Berufsrecht | Zur Schadensberechnung bei einer Falschberatung (BGH)
Wenn die steuerliche Beratung nach dem Inhalt des Vertrags die
Interessen mehrerer verbundener Unternehmen zum Gegenstand hat, ist im Falle
der Pflichtverletzung die Schadensberechnung unter Einbeziehung der
Vermögenslage dieser Unternehmen vorzunehmen ().
Hintergrund: Ausgangspunkt einer Schadensberechnung ist die sog. Differenzhypothese. Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich regelmäßig nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Erforderlich ist ein Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst. Dieser erfordert hierbei nicht lediglich eine Berücksichtigung von Einzelpositionen, sondern eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage.
Sachverhalt: Eine Unternehmerin (nachfolgend: EB) beauftragte die beklagte Steuerberatungskanzlei mit der steuerrechtlichen Optimierung ihrer Vermögensverhältnisse. EB war Alleingesellschafterin der Klägerin, einer GmbH, und hielt überdies Anteile an der C. Die beklagte Kanzlei entwickelte für EB ein steuerliches Gesamtkonzept, aufgrund dessen EB eine (eigennützige) Stiftung in Liechtenstein gründete und dieser ihre Anteile an der Klägerin und der C übertrug. Die Stiftung wiederum gewährte der Klägerin ein unverzinsliches Darlehen. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung beanstandete das Finanzamt, dass die Klägerin die unverzinsliche Darlehensverbindlichkeit nicht abgezinst habe (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Fraglich war hier, ob im Rahmen der Schadensberechnung der Steuernachforderung die hypothetische Belastung mit Zinsverbindlichkeiten entgegenzuhalten ist bzw. ob die spiegelbildlich eintretende, fiktive Vermögensmehrung der Stiftung - in Höhe der hypothetischen Zinseinnahmen - zu berücksichtigen ist, weil es sich bei der Stiftung um eine von der Klägerin verschiedene Rechtsperson handelte.
Hierzu führte der BGH weiter aus:
Grundsätzlich ist Bezugspunkt des Gesamtvermögensvergleichs das Vermögen des Geschädigten, nicht aber dasjenige Dritter. Daher kann auf Grund eines Vertrages nur derjenige Schadensersatz verlangen, bei dem der Schaden tatsächlich eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt.
Dies führt im Rahmen der Beraterhaftung dazu, dass der haftpflichtige Steuerberater grds. nur für den Schaden seines Mandanten einzustehen hat; eine Ausnahme bilden die Drittschadensliquidation und der Vertrag zugunsten Dritter sowie mit Schutzwirkung für Dritte.
Die hiernach grds. gebotene formale Betrachtungsweise führt dazu, dass streng zwischen den Vermögensmassen unterschiedlicher Beteiligter zu unterscheiden ist. Ist der Steuerberater - wie hier - von einem Gesellschafter mandatiert worden, ist daher zunächst festzustellen, in wessen Person ein Schaden eingetreten ist.
Gesellschaft und Gesellschafter sind hierbei regelmäßig als im Rahmen der schadensrechtlichen Beurteilung selbständige Zuordnungssubjekte zu behandeln. Weder führt die Annahme eines den Gesellschaftern entstandenen Schadens ohne das Hinzutreten weiterer Umstände zu einem vermögensrechtlichen Nachteil der Gesellschaft, noch kann ein Steuernachteil der Gesellschaft mit einem Anrechnungsvorteil des Gesellschafters saldiert werden.
Abweichend von diesen Grundsätzen kann aber bei der Bestimmung des jeweils eigenen Schadens die Einbeziehung der Vermögensinteressen eines Dritten nach dem Inhalt des Beratungsvertrags geschuldet sein mit der Folge, dass eine konsolidierte Schadensbetrachtung geboten ist.
Anmerkung: Nach der Rechtsprechung des BGH ist daher der konkrete Auftrag entscheidend, den der Mandant dem Berater ausdrücklich oder den Umständen nach erteilt hat: Wenn der Mandant - wie im Streitfall - im Rahmen einer Gestaltungsberatung die Berücksichtigung der Interessen eines Dritten zum Gegenstand der Beratungsleistung gemacht hat, ist die Schadensberechnung auch unter Einbeziehung dieser Drittinteressen vorzunehmen. Für den Streitfall bedeutet dies, dass im Rahmen einer konsolidierten Schadensberechnung die der Stiftung (hypothetisch) entgangenen Vorteile in Form von Zinszahlungen zu berücksichtigen waren. Das Vorliegen eines ersatzfähigen Schadens auf Seiten der Klägerin konnte daher nicht alleine mit dem Argument entkräftet werden, dass der Steuernachforderung die hypothetische Belastung mit Zinsverbindlichkeiten entgegenzuhalten sei.
Quelle: NWB Datenbank
Fundstelle(n):
DAAAF-49454