BGH Beschluss v. - 3 StR 444/15

Gefährliche Körperverletzung: Anforderungen an die Urteilsgründe bei Bewertung von Messerstichen als lebensgefährdende Behandlung

Gesetze: § 224 Abs 1 Nr 5 StGB

Instanzenzug: LG Bad Kreuznach Az: 1023 Js 7090/14 jug - 5 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten H.     - unter Freispruch im Übrigen - wegen gefährlicher Körperverletzung, Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung sowie Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen den Mitangeklagten K.    hat es wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen unter Einbeziehung von zwei Einzelstrafen aus einem früheren Urteil auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten erkannt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten H.     hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen - teilweise auch zugunsten des Mitangeklagten K.    wirkenden - Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2I. Soweit für die Entscheidung von Bedeutung, hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

3Mit dem Ziel der Rache machte sich am der Nebenkläger C.    , dessen Cousin am Vortag von den Angeklagten durch Messerstiche verletzt worden war, mit Freunden auf die Suche nach diesen. Als beide Gruppen aufeinandertrafen, schlug der Nebenkläger mit einer Holzlatte in Richtung der Angeklagten, traf jedoch lediglich eine Hauswand, wodurch die Latte zerbrach und zu Boden fiel. Als die Angeklagten sowie der Nichtrevident F.    ihre mitgeführten Messer zogen, ergriff die Gruppe um den Nebenkläger die Flucht; der Nebenkläger kam dabei zu Sturz. Nunmehr versetzte ihm der Angeklagte K.    mit bedingtem Tötungsvorsatz einen Messerstich in den Unterbauch. Dabei fühlte er sich "durch die Anwesenheit der ebenfalls [...] bewaffneten Mitangeklagten [...] unterstützt, da er davon ausging, dass die Mitangeklagten jederzeit eingreifen und eine eventuelle Gegenwehr des Opfers unterbinden würden. Die Angeklagten F.   und H.     hatten sich ihrerseits bewusst in die Nähe des Geschehens begeben und billigten, dass der Angeklagte K.    den Nebenkläger mit dem Messer traktierte und sich hierbei von ihnen bestärkt fühlte. Sie rechneten jedoch nicht damit, dass der Angeklagte K. dem Geschädigten nach dem Leben trachten würde und waren hiermit auch nicht einverstanden. Die genaue Stichführung konnten beide Mitangeklagten nicht sehen, da sie unmittelbar hinter dem Angeklagten K.    standen und die Einzelheiten des Geschehens vom Körper des Angeklagten K.    verdeckt wurden" (Fall II. 3. der Urteilsgründe).

4Nachdem ein Freund dem Geschädigten zunächst zu Hilfe gekommen war und die Angeklagten vertrieben hatte, setzten diese dem Nebenkläger, der nach etwa 100 m aufgrund der erlittenen Stichverletzung erneut zusammengebrochen war, abermals nach. Während der Angeklagte K.    und der Nichtrevident auf den Geschädigten einschlugen, stach der Revisionsführer mit einem Küchenmesser auf ihn ein. Dabei handelte er "in der Absicht, den Nebenkläger mit Hilfe des Messers zu verletzen, und nahm dabei billigend in Kauf, dass dem Nebenkläger durch dessen Abwehrbewegungen mit Armen und Beinen ebenfalls Schnittverletzungen zugefügt werden könnten". Tatsächlich erlitt der Geschädigte eine Schnittverletzung am linken Daumen sowie eine Stichverletzung am rechten Knie (Fall II. 4. der Urteilsgründe).

5II. Diese - rechtsfehlerfrei getroffenen - Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten H.     wegen gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 4. der Urteilsgründe) bzw. der Beihilfe hierzu (Fall II. 3. der Urteilsgründe) nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht.

6In Fall II. 4. der Urteilsgründe ist bereits die Erfüllung des objektiven Tatbestandes nicht belegt. Dieser verlangt, dass die Behandlung nach den Umständen des Einzelfalles generell dazu geeignet ist, das Leben des Verletzten zu gefährden (st. Rspr., siehe nur , NStZ-RR 2013, 342). Trotz der generell hohen Gefährlichkeit eines Messereinsatzes versteht sich dies nicht von selbst. Deshalb hätte das Landgericht mitteilen müssen, auf welche Körperregionen der Angeklagte H.     zielte. Auch hinsichtlich der diesem zurechenbaren (§ 25 Abs. 2 StGB) Schläge des Angeklagten K.    sowie des Nichtrevidenten verhält sich das Urteil nicht dazu, auf welche Körperstellen des Geschädigten diese mit welcher Intensität einwirkten. Eine abstrakte Lebensgefährlichkeit der Behandlung ist damit nicht dargetan.

7Diese folgt in Fall II. 3. der Urteilsgründe zwar ohne weiteres aus der konkret dargestellten Stichführung durch den Angeklagten K.   . Die Strafkammer setzt sich indes nicht damit auseinander, ob beim Angeklagten H.     insoweit auch der erforderliche Gehilfenvorsatz gegeben war, der sich nicht nur auf die Unterstützungshandlung, sondern auch auf die Vollendung der Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen beziehen muss (, NJW 1982, 2453, 2454). Letzteres ist indes nicht selbstverständlich. Dies gilt umso mehr, als die Strafkammer ausdrücklich festgestellt hat, dass der Angeklagte H.   die Einzelheiten des Geschehens nicht sehen konnte.

8III. Die aufgezeigten Fehler lassen zwar den Schuldspruch unberührt, da die Feststellungen die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung bzw. der Beihilfe hierzu gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB tragen. Demgegenüber können die in beiden Fällen verhängten Einzelstrafen keinen Bestand haben, da das Landgericht die Verwirklichung von drei Alternativen des § 224 Abs. 1 StGB jeweils ausdrücklich zu Lasten des Angeklagten H.     strafschärfend berücksichtigt hat. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

9Dieselbe rechtsfehlerhafte Erwägung führt gemäß § 357 Satz 1 StPO zur Aufhebung der in Fall II. 4. der Urteilsgründe gegen den Angeklagten K.    verhängten Einzelstrafe und damit auch der Gesamtstrafe. Demgegenüber kann der Senat hinsichtlich des Angeklagten F.    ausschließen, dass die gegen diesen verhängte, vornehmlich an erzieherischen Aspekten orientierte Jugendstrafe auf dem Fehler beruht.

10IV. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung der neuen Verhandlung und Entscheidung. Nachdem sich das Verfahren nunmehr nur noch gegen Erwachsene richtet, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück (§ 354 Abs. 3 StPO analog). Einer Aufhebung der getroffenen Feststellungen bedurfte es nicht, da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Weitergehende Feststellungen, die zu den bislang getroffenen nicht in Widerspruch stehen, sind möglich.

Becker                          Pfister                         Mayer

                Gericke                        Spaniol

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2015:241115B3STR444.15.0

Fundstelle(n):
MAAAF-49023