BSG Beschluss v. - B 4 AS 253/15 B

Instanzenzug: S 10 AS 359/11

Gründe:

I

1Streitig sind höhere Leistungen für Unterkunftskosten nach dem SGB II in der Zeit vom bis .

2Der 1950 geborene Kläger bewohnte eine ca 76 qm große Wohnung, für die ihm aufgrund eines Vertrags mit der S GmbH ab Kosten in Höhe von 611,24 Euro monatlich entstanden sind. Er bezog ab Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Schreiben vom hatte der Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass er sich um eine Kostensenkung bemühen müsse, weil seine Wohnung unter Berücksichtigung des örtlichen Mietpreisniveaus die angemessene Mietgrenze von 428,85 Euro (Kaltmiete zzgl Nebenkosten) um 101,57 Euro überschreite. Ab wurden noch KdU in Höhe von 484,09 Euro ( bis ) bzw 484,02 Euro (7/2008) für eine 45-qm-Wohnung gezahlt (Bruttokaltmiete in Höhe von 428,85 Euro [7,43 Euro/qm zzgl Nebenkosten in Höhe von 2,10 Euro/qm] sowie Heizkosten in Höhe von 55,24 Euro [3/2008 bis 6/2008] bzw 55,17 Euro [7/2008]). Für den streitigen Zeitraum bewilligte der Beklagte SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung eines KdU-Anteils von 479,28 Euro.

3Das SG hat den Beklagten verpflichtet, monatlich weitere 4,74 Euro zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen, weil die als angemessen festgesetzten Aufwendungen für die Bruttokaltmiete jedenfalls nicht zu niedrig bestimmt seien (Urteil vom ). Es hat dahinstehen lassen, ob die Ermittlungen des Beklagten den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept genügten und eine - wie vorliegend - eigene Berechnung des SG eine ausreichende Grundlage bilde, wenn der Leistungsträger dieses Berechnungsmodell nicht als "eigenes schlüssiges Konzept" annehme. Die angemessene Miete werde jedenfalls durch die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes - konkret für den Kläger - als alleiniges Haushaltsmitglied bei der für Münster geltenden Mietenstufe IV auf den Wert nach § 8 WoGG in Höhe von 325 Euro zzgl eines Sicherheitszuschlags von 10 % auf 357,50 Euro begrenzt. Die vom Beklagten als angemessen befundene Bruttokaltmiete liege über dieser Grenze. Die Heizkosten habe er in tatsächlicher Höhe übernommen.

4Nach Aufhebung dieser Entscheidung durch das BSG und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung () hat das LSG weitere Ermittlungen zur Hilfebedürftigkeit des Klägers und zur Zumutbarkeit eines Umzugs durchgeführt sowie den Beklagten zur Erläuterung seines Konzepts zu den angemessenen Unterkunftskosten auf der Grundlage des qualifizierten Mietspiegels für die Stadt Münster aufgefordert. Sodann hat es die Berufung als unzulässig angesehen, weil im streitigen Zeitraum nur ein Differenzbetrag unter 750 Euro streitig sei. Darüber hinaus habe der Kläger auch keinen Anspruch auf höhere Leistungen für seine Unterkunftsbedarfe, weil eine Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen sei. Unabhängig hiervon seien ihm Unterkunftskosten in angemessener Höhe bewilligt worden. Auf der Grundlage der Daten des qualifizierten Mietspiegels 2005 für die Stadt Münster und deren Auswertung habe der Beklagte einen angemessenen Grundmietpreis festgelegt, der den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept genüge (Urteil vom ).

5Nach Zustellung des Urteils des Berufungsgerichts am hat zunächst der Kläger mit einem am beim BSG eingegangenen Schriftsatz PKH für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers, die am Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt hat, hat - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis - mit Schreiben vom erklärt, dass sich ihre Vertretung des Klägers auf die Einlegung der Beschwerde beschränke.

II

6Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH war abzulehnen. Gemäß § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO kann PKH nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier.

7Es sind unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers - auch in der ersten und zweiten Instanz - sowie des Akteninhalts keine Gründe für eine Zulassung der Revision ersichtlich. Die Revision ist nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), wenn das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

8Zwar könnte der Kläger mit Erfolg einen Verfahrensfehler rügen, weil das Berufungsgericht nach dem Tenor seiner Entscheidung durch Prozess- statt Sachurteil entschieden hat. Einer solchen Entscheidung steht die Bindungswirkung der Zurückverweisungsentscheidung des Senats entgegen. Diese erstreckt sich auch auf die den unmittelbaren Gründen für die Zurückverweisung vorhergehenden Gründe jedenfalls insoweit, als diese - wie die Zulässigkeit der Berufung - die notwendige Voraussetzung für die unmittelbaren Aufhebungsgründe in materiell-rechtlicher Hinsicht waren ( VIII C 159.72 - BVerwGE 42, 243, 247; - NJW 1997, 3456; vgl ausdrücklich für die implizite Bejahung notwendiger Voraussetzungen: - BFHE 117, 4).

9Der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung steht jedoch entgegen, dass das angefochtene Urteil - unabhängig von diesem möglicherweise geltend zu machenden Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels - aus den vom Berufungsgericht ergänzend und umfangreich durchgeführten Feststellungen und Erwägungen nicht zu beanstanden ist. Insofern greift der Rechtsgedanke des § 170 Abs 1 S 2 SGG auch im Verfahren der Revisionszulassung. In gleicher Weise wie für eine stattgebende Entscheidung im Revisionsverfahren ist auch für eine Revisionszulassung kein Raum, wenn feststeht, dass das angefochtene Urteil unabhängig vom Vorliegen eines Verfahrensfehlers - auch im Falle einer zu Unrecht erfolgten Verwerfung der Berufung als unzulässig - jedenfalls im Ergebnis Bestand haben wird (vgl - RdNr 3, 9; - RdNr 9; - SozR 2200 § 1248 Nr 39). So liegt der Fall hier.

10Das Berufungsgericht hat bei Überprüfung des angemessenen qm-Preises auf der Grundlage des schlüssigen Konzepts des Beklagten die von den beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG in zahlreichen Entscheidungen niedergelegten verallgemeinerbaren (dh nicht von den jeweiligen Wohnungsmärkten abhängigen) und entwicklungsoffenen Grundsätze bzw Prüfungsmaßstäbe beachtet, die Raum für die Berücksichtigung von regionalen Bedingungen lassen und sich insbesondere auch mit der Erstellung von schlüssigen Konzepten anhand von Mietspiegeldaten befassen (vgl insb - SozR 4-4200 § 22 Nr 70; - SozR 4-4200 § 22 Nr 42; - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51; - SozR 4-4200 § 22 Nr 27). Es hat bei seiner nunmehr durchgeführten Prüfung des von dem Beklagten mit Schreiben vom erläuterten schlüssigen Konzepts auf der Grundlage der Daten des qualifizierten Mietspiegels 2005 für die Stadt Münster diese Maßstäbe zur Festlegung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße, des Vergleichsraums sowie auch des Wohnungsstandards zugrunde gelegt. Ausreichend ist, wenn die dem Ausschluss von Wohnungen des untersten Standards dienenden Vorgaben ("Ausstattung, Lage und Bausubstanz") im Ergebnis berücksichtigt werden ( - SozR 4-4200 § 22 Nr 81 RdNr 19).

11Wie der Senat bereits betont hat, handelt es sich im Übrigen bei einzelnen Fragestellungen im Rahmen eines schlüssigen Konzepts (vorgenommene Ermittlungen, daraus gezogene Rückschlüsse und Feststellungen zur Aktualität der Werte) regelmäßig um Feststellungen und Beweiswürdigungen der Tatsacheninstanzen. Welche konkreten tatsächlichen Anforderungen zu stellen sind, kann nicht generell, sondern nur unter Beachtung der tatsächlichen regionalen Gegebenheiten durch die Tatsacheninstanzen beantwortet werden (vgl ; ). Insoweit hat das LSG beanstandungslos die alleinige Berücksichtigung von Wohnungen der Baualtersklassen für die Zeit ab 1992 und damit die Ausklammerung von Wohnungen mit Etagentoilette oder unzureichender Heizung sowie die Einbeziehung von Wohnungen sämtlicher Standards als ausreichend gewürdigt.

12Es ist daher auch nicht erkennbar, dass einem Prozessbevollmächtigten eine für die Zulassung der Revision erforderliche Darlegung grundsätzlich bedeutsamer, höchstrichterlich noch nicht entschiedener Rechtsfragen gelingen könnte (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Gleiches gilt für die Divergenz iS der Abweichung eines abstrakten Rechtssatzes in dem Urteil des LSG von einem solchen des BSG (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

13Ebenso wenig ist erkennbar, dass ein Prozessbevollmächtigter in der Lage sein könnte, einen Verfahrensfehler des LSG (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) darzubringen. Soweit der Kläger eine ungenügende Sachaufklärung bezüglich seiner gesundheitlichen Einschränkungen beanstandet, kann dies keine Erfolgsaussicht der beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde begründen. Dies folgt aus § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Danach kann ein Verfahrensfehler auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

14Da dem Kläger PKH nicht zusteht, kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 73a SGG iVm § 121 ZPO nicht in Betracht.

15Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist von einem vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten begründet worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 2 SGG).

16Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Fundstelle(n):
SAAAF-49086