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Online-Nachricht - Freitag, 12.06.2015

Einkommensteuer | Zum Mantelkauf als vermeintlichen Gestaltungsmissbrauch (FG)

Der entgeltliche Erwerb einer Gesellschafterforderung und einer Forderung eines Dritten gegen die GmbH durch die Ehefrau eines hälftigen Anteilserwerbers im Rahmen eines sog. Mantelkaufs ist nicht missbräuchlich. Gegenüber der Abtretung der Forderung stellt der entgeltliche Verzicht auf die Forderung keine angemessene, typische Gestaltung dar. Deshalb liegt in dem späteren Forderungsausgleich durch die GmbH auch keine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) auf Seiten des an der GmbH beteiligten Ehemanns (; Revision zugelassen).

Hintergrund: Eine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Eine vGA kann auch anzunehmen sein, wenn der Vorteil einer dem Gesellschafter nahe stehenden Person zugewendet wird.
Sachverhalt: 2002 veräußerte A einen Geschäftsanteil an einer GmbH an den Kläger zum Kaufpreis von 1 €. Nach der Anteilsveräußerung waren beide als Gesellschafter zu 50% beteiligt. Die Gesellschaft hatte ihren aktiven Geschäftsbetrieb bereits mit Wirkung zum eingestellt. Das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen war seinerzeit veräußert worden. Es bestanden lediglich Darlehensverbindlichkeiten gegenüber A und dessen Vater (B). Diese hatten zur Vermeidung einer Insolvenzantragspflicht den Rangrücktritt erklärt. Unmittelbar nach dem Erwerb des Geschäftsanteils wurde der Firmenname der GmbH umbenannt, der Gegenstand des Unternehmens neu definiert und der Kläger zum alleinigen Geschäftsführer berufen. Auf Geschäftsführer-Bezüge verzichtete der Kläger. Gleichzeitig verkauften und traten A und B ihre gegen die GmbH bestehende Darlehensforderungen an die Ehefrau des Klägers ab. Diese erklärte ebenfalls den Rangrücktritt. Des Weiteren veräußerte der Kläger sein Einzelunternehmen an die GmbH. Die GmbH erwirtschaftete damit ab 2003 erhebliche Gewinne. Infolge der bestehenden Verlustvorträge waren - zumindest bis Ende 2010 - keine Steuern zu leisten. Es wurden auch keine Gewinnausschüttungen beschlossen. Die Tilgung der Darlehen gegenüber der Klägerin erfolgte kontinuierlich ab 2003. Das Finanzamt bewertete die Tilgungen der Darlehnsverbindlichkeiten gegenüber der Klägerin, die über den Anschaffungspreis hinausgingen, später als vGA. Die gewählte Gestaltung diene hier einzig dem Zweck, den bei der GmbH bestehenden Verlustvortrag (im Wege des Mantelkaufs) ungeschmälert zu erhalten und gleichzeitig die - ursprünglich wertlosen - Forderungen durch eine dem Anteilserwerber nahestehende Person in ihrem Privatvermögen (d.h. außerhalb der steuerlich erheblichen Einkünfteerzielung) zum Nominalbetrag zu realisieren.
Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:

  • Das Finanzamt ist zu Unrecht von dem Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen (vGA) in den Streitjahren ausgegangen. Die Annahme einer vGA scheitert daran, dass die streitbefangenen Zahlungen nach Auffassung des erkennenden Senats keine Gewinnausschüttungen, sondern Darlehnsrückzahlungen waren.

  • Der von dem Finanzamt angenommene Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten ist hier nicht gegeben. Ein solcher liegt vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des angestrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Eine derartige unangemessene Gestaltung vermag der erkennende Senat vorliegend nicht auszumachen.

  • Das wirtschaftliche Ziel der Vertragsparteien lag vor allem darin, zum einen die GmbH von der im Falle ihrer (angestrebten) Gesundung drohenden Inanspruchnahme der nicht bzw. nur anteilig an der GmbH beteiligten Herren A und B zu entlasten (Sichtweise der Klägerin als nahestehende Person zum Kläger, dem neuem Mitgesellschafter der GmbH) und andererseits, aus der Sicht der Veräußerer der Forderungen, die aufgrund der bisherigen wirtschaftlichen Situation der GmbH als wertlos einzustufenden Darlehnsrückforderungen zumindest zu einem (geringen) Teil zu realisieren.

  • Bei einer derartigen Konstellation stehen grds. zwei Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung: einerseits der entgeltliche Verzicht der Herren A und B auf die Forderungen gegen die GmbH, zum anderen der entgeltliche Erwerb der Forderungen durch den Kläger als neuem Mitgesellschafter oder - wie geschehen - durch eine dem Kläger nahestehende Person, hier die Ehefrau.

  • Es steht dem Steuerpflichtigen im Grundsatz frei, seine Verhältnisse im Rahmen des rechtlich Zulässigen so einzurichten, dass sich für ihn eine möglichst geringe Steuerbelastung ergibt. Er kann deshalb von mehreren zur Verfügung stehenden rechtlichen Gestaltungsformen regelmäßig die für ihn steuerlich günstigste wählen.

Anmerkung: Das Finanzamt berief sich im Streitfall auf die Rechtsprechung des IV. Senats des NWB NAAAA-88963). Danach hätte es um sicherzustellen, dass die GmbH nicht mehr mit Forderungen Dritter belastet war, nicht der Abtretung der Forderungen bedurft. Vielmehr hätte, so der BFH in dem vorgenannten Urteil, dieser Zweck "in einfacherer Weise dadurch erreicht werden können …", dass der Forderungsinhaber gegen Zahlung des Betrages entsprechend dem Kaufvertrag auf seine Forderung gegen die GmbH verzichtet hätte. Dieser Auffassung vermochte sich das FG Schleswig-Holstein nicht anzuschließen. Sie würde voraussetzen, dass die Abtretung (§ 398 BGB) als Erfüllungsgeschäft des Kaufvertrages gegenüber dem Forderungsverzicht (§ 397 BGB "Erlass") "umständlich, kompliziert, schwerfällig bzw. gekünstelt" wäre. Für eine derartige Annahme bliebe der IV. Senat des BFH eine Begründung schuldig. Vielmehr sei, so das Finanzgericht, von einer grundsätzlich gleichwertigen Gestaltungsform auszugehen.
Quelle: NWB Datenbank
Hinweis: Das Finanzgericht hat im Hinblick auf die o.g. Abweichung von der Entscheidung des IV. Senats des BFH die Revision zuzulassen. Ein Revisionsaktenzeichen wurde noch nicht veröffentlicht.

Fundstelle(n):
ZAAAF-47199