Elektronische Einkommensteuererklärung | Korrektur bei schlichtem "Vergessen" (BFH)
Der BFH hat entschieden, dass das schlichte "Vergessen" des Übertrags selbst ermittelter Besteuerungsgrundlagen - im Urteilsfall ein Verlustbetrag - in die entsprechende Anlage zu einer elektronischen Einkommensteuererklärung nicht grundsätzlich als "grob fahrlässig" anzusehen ist. Danach könnten solche, die Steuerlast mindernden Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO auch dann noch berücksichtigt werden, wenn sie dem Finanzamt erst nach Bestandskraft der Steuerveranlagung mitgeteilt werden (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.
Sachverhalt: Der Kläger hatte im Jahr 2007 aus der Auflösung einer GmbH einen steuerlich berücksichtigungsfähigen Verlust erzielt, über den er seinen Steuerberater zutreffend informiert hatte. In den vom Berater gefertigten elektronischen Steuererklärungen fehlten jedoch Angaben zu diesem Verlust; denn obwohl der Berater den Verlustbetrag persönlich berechnet hatte, vergaß er, den ermittelten Betrag in das entsprechende Feld des EDV-Programms zu übertragen. Das Finanzamt, das somit von dem Verlust keine Kenntnis erlangte, veranlagte den Kläger erklärungsgemäß. Im Jahr 2011 beantragte der Kläger nachträglich, den Verlust noch zu berücksichtigen. Das Finanzamt lehnte dies ab. Auch wenn dem Kläger selbst im Streitfall kein schuldhaftes Handeln vorzuwerfen sei, so habe doch der steuerliche Berater des Klägers grob fahrlässig gehandelt, indem er den Übertrag des bereits berechneten Verlustbetrages in die entsprechende Anlage zur Einkommensteuererklärung schlicht "vergessen" habe.
Hierzu führte der BFH weiter aus:
Der Begriff des Verschuldens i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist bei elektronisch gefertigten Steuererklärungen in gleicher Weise auszulegen wie bei schriftlich gefertigten Erklärungen.
Allerdings sind Besonderheiten der elektronischen Steuererklärung hinsichtlich ihrer Übersichtlichkeit bei der notwendigen Beurteilung des "individuellen Verschuldens" des Steuerpflichtigen oder seines Beraters ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass am Computerbildschirm ein Überblick über die ausfüllbaren Felder der elektronischen Steuererklärung mitunter schwieriger zu erlangen ist, als in einer Steuererklärung in Papierform.
Gerade ein solches individuelles Fehlverhalten, für das das Finanzamt die Beweislast trägt, hat das Finanzgericht im Streitfall nicht festgestellt.
Die Nachlässigkeit, die im Streitfall dazu geführt hat, dass der Verlust erst nachträglich bekannt wurde, hat lediglich darin bestanden, dass der errechnete Verlustbetrag nicht in das elektronische Formular übertragen worden war. Darin liegt ein unbewusster, mechanischer Fehler, der jederzeit bei der Verwendung eines Steuerprogramms unterlaufen kann, welches den Finanzämtern die mechanische Erfassungsarbeit von Steuererklärungsdaten abnimmt.
Quellen: NWB Datenbank
Anmerkung: Bloße Übertragungs- oder Eingabefehler zählen nach Ansicht des BFH zu den Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss; sie seien jedenfalls dann nicht als grob fahrlässig zu werten, wenn sie selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind. Der BFH konnte im Streitfall mangels ausreichender Feststellungen der Vorinstanz aber nicht abschließend beurteilen, ob den steuerlichen Berater ein anderweitiges grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden trifft. Er hat den Rechtsstreit daher an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Fundstelle(n):
OAAAF-47249