NWB Nr. 5 vom Seite 313

Das verflixte 7. Jahr

Claudia Kehrein | Redakteurin | nwb-redaktion@nwb.de

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“

– so steht es in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Der vom Bundesverfassungsgericht mit dem sog. Zins-Urteil im Jahr 1991 gerügte Verstoß gegen diesen allgemeinen Gleichheitssatz gründete auf einem bei den Kapitaleinkünften festgestellten Vollzugsdefizit: Die Schwierigkeiten der deutschen Finanzverwaltung, Zinserträge vollständig zu erfassen, hatten das Gericht dazu veranlasst, die Zinsbesteuerung für verfassungswidrig zu erklären. Dies war das Startsignal für die Abgeltungsteuer. Diese versprach Abhilfe durch eine umfassende Steuererhebung direkt an der Quelle. Mit der Formel „besser, 25 % auf X, statt 42 % auf nix“, begründete der damalige Finanzminister Peer Steinbrück die Einführung der 25 %igen Abgeltungsteuer gegen die Kritik einer Bevorzugung der Besserverdienenden.

Mit der Sonderbehandlung der Kapitaleinkünfte wurde zum einen das Ziel verfolgt, die Abwanderung von Kapitalvermögen in das Ausland zu begrenzen. Zum anderen sollte dadurch die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Finanzplatz gewährleistet werden. Darüber hinaus wurde mit der Abgeltungsteuer eine Vereinfachung des Besteuerungssystems angestrebt. Nicht selten gehen solche Vereinfachungen allerdings mit Übergangsproblemen und verfassungsrechtlichen Bedenken einher, so dass im „verflixten 7. Jahr“ nach Einführung der Abgeltungsteuer zum vermehrt Stimmen laut wurden, die ihre Abschaffung fordern. Schließlich entfalle das Hauptargument für deren Existenz, die Unvollkommenheit der Erfassung von Kapitaleinkünften und damit verbunden die Kapitalflucht in Steueroasen, aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklungen. Mit der Einführung des automatischen Austauschs von Kontendaten ab 2017 über die Landesgrenzen hinweg (s. Hörhammer, NWB 11/2015 S. 741) sei eine effektive Besteuerung der Kapitalerträge auch ohne die Abgeltungsteuer gesichert. Auch die angestrebte Besteuerungsvereinfachung wird wegen der zahlreichen Ausnahmeregelungen in Frage gestellt. So ist beispielsweise die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes bei nahestehenden Personen gem. § 32d Abs. 2 EStG zwingend ausgeschlossen.

Übrigens: Als im Jahr 1955 der Spielfilm „Das verflixte 7. Jahr“ mit Marilyn Monroe anlief, scheiterten Ehen in Deutschland am häufigsten im elften Jahr. Ob der Abgeltungsteuer ein längeres Leben beschieden oder tatsächlich bald ein Ende in Sicht ist und damit die Kapitalerträge wieder individuell zu versteuern sind, wie von Wolfgang Schäuble in Aussicht gestellt, ist zurzeit nicht abzusehen. Die wesentlichen aktuellen Problembereiche der Abgeltungsteuer und die entsprechenden Lösungen stellt dar.

Beste Grüße

Claudia Kehrein

Fundstelle(n):
NWB 2016 Seite 313
NWB RAAAF-48729