Zivilrecht | Eis, Schnee und Glätte: So entschied das Gericht (Justiz NRW)
In drei "winterlichen" Verfahren des OLG Hamm ging es um die Schuldfrage bei Glätteunfällen und die Räum- und Streupflichten bei Schnee und Eis.
Sachverhalt 1: Eine Klägerin verlangte vom Inhaber einer Skihütte in Winterberg Schadensersatz, nachdem sie im Januar 2010 mit Skischuhen auf dem nassen Boden der Skihütte ausgerutscht war und sich beim Sturz verletzt hatte.
Die Schadensersatzklage hatte keinen Erfolg:
Die Klägerin hat mit einem nassen und auch glatten Boden in der Skihütte rechnen und sich darauf einstellen müssen.
Zur Nässe und Glätte hat es ohne Weiteres durch von anderen Personen in die Hütte hineingetragenen und dann auftauenden Schnee kommen können.
Deswegen hätte die Klägerin besonders vorsichtig gehen müssen, zumal die von ihr getragenen Skischuhe ihre Gehsicherheit möglicherweise noch eingeschränkt hätten.
Im Übrigen trifft die Klägerin auch ein Eigenverschulden an dem Unfall, das die Verantwortlichkeit des Hüttenbesitzers zurücktreten lässt. Sie ist nämlich nicht sofort beim Betreten der Hütte gestürzt, sondern hat die fragliche Bodenstelle vor ihrem Sturz bereits mehrfach betreten und daher die Rutschgefahr an dieser Stelle wahrnehmen und sich auf diese einstellen können.
Sachverhalt 2: Zu Fall kam auch eine Klägerin im Dezember 2009 gegen 9:40 Uhr und zwar auf dem eisglatten Zuweg vor einem Haus, in dem sie eine Mietwohnung bewohnte. Sie erlitt einen Oberschenkelhalsbruch.
Die Schadensersatzklage hatte teilweise Erfolg:
Die Klägerin hat - unter Berücksichtigung eines mit 1/3 zu bewertenden Mitverschuldens - einen Anspruch auf Zahlung von 7.000 € Schmerzensgeld und ca. 2.500 € als Haushaltsführungsschaden gegenüber den beklagten Hauseigentümern.
Die Beklagten sind als Eigentümer verkehrssicherungspflichtig und haben es versäumt, die Räum- und Streupflicht durch konkrete vertragliche Regelungen auf die Hausverwaltung oder die Mieter zu übertragen.
Die Erfüllung dieser Pflicht haben sie auch nicht hinreichend überwacht.
Als Zuweg vom Haus zum Bürgersteig hätte die Verkehrsfläche gestreut werden müssen.
Auch in zeitlicher Hinsicht hat eine Räum- und Streupflicht bestanden. Deren Beginn und Ende bestimmten sich zum Einen durch das Einsetzen und das Ende der allgemeinen Gefährdung durch die Glätte und zum Anderen durch die übliche Zeit des Verkehrs.
Bei entsprechender Witterung beginnt die Räum- und Streupflicht mit dem Einsetzen des Verkehrs, regelmäßig gegen 7:00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen gegen 9:00 Uhr und endet gegen 20:00 Uhr.
Sachverhalt 3: Der Kläger stürzte im Dezember 2010 auf einem vereisten Garagenvorplatz, der zur Wohnungseigentumsanlage der beklagten Eigentümergemeinschaft gehörte und vom Kläger - wie auch von anderen Fußgängern - betreten wurde, um die Kurve einer naheliegenden Straße nebst Bürgersteig abzukürzen.
Die Schadensersatzklage hatte keinen Erfolg:
Die Beklagte ist gegenüber dem Kläger nicht verkehrssicherungspflichtig gewesen.
Die auf dem Garagenvorplatz vorhandene Schnee- und Eisglätte hat der Kläger gut erkennen können.
Das mit ihr verbundene Gesundheitsrisiko ist nicht so groß und unkalkulierbar gewesen, dass schon aus diesem Grunde Sicherungsmaßnahmen geboten gewesen seien.
Der Kläger war auch nicht gezwungen, den nicht geräumten, privaten Vorplatz zu betreten.
Er hätte auf den öffentlichen Verkehrsflächen der nahen Straße bleiben können.
Auch wenn diese Flächen ebenfalls nicht geräumt gewesen wären, begründet dies keine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten.
Andernfalls würden die für öffentliche Flächen geltenden Verkehrssicherungspflichten auf private Grundstücksbesitzer "überbürdet", die zudem nicht vorhersehen können, wann sie eine auf diese Weise begründete "sekundäre" Verkehrssicherungspflicht trifft.
Quelle: Justizministerium Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung v.
Fundstelle(n):
BAAAF-46802