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Online-Nachricht - Mittwoch, 22.07.2015

Betriebsprüfung | Zeitreihenvergleich nur unter Einschränkungen zulässig (BFH)

Der BFH hat sich zu der Schätzungsmethode des Zeitreihenvergleichs geäußert. Hiernach ist der Zeitreihenvergleich nur unter bestimmten Einschränkungen zulässig. Gibt es sonst keine Anhaltspunkte für nichtverbuchte Einnahmen, sei der Zeitreihenvergleich i.d.R. nur bei erheblichen formellen Mängeln als Schätzungsmethode geeignet und außerdem i.d.R. nur dann, wenn auch im jeweiligen Fall praktizierbare andere Schätzungsmethoden (z.B. Geldverkehrsrechnungen) unverbuchte Einnahmen indizieren (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Beim Zeitreihenvergleich handelt es sich um eine mathematisch-statistische Verprobungsmethode, bei der die jährlichen Erlöse und Wareneinkäufe des Betriebs in kleine Einheiten - regelmäßig in Zeiträume von einer Woche - zerlegt werden. Für jede Woche wird sodann der Rohgewinnaufschlagsatz (das Verhältnis zwischen Erlösen und Einkäufen) ermittelt. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass der höchste Rohgewinnaufschlagsatz, der sich für einen beliebigen Zehn-Wochen-Zeitraum ergibt, auf das gesamte Jahr anzuwenden ist. Dadurch werden rechnerisch zumeist erhebliche Hinzuschätzungen zu den vom Steuerpflichtigen angegebenen Erlösen ausgewiesen.
Sachverhalt: Im Streitfall nahm das Finanzamt bei einem Gastwirt nicht unerhebliche Einnahmenhinzuschätzungen vor, deren Höhe es ausschließlich auf den Zeitreihenvergleich gestützt hat. Das Finanzamt sah sich zu der Hinzuschätzung berechtigt, weil die Buchführung formelle Mängel aufwies. Das Finanzgericht ist dem grds. gefolgt (s. NWB-Nachricht v. 17.9.2012). Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache zwecks weiterer Sachverhaltsfeststellungen zurückverwiesen.
Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs setzt voraus, dass im Betrieb das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Erlösen im betrachteten Zeitraum weitgehend konstant ist. Es darf zudem im maßgebenden Zeitraum nicht zu solchen Änderungen in der Betriebsstruktur gekommen sein, die - nicht anderweitig behebbare - wesentliche Unsicherheiten bei der Aufstellung und Interpretation des Zahlenwerks mit sich bringen.

  • Bei einer Buchführung, die formell ordnungsgemäß ist oder nur geringfügige formelle Mängel aufweist, kann der Nachweis der materiellen Unrichtigkeit gds. nicht allein aufgrund der Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs geführt werden.

  • Ist die Buchführung formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten der Einnahmenerfassung nicht konkret nachgewiesen, können die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs nur dann einen Anhaltspunkt für die Höhe der erforderlichen Hinzuschätzung bilden, wenn andere Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen, nicht sinnvoll einsetzbar sind.

  • Bei verbleibenden Zweifeln können Abschläge in einem Umfang geboten sein, der über eine bloße Abrundung hinausgeht.

  • Steht bereits aus anderen Gründen fest, dass die Buchführung sowohl formell als auch materiell unrichtig ist und übersteigt die nachgewiesene materielle Unrichtigkeit eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Bagatellschwelle, können die Ergebnisse eines - technisch korrekt durchgeführten - Zeitreihenvergleichs auch für die Ermittlung der erforderlichen Hinzuschätzung der Höhe nach herangezogen werden, sofern sich im Einzelfall keine andere Schätzungsmethode aufdrängt, die tendenziell zu genaueren Ergebnissen führt und mit vertretbarem Aufwand einsetzbar ist.

Quelle: NWB Datenbank
Anmerkung: In dieser Entscheidung hat sich der BFH erstmals – und dies äußerst intensiv und umfassend – mit dem Zeitreihenvergleich als Methode für die Begründung von Einnahmenzuschätzungen auseinandergesetzt. Der Senat hat die Schätzungsbefugnis für den Streitfall – die formellen Buchführungsmängel gewichtend – grds. bestätigt, äußert jedoch erhebliche Zweifel daran, ob sich die vorgenommenen Hinzuschätzungen ausschließlich auf den Zeitreihenvergleich stützen lassen. In diesem Zusammenhang hat der BFH ferner entschieden, dass beim Einsatz eines programmierbaren Kassensystems bereits das Fehlen der hierfür aufbewahrungspflichtigen Unterlagen (Betriebsanleitung, Programmierprotokolle) einen formellen Mangel der Buchführung darstellt, der grds. schon für sich genommen zu einer Hinzuschätzung berechtigt. Zur o.g. Entscheidung finden Sie auch einen aktuellen Beitrag im NWB-Experten-Blog.
 

Fundstelle(n):
QAAAF-47364