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Online-Nachricht - Mittwoch, 17.02.2016

Einkommensteuer | Zur Änderung von Antrags- oder Wahlrechten (BFH)

Der BFH hat seine Rechtsprechung zu den zeitlichen Grenzen für die Ausübung oder Änderung von Antrags- oder Wahlrechten geändert. Im Streitfall konnte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung eines Freibetrags (§ 16 Abs. 4 EStG) auch nach Ausübung und Bestandskraft - im Rahmen einer Fehlerkompensation - ändern, nachdem das Finanzamt einen steuererhöhenden Änderungsbescheid erlassen hatte (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gem. § 16 Abs. 4 EStG wird der Veräußerungsgewinn, sofern der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat, auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 45.000 EUR übersteigt; dieser Freibetrag ist dem Steuerpflichtigen nur einmal zu gewähren.

Sachverhalt:

Die Klägerin erzielte sowohl als Einzelunternehmerin als auch durch eine mitunternehmerische Beteiligung (KG) Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Streitjahr 2007 schied sie aus der KG aus. Ferner gab sie den Betrieb des Einzelunternehmens auf. In ihrer Einkommensteuererklärung beantragte sie für den Gewinn aus der Aufgabe des Einzelunternehmens die Berücksichtigung des Freibetrags (§ 16 Abs. 4 EStG). In der Anlage GSE führte sie auch die KG Beteiligung auf, ließ das Feld zur Angabe der Höhe der hieraus bezogenen Einkünfte jedoch leer.

Das Finanzamt veranlagte die Klägerin zunächst erklärungsgemäß. Später teilte das für die KG zuständige Betriebs-FA mit, die Klägerin habe aufgrund ihres Ausscheidens aus der KG einen Veräußerungsgewinn erzielt. Diesen Betrag erfasste das FA in einem geänderten Steuerbescheid 2007. Es gewährte hierfür zwar die Tarifermäßigung (§ 34 Abs. 1 EStG), nicht aber den Freibetrag (§ 16 Abs. 4 EStG).

Im Einspruchsverfahren beantragte die Klägerin erfolglos, den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG auf den - höheren - Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung anzuwenden.

Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Einkommensteuerrechtliche Antrags- oder Wahlrechte können auch nach Eintritt der Bestandskraft eines vorangehenden Bescheids jedenfalls dann erstmalig ausgeübt oder geändert werden, wenn das Finanzamt einen steuererhöhenden Änderungsbescheid erlassen hat, mit dem ein weiterer steuererheblicher Sachverhalt erfasst worden ist, aufgrund dessen überhaupt erst die wirtschaftliche Notwendigkeit entstanden ist, sich mit der erstmaligen bzw. geänderten Ausübung eines Antrags- oder Wahlrechts zu befassen (Abweichung vom , mit Zustimmung des IX. Senats).

  • Die nachträgliche Antrags- oder Wahlrechtsausübung wird in zeitlicher Hinsicht durch die formelle Bestandskraft des Änderungsbescheids und in betragsmäßiger Hinsicht durch den Änderungsrahmen des § 351 Abs. 1 AO begrenzt.

  • Der Freibetrag für Betriebsveräußerungs- oder aufgabegewinne kann auch bei Veräußerung oder Aufgabe mehrerer Betriebe, Teilbetriebe oder Mitunternehmeranteile innerhalb desselben Veranlagungszeitraums nur für einen einzigen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn in Anspruch genommen werden.

Quelle: NWB Datenbank

Anmerkung:

Mit Beschluss v. - IX B 220/09 (BFH/NV 2010, 1415) hatte der IX. Senat des BFH noch entschieden, dass eine mit der Steuererklärung getroffene Wahl nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO nur geändert werden könne, wenn die geänderte Wahlentscheidung vor Ablauf der Einspruchsfrist erklärt wird. Diese enge und für den Stpfl. durchweg nachteilige Auffassung, hat der IX. Senat nunmehr aufgegeben und damit dem X. Senat des BFH ermöglicht, das nun ergangene Urteil zu fällen. Angesichts der Schwierigkeiten, die mit der Ausübung von Wahlrechten meist verbunden sind, ist das Urteil zu begrüßen. Es eröffnet Kompensationsmöglichkeiten, die durch den o.g. Beschluss des IX. Senat bisher verwehrt waren.

Fundstelle(n):
AAAAF-66815