Einkommensteuer | Entstrickungsbesteuerung verstößt nicht gegen Europarecht (EuGH)
Eine nationale Regelung, die im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat vorsieht, dass die mit diesen Wirtschaftsgütern verbundenen stillen Reserven aufgedeckt und besteuert werden, verstößt nicht gegen Europarecht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Steuer auf diese stillen Reserven auf zehn Jahre gestaffelt erhoben wird (; Verder LabTec).
Hintergrund: Das FG Düsseldorf hatte die Europarechtskonformität der sog. Entstrickungsklausel (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG) in Frage gestellt (s. NWB TAAAE-54228). Hintergrund des Rechtsstreits war die langjährige Rechtsprechung des BFH, wonach die Überführung von Einzelwirtschaftsgütern aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Freistellungs-Betriebsstätte zu einer gewinnverwirklichenden Entnahme führt. Diese sog. Theorie der finalen Entnahme hat der Gesetzgeber durch Schaffung eines Entstrickungstatbestands mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum (VZ) 2006 erstmals gesetzlich geregelt. Im Jahr 2008 hat der BFH seine Rechtsprechung aufgegeben. Daraufhin hat der Gesetzgeber die Entstrickungsklausel im Jahressteuergesetz 2010 – mit Rückwirkung – nachgebessert (§ 4 Abs. 1 Satz 4 i.V. mit § 52 Abs. 8b EStG n.F.).
Hierzu führt der EuGH weiter aus:
Vorliegend ist zwar eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit festzustellen. Diese ist jedoch aus unionsrechtlich anerkannten Gründen des Allgemeininteresses (hier der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis) objektiv gerechtfertigt.
Die im Ausgangsverfahren fragliche Steuerregelung erfasst die Überführung von Wirtschaftsgütern, deren Erträge in Deutschland von der Steuer befreit sind. Somit ist die Aufdeckung der mit den überführten Wirtschaftsgütern verbundenen stillen Reserven und ihre Besteuerung darauf gerichtet, die Besteuerung dieser stillen Reserven, die vor der Überführung im Rahmen der Steuerhoheit der Bundesrepublik Deutschland entstanden sind, sicherzustellen.
Die Besteuerung der Gewinne im Zusammenhang mit den genannten Wirtschaftsgütern, die nach einer solchen Überführung entstanden sind, ist Sache des anderen Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Betriebsstätte liegt.
Daher ist eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige geeignet, die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten zu gewährleisten.
Eine – wie im Ausgangsverfahren – auf zehn Jahre gestaffelte Erhebung der Steuer auf die stillen Reserven geht auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels (Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis) erforderlich ist. Sie ist daher als eine verhältnismäßige Maßnahme zur Erreichung dieses Ziels anzusehen.
Quelle: EuGH online
Hinweis: Den Text der o.g. Entscheidung finden Sie auf den Internetseiten des EuGH. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.
Fundstelle(n):
KAAAF-47126