Grunderwerbsteuer | Zur Änderungsbefugnis beim einheitlichen Vertragswerk (FG)
Ist der Erwerber schon nach den im Grundstückskaufvertrag getroffenen Vereinbarungen in seiner Entscheidung über das Ob und Wie der Bebauung nicht mehr frei, ist der planmäßige nachfolgende Abschluss des Bauvertrages kein rückwirkendes Ereignis, dass zur Änderung der bestandskräftigen (vorbehaltlosen und nicht vorläufigen) Steuerfestsetzung nunmehr unter Einbeziehung der Baukosten berechtigt (; Revision anhängig).
Hintergrund: Ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs das zukünftig zu bebauende Grundstück, liegt nach der Rechtsprechung des BFH ein einheitlicher Erwerbsgegenstand bzw. ein sogenanntes einheitliches Vertragswerk vor. Dies hat zur Folge, dass die aus dem Werkvertrag für die Errichtung des Hauses geschuldete Vergütung zusätzlich zu der aus dem Kaufvertrag für den Erwerb des Grundstücks geschuldeten Vergütung als Gegenleistung für den Erwerb des (zukünftig bebauten) Grundstücks gesehen und als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuerfestsetzung zugrunde gelegt wird (s. NWB CAAAD-31885, m.w.N.).
Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:
Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung ist das Gericht davon überzeugt, dass Gegenstand des Erwerbsvorgangs im Streitfall das zukünftig zu bebauende Grundstück war, so dass die Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen waren.
Nach § 38 AO entstehen die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Im Streitfall ist die Steuer für den Erwerb des (zukünftig) bebauten Grundstücks mit Erteilung der zeitlich letzten Genehmigung entstanden.
Das FA hätte deshalb bereits aufgrund des notariellen Grundstückskaufvertrages die Grunderwerbsteuer sowohl auf den Kaufpreis für das Grundstück als auch auf die nach § 162 AO zu schätzenden voraussichtlichen Baukosten - gemäß § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, mindestens hinsichtlich der Höhe der Baukosten gemäß § 165 AO vorläufig - festsetzen müssen. Dies hat das FA im Streitfall jedoch erst nachträglich erkannt.
Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 AO darf ein Steuerbescheid, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur unter den in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO genannten Voraussetzungen aufgehoben oder geändert werden. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
Da die Steuer im Streitfall bereits mit Erhalt der Genehmigung für den notariellen Grundstückskaufvertrag auf den Erwerbsgegenstand „bebautes Grundstück“ entstanden war, hat der nachfolgende Abschluss des Bauvertrages keine Rückwirkung mit „steuerlicher Wirkung“ für die Vergangenheit mehr und stellt demzufolge kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.
Auch die Voraussetzungen einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO liegen nicht vor. Im Streitfall waren dem FA bereits bei Erlass der ursprünglichen Bescheide die Tatsachen bekannt, die das Vorliegen eines einheitlichen Vertragswerks und damit die Einbeziehung der voraussichtlichen Baukosten in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer belegen.
Anmerkung: Nach Ansicht des Finanzgerichts unterscheidet sich der zu beurteilende Sachverhalt von dem vom (Az. II NWB PAAAE-13313 entschiedenen Fall, in dem erst 19 Monate nach Abschluss des notariellen Grundstückskaufvertrages ein Generalunternehmervertrag geschlossen wurde und das FA vom Vorliegen der Voraussetzungen eines einheitlichen Vertragswerks erst aufgrund einer Außenprüfung Kenntnis erlangt hatte. Da das FA bei Erlass der ursprünglichen Steuerbescheide bereits dem Grunde nach fehlerhaft die voraussichtlichen Baukosten nicht einbezogen hätte, komme es – so das Finanzgerichts – auf den nachfolgenden Abschluss des Bauvertrages im Streitfall nicht mehr an. Dass die Kläger den Abschluss des Bauvertrages nicht angezeigt haben, sei ebenfalls unerheblich. Die Verletzung der Anzeigepflicht sei unerheblich, weil das FA von vornherein den Erwerbsgegenstand „bebautes Grundstück“ hätte besteuern müssen. Ebenfalls sei unerheblich, ob der Bauvertrag notariell hätte beurkundet werden müssen. Durch die Eintragung im Grundbuch seien etwaige Mängel geheilt.
Quelle: FG Niedersachsen online
Hinweis: Das Finanzgericht hat die Revision zum BFH zugelassen (BFH-Az. II R 19/15). Den Text der o.g. Entscheidung finden Sie auf den Internetseiten des Finanzgerichts. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.
Fundstelle(n):
EAAAF-47504