als eine der Berechnungsgrößen bereits bei dem in § 7 (2.1) SP 2012 ausgewiesenen Matrixfaktor berücksichtigt ist.
29b) Gegen dieses am Wortlaut orientierte Verständnis der einschlägigen Sozialplanbestimmungen lässt sich - anders als die Revision meint - nicht entscheidend die systematische Stellung der Zuschlagsregelungen anführen.
30aa) Es trifft zwar zu, dass die Bestimmungen des § 7 (2.2) bis (2.4) SP 2012 numerisch dem § 7 (2) SP 2012 untergliedert sind. Allerdings erscheint die Systematik des § 7 SP 2012 insgesamt nicht stringent, wenn in seiner Nr. 2.1 einleitend der (Matrix-)Faktor definiert ist und in weiteren Absätzen Regelungen zu anderen Aspekten der Berechnung des Abfindungsbetrags getroffen sind. Die äußere Gliederung gibt damit keinen hinreichenden Anhaltspunkt für eine nach dem Wortlaut eher ausgeschlossene Interpretation. Dies gilt umso mehr, als § 7 SP 2012 mit der Überschrift „ABFINDUNG“ versehen ist und § 7 (2.2) Satz 1 SP 2012 einen zusätzlich „zu der Abfindung“ zu gewährenden Betrag festlegt.
31bb) Der Zusammenhang zwischen einerseits den Regelungen des § 7 (2) SP 2012 zur Höhe sowie Berechnung der Abfindung und der Zuschläge und andererseits des § 7 (3) bis (7) SP 2012 zur Fälligkeit und anderen Modalitäten der „Abfindung“ oder „Abfindungsansprüche“ spricht gleichfalls nicht für die Ansicht der Beklagten. Offensichtlich verwenden die Betriebsparteien im Sozialplan keinen einheitlichen Abfindungsbegriff, was sich bereits darin zeigt, dass § 7 SP 2012 mit „ABFINDUNG“ überschrieben ist und in seiner Untergliederung (2.2) Satz 1 einen Zuschlag „zu der Abfindung“ regelt. Das deutet darauf hin, den Ausdruck „Abfindung“ des § 7 (3) bis (7) SP 2012 umfassender (im Sinn einer Gesamtabfindung) als den nach § 7 (2) SP 2012 zu verstehen, wonach die „Abfindung“ der mit 0,7 multiplizierte „Abfindungsbetrag“ ist, der seinerseits in einer Formel näher beschrieben wird. Außerdem findet sich im Sozialplan auch bezogen auf andere Regelungsgegenstände keine einheitliche Sprachregelung; vgl. etwa bei § 7 (2.1) SP 2012 die Begrifflichkeiten „Dienstalter/Betriebszugehörigkeit“ oder „Bruttomonatseinkommen/Bruttomonatsverdienst“. Für die Ermittlung des Sinngehalts der Sozialplanbestimmungen ergeben sich aus der Verwendung bestimmter gleicher oder unterschiedlicher Formulierungen daher nur bedingt Schlüsse.
32c) Sinn und Zweck der in § 7 (1) und (2) SP 2012 getroffenen Bestimmungen sprechen dafür, dass die Zuschläge nicht dem Faktor 0,7 unterliegen. Nach § 7 (2) Satz 2 SP 2012 ergibt sich der Faktor 0,7 aus dem Angebot einer Transfergesellschaft mit den in § 5 SP 2012 geregelten Konditionen. Damit liegt in der Multiplikation mit dem festgelegten Faktor eine Kompensation der Kosten für die Transfergesellschaft. Diese Intention lässt darauf schließen, dass nur die in die Ermittlung des Zahlungsanspruchs nach dem Sozialplan einzustellenden einkommensabhängigen Bestandteile der „Faktorenkürzung“ unterliegen, weil sie nach Übertritt in die Transfergesellschaft weiter gewährt werden, was bei den einkommensunabhängig festgelegten Zuschlägen nicht der Fall ist.
33d) Sollten die Betriebsparteien bei Abschluss des Sozialplans davon ausgegangen sein, dass auch die in dem Sozialplan als feste Pauschalbeträge ausgewiesenen Sozialzuschläge mit dem Faktor 0,7 zu multiplizieren sind, wäre dies angesichts der getroffenen Bestimmungen eine eher ungewöhnliche Regelungspraxis. Für sie hätte es jedenfalls eines deutlicheren Niederschlags in dem Sozialplan bedurft als sich feststellen lässt. Daher kommt es auf die von der Beklagten vorgebrachte und ihre Berechnungsweise stützende Präsentation der Abfindungsermittlung auf einer betrieblichen Informationsveranstaltung am nicht an. Diese stellt ebenso lediglich die Wiedergabe einer Rechtsmeinung dar wie die E-Mail des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden vom .
34Die in diesem Zusammenhang von der Revision erhobene Verfahrensrüge ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Das Landesarbeitsgericht musste die von der Beklagten benannten Zeugen für einen ihrer Auffassung entsprechenden Regelungswillen der Betriebsparteien nicht vernehmen. Weder aus dem Wortlaut des Sozialplans noch dem systematischen Gesamtzusammenhang der in ihm getroffenen Regelungen und deren erkennbaren Zweck folgt ein ausreichender Hinweis darauf, dass die Sozialzuschläge der für die Abfindung iSv. § 7 (2) Satz 1 SP 2012 vorgesehenen Multiplikation mit dem Faktor 0,7 unterliegen sollen.
354. Nach den vorgenannten Ausführungen zur Berechnung der Sozialplanabfindung ergibt die Differenz zwischen der dem Kläger zustehenden und der ihm gezahlten Leistung den im Tenor - aus Klarstellungsgründen - ausgewiesenen Betrag.
365. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Er besteht erst ab dem . Die zu verzinsende Forderung war am fällig. Das folgt aus den Fälligkeitsbestimmungen des § 7 (3) und (4) SP 2012 in deren gebotener Auslegung. Die Verzinsungspflicht beginnt nach § 187 Abs. 1 BGB mit dem Folgetag der Fälligkeit (vgl. zB - Rn. 30 mwN).
37a) Nach Satz 1 des § 7 (3) SP 2012 ist die Abfindung „mit dem Ausscheiden aus der beE zur Zahlung fällig“; nach Satz 2 erfolgt die Auszahlung „mit der Entgeltabrechnung im Monat nach dem Ausscheiden aus der beE“. „Abfindung“ meint - wie bereits ausgeführt - im Sinn einer Gesamtabfindung auch die Zahlung der in § 7 (2.2) bis (2.4) SP 2012 geregelten Zuschläge. Der Fälligkeitsbegriff des Satz 1 von § 7 (3) SP 2012 knüpft nicht an den des Bürgerlichen Gesetzbuches an. Verstünde man dies anders, käme es im Hinblick auf Satz 2 von § 7 (3) SP 2012 zu dem widersinnigen Ergebnis, dass bereits in dem von den Betriebsparteien festgelegten Zeitpunkt der Abfindungsauszahlung Verzug eingetreten wäre. Unter dem Gesichtspunkt einer sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Interpretation des § 7 (3) SP 2012 ist daher davon auszugehen, dass die Betriebsparteien eine Fälligkeit der Gesamtabfindung „mit der Entgeltabrechnung“ geregelt haben, die auf den Monat nach dem Ausscheiden des anspruchsberechtigten Arbeitnehmers aus der NSN TG folgt. Von dieser Grundregel weicht § 7 (4) SP 2012 nur insoweit ab, als die Beschäftigten die Abfindungszahlung bereits „mit Ausscheiden aus der NSN verlangen“ können. Damit ist dem abfindungsberechtigten Arbeitnehmer ein Leistungsbestimmungsrecht eröffnet; er soll den in § 7 (3) SP 2012 festgelegten Zeitpunkt der Auszahlung der (Gesamt-)Abfindung vorverlegen können. Im Zusammenhang mit § 7 (3) SP 2012 folgt daraus aber nicht, dass bei einer Vorverlegung kraft Verlangen des Arbeitnehmers die Fälligkeit der Zahlung zu einem anderen als dem turnusmäßigen Abrechnungslauf festgelegt ist. Hierzu haben die Betriebsparteien in § 7 (4) SP 2012 nichts Abweichendes geregelt. Auch bei einem Zahlungsverlangen iSd. § 7 (4) SP 2012 wird die Gesamtabfindung daher - unabhängig einer ggf. früher erfolgten (Teil-)Zahlung der Beklagten - „mit der Entgeltabrechnung“ für den Monat fällig, der auf das angebrachte Verlangen folgt. Die Entgeltabrechnung ihrerseits ist bei Zahlung des Arbeitsentgelts zu erteilen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 GewO). Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist auf der Grundlage des erteilten Entgeltnachweises davon auszugehen, dass nach den betrieblichen Gepflogenheiten die Vergütung am Ende des Kalendermonats entrichtet worden ist.
38b) Der Kläger hat nach seinem eigenen Vortrag die Beklagte mit Schreiben vom zu einer Nachzahlung aufgefordert. Hierin liegt zugleich ein Verlangen iSv. § 7 (4) SP 2012. In dem dargestellten Verständnis ist die streitgegenständliche Forderung damit am fällig geworden. Dem Kläger stehen Verzugszinsen ab dem Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit zu.
39c) Der (dreiseitige) Vertrag der Parteien und der NSN TG gibt für eine andere (frühere) Fälligkeit nichts her. In diesem Vertrag ist hierzu keine eigenständige - von den Fälligkeitsbestimmungen des Sozialplans abweichende - Vereinbarung getroffen. Der bloße deklaratorische Charakter der vertraglich ausgewiesenen Fälligkeit folgt bereits aus § 7 (6) und § 5 (15) SP 2012, wonach der Anspruch auf die Abfindung und deren Fälligkeit in dem dreiseitigen Vertrag „aufzunehmen“ bzw. „festzuhalten“ ist.
40II. Die Revision des Klägers ist zum Teil schon deshalb begründet, weil die Berufung der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil hinsichtlich der eigenständig erhobenen Zinsforderung unzulässig war. Es fehlt damit insoweit an einer - vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfenden - Prozessfortsetzungsvoraussetzung. Unerheblich ist, dass das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten insgesamt als zulässig angesehen hat (vgl. - Rn. 11 mwN).
411. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Bezieht sich das Rechtsmittel auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn, ist zu jedem Anspruch eine ausreichende Begründung zu geben. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Anderes gilt, wenn die Begründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängt ( - zu A II 1 der Gründe, BAGE 110, 45). Das gilt auch bei Zinsbegehren (vgl. Zöller/Heßler ZPO 30. Aufl. § 520 Rn. 38).
422. Diesen Grundsätzen genügte die Berufungsbegründung der Beklagten nicht bezogen auf alle Streitgegenstände. Die Beklagte hat sich in ihrer Rechtsmittelbegründungsschrift nur mit der arbeitsgerichtlichen Verurteilung zur Zahlung von 5.701,66 Euro brutto und nicht mit der Verurteilung zur Zahlung von Zinsen auseinandergesetzt. Das ist unschädlich, soweit sich die vom Kläger erhobene Zinsforderung auf die mit seinem Klageantrag zu 1. erstrebte Zahlung bezieht, denn insoweit handelt es sich um eine bloße Nebenforderung. Der Kläger hatte mit seinem weitergehenden Zinsbegehren aber einen eigenen prozessualen Anspruch zur Entscheidung gestellt, dessen Begründetheit nicht von der des Klageantrags zu 1. abhing. Insoweit hätte es einer Auseinandersetzung mit der teilweisen Stattgabe dieses eigenständigen Zinsanspruchs durch das Arbeitsgericht bedurft.
43III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:131015.U.1AZR762.14.0
Fundstelle(n):
SAAAF-67564