Instanzenzug: S 7 R 300/12
Gründe:
1Die Beteiligten streiten in dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob die Klägerin zu 2. in ihrer im Bereich der Finanzbuchhaltung für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit ab wegen Beschäftigung sozialversicherungspflichtig war.
2Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision im ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerinnen haben in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
3Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
4Mit der Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, lässt sich die Zulassung der Revision - der Ausrichtung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entsprechend - nicht erreichen.
51. Die Klägerinnen machen in der 27 Seiten umfassenden Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde vom zunächst den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend. Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
6Die Klägerinnen werfen zunächst folgende Rechtsfrage auf (S 9 der Beschwerdebegründung):
"Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen ist der Beruf des Finanzbuchhalters als selbstständige beziehungsweise als unselbstständige Tätigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts einzuordnen?"
7Zur Begründung befassen sie sich zunächst allgemein mit den durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ausgeformten Kriterien zur Abgrenzung selbstständiger Tätigkeit von Beschäftigung (S 9 f der Beschwerdebegründung) und geben sodann zu den Topoi "Weisungsgebundenheit" (S 10 bis 13), "Eingebunden sein" (S 14 f) sowie "Unternehmerrisiko" (S 16) Passagen aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils wieder, denen sie Passagen aus - überwiegend - eine Selbstständigkeit annehmenden Entscheidungen des BSG, des LSG Nordrhein-Westfalen, des Sozialgerichts Köln, des Sozialgerichts Landshut, des Sozialgerichts Berlin usw zu im Bereich der Sprachkommunikation Tätigen, Flugzeugführern, Buchführungshilfen, Buchhaltern, Software-Programmierern, hauswirtschaftlichen Familienbetreuern usw gegenüberstellen. Die Klägerinnen führen aus, dass das Berufungsgericht eine "Anpassung der Rechtsprechung" durchgeführt und die selbstständige Tätigkeit abweichend von bisherigen Grundsätzen beurteilt habe (S 11 der Beschwerdebegründung). Wie die genannten Instanzentscheidungen zeigten, komme die Rechtsprechung der Sozialgerichte bei vergleichbaren Sachverhalten zu unterschiedlichen Bewertungen (S 13, 15 und 17). Im Hinblick auf die Folgen geänderter gesellschaftlicher und technischer Rahmenbedingungen, der zunehmenden Akzeptanz von "Heimarbeitsplätzen" und der Unsicherheit bei der Einordnung von "Finanzbuchhaltern, Buchhaltern und vergleichbarer Beschäftigungsformen" sei es nötig, dass das BSG auf eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung hinwirke und diese fortentwickele (S 13, 15 und 17).
8Mit diesem Vortrag genügen die Klägerinnen den an die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zu stellenden Anforderungen nicht. Es ist schon zweifelhaft, ob die Klägerinnen mit ihrer Frage überhaupt eine hinreichend konkrete Rechtsfrage klar bezeichnen, über die in einem späteren Revisionsverfahren zu entscheiden wäre, oder nur eine - verdeckte - Tatsachenfrage, also eine solche der Subsumtion des individuellen Sachverhalts der Klägerin zu 2. (Mithilfe in der Finanzbuchhaltung usw) unter die einschlägige Norm des § 7 Abs 1 SGB IV. Jedenfalls legen sie nicht in der gebotenen Weise dar, dass die aufgeworfene Frage höchstrichterlicher Klärung bedarf. Ausgehend von der durch die Klägerinnen formulierten Frage genügt zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht allein die Behauptung, das BSG habe im Zusammenhang mit § 7 Abs 1 SGB IV noch nicht zu einer bestimmten Berufsgruppe entschieden und es gebe insoweit abweichende Entscheidungen von Instanzgerichten (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 10-13; - Juris RdNr 16). Dahingehende Fragen betreffen regelmäßig allein die Anwendung der Norm und keine klärungsbedürftige Rechtsfrage im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, selbst wenn der Einzelfall beispielgebend für eine Vielzahl von Angehörigen dieser Berufsgruppe bzw dieses Tätigkeitsfeldes wäre (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 10-13). Vielmehr müsste zur Klärungsbedürftigkeit einer sich im Zusammenhang hiermit möglicherweise ergebenden abstrakten Rechtsfrage substantiiert dargelegt werden, dass diese anhand der richterrechtlich ausgeformten abstrakten Grundsätze nicht zu beantworten ist. Hieran fehlt es. Dass die aufgeworfene Frage einer grundsätzlichen Klärung zugeführt werden muss, wird auch nicht mit dem allgemeinen Hinweis darauf hinreichend begründet, dass sich die Lebensverhältnisse bzw die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt gewandelt hätten (Zunahme von Tätigkeiten im Finanzdienstleistungsbereich, Zunahme von Heimarbeitsplätzen usw) mit der Folge, dass eine Neubewertung der Abgrenzungskriterien ("Reduktion" der Möglichkeit der Abgrenzung ... "auf wenige Kriterien") vorgenommen werden müsse.
9Die Klägerinnen stellen auf S 18 ihrer Beschwerdebegründung schließlich die Frage,
"ob unter der Annahme einer unselbstständigen Tätigkeit das Gericht nicht dazu verpflichtet ist den Zeitpunkt zu ermitteln, ab dem eine unselbstständige Tätigkeit vorliegt".
10Sie stellen diese Frage in einen Zusammenhang mit dem Umstand, dass sie - die Klägerin zu 2. - Existenzgründerin gewesen sei, als Selbstständige einen Gründungszuschuss erhalten habe und hierüber bestandskräftige Bescheide der BA vorlägen. Demgegenüber habe das LSG von Beginn der Tätigkeit an Beschäftigung angenommen.
11Auch insoweit legen die Klägerinnen die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage nicht substantiiert dar. Sie setzen sich hierbei lediglich mit der materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts auseinander und halten ihm vor, es habe die anderslautende Rechtsauffassung der Arbeitsverwaltung nicht zur Kenntnis genommen bzw aus der Bestandskraft von Bescheiden der BA für die Bewertung der Tätigkeit der Klägerin zu 2. nach § 7 Abs 1 SGB IV keine Konsequenzen gezogen. Darauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) aber nicht gestützt werden.
122. Die Klägerinnen machen des Weiteren eine Abweichung der Berufungsentscheidung von dem - Juris) geltend (S 20 ff der Beschwerdebegründung).
13Divergenz im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil eine höchstrichterliche Entscheidung unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewendet hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die eines der mit der Norm befassten Gerichte aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der der zum selben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht sowie, dass die Entscheidung hierauf beruht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
14Um eine Unvereinbarkeit von Rechtssätzen aus dem Berufungsurteil mit solchen aus der genannten höchstrichterlichen Entscheidung darzulegen, analysieren die Klägerinnen das Urteil des LSG zu den Topoi "Eingebunden sein" (S 20 ff der Beschwerdebegründung), "Unternehmerrisiko" (S 22 f) und "Weisungsgebundenheit" (S 23 ff), heben auszugsweise einige Urteilspassagen hervor und stellen sie Ausführungen des BSG gegenüber. Resümierend stellen sie fest, dass das LSG im Widerspruch zur BSG-Rechtsprechung wegen der Nutzung der Software der Klägerin zu 1. das Merkmal des "Eingebunden seins" bejaht habe, das Risiko des Verdienstausfalls als Unternehmerrisiko nicht habe ausreichend sein lassen und allein aus der Verpflichtung der Klägerin zu 2. zur "Auftragserledigung innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums" auf eine Weisungsunterworfenheit geschlossen habe.
15Mit diesem Vorbringen legen die Kläger eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dar. Zwar braucht der Rechtssatz, der dem Urteil der Vorinstanz zugrunde liegt, in der angefochtenen Entscheidung nicht als solcher benannt zu werden. Eine Abweichung kann auch vorliegen, wenn das Berufungsgericht zwar allgemein und grundsätzlich eine eindeutige Stellungnahme gegen die Rechtsprechung des Revisionsgerichts vermeidet, in seinen näheren Darlegungen aber erkennen lässt, dass es diese Rechtsprechung nicht oder nur erheblich modifiziert übernehmen will. Eine Divergenz wird jedoch nicht dargelegt, wenn das LSG nach den Ausführungen in der Beschwerdebegründung keine anderen Maßstäbe als das BSG entwickelt, diese nur unzutreffend angewandt hat; denn nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Die genannten Anforderungen erfüllen die Klägerinnen mit ihrer Beschwerdebegründung nicht. Sie tragen in der jeweiligen Zusammenfassung nämlich selbst vor, dass das LSG "das Recht entgegen den vom BSG aufgestellten Grundsätzen angewendet" (S 22 der Beschwerdebegründung) bzw die Entscheidung des "überhaupt nicht gewürdigt" habe (S 25). Damit - wie auch im Übrigen (Vorhalt der Nichtberücksichtigung der Vertragsstrafenregelung) - wenden sich die Klägerinnen im Kern nur gegen die Rechtsansicht der Vorinstanz. Die Zulassung der Revision wegen Divergenz kann hiermit nicht erreicht werden.
163. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
174. Die Kostenentscheidung beruht, weil die Klägerin zu 2. zu dem nach § 183 SGG begünstigten Personenkreis gehört, bei dem hier gegebenen Fall der subjektiven Klagehäufung einheitlich auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstelle(n):
SAAAF-67162