Umsatzsteuer | Überlassung von Operationsräumen an einen Operateur (BFH)
Überlässt ein Anästhesist, der ein "OP-Zentrum" betreibt, einem anderen Arzt Operationsräume nebst Ausstattung gegen Entgelt zur Durchführung von Operationen, an denen er selbst teilnimmt, ist die Raumüberlassung durch den Anästhesisten an den Operateur nicht als Heilbehandlung steuerfrei. Es kann insoweit aber eine einheitliche steuerfreie Heilbehandlungsleistung i.S. von § 4 Abs. 14 UStG des Anästhesisten gegenüber den Patienten oder ein steuerfreier mit dem Betrieb einer anderen Einrichtung eng verbundener Umsatz i.S. von § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG vorliegen (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind steuerfrei die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit (bis : i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker.
Sachverhalt: Die Klägerin ist freiberufliche Anästhesistin. Sie stellte in den Jahren 1999 bis 2004 anderen Ärzten ihre Operationsräume samt Ausstattung für ambulante Operationen, an denen sie selbst mitwirkte, zur Verfügung. Grundlage waren mündliche Verträge, wonach den Ärzten die (Mit-)Nutzung der Räume für die Durchführung der Operationen gestattet wurde. Hierfür erhielt sie von den Ärzten ein Entgelt, indem der jeweilige Operateur einen Anteil der Vergütung, den er von der Krankenkasse zur Abdeckung des Aufwandes für die Nutzung des OP-Raumes erhielt, an die Klägerin weiterleitete. Diese Entgelte erklärte die Klägerin als nicht steuerpflichtige Umsätze. FA und FG der ersten Instanz folgten dem nicht.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
§ 4 Nr. 14 Satz 1 UStG beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG, nach der "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden", steuerfrei sind.
Die Steuerbefreiung gilt nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. z.B. NWB IAAAE-59346 "Klinikum Dortmund", Rz 30, m.w.N.), der sich der BFH angeschlossen hat, für ärztliche Leistungen, die zu dem Zweck erbracht werden, die menschliche Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.
Danach sind steuerbefreite Heilbehandlungen Tätigkeiten, die zur Vorbeugung, Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Die befreiten Leistungen müssen der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung dienen (vgl. z.B. NWB NAAAE-09677).
So kann beispielsweise ein Laborarzt - auch gegenüber anderen Ärzten - steuerfreie Heilbehandlungsleistungen erbringen. Für die Steuerfreiheit kommt es nicht auf die Person des Leistungsempfängers an, da sich die personenbezogene Voraussetzung der Steuerfreiheit auf den Leistenden bezieht, der Träger eines ärztlichen oder arztähnlichen Berufs sein muss.
Dagegen stellt die bloße Überlassung von Praxisräumen nebst Ausstattung durch einen Arzt an andere Ärzte weder eine ärztliche noch eine arztähnliche Leistung dar (vgl. BFH, Beschlüsse v. - NWB GAAAB-36135, unter II.1.b sowie v. - NWB BAAAE-50845, Rz 9). Sie kann zwar einer Heilbehandlung dienen, ist selbst aber keine solche.
Nach diesen Grundsätzen kann aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht beurteilt werden, ob die streitbefangenen Leistungen der Klägerin nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerbefreit sind, etwa ob eine Steuerbefreiung der entgeltlichen "Überlassung" der Operationsräume nebst Ausstattung durch die Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Leistung in Betracht kommt (vgl. dazu NWB BAAAE-50845, Rz 12).
Anmerkung: Zwar ist das Urteil zu altem Recht ergangen. Ob eine ärztliche Heilbehandlung vorliegt, wird jedoch nach § 4 Nr. 14 UStG n.F. nicht anders beurteilt. Das FG wird nun durch Analyse der Vertragsverhältnisse zu prüfen haben, ob die klagende Anästhesistin möglicherweise (ungeachtet des internen Abrechnungsmodus) einheitliche Heilbehandlungen an die Patienten erbracht hat, die nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei wären. Überhaupt nicht geprüft hatte das FG, ob nach § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG a.F. steuerfreie Krankenhausleistungen vorliegen. Dies liegt nahe, wenn die nach altem Recht relevante 40 %-Grenze (Leistungen an Personen, die bei einem Träger der Sozialversicherung versichert sind) erfüllt ist. Nicht erörtert wurde, ob z.T. die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG anwendbar sein könnte und ob im Fall steuerpflichtiger Leistungen ein Vorsteuerabzug in Betracht kommt.
Quelle: NWB Datenbank
Fundstelle(n):
VAAAF-47251